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Der Verfassungstext und seine Interpretation a. Die Entstehungsgeschichte

Im Dokument CM Gerichtsentscheide (Seite 49-55)

Die erste Bestimmung über die Altersvorsorge fand Eingang in die Bun-desverfassung mit der Annahme von Artikel 34quater (mit Art. 41ter) durch Volk und Stände anlässlich der Abstimmung vom 6. Dezember 1925 bei einem Stimmenverhältnis von 2 : 1. Die Umsetzung in Gesetzesrecht und damit die Einführung der staatlichen Versicherung scheiterte, als die «Lex Schuithess» in der Volksabstimmung vom 6. Dezember 1931 verworfen wurde. Auch gegen das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenen-versicherung vom 20. Dezember 1946 wurde das Referendum ergriffen, doch lautete diesmal das Ergebnis im Verhältnis von 4 : 1 positiv, so dass die staatliche AHV auf den 1. Januar 1948 wirksam wurde. Das Bundes-gesetz über die Invalidenversicherung folgte am 19. Juni 1959 und trat auf den 1. Januar 1960 in Kraft. Die verschiedenen Änderungen dieser Gesetze und die Erweiterung des Systems durch die Ergänzungsleistungen brauchen nicht im einzelnen dargestellt zu werden, denn die Entstehungsgeschichte der Ersten Säule ist hier nur insoweit von Bedeutung, als daraus Rück-schlüsse auf die Tragweite der Verfassungsbestimmungen über die berufliche Vorsorge gezogen werden können. Dabei verdient der Umstand Beachtung, dass der Bundesgesetzgeber durch die Verfassungsänderung vom 6. Dezem-ber 1925 den Auftrag (und nicht nur die Ermächtigung) erhielt, die AHV einzuführen, was aber erst auf den 1. Januar 1948, also 22 Jahre später, tat-sächlich geschah.

Die berufliche Vorsorge nimmt zwar im System nach dem «Drei-Säulen Prinzip», wie es der Bundesrat erstmals in der Botschaft zur sechsten AHV-Revision umschrieben hat (BB1 1963 II 520), den Platz 2 ein, ist aber be-kanntlich erheblich älter als die staatliche Versicherung. Sie wurde indessen nicht durch Gesetz, sondern auf rechtsgeschäftlichem Wege geschaffen. Spe-zielle Bestimmungen darüber fanden zunächst Eingang ins Gesellschafts-recht (Art. 673 und 862 OR). Durch Bundesgesetz vom 21. März 1958 wur-den dann die diesbezüglichen Vorschriften von Artikel 89bis ZGB und Arti-kel 343bis OR erlassen. Die Revision des Arbeitsvertragsrechts durch Bun-desgesetz vom 25. Juni 1971 führte zu einer Neuordnung des Fragenkreises im revidierten Artikel 89bis ZGB und in den neuen Artikeln 331-331 c OR mit einer besondern Übergangsregelung und der erneuten Revision von Artikel 331 c durch Bundesgesetz vom 25. Juni 1976. In seinem Bericht vom 2. September 1970 (Ziff. 5) schloss sich der Bundesrat den Feststel-lungen und Vorschlägen der Expertenkommission (festgehalten in ihrem Bericht vom 16. Juli 1970) an und erklärte: «Wir teilen vor allem die Auf-fassung, dass nur mit Hilfe eines Obligatoriums für Arbeitnehmer die Zweite 356

Säule der Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge in naher Zukunft tragfähig gemacht und die bestehenden Lücken geschlossen werden können.»

Die individuelle Vorsorge als älteste der drei Säulen bedient sich der klas-sischen Mittel des Privatrechts mit Einschluss des Versicherungsrechts und bedarf in diesem Zusammenhang keiner näheren Erläuterung.

Die geltenden Bestimmungen von Artikel 34quater der Bundesverfassung (BV) und Artikel 11 der tJbergangsbestimmungen zur BV sind in der Ab-stimmung vom 3. Dezember 1972 von der Mehrheit des Volkes (1 393 797 418 018) und von allen Ständen angenommen worden. Sie bildeten formell den Gegenvorschlag der Bundesversammlung zur «Eidgenössischen Initiative für eine wirkliche Volkspension», die von der Partei der Arbeit am 2. De-zember 1969 mit 58 085 gültigen Unterschriften eingereicht worden war und in der Volksabstimmung im Verhältnis 1 : 5 bei Ablehnung durch alle Kantone verworfen wurde. Dieses Volksbegehren stand indessen nicht als einziges zur Diskussion. Vielmehr hatten die Sozialdemokratische Partei am 18. März 1970 die «Eidgenössische Volksinitiative für die Einführung der Volkspension» mit 81 708 gültigen Unterschriften und ein überparteili-ches Komitee die «Eidgenössische Volksinitiative für eine zeitgemässe Al-ters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge» mit 139 131 gültigen Unter-schriften eingereicht. Diese beiden Initiativen wurden nach Annahme des Gegenvorschlags der Bundesversammlung, den sie beeinflusst hatten, zurück-gezogen. Bei der Interpretation von Artikel 34quater BV und Artikel 11 der Übergangsbestimmungen zur BV darf dieser Zusammenhang nicht ausser acht gelassen werden.

Die unmittelbare Grundlage für die heutigen Artikel 34quater BV und Artikel 11 Übergangsbestimmungen BV bildeten demgemäss

- der Bericht des Bundsrates an die Bundesversammlung zur Förderung der beruflichen Alters-, Invaliden- und Hinterlassenenvorsorge vom 2. September 1970 mit dem Expertenbericht vom 16. Juli 1970 (BBl 1970 II 557),

- die Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf betreffend die Änderung der Bundesverfassung auf dem Gebiete der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge und Bericht über das Volksbegehren für eine wirkliche Volkspension vom 10. November 1971 (BBl 1971 111597),

- der Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volks-begehren für die Einführung der Volkspension vom 4. April 1973 (BBl 1973 11057),

- die Beratungen der Verfassungsvorlage in den Kommissionen sowie im Nationalrat (Amtl. Bull. 1972, S. 260, 324, insbes. 343 und 918) und im Ständerat (Amtl. Bull. 1972, S. 276, insbes. 290 und 463).

b. Der Verfassungstext

Die wichtigste unter den geltenden Verfassungsbestimmungen über die Zweite Säule bildet Artikel 34quater Absatz 3 BV mit dem Gesetzgebungs-auftrag, der sowohl hinsichtlich der Zielsetzung (1. Satz) als auch mit Bezug auf die Ausgestaltung (Bst. a—d) recht genau umschrieben wird. Hinzu kommen der Zusatz in Absatz 4, wonach der Bund dafür zu sorgen hat, dass sich auch die berufliche Vorsorge auf weite Sicht ihrem Zweck gemäss ent-wickeln kann, und die Ermächtigung zur Steuerbefreiung nach Absatz 5.

Ob all diesen recht detaillierten Bestimmungen darf die Grundoption für das Drei-Säulen-Prinzip in Absatz 1 nicht vergessen werden.

Intertemporale Bestimmungen zur beruflichen Vorsorge finden sich in Artikel 11 Absatz 2 Ubergangsbestimmungen BV. Sie betreffen ausschliess-lich die Eintrittsgeneration und richten sich nach ihrem Wortlaut gleich wie Artikel 34quater (insbes. Abs. 3) BV an den Gesetzgeber.

Zur Verdeutlichung des Inhalts des geltenden Rechts sei summarisch auf die Vorschläge hingewiesen, die in den drei Volksbegehren enthalten waren.

Nach der Initiative der Partei der Arbeit hätte der Bund eine rein staatliche Versicherung schaffen sollen mit Renten von 60 Prozent des früheren Ein-kommens bei einem Mindestansatz von 500 Franken und einem Höchst-betrag von 1000 Franken im Monat für Alleinstehende, wobei eine Index-klausel wirksam gewesen wäre. Die bestehenden Versicherungs-, Pensions-und Fürsorgekassen hätten ins eidgenössische Versicherungssystem einge-baut werden müssen. Die Sozialdemokratische Partei schlug eine Grund-versicherung und eine ZusatzGrund-versicherung vor, die zusammen Renten in der Höhe von wenigstens 60 Prozent des massgeblichen, nach oben be-grenzten Einkommens hätten verschaffen sollen. Vorsorgeeinrichtungen wä-ren unter bestimmten Voraussetzungen als Einrichtungen der Zusatzver-sicherung anzuerkennen gewesen. Die Initiative des überparteilichen Ko-mitees sah demgegenüber eine existenzsichernde staatliche Versicherung, eine betriebliche Vorsorge für jene Arbeitnehmer, denen die staatliche Ver-sicherung die angemessene Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung nicht erlaubt hätte, und die Selbstsorge vor. Bei Abweichungen in der Einzel-ausgestaltung war diese dritte Initiative ähnlich aufgebaut wie der in erster Linie auf dem Expertenbericht vom 16. Juli 1970 beruhende Gegenvor-schlag. Zur sozialdemokratischen Initiative stellte der Bundesrat nach An-nahme des neuen Verfassungsartikels fest: «Sie mag in dieser oder jener 358

Hinsicht zwingender sein als der jetzige Artikel 34quater; im Ergebnis ver-lieren die Unterschiede jedoch an Gewicht» (BBI 1973 11059).

c. Die A uslegungsmethoden und das A uslegungsbedürfnis

Bei historischer Interpretation der Verfassung wird nach der Tragweite gefragt, die einer Bestimmung bei ihrem Erlass gegeben wurde. Dieser Sinn ergibt sich aus der Vorlage der Regierung und der sie begleitenden Bot-schaft, aus der Parlamentsberatung und aus gleichzeitig in Beratung stehen-den Begehren, wenn diese Vorbild der neuen Norm waren oder wenn um-gekehrt bei der Wahl der Lösung bewusst von ihnen abgewichen wurde.

Dabei ist allerdings deutlich zwischen Text und Auslegung zu unterscheiden:

Aussagen in der Botschaft oder in der Parlamentsdebatte sind Auslegungs-hilfen, nicht Norminhalte; sie gehören damit nicht zum objektiven Recht, sondern tragen bei Wahl der historischen Auslegung dazu bei, den nähern Sinn einer Norm zu ergründen. Auch mit diesem Vorbehalt ist indessen die historische Methode umstritten.

Für diese Art der Auslegung spricht gerade bei Umsetzung der Ver-fassung in Gesetzesrecht der Umstand, dass zwei verschiedene Staatsorgane in die Ausübung der Rechtsetzungsfunktion einbezogen, dabei aber in ein Verhältnis der Über- und Unterordnung gestellt sind. Wenn so der Wille des Verfassungsgebers den Gesetzgeber bindet, liegt es nahe, diesen Willen durch historische Interpretation des Verfassungstextes genau zu ergründen oder, auf den Bund angewendet, zu ermitteln, was Volk und Stände mit der Zustimmung zur Verfassungsvorschrift im einzelnen wollten, um alsdann die Absicht unverfälscht zu verwirklichen. Dies würde nicht zutreffen, wenn die Legislative etwa einem unbestimmten Begriff der Verfassung gleich nach seiner Aufstellung einen andern Inhalt gäbe, als der Verfassungsgeber wollte.

So wäre es beispielsweise unzulässig gewesen, 1974 unter Raumplanung etwas völlig anderes zu verstehen als bei Erlass von Artikel 22quater BV im Jahre 1969.

Gegen diese Suche nach Hintergründen der ursprünglichen Meinungs-bildung lassen sich zwei Überlegungen anführen.

Wenn erstens für die Rechtsetzung auf der Verfassungsstufe und auf der Gesetzesstufe zwei Organe eingesetzt sind, bedeutet dies, dass jedes seine Verantwortung dann wahrzunehmen hat, wenn es seine Aufgabe erfüllt. Wie Jörg P. Müller (Soziale Grundrechte in der Verfassung? ZSR 1973 11 754) unter Berufung auf Hans Huber darlegt, geht es nicht an, dass der Ver-fassungsgeber seinen Willen anders als im Verfassungstext selbst zum Aus-druck bringt, etwa durch Ausarbeitung und Bekanntgabe eines Gesetzes-entwurfs vor der Volksabstimmung oder doch durch Bekanntgabe der Grund-

züge künftiger Gesetzgebung; die Verfassungsrechtsfortbildung darf nach diesen Autoren durch solches Festnageln nicht gehindert werden.

Damit ist auch der zweite Grund angedeutet, der gegen die historische Methode spricht, nämlich die Starrheit des Ergebnisses. Wird der Entste-hungsgeschichte einer Norm bei ihrer Auslegung entscheidendes Gewicht beigemessen, bleibt nicht nur der Text eines Erlasses bis zu seiner formellen Revision unverändert, sondern auch sein durch Interpretation erkennbarer Detailgehalt. Da sich die Realität dauernd wandelt, ergibt sich so rascher ein Spannungsverhältnis zwischen Norm und Wirklichkeit, als der reine Wortlaut dies bedingen würde. Ein solcher Bezug auf überholte Gegeben-heiten ist indessen nicht nur wenig praktikabel, sondern eigentlich falsch, denn ein Gesetz hat die Bewältigung der Realität zum Zweck und steht nicht im Dienst der Vergangenheit. Alois Troller (Die Begegnung von Philosophie, Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft, Basel/Stuttgart 1971, S. 209/

210) schreibt dazu: «Die Rechtsordnung ist die Ordnung des Daseins, des bestehenden und zukünftigen. Sie ist unablässiger Daseinsvollzug. ...Und auch der Wertmesser, die Gerechtigkeitsregel, weist auf das Daseiende hin.»

Auf dem Hintergrund solcher Realitäten werden denn auch die Aussagen im Rechtserzeugungsprozess gemacht. Sie beziehen sich auf eine bestimmte Problemlage und würden verfälscht, wenn sie unbesehen auf eine veränderte Situation übertragen würden.

Auf Artikel 34quater BV und Artikel 11 tibergangsbestiminungen B17 angewendet bedeutet dies, dass die Entstehungsgeschichte dieser Verfas-sungsnormen bei ihrer Auslegung zu berücksichtigen ist. Die Legislative hat sich an die Vorstellungen zu halten, die der Aufstellung der in Frage ste-henden Bestimmungen zugrundelagen, denn es geht beim Erlass des Bundes-gesetzes über die berufliche Vorsorge um die erstmalige Umsetzung der Verfassungsbestimmungen über die Zweite Säule in Gesetzesrecht (Ziff. 10).

Zwei Vorbehalte allerdings sind beizufügen. Erstens sind Erklärungen, die in diesem Zusammenhang abgegeben worden sind, ohne in den Text auf-genommen zu werden, nicht Bestandteile des objektiven Rechts, sondern Hilfen für das Erkennen des Inhaltes auslegungsbedürftiger Normen oder Normteile (Ziff. 9). Soll sein Wille bindend sein, so hat ihn der Verfassungs-geber im Text selbst und nicht auf anderm Wege zum Ausdruck zu bringen (Ziff. 12). Zweitens verliert der Bezug auf den Werdegang mit zunehmender zeitlicher Distanz an Bedeutung (Ziff. 13). Dieser Abstand lässt sich kaum in Zeiteinheiten fixieren. Vielmehr hängt er von der Dynamik der Verände-rung der Fakten ab, denn die Norm dient ja der Bewältigung einer Situation und muss in ihrer Tragweite den sich wandelnden Gegebenheiten angepasst werden, was durch Auslegung geschehen kann, solange der Wortlaut nicht

verletzt wird. Auch beziehen sich die Aussagen im Rechtserzeugungsprozess auf die dannzumalige Lage und würden bei Anwendung auf eine neue Si-tuation verfälscht. Damit sehe ich eine Relation zwischen der Anwendung der historischen Auslegungsmethode und der Identität der tatsächlichen Gegebenheiten in dem Sinne, dass die Entstehungsgeschichte von Artikel 34quater BV und Artikel 11 Absatz 2 Ubergangsbestimmungen BV in dem Masse von Bedeutung ist, als die Situation gleich geblieben ist. Freilich lässt sich keine fixe Formel aufstellen, und es bleibt erheblich Raum für Wer-tungen.

Die andern Auslegungsmethoden dürften in diesem Falle zu weit weniger Kontroversen Anlass geben als die historische und brauchen somit nur kurz gestreift zu werden. Die systematische Auslegung der Verfassung orientiert sich an der Einordnung der Bestimmung in den Verfassungstext, die hier insofern klar ist, als Artikel 34quater die Alters-, Hinterlassenen- und Inva-lidenvorsorge in umfassender Weise betrifft und dabei das Drei-Säulen-Prinzip ausdrücklich anerkennt, so dass die Einordnung der beruflichen Vorsorge ins Gesamtsystem klar erkennbar ist. Mit der teleologischen Me-thode wird eine Vorschrift nach dem Sinn interpretiert, der ihr zukommt.

Das hat bei Artikel 34quater Absatz 3 BV nach zwei Richtungen zu ge-schehen. Einerseits gilt es abzuklären, welchen Zweck die Vorschrift an und für sich hat, insbesondere ob es sich um eine Kompetenznorm oder eine direkt anwendbare Bestimmung handelt. Anderseits muss auf diesem Wege festgestellt werden, wie die Zweite Säule im einzelnen auszugestalten ist, soweit der Verfassung darüber eine Regelung entnommen werden kann.

Die Interpretation der Verfassung nach einer der vorgenannten Metho-den setzt freilich voraus, dass die massgebenMetho-den Bestimmungen überhaupt auslegungsbedürftig sind. Das trifft anerkanntermassen zu bei unklaren Rechtssätzen. «Was unklar und was klar ist, lässt sich allerdings nicht a priori, d. h. ohne jede Prüfung des Sinnes, feststellen» (Walther Burckhardt, Methode und System des Rechts, Zürich 1936, S. 270). Das führt im Er-gebnis zur Feststellung: «Die wenigsten Verfassungsbestimmungen, ..

sind nämlich von vorneherein so klar und eindeutig, dass ein Zweifel über ihre Bedeutung ausgeschlossen wäre» (Z. Giacometti, Die Auslegung der schweizerischen Bundesverfassung, Tübingen 1925, S. 4). Noch weiter re-lativiert wird der Unterschied zwischen Klarheit und Auslegungsbedürftig-keit, wenn der Wortsinn als ein Element der Auslegung bezeichnet wird (A. Meier-Hayoz, Berner Kommentar zum ZGB, Einleitung, Bern 1962, zu Art. 1 N. 135) und bei der Interpretation vom Wortlaut abgewichen wer-den kann. Das Bundesgericht erklärt dazu (BGE 100 Ib 173; fast wörtlich gleichlautend mit Verweisen auf Präjudizien BGE 99 Ib 507/508):

«Freilich ist daraus, dass der Text einer gesetzlichen Bestimmung an sich klar ist, nicht ohne weiteres zu schliessen, dass für eine sinngemässe Aus-legung kein Raum bleibe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts darf von ihm abgewichen werden, wenn triftige Gründe die Annahme aufdrängen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt.

Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestim-mung, aus ihrem Grund und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben.»

Diese Aussage, gegenüber der ich ohnehin Bedenken habe, lässt sich meines Erachtens auf die oberste Rechtsquelle - die Bundesverfassung - nicht anwenden, weil hier das höhere Recht fehlt, an dem sich eine Interpretation orientieren könnte, die den Text derart relativiert. - Im übrigen stellt sich bei Gesetzgebungsaufträgen das Problem des Auslegungsbedürfnisses in be-sonderer Weise, wie dies noch darzulegen sein wird (Ziff. 25).

II. Der Grundgehalt von Artikel 34quater BV und Artikel 11

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