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Umgang mit den Gutsanlagen

Einigung auf Gestaltungsgrundsätze

2.2 Handlungsrahmen .1 Modell der neuen Dörfer.1 Modell der neuen Dörfer

2.2.3 Umgang mit den Gutsanlagen

Nicht nur die Politik war mit dem Vorsatz angetreten, über die Liquidierung des Großgrund-besitzes mit der Bodenreform völlig neue Verhältnisse auf dem Lande zu schaffen48. Wie der thüringische Landesplaner Arke auf der 1. Tagung der Landesplaner im Mai 1946 in Weimar und Eisenach unwidersprochen feststellte, sei es seit jeher Gedankengut der Landesplanung gewesen, an die Stelle des Großgrundbesitzes bäuerliche Siedlungen zu setzen. Sein Weima-rer Kollege Miller vermochte zwar den Veränderungen in der SBZ weder den Charakter einer Revolution im Allgemeinen noch dem Umbruch auf dem Lande im Besonderen das Wesen einer Bodenreform zuzumessen; allenfalls könne man von einer Besitzreform sprechen.

Trotzdem bezeichnete er diese als „eine große revolutionäre und einmalige Aufgabe“, deren Vollzug eine vollkommene Umgestaltung der Verhältnisse auf dem Lande in politischer, wirt-schaftlicher und kultureller Hinsicht zur Folge haben werde. Er vergaß dabei aber nicht, davor zu warnen, kommende Krisen könnten Rückfälle in den alten Zustand bewirken. Er forderte deshalb, die Neubauern durch siedlungspolitische Vorkehrungen zu schützen.

Für Vogel stellte die Bodenreform „einen großzügigen Vorstoß“ zur inneren Landgewinnung, zur Intensivierung der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, zur Flurbereinigung und Dorf-auflockerung dar. Pniower, der Gartenarchitekt, sah sie gleichsam einem Naturgesetz ähnlich überall dort folgen, „wo der Missbrauch des Bodens zur Störung des sozialen Gleichgewichts geführt hat“. Die notwendige Intensivierung der Landwirtschaft sei nur über die zweckmä-ßige Auswahl der Dorflage und die Einbindung des Dorfes in den Landschaftsorganismus zu erreichen. Der Autor wollte sie nicht allein auf das Land reduziert sehen; eine städtische Bodenreform sollte sich Hand in Hand mit einer allgemeinen Wirtschaftsreform anschließen.

Das könne dazu beitragen, den krassen materiellen und kulturellen Gegensatz zwischen Stadt und Land abzubauen. Mit solchen Reformen in beiden Lebensbereichen seien wesentliche Voraussetzungen zu schaffen, um Deutschland einer gesunden Friedenswirtschaft entgegen

48 Rep. 350 Nr. 921.

DK 1 Nr. 7430, Bl. 9–10; Nr. 7584, Bl. 284; Nr. 8115, Bl. 145; Nr. 8419, Bl. 47; Nr. 8889, Bl. 5; DY 30/IV 2/7 Nr. 245, Bl. 129.

„Tägliche Rundschau“ Nr. 88 vom 16.4.1947.

Hoernle, Bauer, S. 911; Ders., Die Bodenreform, S. 556; Hamann (Bearb.), Die 2. Tagung, S. 4; Drei Jahre Bodenreform, S. 27; Die Behandlung, S. 12; Der Neubauernhof, S. 7; Vogel, Dorfplanung, S. 390; Pniower, Bodenreform, S. 83; Schlenker, Mecklenburgische Gutsanlagen, S. 240. Vgl. auch Nehrig, Bodenreform und Eigentumsfragen, S. 103.

zu führen. Und er steigerte sich zu einer Art Glorifizierung: „Die bodenreformerische Idee ist, auf unsere Gesellschaftsordnung bezogen, die Manifestierung des ehernen Gesetzes der Harmonie, auf der das Weltgebäude ruht … Sie ist vergleichbar mit einem symphonischen Werk, in dem alle Höhen und Tiefen der Leidenschaft, alles Glück und Leid der Menschheit aufklingen und im Schlusssatz zur Harmonie werden“.

Die Praxis war prosaischer. Nüchtern hatte Erbs die Aufgabe benannt: „An die Stelle der Großlandwirtschaften tritt, vorerst im Sowjetsektor, die Durchdringung des Landes mit einer großen Anzahl von Kleinlandwirtschaften“. Die Frage, die sich notwendigerweise aus der Auf-siedlung der Güter, von denen der größte Teil des Bodenreformlandes stammte, ergab, war die nach dem Umgang mit ihren Anlagen. Durch die Aufteilung hatten diese ihre eigentliche Funktion und ihre Besitzer ihre soziale und politische Stellung im Dorf verloren; was sollte an ihre Stelle treten? Die Gutsanlagen standen nicht nur siedlungsplanerischen Konzeptio-nen im Wege, sie waren nicht nur Symbole für wirtschaftliche Abhängigkeit und geistige und politische Bevormundung der Landarbeiterschaft, sie fielen vor allem als betriebswirtschaftli-cher Faktor aus. Sie eigneten sich nicht dazu, den neuen Landbesitzern als materielle Basis zu dienen. Sie entsprachen den neuen wirtschaftlichen und technologischen Anforderungen der nunmehr klein- und mittelbäuerlich aufgestellten Landwirtschaft in keiner Weise. Als äußerer Rahmen für den der Bodenreform zugrundeliegenden Gedanken der Demokratisierung des Landlebens waren sie vollkommen undenkbar. Die vollzogene Wandlung musste sich auch im äußeren Siedlungsbild erkennen und erleben lassen und die Basis für die Herausbildung eines neuen Selbstbewusstseins der neuen Landbesitzer bilden. Bisher hatten die Güter die Gemeinden nicht gebraucht, wie Striemer treffend festgestellt hat. Wie konnten die sozialen Verhältnisse auch besser veranschaulicht werden als aus dem krassen Gegenüber von herr-schaftlicher Gutsanlage in bevorzugtem Ambiente und den armseligen Behausungen der Gutsarbeiter? Es war ein dauerndes Symbol für soziale Abhängigkeit, Macht- und Rechtlo-sigkeit. Jetzt aber sollte der ehemalige Gutsarbeiter als freier Bauer selbständig auf eigener Scholle arbeiten.

So war Hoernle mit seinem Eintreten für die Liquidierung der Gutsanlagen bei den Landes- und Siedlungsplanern auf offene Ohren getroffen. Im Februar 1946 gab er auf der 2. Tagung des Arbeitsausschusses „Ländliches Bauwesen“ die ordnungspolitische Zielstellung bekannt:

„An die Stelle der alten großen Gutshöfe, die den landschaftlichen und wirtschaftlichen Cha-rakter des östlichen Deutschland bisher beherrschten, werden in Zukunft kleinere bäuerliche Wirtschaftshöfe treten“. Im März 1946 forderte er in einem internen Vermerk: „Da alle Sied-ler zumeist auf aufgeteilten Gütern angesetzt werden, soll uns der vornehmste Leitgedanke in der Neuplanung der sein, das Gesicht des früheren Herrenhofes vollständig auszulöschen“.

Nachdem er am 31. August 1946 das aufgesiedelte Gut Karlshof bei Demmin besucht hatte, notierte er: „Außerdem scheint es mir notwendig, dass durch die VdgB möglichst überall eine Umbenennung oder Neubenennung der neu entstandenen Gemeinden bzw. Ortsteile stattfindet, die jetzt noch allgemein nach dem aufgeteilten Gutshof benannt werden. Immer noch spricht man von aufgeteilten Gütern statt von Gemeinden oder Ortsteilen. Beim Bau der Wirtschaftshöfe der Neubauern sind unbedingt überall die bisher bestehenden

Stallun-gen, Scheunen und Wohngebäude des ehemaligen Gutshofes gründlich umzubauen bzw. als Baumaterial für völlig neue Bauernhöfe abzutragen.“ Eine entsprechende Anweisung solle die HA Bodenordnung vorbereiten.

In einem Bericht vom 16. September 1946 über die Vorbereitung der Gemeindewahlen in Mecklenburg bezeichnete Hoernle das Weiterbestehen des alten Gutsbildes als politisch un-tragbar und legte auf der oben behandelten internen Besprechung am 18. September nach.

Am 10. Januar 1947 forderte er vor den Landwirtschaftsministern: „Die Gutshöfe müssen aus dem Landschaftsbild verschwinden. Es müssen Neubauten vorgenommen werden und dafür Bauernsiedlungen entstehen“; oder: „An die Stelle des Herrenhauses tritt das Bauernhaus, an die Stelle des Gutshofes das Bauerndorf “. Lichtenberger trat ihm bei mit der Forderung, die neuen Wirtschaften müssten so platziert werden, dass das Gut vollständig verschwinde. Ge-genüber Minister Möller, Goldenbaum und Cords-Parchim49 unterstrich Hoernle am 4. Juni 1947 noch einmal, der Gutscharakter müsse unbedingt verschwinden und an seine Stelle das Bauerndorf treten. Das schloss aber nicht in jedem Falle die Beseitigung des Gutshauses ein.

Als Hoffmann am 5. Juni 1946 nach einem Besuch des Gutes Schlagenthin (Kr. Lebus) vor-schlug, das noch von Siedlern bewohnte Schloss als Kreiskrankenhaus oder Erholungsstätte zu nutzen, vermerkte Hoernle „Später, später! Erst die Siedler unterbringen!“ Zwei Jahre nach dem Beginn der Bodenreform konnte die HVLF der DWK diesen vorgedachten Prozess in Realität verwandelt feststellen: „Wo einst das Gut mit seinem Herrenhaus dominierte, ent-steht das Bauerndorf mit seiner Maschinenstation, dem Dorfwirtschaftshaus und mit sonsti-gen zweckgebundenen Neuanlasonsti-gen verkehrs- und wirtschaftstechnischer Art“.

Das ruft Erinnerung an Beurteilungen aus dem 3. Reich wach50. Damals hatte man die „un-gesunde Ballung von Großgrundbesitz“ in den deutschen Ostgebieten beklagt; dieser werde nur künstlich aufrechterhalten. Er müsse „zum überwiegenden Teile verschwinden“, an seine Stelle eine „gesunde Betriebsgrößenmischung“ treten. „Die Welt ist uns noch verschlossen;

Kolonien besitzen wir nicht. Da muss im Osten gesiedelt werden. Es ist nicht möglich, den Großgrundbesitz als Traditionswert zu erhalten. In diese Besitzverhältnisse einzugreifen, ist die Schlüsselstellung nicht nur für die Gesundung des Ostens, sondern der gesamtdeutschen Verhältnisse.“ Damit könne auch soziale Aufstiegsmöglichkeit für Kleinbauern geschaffen werden. Wie selbstverständlich ging man von der Aufteilung eines ganzen Rittergutes oder eines Vorwerks aus. Eine entwicklungsfähige Dorfgemeinschaft sei daraus zu gewinnen.

Schultze hatte das als absolutes Muss bezeichnet: „Auch der Großgrundbesitzer selbst wird sich dieser Notwendigkeit nicht verschließen, hängt doch von ihr mit das Zukunftsschicksal unseres Volkes und Reiches ab. Eine Untergrabung der Gesamtheit aber würde auch dem

49 Biographische Skizze in: Barth u. a., Vom Baukünstler, S. 60.

50 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten, 20. Legislaturperiode, IV.

Session 1907/1908, Sp. 578; Sitzungsberichte der Verfassunggebenden Preußischen Landesversammlung, S. 3719–3722, 4690–4693, 5580, 5586, 5596.

Scheda (Hg.), Deutsches Bauerntum, S. 225; Goltz, Großbesitz, S. 94–95; Hartwig, Rittergut, S. 23, 25;

Schultze, Deutsche Siedlung, S. 64–65; Froese, Das Kolonisationswerk, S. 78–79; Neues Bauerntum 29 (1937), S. 147–148.

Großgrundbesitz nur außerordentlich schädlich sein können.“ Für Froese schien das be-reits selbstverständlich geworden zu sein. Er meinte, da der ostdeutsche Boden zum weitaus größten Teil beim Großgrundbesitz liege, werde die Verstärkung der bäuerlichen Schicht im Osten in starkem Maße einer Besiedlung von Großgrundbesitzland gleichkommen. In der Provinz Brandenburg wurden nach dieser Strategie in den Jahren 1936/37 u. a. zwei Güter aufgesiedelt: Gut Steinrode (OT von Funkenhagen/Kr. Templin) mit 300 ha auf 18 Neubau-ern, Rittergut Gersdorf (Kr. Luckau) mit 450 ha auf 12 bis 15 Neubauern. Auf Mehrow (Kr.

Niederbarnim) wird unten gesondert eingegangen.

Das alles klang so ähnlich wie knapp 40 Jahre zuvor. Auf der IV. Session der 20. Legislatur-periode des Preußischen Abgeordnetenhauses hatte Hermann Pachnicke (Freisinnige Volks-partei) ausgerufen: „Eine Vermehrung des Bauernstandes, eine Ersetzung von Großgütern durch blühende Bauerndörfer bedeutet … nicht allein Fortschritt spezifisch in der Landwirt-schaft“. Im Nachhall der revolutionären Ereignisse nach dem Ende des 1. Weltkriegs spitzten sich Beurteilungen und Forderungen zu. Die Abgeordneten Klaußner und Mehrhof USPD) vertraten sie am entschiedensten. Klaußner benannte auf der 47. Sitzung der Verfassungge-benden Preußischen Landesversammlung am 17. Juli 1919 viele Fälle, in denen die Arbeiter schlechter wohnten als die Schweine. Dieses könne nur durch die Sozialisierung der Land-wirtschaft, durch die restlose Beseitigung der Großgrundbesitzer und die Inhandnahme des Großgrundbesitzes behoben werden. Mehrhof forderte auf der 59. Sitzung am 3. Oktober, die das Ausführungsgesetz zum Reichssiedlungsgesetz debattierte, endlich die Axt an die Wurzel des riesigen Latifundienbesitzes zu legen. Held (DVP) definierte das dafür erforder-liche Instrument: eine großzügige Bodenreform. Sie sei die Grundlage für den Wiederaufbau des ganzen Wirtschaftslebens. In der Aussprache zum Landwirtschaftshaushalt auf der 70.

Sitzung am 23. Oktober fasste Mehrhof zusammen: „Nur eine nach den Methoden sozia-listischer Wirtschaftsweise betriebene Landwirtschaft wird die Ernährung der Bevölkerung endgültig sicherstellen … Die sozialistische Landgemeinde ist das Ideal der Zukunft.“

Die Auseinandersetzung über den Umgang mit den Gutsanlagen wird die gesamte Perio-de Perio-des Planens und Bauens auf Perio-dem LanPerio-de dominieren, ohne zu Perio-der radikalen Lösung zu gelangen, die den politischen Forderungen entnommen werden könnte. War schon bei der Landverteilung über siedlungs- und kommunalpolitische Bezüge hinweggegangen worden, so stießen sich auch Entscheidungen über Gutsanlagen an den Notwendigkeiten des Tages.

Die folgende Entwicklung wird zeigen, dass die sich daraus ergebenden Widersprüche zuwei-len kaum auszugleichen waren.