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Veränderte Anforderungen an das Humanvermögen – Perspektiven

der Beschäftigungsfähigkeit

Die personalpolitische Berücksichtigung des demografi-schen Wandels und damit der Veränderungen in der Ar-beitswelt hängen zunächst und vor allem von den konkret durch die Unternehmen erlebten Bedingungen des ökono-mischen Strukturwandels ab. Damit verbindet sich ein Bild des Unternehmens, das weniger vom Schumpeter-schen Gedanken des stets kräftig nach vorne drängenden Innovators für grundlegende Neuerungen geprägt ist, son-dern stärker den graduellen Innovator mit kundenspezifi-schem Fokus betont. Altersbilder und Altersstereotype finden ihren Wirkungsraum unter diesen Bedingungen.

Damit drängt sich die Frage auf, ob und inwieweit gerade in der Arbeitswelt derartige Vorurteile wandlungsfähig und möglicherweise sogar gestaltungsfähig sind.

Das dazu gehörige Bild von der Arbeitswelt ist – bei allen strukturellen Veränderungen – nicht geprägt von einem natürlichen Verlust der Erwerbsarbeit. Das Gegenteil ist richtig: Nie zuvor waren so viele Menschen in Deutsch-land erwerbstätig wie im Hochpunkt des letzten Beschäf-tigungszyklus (im Herbst 2008 waren es fast 41 Millionen Menschen). Daraus folgt, dass die Erwerbszentrierung eine angemessene strategische Orientierung für die Ar-beitswelt bleibt. Gerade auch für ältere Menschen wird damit die Inklusion in diese Arbeitswelt und nicht die Schaffung von Ersatz- oder Parallelwelten zum Leitge-danken.

Aufgrund des demografischen Wandels kommt es mittel-fristig nicht nur zu einem erheblichen Rückgang des in-ländischen Erwerbspersonenpotenzials, sondern zugleich zu einem deutlichem Anstieg des Durchschnittsalters der Beschäftigten sowie insgesamt zu stark veränderten Altersstrukturen der Belegschaften mit wachsenden An-teilen älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Die Ar-beitskräftenachfrage der Unternehmen, die für die Er-werbschancen auch älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entscheidend ist, wird wesentlich von der Struktur des Humankapitals des (insgesamt älter wer-denden) Arbeitskräfteangebotes beeinflusst. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Frage an Bedeutung, ob die spe-zifische Humankapitalausstattung alternder und älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen den im Zuge des Wirtschaftsstrukturwandels veränderten neuen Anforde-rungen entspricht oder einer entsprechenden Anpassung bedarf. Der Flexibilitätsbedarf steigt, der Anspruch an Humanvermögen und an Risikotragfähigkeit ebenso, die Differenzierung der Arbeitszeiten, der Arbeitsformen und der Arbeitsorganisation nimmt zu. Die Chancen gering Qualifizierter sinken, die Integration von Frauen gelingt besser. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer so-wie solche mit Migrationshintergrund als potenzielle Leistungsträger können immer weniger ausgegrenzt wer-den. Diese Megatrends und mit ihnen der dahinter ste-hende Strukturwandel können die Erwerbsintegration äl-terer Menschen fördern und so den in der betrieblichen Personalpolitik vorherrschenden Negativbildern des Al-terns und des Alters entgegenwirken. Insgesamt wird deutlich, dass der Strukturwandel der Arbeit zu einer wichtigen „demografiesensiblen“ Gestaltungsaufgabe für die Betriebs- und Beschäftigungspolitik wird. Es kann da-von ausgegangen werden, dass die Arbeitsmarkt- und Be-schäftigungsfähigkeit Älterer damit automatisch in den Mittelpunkt der Diskussion rücken wird.

Befunde zur so genannten „personalen Innovationsfähig-keit“, einer im Zuge des Wirtschaftsstrukturwandels be-deutsam gewordenen Komponente der Arbeitsfähigkeit, liegen aus einer neueren Studie des Instituts der deut-schen Wirtschaft Köln vor. Die „personale Innovationsfä-higkeit“ sei „nach einschlägigen Untersuchungen weniger vom Alter als von den arbeitsstrukturellen, arbeitsorgani-satorischen und erwerbsbiografisch begleitenden

Bedin-gungen abhängig“ und daher „eine arbeitsorganisatorisch und -gestalterisch frühzeitig steuerbare Variable“ (Meier und Schröder 2007: 248).

Vorliegende gerontologische sowie arbeitswissenschaftli-che Untersuchungen dokumentieren übereinstimmend, dass es insgesamt keinen oder einen nur sehr geringen Zusammenhang zwischen kalendarischem Alter und Pro-duktivität gibt. Vielmehr gibt es sowohl einen Anstieg wie einen Abfall in der Arbeitsleistung („alterstypischer Leistungswandel“). Insbesondere die psychogerontologi-sche Grundlagenforschung hat auf die Möglichkeiten hin-gewiesen, alterstypische Leistungseinbußen durch spezi-fische Leistungsvorteile Älterer, wie zum Beispiel Erfahrung und Verantwortungsbewusstsein, zu kompen-sieren. Bezüglich der geistigen Leistungsfähigkeit hat die psychogerontologische Forschung gezeigt, dass sich mit dem Alter die Geschwindigkeit der Informationsauf-nahme und Informationsverarbeitung sowie die der geisti-gen Beweglichkeit und Umstellungsfähigkeit verringern, des weiteren Reaktionsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächt-nis und selektive Aufmerksamkeit. Betroffen ist insbe-sondere die Bewältigung hochkomplexer Aufgaben mit insgesamt hohen kognitiven Anforderungen. Auch bei Tätigkeiten, die eine kontinuierliche Informationsverar-beitung mit vorgegebener hoher Geschwindigkeit erfor-dern, können altersbedingte Leistungsrückgänge auftre-ten. Das gilt auch bei Arbeiten, in denen viele Aktivitäten und Wahrnehmungen kombiniert und Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis abgerufen werden müssen, vor al-lem, wenn Zeitdruck und ein hoher Grad an Komplexität hinzukommen. Demgegenüber kann die Lernfähigkeit als solche unverändert bleiben, ebenso wie die allgemeine Fähigkeit zur Informationsaufnahme. Auch das Allge-meinwissen ist altersneutral, ebenso Konzentrationsfähig-keit und MerkfähigKonzentrationsfähig-keit. Zudem bestehen oftmals Mög-lichkeiten zur Kompensation der nachlassenden Fähigkeiten, etwa durch Optimierung der Wissenssys-teme oder durch den Erwerb ausgleichender Denk- und Gedächtnisstrategien. Demgegenüber nehmen insbeson-dere extrafunktionale Qualifikationsmerkmale im Kon-text von Erfahrungswissen, Urteilsvermögen, Verantwor-tungsbewusstsein, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und dergleichen zu. Allerdings müssen das Auftreten und die arbeits- und tätigkeitsbezogene Bedeutung des altersspe-zifischen Leistungswandels in den kognitiven Segmenten immer in Abhängigkeit von der jeweiligen Humanres-sourcennutzung im Betrieb gesehen werden. Das Verler-nen von Lernfähigkeit ist generell nicht als Alters-, son-dern als Fehlnutzungsergebnis anzusehen, das heißt: Es ist unter anderem das Ergebnis einer Arbeitsbiografie mit fehlenden kontinuierlichen arbeitsbezogenen Lernanfor-derungen und Lernangeboten.

Der alterstypische Leistungswandel wird insbesondere im Zusammenhang mit dem Gesundheitszustand älterer Ar-beitnehmer und ArAr-beitnehmerinnen thematisiert. Dabei zeigen vorliegende Krankenkassendaten, dass diese nicht per se weniger gesund sind als Jüngere. Allerdings stei-gen mit dem Alter die krankheitsbedingten Ausfallzeiten, gemessen an der Arbeitsunfähigkeitsdauer pro Fall. An-dererseits sind ältere Beschäftigte seltener krank als

jün-gere. Insgesamt nimmt mit dem Alter die Bedeutung chronisch-degenerativer Krankheiten zu. Neben den bös-artigen Neubildungen weisen insbesondere Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen sowie Muskel- und Skeletterkrankun-gen alterstypische Steigerungsraten auf. Beide sind etwa für die Hälfte der krankheitsbedingten Ausfallzeiten Älte-rer verantwortlich. Von wachsender Bedeutung – vor al-lem für (ältere) Frauen – sind darüber hinaus psychische Erkrankungsbilder, auf die im Jahr 2002 etwa ein knappes Viertel der Frühverrentungen zurückging. Exemplarisch sei hier auf vorzeitige „burn-out“-Prozesse bei Lehrern und Lehrerinnen oder in vielen Sozial- und Gesundheits-berufen (z. B. in PflegeGesundheits-berufen) verwiesen.

Das höhere Krankheitsrisiko lässt sich keineswegs als

„alterstypischer Automatismus“ interpretieren, sondern kann wegen seiner spezifischen Verteilung auf bestimmte Branchen und Berufe als typisches Berufsrisiko, häufig mit „Karrierecharakter“, gelten. Es dominiert in vorwie-gend gering qualifizierten Beschäftigtengruppen mit ho-hen Anteilen an schwer körperlicho-hen Tätigkeiten und ge-ringen individuellen Handlungsspielräumen sowie in solchen Arbeitsbereichen, in denen typische Produk-tionstätigkeiten vorherrschen. In diesem Zusammenhang weisen repräsentative Befragungsergebnisse körperliche Fehlbeanspruchungen, Arbeitsumgebungsbelastungen, hohe und starre Leistungsvorgaben, hohe psychische Be-lastungen sowie Schicht- und Nachtarbeit als besondere alternskritische Arbeitsanforderungen aus. Angehörige höher qualifizierter Berufe mit höherem Sozialprestige und größeren Entscheidungsspielräumen weisen kürzere

Arbeitsunfähigkeitszeiten auf und beziehen deutlich sel-tener Erwerbsminderungsrenten als Angehörige körper-lich anstrengender und niedrig qualifizierter Berufe mit geringerem Sozialprestige. Folglich gibt es eine Vielzahl von Berufen mit so genannten „begrenzten Tätigkeitsdau-ern“, in denen man unter normalen Bedingungen gar nicht „alt“ werden kann. Diese findet man besonders häu-fig im Baugewerbe, im verarbeitenden Gewerbe und in der tayloristischen Produktion.

In zahlreichen Fällen mündet das höhere Krankheitsrisiko in eine vorzeitige Minderung oder führt gar zum vollen Verlust der Erwerbsfähigkeit. So entfielen auf die neuzugänge des Jahres 2007 in der Gesetzlichen Renten-versicherung bei den Männern rund 27 Prozent und bei den Frauen rund 15 Prozent auf Renten wegen verminder-ter Erwerbsfähigkeit. Bei den Gründen dominierten bei den Männern erneut Erkrankungen des Skeletts, der Mus-keln und des Bindegewebes vor den psychischen sowie den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese Indikationen dominieren übrigens auch bei den Frauen, aber in einer anderen Reihenfolge: Bei den Frauen rangieren die psy-chischen Erkrankungen an der Spitze. Auch bei den Ver-rentungen wegen vorzeitiger Erwerbsminderung lassen sich tätigkeits- und berufsgruppentypische Verteilungs-muster erkennen, die mit dem alterstypischen „Erkran-kungsrisiko“ vergleichbar sind. Dabei hat sich in den Al-tersgruppen der 35- bis unter 50-Jährigen die Anzahl der Renten wegen Erwerbsunfähigkeit deutlich erhöht, wäh-rend sie in den Gruppen ab 50 Jahre bis unter 65 Jahre Ta b e l l e 6.5

Entwicklung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund 2009.

Jahre

Alter 1992 1995 2000 2005 2006 2007

alle Altersgruppen 1.852.222 1.872.903 1.908.594 1.649.767 1.602.431 1.583.801

unter 21 Jahre 2.707 2.664 104 10,9 111 95

21 bis unter 25 Jahre 9,026 5.153 5.946 1.931 1.909 1.926

25 bis unter 30 Jahre 19.469 15.271 16.372 9.286 9.584 9.817

30 bis unter 35 Jahre 32.912 33.449 38.767 27.068 24.346 22.826

35 bis unter 40 Jahre 49.340 56.796 76.428 69.819 66.411 63.190

40 bis unter 45 Jahre 75.917 88.044 119.606 136.739 136.810 135.766

45 bis unter 50 Jahre 117.066 129.420 168.660 197.128 202.105 206.360

50 bis unter 55 Jahre 298.648 263.156 253.662 284.296 286.425 290.148

55 bis unter 60 Jahre 544.560 623.244 518.341 428.181 438.578 444.442

60 bis unter 64 Jahre 507.314 515.311 585.491 347.464 340.710 320.848

64 bis unter 65 Jahre 195.263 140.395 125.217 120.746 95.442 88.383

vermindert hat, und zwar gerade ab dem 60. Lebensjahr deutlich (Tabelle 6.5).

Die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit Älterer lässt sich aber nur bedingt mit der Empirie des beruflichen Leistungswandels erklären. Vor allem mit Blick auf künf-tige Kohorten alternder und älterer Arbeitnehmer und Ar-beitnehmerinnen ist zu erwarten, dass sich folgende Ko-horteneffekte positiv auf ihre Beschäftigungsfähigkeit auswirken werden:

– günstigere gesundheitliche Ausgangsbedingungen (u. a. steigendes Gesundheitsbewusstsein);

– ein Trend zu höheren Bildungsabschlüssen und zu ver-stärkter Teilnahme an beruflicher Fort- und Weiterbil-dung;

– die wachsende Erkenntnis einer Eigenverantwortung für die eigene Arbeitsfähigkeit;

– eine steigende Erwerbsneigung, auch die Spätphase des Erwerbslebens betreffend, insbesondere von Frauen;

– die Ausweitung des Dienstleistungssektors mit günsti-geren Beschäftigungsaussichten (speziell für ältere Frauen);

– mehr Teilzeitarbeitsplätze bei hohem Teilzeitarbeits-wunsch Älterer;

– ein Rückgang von Faktoren physischer Arbeitsbelas-tung;

– die Qualität der Arbeit als wichtiger Produktionsfaktor wirkt positiv auf die Arbeitsproduktivität Älterer;

– eine Zunahme wissensintensiver Arbeit begünstigt das höhere Erfahrungs-, Übersichts-, Zusammenhangs-und Qualitätswissen Älterer;

– eine Zunahme von vernetztem, selbst organisiertem und/oder dezentralisiertem Arbeiten, kompatibel mit alter(n)stypischen Stärken wie Verantwortungsbereit-schaft, Zusammenhangs- und Erfahrungswissen;

– ein erhöhter Innovationsbedarf wirkt über die Einbe-ziehung bisheriger Berufserfahrungen im Umgang mit Innovationen und Automatisierung positiv;

– die zunehmende Orientierung der Produkte und Dienstleistungen an einer insgesamt alternden Kund-schaft („SeniorenwirtKund-schaft“) begünstigt eine betrieb-liche „Internalisierung des Alters“.

Zugleich gibt es hinreichend empirische Evidenz für ne-gative Einflussfaktoren auf die Beschäftigungsfähigkeit, speziell bei alternden oder älteren Beschäftigten. Sie tre-ten in vielen Fällen kumulativ auf. Auch lassen sich grup-pentypische Betroffenheiten erkennen. Offen ist dabei die Frage, ob ihre faktische Bedeutung in Anbetracht des er-wähnten Strukturwandels der Arbeit zu- oder abnimmt.

Zu den wichtigsten Einflussfaktoren zählen:

– durchschnittlich höhere Personalkosten für Ältere, vor allem infolge senioritätsorientierter Entlohnungspro-file und spezieller Ansprüche Älterer;

– das nach wie vor höhere Krankheitsrisiko von Älteren, wobei es sich nicht um ein typisches Alters-, sondern eher um ein Berufsrisiko handelt;

– die Bedeutungszunahme von psychischen Belastungs-faktoren (trotz des fortschreitenden Rückgangs von physischen Belastungsfaktoren);

– der hohe Verbreitungsgrad von Arbeitsplätzen mit nur begrenzter Beschäftigungsdauer;

– das Auftreten verschiedener Formen beruflicher De-qualifizierung durch Fehlnutzung oder Unterforderung („disuse-Effekte“, Spezialisierungsfallen“);

– eine unterdurchschnittliche, teilweise stark selektive Beteiligung bei betrieblich organisierter Fort- und Weiterbildung, die ohnehin für ältere Beschäftigte in Deutschland im EU-Vergleich nur unterdurchschnitt-lich ausgebildet ist;

– neue Formen von (teilweise nur bedingt betriebs- oder berufsbezogener) nachlassender Arbeitsmotivation speziell am Ende der Erwerbsphase (Gründe dafür sind z. B.: die Familie, eine Synchronisierung des Be-rufsaustrittszeitpunktes bei Paaren, ein geringer oder fehlender ökonomischer Zwang zu arbeiten, die nach wie vor weit verbreitete Frühverrentungsmentalität, altersunfreundliche Unternehmenskulturen);

– eine stark verbreitete ungünstige Selbsteinschätzung der eigenen betriebsinternen wie -externen Beschäfti-gungsaussichten und zwischenbetrieblicher Mobili-tätsoptionen;

– unmittelbar oder mittelbar erlebte (alter(n)stypische) Benachteiligung.

Vor diesem Hintergrund erweisen sich Reputationsverlust und Entmutigung als altersspezifische Motivationsrisi-ken. Wenn auch dahinter ein komplexes Ursachenbündel vermutet werden kann, so wird eine sinkende Arbeitsmo-tivation doch übereinstimmend interpretiert als individu-elle Reaktion auf erlebte betriebliche Altersdiskriminie-rung (wie etwa durch ein Übergehen bei BefördeAltersdiskriminie-rungen, ein Ausschluss von betrieblicher Fort- und Weiterbil-dung) oder als die Wirkung klassischer Altersstereotype entsprechend dem Defizitmodell des Alters im Kreis der Kolleginnen und Kollegen oder bei Vorgesetzten. Eine sinkende Arbeitsmotivation ist somit nicht selten die Folge von Führungsmängeln oder einer „altersunfreundli-chen“ Unternehmenskultur. Hinzu kommen eindeutige Zusammenhänge zur prospektiven Einschätzung der eige-nen Arbeitsmarktchancen und damit zur subjektiven Be-urteilung eigener Ausweichreaktionen durch Mobilität.

Der Wechsel in die Frührente ist eine in diesem Zusam-menhang in der Vergangenheit häufig praktizierte indivi-duelle Reaktionsform.

Die Wirkung negativer Einflussfaktoren auf die Beschäf-tigungsfähigkeit darf nicht übersehen werden. Dadurch werden Potenziale Älterer im Erwerbsleben blockiert. So wurde im Fünften Altenbericht die Annahme plausibel begründet, dass sich im Zeitverlauf aufgrund verbesserter Ausbildung die Produktivität der künftigen Älteren so

verändert, dass die altersspezifische Produktivität in ei-nem bestimmten Lebensalter (z. B. im Alter von 55) im Jahr 2005 niedriger ist als bei Gleichaltrigen im Jahre 2015. Befragungen belegen, dass der „Hunger auf Erfolg“

im Alter zwar geringer ist als zwischen 35 und 44 Jahren, doch man kann nicht davon sprechen, dass persönlicher Ehrgeiz mit zunehmendem Alter nur noch bei wenigen vorhanden wäre. Es kommt darauf an, ihn durch geeig-nete Anreize am Leben zu erhalten. Die messbare Zufrie-denheit mit der Arbeit lässt zumindest nicht erkennen, dass durch eine geradlinig altersbezogene Entwicklung die Zufriedenheit sinkt (Tabelle 6.6).

Neuere Untersuchungen zur berufsbezogenen Leistungs-motivation und Leistungsorientierung über 50-jähriger Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen belegen, dass es keinen Unterschied im Gesamtwert der Leistungsmotiva-tion zwischen jüngeren und älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt. Leistungsdifferenzen bestehen innerhalb einer Altersgruppe in deutlich höherem Maße als zwischen verschiedenen Altersgruppen (Brinkmann 2007: 25). Von den über 50-Jährigen sahen rund 64 Pro-zent keine negative Veränderung in ihrer Motivation über die letzten Jahre. Jedoch lassen sich – auf das „Leistungs-motivationsinventar“ (Engagement, Wettbewerbsorientie-rung, Zielsetzung und Statusorientierung) bezogen – Un-terschiede auf den Einzeldimensionen sowie zwischen weiblichen und männlichen Befragten finden: Der Ver-gleich erbringt, dass Frauen, insbesondere in jüngeren Jahren, wettbewerbsorientierter als Männer sind. Außer-dem sind Frauen erfolgszuversichtlicher. Sie betreiben stärkere kompensatorische Anstrengungen, um dadurch mögliche Misserfolge (stärkeres Bedürfnis nach Selbst-wertschutz) zu vermeiden. Mit dem Alter geht die Leis-tungsbereitschaft nicht zurück – aber sie verändert sich.

Beruflicher Status, Wettbewerb und Aufstiegsorientie-rung spielen für 50-Jährige und Ältere keine so große Rolle mehr wie für Jüngere. Das kann den Anschein er-wecken, dass sie weniger motiviert sind. Dafür können Beschäftigte ab 50 Jahren die eigene Leistungsmotivation realistischer einschätzen. Zudem verfügen die befragten Älteren mehrheitlich über ein positives Selbstbild und ein stärkeres Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, was eine wesentliche Voraussetzung für eine entsprechende

Leis-tungsmotivation ist. Erfahrene Beschäftigte legen mehr Wert auf die richtige Balance von Arbeit und Privatleben, und neben der Motivation wandeln sich auch die Kompe-tenzen: Reaktionsvermögen oder Risikobereitschaft neh-men zwar ab, Sorgfalt bei der Arbeit oder strategische Fä-higkeiten nehmen hingegen zu.

In diesem Kontext dürften sich auch Formen der Alters-benachteiligung und der Altersdiskriminierung aus-wirken. Es besteht die Gefahr, dass altersbezogene Be-nachteiligungen negative Selbstzuschreibungen quasi bestätigen und damit nachteilige Wirkungen auf Motiva-tion und Leistungsvermögen ausüben. Zwangsläufig ist dies jedoch nicht, wie Untersuchungen zeigen. Empiri-sche Studien zu den Folgen einer Altersdiskriminierung gibt es bislang nicht. Ebenso wenig gibt es belastbare ak-tuelle Untersuchungen über die Formen praktizierter Al-tersdiskriminierung in deutschen Unternehmen. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz vom 18. August 2006 wurde in Umsetzung europäischen Rechts die sach-lich nicht begründbare arbeitsrechtsach-liche personalpoliti-sche Orientierung am Alter verboten, und zwar sowohl im negativen wie im positiven Sinn (beispielsweise Privi-legien aufgrund von Senioritätsregeln).

Die im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bun-des erarbeitete SINUS-Studie über die Einstellung der Bevölkerung zum Thema „Diskriminierung“ zeigt zum einen, dass Diskriminierung, Gleichbehandlung und die Förderung benachteiligter Gruppen für die Mehrheit der Deutschen keine zentralen Themen sind. Dennoch wird von allen Altersgruppen und Milieus eine Diskriminie-rung Älterer wahrgenommen. Dabei wirken sich nicht spezifische Erfahrungen mit der Altersdiskriminierung in bestimmten Lebenszusammenhängen aus, sondern die eher allgemeine Wahrnehmung, dass Ältere nicht mehr gebraucht werden und nutzlos erscheinen. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Allensbach-Umfrage zu „Leben im Alter und Wahrnehmung des Alters“ (Insti-tut für Demoskopie Allensbach 2009: 70ff.). Danach wirkt zwar in der Gesamtbevölkerung die lange geübte Praxis der Frühverrentung immer noch prägend für die Vorstellungen über die Arbeitswelt; bei den Berufstätigen hingegen gilt dies nur noch für 20 Prozent. Dabei gehen

Ta b e l l e 6.6

Zufriedenheit mit der Arbeit nach Altersklassen (SOEP-Daten 2005)

* Skala 0 bis 10; 0 = „ganz und gar unzufrieden“, 10 = „ganz und gar zufrieden“.

Quelle: Meier und Schröder 2007: 133.

Zufriedenheit* Bevölkerung im Alter von … Jahren

unter 30 30–39 40–49 50–59 60–69 insgesamt

0–4 13,9 12,6 14,6 15,8 15,1 14,2

5–7 36,9 43,3 40,2 43,6 35,9 40,7

8–10 49,2 44,1 45,3 40,7 49,1 45,1

die kleinen Unternehmen den großen voraus. Zugleich wird den Unternehmen insgesamt die Tendenz unterstellt, lieber Jüngere als Ältere zu beschäftigen. Entsprechend erwarten nur 33 Prozent künftig eine größere Wertschät-zung der Älteren in Unternehmen. Dennoch zeigt sich ge-genüber der Befragung von 2002 eine deutlich positive Veränderung.

Daten zu Motivationsbarrieren zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen geringer Leistungsmotivation und der subjektiven Wahrnehmung betrieblicher Bedin-gungen. Dabei ist offensichtlich, dass der „zunehmende Leistungsdruck im Unternehmen“ häufiger von den Jün-geren (fast die Hälfte aller 31- bis 50-Jährigen) und (et-was) weniger von den Älteren (über 50-Jährigen) als Ur-sache für einen Motivationsrückgang genannt wird.

Dagegen bejahen vor allem die über 50-Jährigen die Aus-sage, dass das Älterwerden und der damit einhergehende Wandel der Werte für die Veränderung der Leistungsmoti-vation ausschlaggebend sind. Neben altersphysiologi-schen Veränderungen (z. B. Rückgang der Körperkraft, Sehstärke) wirkt sich eine mangelnde Wertschätzung älte-rer Beschäftigter durch die Führungskräfte besonders ne-gativ auf die Leistungsmotivation Älterer aus. Ältere Be-schäftigte sind nicht grundsätzlich weniger leistungsfähig und motiviert. Aber sie laufen Gefahr, sich entsprechend diesem Vorurteil zu verhalten, etwa wenn ein langjähriger Mitarbeiter oder eine langjährige Mitarbeiterin eine Ver-schlechterung der Arbeitsbedingungen wahrnimmt, aber nicht das Gefühl hat, daran etwas ändern zu können.

Die Befunde bestätigen: Die Bereitschaft älterer Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer, ihre Potenziale an Leis-tungsfähigkeit oder auch nur zur Bereitstellung von Er-fahrungswissen auszuschöpfen, ist vorhanden. Anders jedoch ist die Wahrnehmung der Älteren dahingehend, die dafür notwendigen Voraussetzungen am Arbeitsmarkt auch zu finden. So zeigen verschiedene Befragungen, dass es wichtige Voraussetzungen für die Nutzbarkeit der Beschäftigungsfähigkeit gibt:

– 75 Prozent der repräsentativ durch die Bertelsmann-Stiftung befragten älteren Arbeitnehmer und Arbeit-nehmerinnen nennen als Voraussetzung dafür, bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig sein zu können, die Ver-besserung der Vereinbarkeit von beruflichen und pri-vaten Verpflichtungen. Weitere 72 Prozent nennen die Übernahme von gesundheitlich weniger belastenden Arbeitsbedingungen, je weitere 70 Prozent mehr An-erkennung der Arbeitsleistung durch Vorgesetzte und Verkürzung der Wochenarbeitszeit ab einem bestimm-ten Lebensalter. 66 Prozent plädieren sogar für die Übernahme neuer herausfordernder Aufgaben im Un-ternehmen.

– Auch die altersbezogene Sonderauswertung der INQA-Befragung „Was ist gute Arbeit?“ (2006) stützt diese These: Ältere Beschäftigte (ab 55) sehen sich vor allem durch einseitige oder schwere körperliche Arbeit, durch Nacht- und Abendarbeit sowie durch längere, ununterbrochene Konzentrationsphasen be-lastet.

– Nach einer neueren Studie zur Einschätzung der Rente mit 67 bei älteren Frauen glaubt knapp die Hälfte der

– Nach einer neueren Studie zur Einschätzung der Rente mit 67 bei älteren Frauen glaubt knapp die Hälfte der