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2. Grundzüge einer Theorie öffentlicher Aufgabenwahrnehmung in Kleinstaaten

3.2 Überprüfung des Soll-Profils der Aufgabenwahrnehmung Im folgenden werden die Ausgaben-Hypothesen des Soll-Profils aus

3.2.5 Kultur und Freizeit

Bezüglich der Kulturförderung wurde in Punkt 2.4.2.1 folgende Erwar­

tung formuliert:

- Kulturförderung:

Im Bereich der Kultur ist aus der Diskussion um Infrastrukturein­

richtungen zu erwarten, dass permanente Theater oder Orchester von Kleinstaaten nicht unterhalten werden. Im übrigen wird der Klein­

staat zur Betonung seiner Identität verstärkt kulturelle Einrichtungen (Museum, Bibliothek) und ebenso den Bereich Sport (Einrichtungen, Veranstaltungen) fördern. Die Förderungsaktivitäten sollten aus die­

sen Motiven im Kleinstaat überdurchschnittlich hoch sein.

Der liechtensteinische Staat unterstützt eine Reihe von Kultureinrich­

tungen. In Form von selbständigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen werden die Landesbibliothek (1.18 Mio. CHF im Jahr 1995), das Lan­

desmuseum (0.6 Mio. CHF), die Staatliche Kunstsammlung (1,6 Mio.

CHF) und die Musikschule (2.6 Mio. CHF) geführt. Das Landesarchiv ist demgegenüber in den Landeshaushalt integriert (0.5 Mio. CHF).

Mit dem Theater am Kirchplatz (1.7 Mio. CHF) und dem Histori­

schen Verein (0.8 Mio. CHF) werden private Organisationen unterstützt (siiehe Abbildung 3.8). Die übrige Kulturförderung, der Denkmalschutz und archäologische Grabungen machen darüber hinaus knapp 3 Mio.

CHF (1995) aus.

Nachweis Kulturförderung: Der Vergleich der Nettobelastung aus der Kulturförderung fördert eklatante Unterschiede im Vergleich mit den Nachbarstaaten zutage (siehe Tabelle 3.13). Während für jeden Schwei­

zer Einwohner lediglich 186 CHF netto aufgewendet werden, beträgt dieser Wert in Liechtenstein 852 CHF, also das 4.5fache. Der Unter­

schied fällt bemerkenswerterweise bei den Gemeinden höher aus (das 5.5fache) als im Vergleich der übergeordneten Gebietskörperschaften (das 3.5fache).65

65 Eine kleine Verzerrung könnte sich dadurch ergeben, dass in Liechtenstein die Förde­

rung religiöser Organisationen (insb. der römisch-katholischen Kirche) einen besonde­

ren Stellenwert einnimmt. Allerdings erklärt die Kultusförderung nur einen kleinen Teil der obigen Differenz.

Kultur und Freizeit Abbildung 3.8: Förderung Kultur, Kultus, Sport

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Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände A Bereitstellung - Normen - Entscheidung

• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Im Vergleich zu den österreichischen Gebietskörperschaften Bund und Länder wird von der liechtensteinischen Landesebene immerhin das Doppelte ausgegeben (siehe Tabelle 3.13), während sich der Unterschied der Nettobelastung (mit 321 zu 187) auf das 1.7fache zurückbildet. Dies ist auch deshalb von Interesse, weil Osterreich eine besondere Tradition in diesem Bereich für sich in Anspruch nimmt.

Nachweis Sportförderung: In der Sportförderung ist die Landesebene in Liechtenstein (allerdings auf niedrigem Niveau) um das Fünffache ge­

genüber Bund und Kantonen der Schweiz stärker belastet (Nettobela­

stung von 106 gegenüber 22 CHF, Tabelle 3.13). Wenn allerdings die Ge­

meinden einbezogen werden,* unterschreitet Liechtenstein die Sportaus­

gaben beziehungsweise die Nettobelastung der Schweiz deutlich.

Einschätzung: Die Förderungen in den Bereichen Kultur und Sport waren zwar als überdurchschnittlich prognostiziert. Dies stimmt für den Bereich Kultur sowohl im Vergleich mit der Schweiz (das 4.5fache) als auch mit Österreich (das Doppelte) uneingeschränkt, doch überrascht das Ausmass der Aufwendungen (der Nettobelastung) Liechtensteins.

Dagegen muss die Hypothese bei der Sportförderung verworfen wer­

den, weil alle liechtensteinischen Gebietskörperschaften zusammen we­

niger als die schweizerischen ausgeben. Sportförderung ist in der Schweiz vor allem ein Anliegen der Gemeinden.

Tabelle 3.13

Kulturförderung Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 999 852 395 321

Schweiz 203 186 99 91

Osterreich 200 187

Index (CH = 100) 492 458 399 353

Relation 5 zu 1 4.5 zu 1 4 zu 1 3.5 zu 1

Sportförderung Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 106 103 106 106

Schweiz 135 115 32 22

Index (CH = 100) 79 90 331 482

Relation 0.8 zu 1 0.9 zu 1 3.5 zu 1 5 zu 1

Quelle: Auszug aus Tabelle 3.1 bzw. 3.2 (Beträge in CHF pro Einw., 1995).

3.2.6 Gesundheitswesen

Für das Gesundheitswesen wurde in Punkt 2.4.2.1 folgende Erwartung formuliert:

Im Gesundheitswesen ist es wahrscheinlich, dass bedeutsame sta­

tionäre Einrichtungen aufgrund von Mindestgrössen nicht von Kleinstaaten betrieben werden. Dies gilt um so mehr, je spezieller und daher zentraler (in grösseren Städten) die entsprechenden Ab­

teilungen im Verbund mit (Universitäts-)Kliniken üblicherweise verortet werden. Für eine eigene Wahrnehmung von Teilaufgaben spricht die identitätsstiftende Funktion eines Allgemeinen Kranken­

hauses.

Da die Ausgabenbelastung der Gebietskörperschaften massgeblich davon abhängt, wie das System der Krankenversicherung und dessen Leistungen konstruiert sind und inwieweit die Patienten zur Finan­

zierung herangezogen werden (Selbstbehalte, Privatversicherung), kann a priori über die relative budgetäre Belastung der Gebietskör­

perschaften keine Aussage getroffen werden.

Gesundheitswesen Abbildung 3.9: Krankenanstalten

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Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände A Bereitstellung - Normen - Entscheidung

• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Allerdings ist bezüglich der Gesundheitsverwaltung (Gesundheits­

polizei, Lebensmittelkontrolle) zu erwarten, dass bei entsprechender eigenständiger Erfüllung dieser Aufgaben die Ausgaben im Kleinstaat leicht überdurchschnittlich ausfallen.

Tatsächlich besteht in Liechtenstein ein eigenes Krankenhaus (KH Vaduz, siehe Abbildung 3.9), obwohl das Einzugsgebiet mit 30 000 Einwohnern als recht klein einzustufen ist. 26 161 Krankentage wurden 1995 am KH Vaduz gezählt, während 20 359 Krankentage an ausländischen Vertrags­

spitälern anfielen (siehe Rechenschaftsbericht des Landes 1995). Sowohl für in- als auch für ausländische stationäre Leistungen entrichten die Kran­

kenkassen entsprechende Heilanstaltskosten. Darüber hinaus leistet der Landeshaushalt Defizitbeiträge an die Vertragsspitäler.66

Nachweis Gesundheitswesen (Krankenanstalten, sonstiges): Während die Ausgabenbelastung der Schweizer Gebietskörperschaften pro Kopf beträchtlich über jener der Liechtensteiner liegt (1875 CHF vs. 280 CHF, siehe Tabelle 3.14), reduziert sich dieser Abstand bei Berück­

sichtigung der Einnahmen auf das Doppelte (560 CHF zu 280 CHF).

Die Nettobelastung aus sonstigen Aktivitäten im Gesundheitswesen bleibt relativ bescheiden: 123 (Schweiz) zu 69 CHF (Liechtenstein) (siehe Tabelle 3.2).

66 Vgl. im Detail die Fallstudie im Abschnitt 4.4.

Tabelle 3.14

Krankenanstalten Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 280 280 280 280

Schweiz 1 875 560 1 138 503

Index (CH = 100) 15 50 25 56

Relation 0.15 zu 1 0.5 zu 1 0.25 zu 1 0.6 zu 1

Krankenanstalten inkl. Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Krankenversicherung

Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 906 906 906 906

Schweiz 2 181 860 1 432 792

Index (CH = 100) 42 105 63 114

Relation 0.4 zu 1 1 zu 1 0.6 zu 1 1.1 zu 1

Quelle: Auszug aus Tabelle 3.1 bzw. 3.2 (Beträge in CHF pro Einw., 1995).

Die Gesamtbelastung der Gebietskörperschaften hängt darüber hin­

aus von der Höhe des Zuschusses in die Krankenversicherung ab. Wird dieser Zuschuss einbezogen (siehe Tabelle 3.14.), so verringern sich die Unterschiede zusehends. Letztlich differiert die Nettobelastung kaum noch. Beim Zuschuss zur Krankenversicherung werden in Liechtenstein 626 CHF und in der Schweiz 300 CHF pro Kopf ausgegeben.

Einschätzung: Das Ergebnis, wonach die Belastung der Gebietskör­

perschaften aus (zum Teil ausländischen) Krankenanstalten selbst we­

sentlich geringer ausfällt, während die Belastung aus der Krankenversi­

cherung, die im wesentlichen aus den Regelungen des liechtensteinischen KVG resultiert, relativ hoch ist, erscheint bemerkenswert und bedarf einer weiteren Analyse (siehe Fallstudie Gesundheitswesen in Teil 4.4).

Die Erwartung, wonach die Krankenversicherung in Liechtenstein gleich hohe oder wegen der noch jüngeren Bevölkerung leicht niedrigere Ausgaben als in der Schweiz verursacht, lässt sich somit nicht aufrecht erhalten.

Soziale Wohlfahrt 3.2.7 Soziale Wohlfahrt

Nach der Präsentation des Soll-Profils für das Sozialwesen werden zu­

erst einige institutionelle Aspekte dieses Aufgabenbereichs kurz vorge­

stellt.67 Die Behandlung dieses Bereichs stellt zum einen auf die Betreu­

ung von Liechtensteiner Einwohnern in darauf spezialisierten Institu­

tionen ab: Alten- und Pflegeheimen (3.2.7.1), sozialpsychiatrischen Einrichtungen (3.2.7.2). Zum anderen werden Fürsorgeinstanzen wie die Sozial- und Jugendhilfe vorgestellt (3.2.7.3, 3.2.7.4). Zur sozialen Wohlfahrt zählt hier auch der soziale Wohnbau (Punkt 3.2.7.5).

Für das Sozialwesen wurde in Punkt 2.4.2.1 folgende Erwartung for­

muliert:

Im Sozialwesen hängt die Ausgabenbelastung der Gebietskörper­

schaften massgeblich von der Ausgestaltung des Sozialversicherungs­

systems (Alter, Unfall, Arbeitslosigkeit) und dessen Leistungen ab.

Da Liechtenstein bei diesen Sozialversicherungswerken im wesent­

lichen vom Schweizer System mitversorgt wird, ist eine leicht unter­

proportionale Nettobelastung zu erwarten.

Teilaufgaben können von Gemeinden, Non-Profit-Organisationen und privaten Haushalten übernommen werden. Das Ausland wird spezialisierte Aufgaben (sozialpsychiatrische Betreuung) überneh­

men. Da hier viele Varianten denkbar sind, lässt sich über die relative Ausgabenbelastung a priori keine Hypothese aufstellen.

3.2.7.1 Alten- und Pflegeheime

In der stationären Betreuung pflegebedürftiger Menschen hat sich in Liechtenstein eine vielgestaltige Struktur entwickelt: Einzelne Gemein­

den, ein Gemeindeverband und eine landesweite Stiftung betreiben der­

zeit Alters- und Pflegeheime (siehe Abbildung 3.10). Die Finanzierung der nicht durch Eigenbeiträge der Heimbewohner gedeckten Ausgaben erfolgt über die Sozialhilfe, die zwischen Land und Gemeinden geteilt wird. Investitionen (Gebäude, Ausstattungen) werden vom Land mit 30 Prozent unterstützt (SubvG 1991, Anhang).

67 Das Sozialwesen wird im Rahmen einer Fallstudie im 4. Kapitel im Detail untersucht (siehe Abschnitt 4.2).

Abbildung 3.10: Betreuung Pflegebedürftiger

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• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Abbildung 3.11: Sozialpsychiatrische Betreuung

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• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

3.2.7.2 Sozialpsychiatrische Betreuung

Die stationäre sozialpsychiatrische Betreuung Liechtensteiner Bewoh­

ner erfolgte bis vor kurzem in ausländischen Vertragsspitälern (siehe Abbildung 3.11). Die Finanzierung übernehmen die Krankenkassen und das Land. In den letzten Jahren wurden Initiativen gesetzt, die stationäre Betreuung zum Teil nach Liechtenstein zu verlagern (Verein für

Betreu-Soziale Wohlfahrt Abbildung 3.12: Sozialhilfe

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• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

tes Wohnen etc.). Die Finanzierung dieser Einrichtungen erfolgt über die Sozialhilfe, die zwischen Land und Gemeinden geteilt wird.

3.2.7.3 Sozialhilfe

Traditionell sind die Gemeinden Träger der Fürsorge (Art. 110 Abs. 2 lit. c i.V.m. Art. 25 Verf.) und deshalb für das öffentliche Armenwesen zuständig.68 Nach den Bestimmungen des Sozialhilfegesetzes haben sie als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises für die fürsorgebedürftigen Einwohner der Gemeinde zu sorgen und haben über die widmungs-gemässe Verwendung des Armenfonds zu wachen.

Diese gesetzlichen Bestimmungen geben allerdings ein falsches Bild der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung. De facto vergibt das staatli­

che Amt für Soziale Dienste Sozialhilfe an hilfsbedürftige Einwohner und bietet parallel ambulante therapeutische Dienste an. Die Gemeinden sind zwar pro forma über die Gemeindefürsorgekommissionen in die Entscheidung eingebunden, dies stellt allerdings eher einen Anachronis­

mus dar. Jedenfalls wird die Finanzierung der Sozialhilfe zwischen Land und Gemeinden geteilt (siehe Abschnitt 4.2.).

68 Die Bereiche, in denen vorwiegend Geldleistungen an Individuen vergeben werden, werden in die Abhandlung aufgenommen, weil die Finanzierung zwischen mehreren Institutionen geteilt ist. In Abschnitt 4.2 wird gesondert auf diese Problematik einge­

gangen.

Abbildung 3.13: Jugendhilfe

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• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

3.2.7.4 Jugendschutz, Jugendhilfe

Im Rahmen des Jugendschutzes werden potentielle Gefahrenquellen für das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen über Schutzbestim­

mungen reduziert. Daneben werden im Rahmen der Jugendhilfe diverse Hilfestellungen für Kinder und Jugendliche angeboten. Die Massnah­

men reichen bis zur Förderung von Vereinen und Jugendzentren (siehe Abschnitt 4.3). Die Finanzierung wird - analog zur Sozialhilfe - zwi­

schen dem Land und den Gemeinden pari geteilt.

3.2.7.5 Wohnbau

In Punkt 2.4.2.1 wurde folgende Erwartung zur Wohnbauförderung formuliert:

- Wohnbauförderung:

Aus der Funktion an sich und dem hohen Einkommensniveau in Liechtenstein ergeben sich im Bereich der Förderung des (sozialen) Wohnbaus keinerlei Anhaltspunkte, die relative Mehr- oder Minder­

ausgaben erwarten Hessen. Aus (branchen-)politischen Motiven und aufgrund der Besonderheiten des politischen Prozesses könnte aller­

dings in Liechtenstein mit leicht überproportionalen Ausgaben für den sozialen Wohnbau gerechnet werden.

Soziale Wohlfahrt Abbildung 3.14: Wohnbauförderung

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Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände A Bereitstellung - Normen - Entscheidung

• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Der liechtensteinische Staat vergibt gemäss den Bestimmungen des Wohnbauförderungsgesetzes Darlehen, die den Antragstellern zinsgün­

stig langfristig zur Verfügung gestellt werden.

3.2.7.6 Vergleich der Ausgabenbelastung im Sozialwesen

Nachweis Sozialversicherungen: Aus der Sozialversicherung (ohne Krankenversicherung) ist der liechtensteinische Landeshaushalt geringer belastet als die Schweizer Gebietskörperschaften (siehe Tabelle 3.15).

Dies gilt sowohl für die Altersversicherung (Nettobelastung: 439 zu 679 CHF, siehe Tabelle 3.2) als auch für die Invalidenversicherung (330 zu 468 CHF). Lediglich bei den sonstigen Sozialversicherungen (Arbeits­

losigkeit) ist das Verhältnis recht ausgewogen: 349 (FL) zu 319 CHF (CH). Damit liegt Liechtenstein mit rund 64 Prozent der Ausgaben der Schweiz bei der Altersversicherung und 70 Prozent der Ausgaben bei der Invalidenversicherung deutlich unter den Schweizer Werten, während bei den sonstigen Sozialversicherungen (Arbeitslosigkeit) in Liechtenstein rund zehn Prozent mehr als in der Schweiz ausgegeben wird.

Nachweis Sozialhilfe: Im Bereich der Sozialhilfe (Fürsorge) gibt es unterschiedliche Regelungen, abhängig von der Einbeziehung der Ge­

meinden. Im Vergleich der übergeordneten Gebietskörperschaften sind Bund/Kantone der Schweiz netto deutlich stärker belastet (286 zu 197

CHF, siehe rechts in Tabelle 3.15). Bei Berücksichtigung der Gemeinden dreht sich das Bild: 446 zu 605 CHF. Die liechtensteinischen Gemeinden tragen also vergleichsweise beträchtliche Sozialhilfeausgaben. Insgesamt liegen die Ausgaben um das 1.1 fache, die Nettobelastung aller Gebiets­

körperschaften in Liechtenstein um das 1.3fache über den Werten der Schweiz.

Nachweis Wohnbauförderung: Eklatant unterschiedlich ist das Ver­

hältnis der Nettobelastung aus dem sozialen Wohnungsbau: Während die schweizerischen Gebietskörperschaften lediglich 45 CHF netto auf­

wenden, liegt dieser Wert in Liechtenstein um das 12fache höher (518 CHF, Tabelle 3.15). Handelt es sich dabei um einen Ausreisser? 1992 er­

gibt sich ein Wert von 497 CHF (das lOfache der Schweizer Nettobela­

stung), 1993 von 580 CHF (das 12fache) und 1994 von 293 (das 6fache).69 Insgesamt dürfte also im Durchschnitt von einer um den Faktor 8 höhe­

ren Nettobelastung auszugehen sein. Gemessen am Nachbarn Osterreich mit seiner an keinem erkennbaren Verteilungsziel ausgerichteten Wohn-bauförderungspolitik relativiert sich der Befund: Liechtenstein liegt

"nur" um 20 Prozent über den Werten Österreichs (vgl. Tabelle 3.3).

Nachweis Sozialwesen (gesamt, Osterreich): Einen der (wenn nicht den) herausragenden Ausgabenschwerpunkt(e) der österreichischen Budgets bildet die soziale Wohlfahrt. Trotzdem reicht (überraschender­

weise) die Nettobelastung nicht an jene Liechtensteins heran (1665 zu 2026 CHF pro Einwohner in der VGR-Abgrenzung, siehe Tabelle 3.3).

Damit liegt Liechtenstein mit seinen Sozialausgaben um über 20 Prozent über jenen des ausgebauten Wohlfahrtsstaates Österreich.

Einschätzung: Die Belastung von Liechtenstein aus der Alters- und Invalidenversicherung liegt nur bei rund zwei Dritteln jener der Schweiz, während jene in der Arbeitslosenversicherung (gegen die Er­

wartungen) leicht überdurchschnittlich ist. Bei ähnlichen institutionel­

len Regelungen dürfte die prosperierende Wirtschaft Liechtensteins und die vergleichsweise jüngere Bevölkerung ein höheres Beitragsaufkom­

men erarbeiten beziehungsweise geringere Auszahlungen erfordern, wodurch die Staatsbeiträge relativ gering bleiben können. Für diese In­

terpretation sprechen auch die hohen Reserven der liechtensteinischen Sozialversicherungsanstalten (siehe Rechenschaftsberichte der Regie­

rung). Uber die gesamte Sozialversicherung (ohne

Krankenversiche-69 Rechenschaftsbericht der Regierung für das Jahr 1995.

Tabelle 3.15

Soziale Wohlfahrt

Sozialversicherung (ohne Krankenvers.)

Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Sozialversicherung

(ohne Krankenvers.)

Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 1 118 1 118 1 118 1 118

Schweiz 1 571 1 467 1 431 1 332

Index (CH = 100) 71 76 78 84

Relation 0.7 zu 1 0.8 zu 1 0.8 zu 1 0.8 zu 1

Sozialhilfe Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 696 605 197 197

Schweiz 601 446 330 286

Index (CH = 100) 116 136 60 69

Relation 1.1 zu 1 1.3 zu 1 0.6 zu 1 0.7 zu 1

Sozialer Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Wohnungsbau

Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 736 518 736 518

Schweiz 75 45 55 43

Index (CH = 100) 981 1 151 1 338 1 205

Relation 10 zu 1 12 zu 1 13 zu 1 12 zu 1

Quelle: Auszug aus Tabelle 3.1 bzw. 3.2 (Beträge in CHF pro Einw., 1995).

Tabelle 3.16

Soziale Wohlfahrt Land vs. Bund/Länder

Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 2 026 2 026

Osterreich 3 453 1 665

Relation 0.6 zu 1 1.2 zu 1

Quelle: Auszug aus Tabelle 3.3 (Beträge in CHF pro Einw., 1995).

rung) hinweg betrachtet, liegen die Ausgaben beziehungsweise die Net­

tobelastung in diesem Bereich um rund ein Fünftel unterhalb jenen der Schweiz. Die Wohnbauförderung von Liechtenstein liegt im Mehrjah­

resvergleich mindestens um das 8fache über jener der Schweiz.

Was die anderen Aufgabenbereiche betrifft, so war insbesondere die überdeutliche relative Bevorzugung der Förderung des sozialen Wohn­

baus in Liechtenstein in dieser Weise keineswegs zu erwarten. Die Sozialhilfeausgaben liegen um rund 30 Prozent über jener der Schweiz.

3.2.8 Verkehr

Zum Verkehr wurde in Punkt 2.4.2.1 folgende Erwartung formuliert:

Beim Bau und der Erhaltung des niederrangigen Verkehrsnetzes (Ge­

meinde-, Kantonsstrassen) sind - abgesehen von topographischen und geologischen Gegebenheiten - keine Ausgabenunterschiede zu erwarten. Ein Kleinstaat kann, muss aber nicht über ein hochrangiges Verkehrsnetz (Autobahnen, Bahnverbindung) verfügen. Sollte der Kleinstaat durch Nachbarstaaten an das hochrangige Verkehrsnetz angebunden sein, ohne dass dies aus öffentlichen Mitteln abgegolten werden muss, so können deutliche Ersparnisse des Kleinstaates er­

wartet werden.

Die institutionelle Aufgabenverteilung im Bereich Verkehr ist den Abbildungen 3.15 und 3.16 zu entnehmen.

Nachweis hochrangiges Verkehrsnetz (Nationalstrassen): Den 282 CHF, die die Schweiz pro Einwohner netto für Nationalstrassen auf­

bringen muss, steht in Liechtenstein nichts Vergleichbares gegenüber (siehe Tabelle 3.17).

Nachweis niederrangiges Verkehrsnetz (Kantons- beziehungsweise Landesstrassen): Bezüglich der in Liechtenstein befindlichen Strassen wird die Kompetenz zwischen Land (Landesstrassen) und Gemeinden (Gemeindestrassen) aufgeteilt (siehe Abbildung 3.15). Was die Landes­

strassen betrifft, so ergab sich für den Liechtensteiner Landeshaushalt eine um mehr als das Doppelte höhere Nettobelastung (439 zu 202 CHF, siehe Tabelle 3.17).70 Uber den gesamten öffentlichen Sektor hinweg be­

trachtet, liegt die Nettobelastung um rund das Doppelte höher als in der Schweiz. Obwohl Liechtenstein keine Autobahnen zu bauen oder zu betreiben hat, liegen seine Strassenausgaben um über ein Drittel über den Ausgaben in Österreich im Bereich Strassen (Tabelle 3.3).

70 Die Projektierungen (Investitionsrechnung des Liechtensteiner Landeshaushalts) für die Jahre 1994 und 1995 zeigen, dass es sich dabei nicht um einen "Ausreisser" handelt.

Verkehr

Abbildung 3.15: Bau und Erhaltung von Landes- und Gemeindestrassen

. Private Organisationen Land (SV) Ausland

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Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände A Bereitstellung - Nonnen - Entscheidung

• Durchführung - Vollzug - Produktion O Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Abbildung 3.16: Öffentlicher Verkehr

Private Organisationen Land (SV) Ausland

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• PTT

Unternehmen, Haushalte Gemeinden Gemeindeverbände A Bereitstellung - Normen - Entscheidung

10 Durchführung - Vollzug - Produktion

© Finanzierung - Betrieb (Abgang) - Investitionen

Nachweis niederrangiges Verkehrsnetz (Gemeindestrassen): Ein ähn­

liches Bild ergibt sich bezüglich der Gemeindestrassen. Auch hier sind die liechtensteinischen Gemeinden deutlich stärker belastet (siehe Ta­

belle 3.17).

Nachweis öffentlicher Verkehr: Dem Liechtensteiner Landeshaushalt bleibt die Belastung aus den Bundesbahnen erspart: 329 CHF pro Ein­

wohner werden durch den Schweizer Bund getragen (siehe Tab 3.17).

Tabelle 3.17

Nationalstrassen Land vs. Bund/Kantone

Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 0 0

Schweiz 321 282

Index (CH = 100) 0 0

Relation 1 z u ? 1 z u ?

Kantons- bzw. Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Landesstrassen

Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 460 439 460 439

Schweiz 264 213 253 202

Index (CH = 100) 174 206 182 217

Relation 1.7 zu 1 2 zu 1 1.8 zu 1 2.2 zu 1

Gemeindestrassen Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 656 439 0 0

Schweiz 313 249 18 11

Index (CH = 100) 210 176 0 0

Relation 2.1 zu 1 1.8 zu 1

Regionalverkehr Alle Gebietskörperschaften Land vs. Bund/Kantone Ausgaben Nettobelastung Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 377 289 377 289

Schweiz 287 213 202 194

Index (CH = 100) 131 136 187 149

Relation 1.3 zu 1 1.4 zu 1 1.9 zu 1 1.5 zu 1

Bundesbahnen Land vs. Bund/Kantone

Ausgaben Nettobelastung

Liechtenstein 0 0

Schweiz 338 329

Index (CH = 100) 0 0

Relation 1 z u ? 1 zu ?

Quelle: Auszug aus Tabelle 3.1 bzw. 3.2 (Beträge in CHF pro Einw., 1995).

Umwelt, Raumordnung

Hingegen lässt sich eine durchaus vergleichbare Aufgabenstellung hin­

sichtlich des Regionalverkehrs feststellen, der in Liechtenstein von der PTT betrieben wird (siehe Abbildung 3.17). Die Nettobelastung der Schweizer Gebietskörperschaften liegt dabei rund ein Drittel unter jener des Liechtensteiner Landeshaushalts (aus den Postautokursen): 194 zu 289 CHF (Tabelle 3.17).

Einschätzung zum Verkehr: Bezüglich des (der) Strassenbaus (-erhal-tung) ergeben sich einige interessante Resultate: Während der Kleinstaat Liechtenstein erwartungsgemäss für Nationalstrassen und Bundesbah­

nen nichts aufzuwenden hat, fällt die Nettobelastung bei Landes- bezie­

hungsweise Gemeindestrassen fast doppelt beziehungsweise doppelt so hoch aus wie in der Schweiz und um ein Drittel höher als in Osterreich.

Hier dürften die hohen Gestehungskosten im Tiefbau und in der Erhal­

tung einen wichtigen Erklärungsbeitrag liefern, was auf eine geringe Wettbewerbsintensität in diesem Bereich schliessen lässt. Auch die um ein Drittel höhere Nettobelastung Liechtensteins im Regionalverkehr kommt unerwartet.