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Bedeutung der Erklärungen, die im Zusammenhang mit dem Erlass der Verfassungsbestimmungen gegeben wurden

Im Dokument CM Gerichtsentscheide (Seite 29-32)

Wie verhält es sich bei Frage 1.1. bezüglich Erklärungen, die im Zu-sammenhang mit dem Erlass der genannten Verfassungsbestimmungen abgegeben wurden, ohne in dieselben aufgenommen worden zu sein?

Mit dieser Frage wird das Problem der Bedeutung der Materialien für die Interpretation einer Verfassungs- oder Gesetzesbestimmung aufgeworfen.

Zur Bedeutung der Materialien, d. h. aller Aussagen und Erklärungen im Zusammenhang mit der Beratung einer Rechtsbestimmung, hat das Bundes-gericht schon verschiedentlich Stellung genommen. Vor allem in BGE 100 11 57 hat es sich eingehend mit dieser Frage auseinandergesetzt: «Das Gesetz ist in erster Linie aus sich selbst, d. h. nach seinem Wortlaut. Sinn und Zweck sowie nach den ihm zugrunde liegenden Wertungen auszulegen. Die Vor-.

arbeiten sind weder verbindlich noch für die Auslegung unmittelbar ent--scheidend; insbesondere sind Äusserungen von Stellen oder Personen, die bei der Vorbereitung mitwirkten, nicht massgebend, wenn sie im Gesetzes text selber nicht zum Ausdruck kommen (BGE 84 11103 Erwägung c, 87 II 331 Erwägung d, 82 1 212, 98 Ib 380). Dies gilt selbst für Äusserungen, die unwidersprochen geblieben sind (BGE 98 Ja 184). Als verbindlich für den Richter können nur die Normen selber gelten, die von der gesetzgebenden Behörde in der hierfür vorgesehenen Form erlassen worden sind.

Das heisst nicht, die Gesetzesmaterialien seien methodisch unbeachtlich.

Bei unklaren oder unvollständigen Bestimmungen können sie vielmehr ein wertvolles Hilfsmittel sein, den Sinn einer Norm zu erkennen und damit falsche Auslegungen zu vermeiden (BGE 97 1 823/4, 98 Ja 184, 98 Ib 380).

Lässt der Wortlaut einer Bestimmung verschiedene, sich widersprechende Auslegungen zu, so kann es sogar geboten sein, demnach die Entstehungs-geschichte heranzuziehen, zumal wenn nach dem Text offen ist, ob der Ge-setzgeber eine Neuerung oder Änderung befürwortet oder ausdrücklich ab-gelehnt habe und die Materialien hierauf eine klare Antwort geben (B(GE 92 1 309 und dort angeführte Urteile). Dasselbe gilt für den Fall, dass der Wort-laut einer Bestimmung auf eine echte Gesetzeslücke schliessen lässt, dies nach der Entstehungsgeschichte aber offensichtlich nicht zutrifft (BGE 76 II 62, 97 IV 139). Anders verhält es sich dagegen, wenn die Malerialien keinen eindeutigen Schluss zulassen, sie dem Richter also auch bei unklaren oder unvollständigen Bestimmungen nicht weiterhelfen (BGE 82 11 485, 86 IV 94 mit Zitaten)» (BGE 100 11 57/58).

Was lässt sich aus der bundesgerichtlichen Praxis für das konkrete Problem der Interpretation von Artikel 34quater ableiten? Massgebend für die Inter-pretation ist primär der Wortlaut von Artikel 34quater. Soweit der Wort- 336

laut klar ist, kommt den Erklärungen etwa des Bundesrates oder des Par-lamentes keine besondere Bedeutung für die Interpretation zu. Dies gilt ins-besondere für die Frage der Verbindlichkeit von Artikel 34quater. Es lässt sich an der Verbindlichkeit von Artikel 34quater nichts rütteln. Diese Ver-bindlichkeit wird aber noch mehr durch die vielfachen Erklärungen unter-strichen, die seinerzeit im Nationalrat und im Ständerat abgegeben wurden.

Eine gewisse Bedeutung erhalten die Erklärungen dort, wo der Wortlaut von Artikel 34quater nicht zu einleutigen Ergebnissen führt. Dieses ist bei-spielsweise der Fall beim Problem der Teuerung wie auch der Frage Bei-tragsprimat - Leistungsprimat, wie noch zu sehen sein wird. In diesen Fällen kommt den Erklärungen, soweit sie eindeutig sind, eine gewisse Be-deutung zu. Massgebend für die Interpretation eines Textes, insbesondere einer Verfassungsbestimmung, ist aber der Sinn und die Bedeutung der Ver-fassungsbestimmung, ihr Zweck und nicht einzelne abgegebene Erklärungen.

Dies gilt vor allem auch für all jene Erklärungen, die zum System der Zweiten Säule noch vor Erlass des Artikels 34quater abgegeben wurden. So z. B. für den Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung vom Jahre 1970.

Der heutige Gesetzgeber ist beim Erlass eines Bundesgesetzes über die be-rufliche Vorsorge weder an diesen Bericht noch an die im Parlament ab-gegebenen Erklärungen gebunden. Massgebend für den Gesetzgeber ist lediglich der Artikel 34quater und nicht Erklärungen, die damals über die Zweite Säule abgegeben worden sind.

Wie bereits erwähnt, spielen aber diejenigen Erklärungen, die in direktem Zusammenhang zum Wortlaut von Artikel 34quater stehen und diesen noch verstärken, eine gewisse Bedeutung. Diese Erklärungen zeigen nämlich, was der Gesetzgeber damals unter dem Wortlaut von Artikel 34quater verstanden hatte. Von diesem geschichtlichen Verständnis des Artikels darf nur abge-wichen werden, wenn vernünftigerweise aufgrund der heutigen konkreten Zeitumstände angenommen werden müsste, das Verständnis des Wortlautes von Artikel 34quater sei anders, als dieser damals verstanden wurde (vgl.

dazu auch BGE 101 Ja 362/63).

In der Verfassungslehre wird allerdings von verschiedenen Autoren (Nef, Junod, Aubert, Burckhardt) eine viel strengere Berücksichtigung der histori-schen Entwicklung gefordert. Danach haben die für die Auslegung eines Textes abgegebenen Erklärungen eine entscheidende Bedeutung, von der grundsätzlich nicht abgewichen werden darf. In der heutigen Zeit wird diese Auffassung von mehreren Staatsrechtlern nicht mehr geteilt.

Abschliessend kann also 12. folgendermassen beantwortet werden: Erklä-rungen über das System der Zweiten Säule, die anlässlich der parlamentari-schen Beratung abgegeben wurden, haben keinen verbindlichen Charakter, sofern die Gedanken nicht in Artikel 34quater aufgenommen worden sind.

Sind sie aber im Artikel 34quater enthalten, kommt ihnen für die Auslegung der Bestimmung eine gewisse, aber nicht absolut verbindliche Bedeutung zu.

1.3. Berücksichtigung der bestehenden Vorsorgeeinrichtungen

Wieweit verlangen oder gestatten die genannten Verfassungsbestimmun-gen, dass sich das Bundesgesetz der Struktur und dem Charakter der beruflichen Vorsorgeeinrichtungen anpasst?

Artikel 34quater Absatz 3 beginnt mit folgendem Wortlaut: «Der Bund trifft im Rahmen der beruflichen Vorsorge auf dem Wege der Gesetzgebung fol-gende Massnahmen, . . . » Der Verfassungstext erwähnt dann die Vorsorge-einrichtungen in Buchstabe a, b, c und d. Schliesslich verpflichtet der Ver-fassungstext in Absatz 4 den Bund, dafür zu sorgen, dass sich die eidnössische Versicherung wie auch die berufliche Vorsorge ihrem Zweck ge-mäss entwickeln können. Es besteht damit kein Zweifel, dass der Verfas-sungstext in seiner Grundkonzeption auf den bestehenden Vorsorgeeinrich-.

tungen aufbaut. Das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge soll ein Rahmengesetz sein. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Absatz 3 von Artikel 34quater, der den Gesetzgeber verpflichtet, «im Rahmen der beruflichen Vorsorge» Massnahmen zu treffen. Der Verfassungstext geht davon aus, dass es bereits eine berufliche Vorsorge gibt. Im Rahmen dieser bereits bestehenden Vorsorge soll der Gesetzgeber Massnahmen ergreifen.

Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass Artikel 34quater als Gegen-entwurf zur Initiative der PdA ausgearbeitet wurde. Sinn und Zweck dieses Gegenentwurfes war es, die berufliche Vorsorge auf den bestehenden Vor-sorgeeinrichtungen aufzubauen und diese zu berücksichtigen. Man wollte gegenüber diesen Vorsorgeeinrichtungen lediglich ein Rahmengesetz schaf-fen, das gewisse Mindestgarantien gegenüber den Versicherten aufstellt.

«Das Rahmengesetz soll sich indessen auf die Festlegung der Grundsätze, d. h. der unbedingt notwendigen Normen beschränken und den Vorsorge-einrichtungen im übrigen weitgehend freie Hand lassen» (Bericht des Bun-desrates vom Jahre 1970, BBl 1970 11 616).

Wenn wir bedenken, dass der Sinn der Bundeskompetenzen nicht nur darin besteht, dem Gesetzgeber Aufträge zu erteilen, sondern auch den Rahmen und das Mass der staatlichen Intervention zu beschränken, müssen wir davon ausgehen, dass der Verfassungstext den Gesetzgeber verpflichten will, ab-gesehen von den in der Verfassung vorab-gesehenen Grundsätzen die Auto-nomie der Vorsorgeeinrichtungen weitgehend zu erhalten. Dies geht auch aus der Tatsache hervor, dass der Verfassungsgesetzgeber den Bund ver-pflichten will, die Leistungen der eidgenössischen Versicherung lediglich zur Sicherung des Existenzminimums vorzusehen und dafür zu sorgen, dass sich 338

die eidgenössische Versicherung als auch die berufliche Vorsorge auf weite Sicht ihrem Zweck gemäss entwickeln können. Die Vorsorgeeinrichtungen sollen sich also soweit als möglich auf die Zukunft hin entfalten können.

Lediglich die im Verfassungstext enthaltenen Mindestanforderungen müssen von ihnen erfüllt werden.

Es ist damit durchaus ein Gesetzestext denkbar, der der Autonomie der Vorsorgeeinrichtungen mehr Rechnung trägt als der vorliegende Entwurf des Bundesrates. Dies gilt z. B. für Artikel 92 (Berücksichtigung der bisherigen Leistungen der Vorsorgeeinrichtungen). Aber auch die Lösung der Frei-zügigkeit, die Kombination Leistungs- und Beitragsprimat wie andere Vor-schriften könnten auch im Rahmen der bestehenden Verfassungsbestimmun-gen anders gestaltet werden.

Neben den Mindestvorschriften enthält der Text in Buchstabe b und c zwei Kann-Vorschriften, die durch den vorliegenden Vorentwurf ausgefüllt wur-den. Die eine betrifft die Lösung des Pools, die andere die Auffangeinrich-tung. Der Gesetzgeber muss zwar die im ersten Satz von Buchstabe b und c festgelegte Forderung erfüllen, er kann dies aber mit einem anderen Mittel als mit dem Pool oder der Auffangeinrichtung tun, wenn ein anderes Mittel zweckmässig ist. Auch hier könnten also konkret andere Lösungen vorge-sehen werden.

2. Fragen im Zusammenhang mit einer etappenweisen Verwirklichung der

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