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Die private Fürsorge im sozialen Rechtsstaat

Im Dokument CM Gerichtsentscheide (Seite 139-143)

Die Schweizerische Vereinigung Pro Infinnis setzt sich seit über fünfzig Jahren für die soziale Eingliederung des behinderten Menschen ein. Sie er-füllt damit einen gesellschaftlichen Auftrag, der auch mit der Einführung der Invalidenversicherung im Jahre 1960 nichts an Bedeutung eingebüsst hat. Anlässlich der Delegiertenversammlung 1978 umriss der Präsident der Vereinigung, alt Bundesrat Ernst Brugger, den Stellenwert des privaten Fürsorgewesens in unserem sozialen Rechtsstaat und betonte dabei das Er-fordernis einer stärkeren Zusammenfassung der in diesem Bereich tätigen Kräfte. Die Pro Infirmis hat uns die gehaltvollen Ausführungen, die nach-folgend in gekürzter Fassung wiedergegeben sind, in verdankenswerter Weise zur Verfügung gestellt.

Gedanken zur privaten Fürsorge

Tausende von Männern und Frauen stellen ihre Zeit und ihre Kräfte der privaten Fürsorge in unserem Land zur Verfügung. Sie sind von der Idee beseelt, dass unsere soziale Ordnung nicht ausschliesslich vom Staate ge-tragen werden kann, sondern ebensosehr auf die freiwilligen Kräfte der Privaten angewiesen sei. Sie betrachten die politische, geistige und wirt-schaftliche Freiheit nicht einfach als bequemes Ruhekissen, sondern eben-sosehr als Verantwortungs- und Leistungsverpflichtung.

Diese Haltung ist heute nicht mehr selbstverständlich. Die Präsenz des Staates in fast allen Bereichen hat zugenommen, und wir erwarten von ihm viel mehr, als dies früher der Fall war. Der Staat müsste, der Staat sollte. . 446

Im Laufe dieser Entwicklung sind unsere grossen staatlichen Sozialwerke geschaffen worden, auf die wir nicht mehr verzichten können und wollen.

Ist heute die private Hilfe überhaupt noch nötig? Ist unsere private Ver-pflichtung dem Nächsten gegenüber noch aktuell? Soll ich weiterhin meines Bruders Hüter sein?

Man kann diese Fragen mit dem Hinweis beantworten, dass es auch heute noch Tausende von Sozialfällen gibt, wo der Staat und seine Organe nicht oder nur ungenügend helfen können.

Es geht aber noch um viel mehr, es geht bei dieser Frage um den Gehalt unserer zwischenmenschlichen Beziehungen ganz allgemein. Wir stehen da-mit vor der merkwürdigen Situation, dass wir zwar unsere menschliche Ge-sellschaft immer weiter durchorganisieren, immer neue Institutionen schaffen und uns trotzdem immer weniger als echte Gemeinschaft fühlen.

Die Zahl derjenigen, die den sogenannten Randgruppen unserer Gesellschaft zuzuordnen sind, nimmt zu. Gross ist auch die Zahl der menschlich Be-ziehungslosen, der Einsamen, die dem öffentlichen Geschehen gleichgültig gegenüberstehen.

Hinzu kommt das Heer derjenigen, denen in einer immer komplizierter werdenden Welt der Überblick über das Ganze und das Verständnis für die Zusammenhänge fehlen. Was man aber nicht versteht, das liebt man auch nicht, und dafür kann man auch keine rechte Verantwortung tragen. Damit wächst die Versuchung, sich auf seinen kleinen egoistischen Bereich zurück-zuziehen und sich in einen Käfig persönlicher Emotionen und Interessen einzuschliessen. Wir haben es ja in der Verteidigung von Einzel- und Grup-peninteressen zu einer bemerkenswerten Virtuosität gebracht. Wir kämpfen und protestieren oft verbissen gegen alles, was uns nicht in den eigenen Kragen passt; wir vertreten sture Standpunkte und verteidigen harte Po-sitionen, wir verlieren die Fähigkeit, zuzuhören und echt zu diskutieren, und wir tun dies alles nicht selten gegen die eigene Vernunft und bessere Einsicht.

All das ist für unsere demokratischen Einrichtungen, mit denen wir ja einen menschlicheren Staat gestalten wollen, gefährlich, denn man kann eine frei-heitliche, demokratische Gesellschaftsordnung weder mit einer gleichgültigen oder gar schweigenden Mehrheit, noch mit einer laut brüllenden, anarchisti-sche Züge aufweisenden Minderheit aufrechterhalten. Wenn man in diesem Zusammenhang von der Herausforderung der Demokratie spricht, so be-deutet das für mich vorerst einmal die Herausforderung des Menschen in der Demokratie. Gemeint sind der Ton und die Sprache, welche unsere zwischenmenschlichen Beziehungen prägen; gemeint ist auch der Wille zu eigenem Denken und Urteil, gemeint ist auch die Fähigkeit, eigene Verant-wortung zu tragen. Im Rahmen unserer Thematik bedingt das alles auch

Verantwortung gegenüber dem benachteiligten Menschen, der unserer Hilfe, unseres Rates, unserer Liebe und unserer Fürsprache bedarf.

Sie sehen aus meinen Ausführungen, dass mir der Glaube, alles Heil liege beim Staat und dass mit guten Gesetzen und öffentlichen Institutionen allein alles zum besten geregelt sei, fehlt. Ein ideales, gerechtes Gesellschaftssystem ist nicht einfach organisatorisch machbar, und eine noch so zweckmässige Ordnung führt nicht von selbst auch zu idealen menschlichen Verhältnissen.

Der Staat kann die Gefässe schaffen sie mit mitmenschlicher Sympathie zu füllen, das ist unsere eigene individuelle Leistung und Aufgabe. Letzten Endes lebt eben jede gute Demokratie nicht einfach von der Organisation, sondern sie ist ebensosehr eine menschliche Haltung, eine Gesinnung. Diese Erkenntnis, die tausendfach durch die Erfahrung des Alltags belegt wird, ist auch die eigentliche Motivation für unsere Arbeit und gibt ihr jenen Tiefgang, der zu grossen Leistungen befähigt.

Als Präsident von Pro Infirmis bin ich in diesen 12 Monaten seit der Dele-giertenversammlung in Lugano noch nicht sehr von der dformation pro-fessionelle angefressen. Ich glaube deshalb hier - einfach als Bürger und politisch denkender Mensch sagen zu dürfen, dass es mich schon ein bisschen beschäftigt hat, zu erfahren, wie oft man in der schweizerischen Sozialarbeit Mühe hat, am gleichen Strick zu ziehen. Es geht ja nicht um

«Monopole», auch nicht um Fragen der Macht. Das ständige Anliegen von Pro Infirmis ist die echte Zusammenarbeit mit Eltern-Organisationen, Selbst-hilfe-Verbänden, Fachverbänden und unseren Arbeitsausschüssen. Es sei uns ferne, zu propagieren, dass nur eine Organisation oder gar eine Person nur für alte Leute, für Junge oder Behinderte zuständig sein soll. Die Re-gionen, die Kantone, die Städte und Gemeinden sind oft näher beim Be-hinderten, ein Spital hat seine eigene Fürsorgerin - aber: Irgendwo muss man den Überblick besitzen, und ein Kopf muss das Ganze sehen. Und hier, meine Damen und Herren, muss in den nächsten Jahren wohl noch einiges geschehen. Die privaten und die öffentlichen Finanzen werden kaum weiter anwachsen, wir müssen rationalisieren, wo dies ohne Schaden am Klienten möglich ist, und wir hoffen sehr, dass wir nicht eines Tages unsere Dienst-leistungen einschränken müssen. Hoffen wir, dass wir mit diesen Problemen in den nächsten Jahren ein Stück weiter kommen.

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Durchfüh

Zuständigkeit der 1V-Kommissionen für die Vornahme von Renten-revisionen bei ehemaligen Grenzgängern

(Ergänzung zu Rz 1363 der 1V-Mitteilungen Nr. 186 vom 9. Dezember 1977, publiziert in ZAK 1978, S. 25)

Die auf den 1. Januar 1977 in Kraft getretene neue Kompetenzregelung von Artikel 51 Absatz 2 IVV für die Abklärung und Beschlussfassung über Lei-stungsbegehren von Grenzgängern ist nicht nur bei der erstmaligen, sondern auch bei der revisionsweisen Überprüfung des Rentenanspruches anzu-wenden, sofern der Versicherte den Wohnsitz nicht gewechselt bzw. die Grenzzone nicht verlassen hat.

Dieses Vorgehen entlastet die 1V-Kommission für Versicherte im Ausland und ist zweckmässig, weil die kantonalen TV-Kommissionen den Fall bereits kennen und allfällige Abklärungs- oder Eingliederungsmassnahmen ortsnah durchführen können.

Fachliteratur

Besuchsdienste - aber wie? Hinweise für den Aufbau und die Leitung von Besuchs-diensten. 40 S. Gemeinsam herausgegeben vom Institut für Erwachsenenbildung der evang.-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich, dem Zürcher Kantonalkomitee Pro Senectute, der Zürcher Caritas-Zentrale und der Sektion Zürich des Schweizeri-schen Roten Kreuzes. Zürich, 1978.

Buhofer Elisabeth, Walter Hanni: Bildungsarbeit mit Betagten. Überlegungen, Fakten und Vorschläge. Band 3 der Reihe «Aspekte der Erwachsenenbildung'. 104 S. Arbeits-stelle für Bildungsfragen, Luzern, 1977.

Guide pour handicaps du Pays de Neuchätel. Stadtführer für Behinderte, umfassend die Städte Neuenburg, La Chaux-de-Fonds, Le Locle und Umgebung. 212 S. Heraus-gegeben von der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Körperbehinderte, Feld-eggstrasse 71, 8032 Zürich.

Naef Hans: Probleme der Oberversicherung in der schweizerischen Sozialversicherung.

12 S. Referat, gehalten an der Hauptversammlung des Schweizerischen Verbandes für privatwirtschaftliche Personalvorsorge vom 9. Juni 1978 in Luzern. Zürich, 1978.

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