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Einflussfaktoren auf Selbst- und Fremdbilder und deren

das Konsumverhalten

In diesem Abschnitt werden Hinweise darauf gegeben, von welchen Faktoren die individuellen Selbst- und Fremdbilder abhängen und welche Folgen sie für das Konsumverhalten älterer Menschen haben. Insbesondere drei Einflussfaktoren für Altersbilder werden als wichtig erachtet: (1.) Kritische Lebensereignisse, (2.) die Selbst-wahrnehmung und ihre Veränderung im Prozess des biologischen und psychologischen Älterwerdens sowie (3.) die in den Medien und durch die Werbung vermittel-ten Weltsichvermittel-ten und Handlungsoptionen.

7.2.1 Beeinflussung von Altersbildern durch

„kritische“ Ereignisse

Im Lebensverlauf eines Menschen gibt es typische Um-brüche, Ereignisse oder Einschnitte, die den Prozess des Älterwerdens aus soziologischer Sicht maßgeblich be-stimmen. Dies sind beispielsweise der Auszug der Kinder aus dem Elternhaus, die Aufgabe des Berufs, Scheidung oder der Tod des Lebenspartners oder der Lebenspartne-rin (Naegele 2010). Diese „kritischen“ Lebensereignisse können das Konsumverhalten und die Altersbilder beein-flussen. Nicht immer kann hier ein eindeutiger Ursache-Wirkungs-Zusammenhang unterstellt werden. Es ist mög-lich, dass sich durch die kritischen Ereignisse zunächst die Altersbilder wandeln, die wiederum das Konsumver-halten verändern. Es ist aber auch möglich, dass ein kriti-sches Ereignis sofort zu einer Verhaltensänderung führt, deren Reflektion in der Folge das bisherige Altersbild modifiziert.

Spätestens mit Erreichen des 50. Lebensjahres haben Konsumenten und Konsumentinnen umfangreiche Erfah-rungen mit Marken und Produkten gemacht. Ältere, aber noch berufstätige Erwachsene sind daher (trotz hoher Kaufkraft) oftmals genügsamer („das muss ich nicht mehr haben“) und anspruchsvoller („das muss aber mindestens diese Qualität aufweisen“) zugleich. Sie lassen sich weni-ger von Gruppenverhalten oder Trends beeinflussen als junge Konsumentinnen und Konsumenten (Leventhal 1997). Dennoch zeigen die Studien von Braun-LaTour, LaTour und Zinkhan (2007), dass diese Gruppe sehr stark von den so genannten „Defining Memories“ beeinflusst handelt (Übersicht 7.2). Diese „Defining Memories“ sind Kindheitserinnerungen von Konsumenten und Konsu-mentinnen an besonders begehrenswerte Konsumgüter, die in der späteren Lebensphase noch einmal bewusst werden. Dieses Begehren wird durch Stimuli der Außen-welt (das Konsumverhalten anderer Mitglieder der Be-zugsgruppe, Werbung) verstärkt.

Oftmals haben ältere Erwachsene gerade dann, wenn die Kinder ausziehen („Empty- Nest-Phase“), das Gefühl, sie müssten „verlorene“ Zeit aufholen und sich selbst neu entdecken (Braun-LaTour, LaTour und Zinkhan 2007). In dieser „zweiten Selbstfindungsphase“ lösen sie sich viel-fach von früheren Präferenzen, die sie aufgrund von milienentscheidungen getroffen haben. Wo in jungen Fa-milien noch das FaFa-milienauto mit großem Innenraum und Kofferraum an erster Stelle stand, wird nun der schnelle Sportwagen präferiert, ein Markenwechsel ist häufig die Folge. Viele ältere Davidson-Fahrer und Harley-Davidson-Fahrerinnen sind in den 1960er Jahren mit dem Film „Easy Rider“ aufgewachsen; nun, im höheren Le-bensalter, haben sie eher das Geldvermögen, diese Marke mit „Kultstatus ihrer Jugend“ zu besitzen.

Auch negative Lebensereignisse, wie die Ehescheidung nach dem Auszug der Kinder oder des Kindes aus dem gemeinsamen Haushalt, können eine Änderung des Le-bensstils und damit des Konsumverhaltens bewirken. So möchte sich eine Person in dieser Phase vielleicht vor-sätzlich anders kleiden, sportlicher werden und sich be-wusster ernähren, um für potenzielle neue Partner oder

Partnerinnen attraktiv auszusehen (Mathur, Moschis und Lee 2008). Das veränderte Konsumverhalten kann in-folge auch die Angst vor dem Altern verringern: Wird das neue Outfit oder das sportliche Erscheinungsbild seitens der Umwelt positiv wahrgenommen (Belohnungseffekt), wird das Selbstbewusstsein gestärkt, was zu neuem Le-bensmut führen kann.

Schließlich können die Erfahrungen, die eine erwachsene Person mit dem hohen Alter ihrer eigenen Eltern macht (oder mit deren Pflege), nicht nur die Einstellungen zum Alter, sondern infolge auch das eigene Konsumverhalten beeinflussen (z. B. in Bezug auf die Finanzplanung oder die altengerechte Ausstattung der Wohnung).

Trotz vielfach optimistischer Empfindungen stellt der Eintritt in das Renten- oder Pensionsalter für die meisten Konsumenten und Konsumentinnen eine gravierende Än-derung in ihrem Leben dar. Bis dahin, also etwa zwischen dem 40. und dem 65. Lebensjahr, vollzieht sich das Älter-werden für viele unmerklich. Auch können mit dem Aus-stieg aus dem Berufsleben ältere Menschen neue positive Rollen zugewiesen bekommen (etwa die Rolle der für-sorglichen Großeltern oder die der guten Nachbarn). In Bezug auf das Konsumverhalten verschieben sich hier-durch ebenfalls die Konsumgewohnheiten. Viele Eltern oder Großeltern glauben, dass es „richtiger“ sei, die Kon-sumausgaben nicht für sich selbst, sondern für Kinder und Enkel zu tätigen. Darüber hinaus berichtet die Gesell-schaft für Konsumforschung (Gaspar 2009), dass mehr als die Hälfte des gesamten Spendenaufkommens in der Bundesrepublik auf Menschen über 60 Jahre zurückgeht.

Mit dem Austritt aus dem Berufsleben wächst auch das Zeitbudget für das Einkaufen, welches älteren Menschen erlaubt, Produkte in Ruhe zu vergleichen, neue

Konsum-angebote auszuprobieren und mehrere Geschäfte zu besu-chen. Dazu passt der Befund, dass Ältere signifikant (um etwa ein Drittel) häufiger einkaufen gehen als Jüngere (Gaspar 2009). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen East u. a. (2000), die in ihrer Studie eine mit dem Alter sinkende Einkaufsstättentreue nachweisen.

Wenn man also älteren Konsumentinnen und Konsumen-ten unterstellt, sie seien per se „handels- beziehungsweise markentreu“, da sie nicht mehr geistig flexibel oder nicht mehr in der Lage seien, Informationen über neue Ange-bote zu verarbeiten, so irrt man gewaltig. Zudem muss im Rentenalter ein Teil der Konsumentinnen und Konsumen-ten mit einer Ressourcenverknappung umgehen, was dazu führen kann, dass höherwertige Markenartikel auf-grund der finanziellen Restriktionen nicht mehr gekauft und stattdessen günstigere Handelsmarken gewählt wer-den. Nichtmobile, ältere Konsumenten und Konsumentin-nen müssen sich (unabhängig von der Kaufkraft) dann von präferierten Marken trennen, wenn diese im räumli-chen Wohnumfeld nicht mehr zu erstehen sind, beispiels-weise weil als Nahversorger nur Discounter angesiedelt sind, die vor allem handelseigene Marken anbieten.

Das sicherlich am stärksten „einschneidende“ kritische Lebensereignis ist der Tod des Ehepartners. Dabei kann der hinterbliebene Partner eine Lücke, eine Leerstelle er-leben, so als sei ihm ein Teil des Selbst genommen wor-den. Turley (2004) berichtet von älteren hinterbliebenen Frauen, die von Kindern und Freunden überredet wurden, eine Reihe gewohnter Konsumaktivitäten wieder aufzu-nehmen, um die nach dem Tod des Partners empfundene Lücke zu schließen und die „Rückkehr zur Normalität“ zu beschleunigen. Diese wohlwollend gemeinten Ratschläge ließen die Tatsache außer Acht, dass durch die Ver-Ü b e r s i c h t 7.2

Alters- und Kohorteneffekte in der Konsumverhaltensforschung

Mit der Aufdeckung der „Defining Memories“ lässt sich auch ein Stück weit die Frage beantworten, ob es sich bei be-stimmten Konsumphänomenen um einen Kohorten- oder um einen Alterseffekt handelt. Für die Erfolgsprognose von Produkten und Dienstleistungen ist die Unterscheidung zwischen Kohorten- und Alterseffekten sehr relevant. Zeigt ein Vergleich zwischen verschiedenen Kohorten, dass nur die heute 65- bis 75-Jährigen ein besonderes Faible für Dixielandmusik und Dixielandlokale aufweisen, nicht aber etwa die 55- bis 65-Jährigen, dann handelt es sich um ei-nen Kohorteneffekt, der vielleicht darin begründet liegt, dass diese Jazzmusik in der Jugendzeit der heute Älteren als besonders attraktiv galt. Kohorteneffekte könnten also durch die Ermittlung der Jugendträume unterschiedlicher Jahr-gänge aufgedeckt werden. Zeigen jedoch alle Menschen, unabhängig vom Geburtsjahrgang, ab dem Erreichen einer bestimmten (gefühlten) Altersstufe ein ähnliches Bedürfnis (z. B. Sicherheitsbedürfnis), dann handelt es sich um nen Alterseffekt. Es ist jedoch oft schwierig zu bestimmen, ob es sich bei einem bestimmten Konsumverhalten um ei-nen Alters- oder um eiei-nen Kohorteneffekt handelt. So hat die Gesellschaft für Konsumforschung (Gaspar 2009) fest-gestellt, dass mindestens 85 bis 90 Prozent der Deutschen über 60 Jahre (dies entspricht rund 18 Millionen Bürgerinnen und Bürgern) täglich ausgiebig zu Hause frühstücken, während das nur 52 Prozent der 30- bis 49-Jähri-gen (etwa 13 Millionen Bürgerinnen und Bürger) tun. Die Frage, die sich hier stellt, ist, ob sich der Anteil der „Zu-Hause-Frühstücker“ unter den heute 50-Jährigen nach Eintritt in das Rentenalter (also in 10 bis 15 Jahren) signifikant um 35 Prozent erhöhen wird. Wenn dies so wäre, dann würde sich dieses Verhalten quasi automatisch mit dem Ende des Berufslebens einstellen. Es würde sich dann um einen Alterseffekt handeln, ausgelöst vielleicht durch die Auf-gabe des Berufs und die Möglichkeit, länger zu schlafen. Es könnte jedoch auch sein, dass die heute 50-Jährigen auch im Rentenalter das häusliche Frühstück meiden oder lieber häufiger außer Haus frühstücken werden. Für die Lebens-mittel- und Gastronomiebranche ist dies ganz sicherlich von großem Interesse.

schmelzung von Identitäten, meist über Jahrzehnte, ein Paar entstand, das in vielen Konsumentscheidungen als Einheit agierte. Mit dem Tod des Ehepartners verlieren viele Aktivitäten, zum Beispiel das gemeinsame Verfol-gen von FernsehsendunVerfol-gen, gemeinsame Einkaufsbum-mel, Urlaubserlebnisse oder Ausflüge, ihren Sinn und ihre Attraktivität, da sie nur mit dem Partner, mit dem man diese Aktivitäten einst gemeinsam geplant hatte, Spaß machten. „Der Tod hat diese gemeinsame Konsum-welt obsolet werden lassen. (…) Äußerungen der Einsam-keit und der TrostlosigEinsam-keit, die von diesen Witwen vorge-bracht wurden, wurden oft genau im Sinne einer totalen Unfähigkeit erklärt, jene Konsumereignisse zu genießen, an denen sie vormals so sehr hingen; dies stellt wohl die fundamentalste und greifbarste Wirkung des Todes auf das Konsumentenverhalten dar“ (Turley 2004: 616).

7.2.2 Beeinflussung von Altersbildern durch die Wahrnehmung biologischer und psychischer Veränderungen

Der soziale Alterungsprozess umfasst bestimmte Zeit-spannen und kritische Ereignisse im „typischen“ sozialen Leben eines Individuums. Von dieser sozialen Dimension des Alterungsprozesses lassen sich das biologische und das psychologische Altern unterscheiden, die ebenfalls einen Einfluss auf das Konsumverhalten ausüben können (auch wenn sie von Individuum zu Individuum unter-schiedlich verlaufen können).

a) Das biologische Altern

Das biologische Altern beschreibt die Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit der Sinnesorgane und körperli-chen Fähigkeiten. So steigt mit zunehmendem Alter die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Hörvermögen oder das Sehvermögen verschlechtern oder sich der Geschmacks-oder Tastsinn verändern. Allerdings bedeutet das nicht, dass alle älteren Menschen automatisch schlecht hören, sehen, schmecken oder fühlen. Zwar haben mehr ältere als jüngere Menschen beispielsweise Hörprobleme, was allerdings laut amerikanischen Statistiken nur auf etwa 8,5 Prozent der über 65-Jährigen zutrifft. Schwierigkeiten mit dem Sehvermögen haben dagegen etwa ein Drittel der älteren Bevölkerung (Pasupathi und Löckenhoff 2002).

So kann die Netzhaut von 55-Jährigen etwa ein Viertel weniger Licht aufnehmen als die von 20-Jährigen. Dies führt vor allem zu einer Beeinträchtigung der Informa-tionsaufnahme und bedeutet für das Handelsmarketing beispielsweise, dass viele Geschäfte viel heller sein soll-ten als sie es heute sind (Underhill 2000) oder die Preis-etiketten schlicht größer sein sollten. Ähnliches gilt für die Werbung. Solche einfachen Maßnahmen könnten ebenfalls das Selbstwertgefühl der Älteren stärken, die dann nicht immer nachfragen oder andere um Hilfe bitten müssten, nur weil sie etwas nicht entziffern können (Eitner 2009).

Allerdings lässt die Sehkraft bei den meisten Menschen schon mit Anfang 40 nach. Eine Erhöhung der Lese-freundlichkeit der Preisauszeichnungen und der Schriften dürfte somit auch von jüngeren Jahrgängen und nicht nur

den älteren Menschen begrüßt werden. Anders ausge-drückt: Die Kundenfreundlichkeit kann generell erhöht werden, wenn man auf die körperlichen Veränderungen des Alters Rücksicht nimmt. Das gilt nicht nur für die Werbung und Verkaufsraumgestaltung, sondern beispiels-weise auch für Wohnumwelten (auch Mütter mit kleinen Kindern freuen sich über Aufzüge und barrierefreie Auf-gänge) oder für die Produktpolitik (siehe Abschnitt 7.4.2).

Es gibt einige empirische Studien, in denen der Zusam-menhang zwischen nachlassenden körperlichen Fähigkei-ten und dem KonsumverhalFähigkei-ten untersucht wird. Leider gibt es nur wenig wissenschaftlich fundierte Belege dafür, dass die nachlassenden Fähigkeiten tatsächlich auch die Ursache für eine Veränderung des Konsumverhaltens sind. Vielfach werden die empirischen Befunde nur da-hingehend interpretiert.

b) Das psychologische Altern

Das psychologische Altern beschreibt die Veränderungen in der emotionalen Befindlichkeit und der kognitiven Leistungsfähigkeit. Wie bereits ausgeführt, wurde in der Konsumverhaltensforschung in vielen Studien angenom-men, dass die Informationsverarbeitungsfähigkeiten von Älteren signifikant geringer ausgeprägt seien als die von Jüngeren (Lambert-Pandraut, Laurent und Lapersonne 2005), und dass daher ältere Konsumentinnen und Kon-sumenten Produktinnovationen nicht wertschätzen oder verschiedene Wahlmöglichkeiten nicht miteinander ver-gleichen beziehungsweise die Vorteilhaftigkeit von ein-zelnen Angeboten nicht erkennen könnten (z. B.: Welcher Telefontarif ist der günstigste?). In der Regel wurden bei diesen Studien zur Messung der Leistungsfähigkeit Fra-gen gestellt, die vor allem die fluide IntelliFra-genz betreffen.

Gefragt wurde zum Beispiel „R und S verhalten sich ge-gensätzlich, Q und R ebenso. Wenn Q sich erhöht, was passiert dann mit S?“. Bei der korrekten Beantwortung schnitten Testpersonen über 65 Jahre schlechter ab als jüngere. Psychologisches Altern kann auch als eine Form der Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Indivi-duums gesehen werden (Kruse und Schmitt 2005), bei der etwa Erfahrungswissen ein langsamer werdendes Arbeits-gedächtnis kompensieren kann. So legen beispielsweise Experimente von Campbell und Kirmani (2000) nahe, dass ältere Konsumenten und Konsumentinnen im Ver-gleich zu jüngeren mit einem besseren so genannten

„persuasion knowlegde“ ausgestattet sind, sie also über Erfahrungen verfügen, wann und mit welchen Strategien Verkäufer und Verkäuferinnen versuchen, sie von einem Produkt oder einer Dienstleistung unbedingt zu überzeu-gen. Dieses Erfahrungswissen kann ältere Menschen, auch wenn sie beispielsweise bestimmte technische Infor-mationen nicht genau verstehen oder Preisvergleiche zu komplex sind, vor unvorteilhaften Käufen schützen.

Es muss nochmals erwähnt werden, dass in Bezug auf die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten in keinem ande-ren Lebensabschnitt die Varianz zwischen Individuen hö-her ist als im hohen Erwachsenenalter (Brünner 1997).

Doch dank medizinischer Fortschritte bleiben viele Seniorinnen und Senioren bis ins hohe Alter aktiv und

vi-tal. Auch kann sich körperliches Fitnesstraining positiv auf die geistigen Fähigkeiten auswirken (Goldberg 2009).

Davon abgesehen kommen Healey und Hasher (2009) zu dem Schluss, dass in Bezug auf viele Konsumentschei-dungen die dafür notwendigen kognitiven Prozesse (z. B.

Vergleichen von Alternativen, Gewichtung von Entschei-dungskriterien) entweder alters-invariant sind oder dass das Erfahrungswissen Defizite bei der konkreten Infor-mationsverarbeitung ausgleichen kann.

Für den überwiegenden Teil der älteren Menschen gilt zu-dem, dass der Wunsch, von der Gesellschaft als attraktiv, intelligent und aktiv wahrgenommen und respektiert zu werden, sich nicht verliert, wenn das offizielle Ende des Arbeitslebens erreicht ist oder sich vermehrt körperliche Probleme einstellen. Allerdings können sich im Verlauf des Älterwerdens die Lebensinhalte, die als sinngebend empfunden werden, verändern beziehungsweise die phy-sischen Voraussetzungen, diese Ideale mit den gleichen Mitteln zu erreichen wie jüngere Menschen. Letzteres kann auch bedeuten, dass Konsumenten und Konsumen-tinnen Interdependenzen zwischen biologischem und psy-chologischem Altern erleben.

7.2.3 Beeinflussung von Altersbildern durch Medien und Werbung

Was wir als „Wirklichkeit“ erleben, zerfällt immer mehr in zwei verschiedene Wirklichkeiten: Die erste Wirklich-keit ist die durch direkte persönliche Erfahrung erlebte Umwelt (Erfahrungsumwelt). Die zweite Wirklichkeit ist die durch Medien vermittelte Umwelt (Medienumwelt).

Menschen konstruieren ihre Wirklichkeit in zunehmen-dem Maße aufgrund der Eindrücke, die sie aus den Me-dien empfangen (Kroeber-Riel, Weinberg und Gröppel-Klein 2009). Daraus kann geschlossen werden, dass auch das Selbstkonzept der älteren Menschen durch die Me-dien beeinflusst wird.

Die so genannte Kultivierungstheorie untersucht, inwie-weit der Konsum des Massenmediums Fernsehen Wis-sensstrukturen und Denkweisen über die Realität beein-flusst. Sie besagt, dass häufiger Medienkonsum dazu führt, dass Konsumenten und Konsumentinnen glauben, die reale Welt sei so wie die medial dargestellte Welt. In-haltsanalysen zeigen, dass die TV-Realität häufig über-trieben, verzerrt oder idealisiert dargestellt wird. So sind Themen wie Gewalt und Verbrechen im Vergleich zu ih-rem realen Auftreten im Fernsehen überrepräsentiert.

Auch die Körpermaße der Darstellerinnen in TV-Serien werden im Vergleich zur realen Welt verzerrt dargestellt (Fouts und Burggraf 1999). Der Anteil bestimmter Be-rufsgruppen (Ärzte und Ärztinnen, Anwälte und Anwäl-tinnen, Manager und Managerinnen) ist im Fernsehen deutlich höher ausgeprägt als im realen Leben, während Berufsgruppen mit geringerem Status unterdurchschnitt-lich präsent sind. Ältere Menschen sind in den Serien ebenfalls unterrepräsentiert; speziell ältere Frauen werden oftmals negativer oder mit niedrigerem sozialen Status dargestellt als ältere Männer. Die Kultivierungstheorie und darauf aufbauende empirische Studien legen die Ver-mutung nahe, dass sich diese Verzerrungen in der

media-len Welt auf das Alters-Selbstbild von Individuen auswir-ken.

Auch von der Werbung ist ein Einfluss auf individuelle Alters-Selbstbilder und Alters-Fremdbilder zu erwarten.

Die Bedeutung der Werbung kann kaum überschätzt wer-den: „Die Historiker und Archäologen werden eines Ta-ges entdecken, dass die Werbung unserer Zeit die einfalls-reichsten und tiefsten täglichen Betrachtungen darstellt, die eine Kultur je über ihr ganzes Tun und Lassen ange-stellt hat“ (McLuhan 1951). Die Werbung ange-stellt den Kon-sumenten und Konsumentinnen Normen und fertige Verhaltensmodelle zur Verfügung, an die sie sich in Kauf-situationen halten können (z. B. bei Versicherungen:

„Vorsorgen für eine gesicherte Zukunft“). Die Über-nahme solcher Verhaltensmodelle erfolgt nicht aufgrund von rationalen Problemlösungsprozessen, sondern sie ist oftmals das Ergebnis eines nicht weiter reflektierten Lernprozesses. Unter anderem vermittelt die Werbung den Konsumenten und Konsumentinnen durch soziale Vergleiche bestimmte Anspruchsniveaus und Standards, die dann die Produktauswahl bei verkürzten beziehungs-weise vereinfachten Entscheidungsprozessen bestimmen (z. B.: „Die gute Mutter gibt ihren Kindern Marke X“).

Die Marke Dove hat mit der „pro·age“-Werbekampagne für Aufsehen gesorgt und versucht, stereotype Vorstellun-gen von der gerinVorstellun-gen Attraktivität des Alters zu verän-dern und das Selbstbewusstsein der Älteren zu stärken (Abbildung 7.1). Die Diskussion, die im Internet zu Dove pro·age im Jahr 2007 entfacht worden ist, lässt darauf schließen, dass die Kampagne bei vielen Frauen auf große Zustimmung gestoßen ist. Inwieweit dieser Effekt jedoch langfristig anhält, bleibt abzuwarten.

Neben Dove verwenden in jüngerer Zeit auch andere Un-ternehmen Werbekampagnen, in denen ältere Menschen eine hohe Attraktivität ausstrahlen (z. B. „aktive Ältere“

beim Basketballspiel von Vital Axa, „jugendlich strah-lende Ältere“ von L‘Oréal Age Perfect oder glückliche, zufriedene und gutaussehende Ältere von Nivea). Andere Unternehmen rücken die „guten Großeltern“ in den Mit-telpunkt, die ein traditionelles, aber ebenfalls positives Bild von älteren Konsumenten und Konsumentinnen zei-gen. Im Zusammenhang mit der seit 2008 andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise sind in der Werbung für Finanzprodukte vermehrt „weise Werbepersonen“ auf Anzeigen zu sehen (Abbildung 7.2). Hier sollen die „älte-ren Führungskräfte“ wohl subtil auf die Vorstellung „äl-tere Banker sind die erfahrenen, soliden und vernünftigen Geldanleger“ anspielen.

Trotz dieser positiven Kampagnen und auch trotz der Ver-mutung, dass im Unterschied zu früheren Jahrzehnten die Anzahl altersdiskriminierender Werbung zurückgegangen ist, sind nach wie vor im Fernsehen Werbespots zu sehen, die den Typus der „zänkischen Alten“ oder der „lächerli-chen Alten“ zeigen und damit negative beziehungsweise defizitäre oder humoristisch groteske Altersbilder reprä-sentieren. Zudem drängt sich beim Fernsehen der Ver-dacht auf, dass ältere Models seltener gezeigt werden;

wenn sie doch als Akteure und Akteurinnen auftreten,

dann vor allem für solche Produkte, die sich ausschließ-lich an Ältere wenden (siehe Kapitel 8 in diesem Bericht).

Man kann also festhalten, dass ältere Menschen in der Tat unterrepräsentiert sind und in der Werbung vor allem für Produkte mit Altersbezug eingesetzt werden. Daraus er-geben sich die Fragen, ob werbetreibende Unternehmen die Relevanz der Zielgruppe der Älteren immer noch nicht erfasst haben oder ob diese befürchten, dass durch die Darstellung älterer Kunden und Kundinnen in der Werbung die Attraktivität des Produktes gerade in dieser Altersgruppe nachlässt, da sich Ältere über den Konsum

Man kann also festhalten, dass ältere Menschen in der Tat unterrepräsentiert sind und in der Werbung vor allem für Produkte mit Altersbezug eingesetzt werden. Daraus er-geben sich die Fragen, ob werbetreibende Unternehmen die Relevanz der Zielgruppe der Älteren immer noch nicht erfasst haben oder ob diese befürchten, dass durch die Darstellung älterer Kunden und Kundinnen in der Werbung die Attraktivität des Produktes gerade in dieser Altersgruppe nachlässt, da sich Ältere über den Konsum