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Betriebliche Personalpolitik: Praxistest für eine erfolgreiche

Gesellschaft des langen Lebens

Die bisherigen Analysen zur Arbeitswelt für ältere Beschäftigte ergaben bezüglich der Altersbilder kein kon-sistentes Ergebnis. Während die reale Beschäftigungsent-wicklung beachtliche Veränderungen bei der Erwerbsin-tegration Älterer in kurzer Zeit hervorbrachte, lässt sich trotz aller Veränderungen in der auf diese Gruppe gerich-tete Arbeitsmarktpolitik und trotz expliziter politischer Vorgaben noch kein konsistentes Altersbild identifizieren.

Der volkswirtschaftliche Strukturwandel in der interna-tionalen Arbeitsteilung erfordert in verschiedenen Kon-texten eine höhere Beschäftigung älterer Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die Potenziale Älterer können immer weniger ignoriert werden. Die Ergebnisse zur Ar-beitsfähigkeit und zur Beschäftigungsfähigkeit Älterer begründen diese Potenziale, die freilich nicht vorausset-zungslos mobilisiert werden können, sondern gezielte Strategien der Personalpolitik entlang der Aspekte Ge-sundheit, Qualifikation und Motivation erfordern. Die Politik hat sich – wie die Diskussion um die Rente mit 67 zeigt – tatsächlich noch nicht zu einem schlüssigen neuen Altersbild durchringen können. Der in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre eingeläutete Paradigmenwechsel ist in der praktischen Politik Gegenstand nachhaltiger Kon-troversen. Die Versuche, die Wirtschaftskrise dazu zu nutzen, die Heraufsetzung des Rentenzugangsalters zu re-vidieren, sind dafür ein eindrucksvoller Beleg. Vor dieser Kulisse sind im Folgenden die Entwicklungen auf der un-ternehmerischen Ebene zu betrachten.

In den Unternehmen gibt es derzeit unterschiedliche Aus-gangsbefunde. Einerseits wird der in den letzten Jahren erhöhte Anteil älterer Beschäftigter in den Betrieben eine zunehmende Sogwirkung entfalten, wenn eine kritische

Größe der innerbetrieblichen Repräsentanz erreicht wird.

Andererseits gibt es viele Unternehmen, die derzeit einen Erfahrungsmangel mit älteren Beschäftigten haben. Die Freisetzungen und Restrukturierungen in den ersten Jah-ren nach 2000 sind vor allem zulasten Älterer gegangen.

Die Prägestrukturen für Altersbilder sind damit durchaus nicht einheitlich, wenngleich der Fachkräftebedarf für eine große Anzahl von Unternehmen das scheinbar theo-retische Phänomen schnell zu einem sehr realen Phäno-men lassen werden wird. Dabei ist zu bedenken, dass die Lebensarbeitszeit an beiden Enden der Erwerbsbiografie verlängert wird. Während „oben“ die Heraufsetzung des faktischen und des gesetzlichen Rentenzugangsalters wirkt, zieht „unten“ der Trend zur früheren Einschulung, zur kürzeren Schulzeit und zum schnelleren Übergang von der tertiären Ausbildung in die Unternehmen.

Die Frage nach den Altersbildern in den Unternehmen, die wir eingangs primär als kollektive Deutungsmuster interpretiert haben, richtet sich damit vor allem an die be-triebliche Personalpolitik. Deren Handlungsbedingungen – beispielsweise aufgrund des Arbeitsvertragsrechts – sind dabei ebenso bedeutsam wie der Versuch, durch in-novative Ansätze den erkennbaren strukturellen Proble-men der Rekrutierung Rechnung zu tragen. Empirische Befunde auf der Basis von Befragungen und Fallstudien sollen dazu Aufklärung liefern.

6.3.1 Unternehmen und alternde Belegschaften:

Strukturelle Bedingungen

Die Chancen für eine bedeutsame Umsetzung neuer An-sätze im Umgang mit älteren Beschäftigten sind nicht un-erheblich von der Reputation und dem Rollenverständnis der betrieblichen Personalpolitik abhängig. Der notwen-dige Spielraum für langfristig ausgerichtete Projekte der Personalentwicklung setzt eine entsprechende Würdigung und Positionierung der Personalpolitik in den Unterneh-men voraus. Tatsächlich hat sich der Stellenwert der Per-sonalpolitik insbesondere nach der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2005 eher vermindert. In den Zeiten wirtschaft-licher Stagnation, in denen die Restrukturierung und das Kostenmanagement im Vordergrund standen, lag der Fo-kus eher auf Personalabbau. Bindungsmanagement und strategische Vorsorge für Engpassfaktoren traten in den Hintergrund – trotz der skizzierten Bedingungen des auf Innovation gerichteten internationalen Strukturwandels.

Freilich war bereits in den 1990er Jahren ein Rückschritt in der unternehmerischen Bedeutung der Personalpolitik zu beobachten. Dazu hatte die bevorzugte Selbstpositio-nierung der Personalverantwortlichen als Berater in Stabsfunktion beigetragen, die nie den gleichen unterneh-merischen Einfluss erreicht wie eine Managementfunk-tion. Auch die häufig anzutreffende enge Perspektive ei-ner detailbezogenen und spezialisierten Personalpolitik entzieht sich einer strategischen Würdigung. Zudem kann der Bedeutungsverlust der Personalpolitik in den Unter-nehmen mit der tendenziell gestiegenen Kurzfristigkeit der unternehmerischen Perspektive zusammenhängen.

Personalpolitik ist dagegen mittel- bis langfristig ausge-richtet, der demografische Wandel verstärkt diese lange Sicht. Insofern ist die Frage, wie bei dominanter

Kapital-marktkontrolle gerade international agierende Unterneh-men Anreiz und Freiraum erhalten, langfristige Investiti-onsplanungen vorzunehmen, von ebenso zentraler wie grundsätzlicher Bedeutung für den personalpolitischen Kontext. Veränderungen in der Gehaltssystematik beim Management und die dafür notwendigen Bedingungen werden damit bedeutsam. Doch auch unabhängig von der Kapitalmarktorientierung eines Unternehmens erfordert der beschleunigte Strukturwandel schon eine besondere Stabilität des Unternehmens, um der Personalpolitik eine mittel- und längerfristige Orientierung zu erlauben. Zwar tendieren Familienunternehmen zu einer längeren Sicht bei Entscheidungsfindungen, eine Gewähr für eine strate-gische Personalpolitik ist dies jedoch nicht.

Man kann die Vermutung hegen, dass gerade der demo-grafische Wandel und vor allem der Fachkräftemangel jene Faktoren sind, die die Personalpolitik wieder in eine strategische Rolle in den Unternehmen befördern. Damit geraten wir in eine gegenseitige Abhängigkeit: Die Al-tersbilder der Personalpolitik beeinflussen deren Hand-lungsorientierung für den Umgang mit alternden Beleg-schaften. Alternde Belegschaften und die erweiterte Lebensspanne im Erwerbsleben wiederum fordern die Unternehmen dazu auf, die Personalpolitik strategisch zu sehen und ihre tradierten Altersbilder zu überprüfen.

Um einen Überblick über die Situation auf der betriebli-chen Ebene zu erhalten, hat die Kommission verschie-dene Wege gewählt:

(1) Auf einem Workshop mit Personalverantwortlichen großer deutscher Unternehmen unterschiedlicher Branchen wurden die Bedeutung von Altersstereoty-pen, die tatsächlichen Erfahrungen mit älteren Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmern und notwendige Bedingungen für eine größere Erwerbsintegration Äl-terer diskutiert.

(2) Neben einer Auswertung vorliegender Erhebungen über die Einstellung von Personalleitern und Perso-nalleiterinnen in Unternehmen gegenüber älteren Be-schäftigten wurde bei der Institut der deutschen Wirt-schaft Köln Consult GmbH mit einer repräsentative Befragung beauftragt (Stettes 2008).

(3) Schließlich wurde das Institut für Gerontologie der Universität Dortmund beauftragt, eine Sonderaus-wertung von betrieblichen Fallstudien vorzunehmen (Sporket 2008).

Ergebnisse eines Workshops mit Personalverant-wortlichen

Den am Workshop teilnehmenden Personalverantwortli-chen zufolge sei der demografische Wandel in der Mehr-heit der deutschen Unternehmen allenfalls ein Randthema, selten jedoch von strategischer Bedeutung.

Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen hätten oft gar nicht die Ressourcen, dieses Thema konzeptionell aufzubereiten und entsprechende Schlüsse zu ziehen. Die großen Unternehmen, die allein aufgrund unterschiedli-cher berufliunterschiedli-cher Realitäten in ihren Betrieben ganz anders mit den Fragen der Alterung konfrontiert sind, hätten

zwar eine Vorreiterrolle, doch auch hier sei erst spät mit gezielten Strategien versucht worden, auf demografische Veränderungen zu reagieren. Häufig hätten erst gesetzli-che Änderungen wie die Heraufsetzung des regulären Renteneintrittsalters und Änderungen beim Bezug des Arbeitslosengelds I Wirkungen bei der Beschäftigung Äl-terer ausgelöst. Ebenso haben die für viele Unternehmen in der Tat greifbaren Effekte der Schrumpfung durch den Fachkräftemangel zu Konsequenzen im Einstellungsver-halten geführt. Während zuvor schon gezielt und umfas-send in die Nachwuchswerbung investiert worden sei, habe das Bemühen um ältere Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmer (und Arbeitslose) erst jetzt an Bedeutung ge-wonnen. Die mitunter anzutreffende These, dass Eng-pässe gezielt durch den Import von Arbeitskräften beantwortet werden könnten, sei stark zu relativieren. In Einzelfällen (Branchen, Qualifikationen) möge dies vo-rübergehend funktionieren. Mittel- und langfristig sei aber zu bedenken, dass die Zuwanderungsbereitschaft si-cher davon abhängt, ob und inwieweit im Land eine funk-tionierende Belegschaft die Anschlussfähigkeit an die in-ternationalen Marktbedingungen sicherstellt.

Grundsätzlich gelte, dass innovative personalpolitische Ansätze für alternde Belegschaften erst am Anfang ste-hen. Noch fehlten Best-Practice-Dokumentationen, die wie Handlungsleitfäden für die kleineren und mittleren Unternehmen fungieren könnten. Es sei zu erwarten, dass erst nach und nach Maßnahmen zum Erhalt der Arbeitsfä-higkeit und Arbeitsmotivation bei älteren Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern eine größere Verbreitung erfahren.

Der stärkste Antrieb für die Unternehmen, sich auf die Alterung der Belegschaft einzustellen, sei das Streben nach Wettbewerbsfähigkeit. Hier liege auch ein großer Vorteil für entsprechende Personalstrategien begründet, denn sie erhalten dadurch automatisch eine Nachhaltig-keit. Das Schlüsselthema für Unternehmen sei es, bei Ar-beitnehmern und Arbeitnehmerinnen Motivation, Verän-derungs-, Lern- und Leistungsbereitschaft auch im fortgeschrittenen Alter zu erhalten. Es sei jedoch sehr schwierig, hierfür gute Strategien zu entwickeln, es gebe keine einfachen Erfolgsrezepte. Viele Modelle und Pro-jekte, die heute durchgeführt werden (etwa Gesundheits-förderung, Job-Rotation, Tandems, Teamarbeit), greifen Anregungen des Programms „Humanisierung der Ar-beitswelt“ aus den 1970er und 1980er Jahren auf.

Die Erwartungen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin-nen seien ein entscheidender Faktor für die Beschäfti-gungsfähigkeit im fortgeschrittenen Alter. Viele Men-schen hätten sich schon in mittleren Jahren auf ein ruhiges und gleichförmiges letztes Arbeitsjahrzehnt und auf ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben eingestellt. Nachdem über 20 Jahre lang die Politik, die Sozialpartner und die Betriebe im Einvernehmen den

„frühen Ruhestand“ gefördert haben, habe sich bei den äl-teren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Früh-verrentungsmentalität weit verbreitet. Die Frühverren-tung werde bei den relevanten Jahrgängen oftmals als Teil des gesamten unternehmerischen Leistungspakets und so-mit als selbstverständlich angesehen. Diese Erwartungen an den Übergang in den Ruhestand könnten, wenn sie

einmal gefestigt sind, nur mit großer Mühe wieder aufge-brochen werden. Je älter die Arbeitnehmer und Arbeit-nehmerinnen sind, desto schwieriger sei es, im Hinblick auf den Übergang in den Ruhestand Einstellungsverände-rungen zu bewirken. Bei jüngeren Kohorten, die erst nach der Hochphase der Frühverrentungspolitik in das Er-werbsleben sozialisiert wurden, seien die Erwartungen an den Übergang in den Ruhestand noch offen. Von ihnen werde eine Frühverrentung tendenziell nicht als selbstver-ständlich angesehen.

Im Lebensverlauf liege das Zeitfenster, in dem Erwartun-gen an die letzte Phase des Erwerbslebens ausgebildet werden, im fünften Lebensjahrzehnt. In diesem Zeitraum entwickelten Individuen Entwürfe für den weiteren Ver-lauf ihres Lebens, dann werden die Weichen für Flexibili-tät und Offenheit auch im sechsten und siebten Lebens-jahrzehnt gestellt. Maßnahmen, mit denen Motivation, Innovationsbereitschaft, Kreativität und Arbeitsfähigkeit in höheren Jahren gesichert werden sollen, müssten des-halb im mittleren Lebensalter ansetzen. Dasselbe gelte für Prävention und Gesundheitsförderung der Mitarbeiterin-nen und Mitarbeiter sowie insbesondere für die Qualifi-zierung und Weiterbildung, die möglichst lebenslang, aber spätestens in den mittleren Jahren zum Aufbau von Plastizitätsreserven für die späteren Berufsjahre notwen-dig sei.

Die Verantwortung für den Erhalt der Beschäftigungsfä-higkeit im fortgeschrittenen Alter liege auf zwei Seiten:

einerseits bei den Unternehmen sowie andererseits bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Auf beiden Seiten herrschten oft noch Idealvorstellungen vor, die in einer alternden Gesellschaft nicht mehr angemessen seien. Aufseiten der Unternehmen sei das etwa die Kultur der Vollzeitbeschäftigung bis zum Vollzeit-Ruhestand.

Damit werden Teilzeitmodelle verhindert und auf diese Weise flexible Übergänge in die Altersphase erschwert.

In manchen Modellversuchen werde die Verantwortung für den Erhalt der allgemeinen Beschäftigungsfähigkeit explizit geteilt: Bei Qualifizierungsmaßnahmen überneh-men beispielsweise die Unternehüberneh-men die Kosten, wäh-rend die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ihre (freie) Zeit einbringen. Wenn es um Weiterbildungsmaß-nahmen gehe, die absehbar nur innerhalb des Unterneh-mens relevant sind, dann liege die Verantwortung voll auf der Seite des Unternehmens. Analog zum Leitbild der Selbst- und Mitverantwortung im Fünften Altenbericht wurde die Verantwortung der Arbeitnehmer und Arbeit-nehmerinnen für den Erhalt ihrer eigenen Beschäfti-gungsfähigkeit im Workshop mit den Stichworten „Hal-tung“ und „Selbstsorge“ beschrieben.

Auch Führungskräfte seien nicht frei von Altersstereoty-pen. Sie hätten tief verwurzelte Vorstellungen darüber, welche Zusammenhänge etwa zwischen Leistungsfähig-keit, Gesundheit, Flexibilität, Innovationskraft, Kosten und dem Alter bestehen und welche Aufgaben zu welcher Altersgruppe „passen“. Ein Assistent oder eine Assisten-tin ist eher jung – so die gängige Vorstellung. Auch in Po-sitionsbezeichnungen wie „Junior Consultant“ spiegelten sich Altersbilder wider. Führungskräfte könnten immer

nur versuchen, den Einfluss von Altersbildern bei Perso-nalentscheidungen zu verringern und zu kontrollieren.

Hierzu seien vor allem eine umfassende Selbstreflexion sowie ein hohes Maß an Formalisierung bei Entschei-dungsprozessen wichtig. Ein weiterer Weg zum Abbau defizitärer Altersbilder sei zudem die gezielte Beschäfti-gung älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Ergebnisse von Unternehmensbefragungen

Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind naturgemäß von den Einstellungen und Sichtweisen von Personalverantwortlichen gegen-über älteren Beschäftigten beziehungsweise gegengegen-über älteren Bewerberinnen und Bewerbern abhängig. Unter-suchungen dazu zeigen sehr ähnliche Ergebnisse: Gän-gige Altersstereotype werden sowohl für Jüngere wie auch für Ältere reproduziert. Dennoch – und dies ist ent-scheidend für die hier bedeutsame Fragestellung – schei-nen positive Stereotype wenig Einfluss auszuüben auf die Behandlung älterer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Unternehmen beziehungsweise durch Personalverant-wortliche; es gibt eine offensichtliche Diskrepanz zwi-schen Bildern und Umsetzungsrealität. Letztere ist sehr viel stärker geprägt von allgemeinen bildungs- und be-schäftigungspolitischen sowie insgesamt von institutio-nellen Rahmenbedingungen als durch Altersbilder, die al-lenfalls ihrer ideologischen Abfederung dienen. Die Alterung und Schrumpfung unserer Gesellschaft hat bis-lang nicht – zumindest nicht mit einer gewissen Breiten-wirkung – die Defizitthese des Alterns aus der tatsächlich umgesetzten betrieblichen Personalpolitik zu verdrängen vermocht.

Grundlegende Informationen liefert das Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB Be-triebspanel). In der Welle 2002 wurden Personalverant-wortliche zu ihren Einstellungen gegenüber älteren Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmern befragt. Ihnen wurde eine Liste von Eigenschaften vorgelegt, und die In-terviewten sollten in einem ersten Schritt ganz unabhän-gig vom Alter bewerten, ob die Eigenschaften für die Mehrheit der Arbeitsplätze sehr wichtig, wichtig oder we-niger wichtig seien (Bellmann, Kistler und Wahse 2003).

– Es zeigte sich, dass nicht ausschließlich die vielfach geforderten Eigenschaften wie Flexibilität oder Krea-tivität zählen, sondern auch klassische Tugenden wie Arbeitsmoral und Arbeitsdisziplin. 74 Prozent der Be-fragten gaben an, dass diese Eigenschaften sehr wich-tig seien. Qualitätsbewusstsein ist nach dieser Um-frage mit 66 Prozent die zweitwichtigste Eigenschaft, dann folgen Flexibilität (56 Prozent) und Erfahrungs-wissen (54 Prozent). Kreativität steht überraschend an letzter Stelle in der Wichtigkeitseinschätzung. Die hohe Wertung von Arbeitsmoral und -disziplin sowie Qualitätsbewusstsein gilt dabei unabhängig von Bran-che oder Betriebsgröße.

– Ferner zeigt sich, dass viele der Befragten keine Un-terschiede in den Eigenschaften zwischen Jüngeren und Älteren sehen. Allerdings werden Jüngeren und Älteren deutlich differenzierte Leistungsprofile

zuge-ordnet. So werden Älteren eher Eigenschaften wie Ar-beitsmoral und -disziplin, Qualitätsbewusstsein und Loyalität zugeschrieben. Körperliche Belastbarkeit, Lernfähigkeit, Lernbereitschaft und Kreativität wer-den hingegen eher bei wer-den Jüngeren gesehen.

Insgesamt zeigt die Untersuchung, dass Ältere von den Personalverantwortlichen zwar als anders leistungsfähig wahrgenommen werden, nicht aber zwingend als weniger leistungsfähig. Unterschiede zeigen sich dabei in Bezug auf die Betriebsgröße. Kleine Betriebe beurteilen Ältere deutlich positiver als Großbetriebe. Und auch der Anteil an Älteren hat einen Einfluss auf Leistungszuschreibun-gen: Betriebe mit einem höheren Anteil an über 50-Jähri-gen in der Belegschaft schätzen die Leistungsfähigkeit Älterer positiver ein als Betriebe mit einem geringen An-teil an Beschäftigten dieser Altersklasse.

Obwohl die Befunde kein generell schlechtes Ergebnis für Ältere bedeuten, fällt auf, dass diejenigen Eigenschaf-ten, die im Kontext des Strukturwandels der Arbeit zu-nehmend wichtig werden (Flexibilität, Lernbereitschaft, Lernfähigkeit), ganz klar eher bei Jüngeren gesehen wer-den. Es sind diese Eigenschaften, die bei einer stärkeren Wissensorientierung der Arbeit und bei einem schnellen technologischen und organisatorischen Wandel von den Unternehmen bevorzugt nachgefragt werden.

Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) hat in Koopera-tion mit dem Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) 2002 eine Untersuchung zur Einstel-lung von Unternehmen gegenüber älteren Ingenieuren und Ingenieurinnen durchgeführt (Fraunhofer Institut Ar-beitswirtschaft und Organisation (IAO) und Verband

Deutscher Ingenieure (VDI) 2002). Insgesamt wurden 389 Unternehmen befragt, bei denen es sich um Stellen-marktkunden der VDI-Nachrichten handelte. Die meisten Unternehmen gehören dem Maschinenbau, der Automo-bilindustrie und der Metall- und Elektroindustrie an. Die wichtigsten Befunde sind:

– Generell genießen Ingenieure und Ingenieurinnen über 45 Jahre ein fast durchweg positives Image. Dies be-trifft vor allem die große berufliche Erfahrung. Knapp 80 Prozent der Befragten sehen in älteren Ingenieuren und Ingenieurinnen unentbehrliche Träger von Know-how, knapp 70 Prozent schätzen ihr großes Netzwerk im Unternehmen, und ebenfalls knapp 70 Prozent hal-ten sie aufgrund ihrer Erfahrungen für unentbehrlich.

– Allerdings berichten knapp 55 Prozent von hohen Per-sonalkosten bei Älteren. Gut die Hälfte stimmt der Aussage zu, dass Ältere in hohem Maße spezialisiert seien. Stärken werden vor allem in der Branchen- und Produktkenntnis (92,7 Prozent) gesehen, Schwächen hingegen vor allem in Fremdsprachenkenntnissen (42,4 Prozent) und den IT-Kompetenzen (35,7 Pro-zent).

– Im Falle der Neueinstellung älterer Ingenieure und In-genieurinnen spielen Erfahrungen und Spezialkennt-nisse (89 Prozent) sowie der besondere Realitätssinn Älterer „für die Machbarkeit von Projekten“ eine Rolle, darüber hinaus die Bindung der Beschäftigten beziehungsweise deren geringe Fluktuationsneigung.

Weitere Gründe mit Zustimmungsquote von jeweils über 50 Prozent sind: „sorgen für Stabilität in schwie-rigen Situationen“, „kennen die typischen Probleme,

A b b i l d u n g 6.2 Zuschreibung von Eigenschaften zu älteren und jüngeren Arbeitnehmern und

Arbeitnehmerinnen durch Betriebe

Quelle: Bellmann, Kistler und Wahse 2003.

vermeiden Sackgassen“, „sind hoch motiviert, weil sie eine neue Chance erhalten“ und „bringen notwendige Sozialkompetenz mit“. Mit 13,3 Prozent trifft das Ar-gument der „flexiblen Einsetzbarkeit“ am wenigsten zu.

– Tatsächlich haben knapp zwei Drittel der befragten Unternehmen in den letzten Jahren Ingenieure und In-genieurinnen über 45 Jahren eingestellt hat. In mehr als 90 Prozent der Fälle war dafür das berufliche Know-how ausschlaggebend. Das Alter der Bewerber und Bewerberinnen hat nur bei jedem vierten Unter-nehmen eine eher wichtige Rolle gespielt.

– Selbst bei angespanntem Arbeitsmarkt und Fachkräf-temangel können sich nur 24,5 Prozent der Unterneh-men vorstellen, verstärkt auf die Rekrutierung älterer Ingenieure und Ingenieurinnen zu setzen. Ganz offen-sichtlich gibt es Diskrepanzen zwischen der Einschät-zung der Fähigkeiten der im Unternehmen beschäftig-ten älteren Ingenieure und Ingenieurinnen gegenüber denen älterer Bewerber und Bewerberinnen. Dies kon-trastiert allerdings mit neueren Erfahrungen, die einen deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit älterer Inge-nieure und Ingenieurinnen seit 2005 erklären.

– Demgegenüber wird als Hauptgrund für die Einstel-lung Jüngerer deren Begeisterungsfähigkeit für neue Herausforderungen genannt (64,4 Prozent). An zwei-ter Stelle folgt die größere räumliche Mobilitätsbereit-schaft. Weitere 58 Prozent entfallen auf die Aussage, dass es wichtig sei, dass durch die Einstellung Jünge-rer die Belegschaft insgesamt verjüngt wird.

Im Rahmen des vom Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg geförderten Projekts „Qualifika-tionsbedarf in Industrie und Handwerk der Metall- und Elektrobranche“ wurde im Jahr 2006 eine Unternehmens-befragung in der Metall- und Elektrobranche Baden-Württembergs durchgeführt (Bangali u. a. 2006). Dabei wurde deutlich, dass aus der Sicht der Unternehmen ver-schiedene Hemmnisse die Einstellung älterer Fachkräfte erschweren:

– Der gesetzliche beziehungsweise tarifliche Kündi-gungsschutz: 77 Prozent der Unternehmen;

– übertriebene Gehalts- und Positionsforderungen: 66 Prozent;

– erwartbare gesundheitliche Probleme und höhere Fehlzeiten: 43 Prozent;

– die geringe erwartbare Verbleibzeit im Unternehmen:

25 Prozent;

– hohe Einarbeitungskosten und lange Einarbeitungszei-ten: 15 Prozent;

– Probleme mit der Integration Älterer in die

– Probleme mit der Integration Älterer in die