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Siedlung und Siedlungspolitik im Rückblick

Die Aufgabe

1.2 Siedlung und Siedlungspolitik im Rückblick

Die Bodenreform steht als letztes Glied in einer über Jahrhunderte zurückreichenden Sied-lungsbewegung. Landaufteilung und das damit verbundene Anlegen von Siedlungen hatten eine lange Tradition und immer eine mehr oder minder ausgeprägte politische Zweckset-zung4. „Die Siedlungsfrage ist an sich weder eine Frage des Dorfbildes noch der Siedlerbau-ten. Sie ist zuerst eine politische und wirtschaftliche Notwendigkeit und erst in zweiter Linie eine Angelegenheit der Formen“, wurde im Vorfeld der nationalsozialistischen Siedlungs-kampagne konstatiert. In der Regel ging es darum, Siedler auf herrenlosem oder staatlichem Land oder auf gegen Geldleistung erworbenem Gutsland anzusetzen. Enteignungen, obwohl rechtlich sanktioniert, waren Ausnahme geblieben. Karutz hat die Siedlungsgeschichte pe-riodisiert. Wenn seine Konstruktion um einige Bestandteile ergänzt wird, erscheinen acht Siedlungsepochen, die besser als Etappen zu benennen sind, im historischen Ablauf. Die ers-te ist die Ostlandsiedlung des Miters-telalers-ters. Sie führers-te, getragen von den Riters-terorden, Siedler über Elbe, Oder, Weichsel, Memel und Düna hinaus. Es währte Jahrhunderte, bis mit dem Retablissement die von der Pest in den Jahren 1708 bis 1710 entvölkerten Gebiete Ostpreu-ßens in einer zweiten Etappe wieder belebt wurden. Nach Schmoller tritt damit die ländli-che Kolonisation in den Vordergrund. Dem folgte in einem dritten Schub die Besiedlung der

3 Vgl. dazu im Einzelnen Blöß, „Die Auflösung …“, bes. S. 247–268.

4 Schmoller, Die preußische Kolonisation, S. 7–8; Sering, Die innere Kolonisation, S. 39, 49–50, 52; Maxion, Die bisherigen Wirkungen, S. 88–92, Liesenberg, Die Kolonisation; von Schwerin, Die Entwicklung, S. 3, 8;

Ponfick, Landesplanung, S. 215; Müller, Die preußische Kolonisation; Sombart, Das Parzellierungsverfah-ren, S. 11, 14, 33–41; Ders., Ein neues Bauerndorf; Ders., Steesow; Ders., Das preußische Gesetz, S. 1102–

1103; Lenger, Werner Sombart, S. 28, 45; Mertens (Hg.), Sombart, Bd. 1, S. 39, 141–144; Bd. 2, S. 37, 47, 63, 66–68, 71–75, 78, 133: Auszüge aus Sombarts parlamentarischen Reden zum Thema; Karutz, Die deutsche ländliche Siedelung; Ders., Das deutsche ländliche Siedelungsrecht; Ders., Siedelungsverfahren; Aal, Das preußische Rentengut; Thiel, Die Verhandlungen, S. 74; Froese, Das Kolonisationswerk, S. 112; Kurandt, Bodenpolitische Maßnahmen, S. 138; Weipert, Siedlung, S. 99–100; von der Beck, Die Konfiskation, S. 79;

Helwig, Giesenbrügger Siedler, S. 24; Merkel/Schuhans, Die Agrarwirtschaft, S. 37; Müller, Hitlers Ostkrieg;

Mai, „Rasse und Raum“, S. 73–74; Knauss, Von der Gutswirtschaft, S. 37; Gröning/Wolschke-Bulmahn, Die Liebe, S. 174; Kimpel, Agrarreform, S. 128–129; Dornheim, Bodenreform, S. 81; Striemer, Ländliche Sied-lungsarbeit; Ders., Wie eine Siedlung entsteht, S. 213; Ders., Die Siedlungsaufbau-Methode, S. 9.

Vgl auch Boyens, Die Geschichte I, S. 34–35, 44, 114–139, 238, 241, 291–328; Baier, Der deutsche Osten, S. 338–346; Interview über die Bodenreform, S. 3; Friedensburg, Die Verelendung, S. 4; Archiv für inne-re Kolonisation 11 (1919), S. 29–30; Boes, Geschichte, S. 53–54; Aal, Das pinne-reußische Rentengut; Becker, Handlungsspielräume, S. 107–122; Ders., Reichssiedlungsgesetz; Zusammenstellung der rechts- und Ver-waltungsvorschriften zum Siedlungswesen und Überblick über die zeitgenössische Literatur bei Ponfick, Siedlung, S. 15–34.

trocken gelegten Flussniederungen von Oder, Warthe und Netze unter Friedrich II. Nach den Eroberungen aus den Kriegen gegen Österreich und den polnischen Teilungen ergaben sich noch einmal im ancien régime Notwendigkeit und Möglichkeit, im Osten zu siedeln.

Die vierte Etappe hob an. Die neu gewonnenen Gebiete sollten durch das Ansetzen neu-er Bevölkneu-erungsteile zusätzlich gesichneu-ert wneu-erden. In Schlesien wurden nicht nur Festungen und andere militärische Anlagen errichtet. Neben Industrieansiedlungen fanden sich zahl-reiche neue Dörfer. Als Preußen nach der dritten polnischen Teilung die Provinzen Süd- und Neuostpreußen auf dem okkupierten Gebiet errichtet hatte, wurden unter Provinzialminister Schroetter und dessen maßgeblicher Mitwirkung in den neuen Kammerbezirken Bialystok und Plock zwischen 1797 und 1806 32 Kolonien gegründet und mit freien Bauern besetzt.

Eine von ihnen erhielt den Namen Schroettersdorf. Nach der Bauernbefreiung jedoch schlug das Pendel zurück. Freie Bauern und freier Bodenverkehr sahen sich zunehmend in Frage ge-stellt, Siedlungsbemühungen für lange Zeit unterbrochen. Zwischen 1816 und 1860 wurden nicht nur 17 350 Bauernhöfe „zertrümmert“ – Sombart beklagte, dass tausende und abertau-sende Bauernhöfe in Gutsländereien aufgegangen seien -, sondern auch juristische Hürden gegen die Errichtung von Siedlungen aufgebaut.

Die fünfte Etappe des Siedlungsgeschehens ergab sich aus den Germanisierungsabsichten Preußens. Sie manifestierte sich in der Ansiedlungsaktion in den Provinzen Westpreußen und Posen in der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Die erforderlichen Vorkehrungen waren durch

„Gesetz über die Beförderung deutscher Ansiedlungen in den Provinzen Westpreußen und Posen“ vom 26. April 1886 (GS. S. 131) eingeleitet worden. Die eigens dafür gegründete zu-ständige Behörde, die Ansiedlungskommission, wurde in Posen, mitten im Siedlungsgebiet eingerichtet. Karutz lässt damit die moderne deutsche Siedlung beginnen. Die sechste Etappe stellten die Siedlungsvorhaben in der Weimarer Republik dar. Das Reichssiedlungsgesetz und folgende landesgesetzliche Regelungen hatten die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen.

Zwei unterschiedliche Repräsentanten prägten das Motto. Hindenburg machte ein „leicht-fertiges Siedlungsversprechen“. In seinem Erlass an die heimkehrenden Truppen rief er aus:

„Das große Werk ist schon begonnen, bis zu seiner Vollendung wird eine Reihe von Jahren hingehen“. Um den „Gesundungsprozess des deutschen Volkes“ einzuleiten, forderte Strie-mer: „Die planmäßige ländliche Siedlung ist der Weg zum Ziel“. Drei große Vorhaben wur-den in Angriff genommen: die Soldatensiedlung, die Flüchtlingssiedlung und die West-Ost-Siedlung. Domänen und fallierte Rittergüter boten das erforderliche Betätigungsfeld. Die siebte Etappe war in Zielsetzung und Ausführung die furchtbarste. Aggression, Okkupation und Vertreibung kennzeichnen die Siedlungsvorhaben des NS-Regimes. Es nimmt die alte Ostlandsiedlung wieder auf und setzt die zuständige Behörde in bewusster Anknüpfung an preußische Tradition wieder in Posen an. Die achte Etappe schließlich, die Bodenreform-Siedlung, ist die bedeutendste und weitreichendste in dem Reigen. Mit ihr geht Siedlung in großem Maßstab zu Ende.

Überdeckten bei den frühen preußischen Siedlungsvorhaben Antworten auf die Not der Zeit und Versuche, die Versorgung der Bevölkerung aus eigenem Anbau zu stabilisieren, die pri-mär politischen Absichten, traten diese später deutlicher hervor. Die Ansiedlungspolitik im

Kaiserreich verfolgte unterschiedliche Zielstellungen, alle waren politisch. Sie sollte auf der einen Seite die gefährliche Ausmaße annehmende Landflucht stoppen. Es bedurfte allerdings erst des „Zutritts nationalpolnischer Tendenzen“, um auf der anderen die erste Kolonisati-on großen Stils seit dem Untergang des ancien régime in Preußen herbeizuführen und dem Erstarken polnischer Bestrebungen im Osten Preußens entgegentreten zu können. Darüber hinaus sollte „ein Mittelglied zwischen dem Großgrundbesitz und der Klasse der besitzlosen Arbeiter“ geschaffen werden. Außerhalb politischer Intention, zur Erleichterung des Anset-zens von Siedlern führte das „Gesetz über Rentengüter“ vom 27. Juni 1890 (GS. S. 209) in Verbindung mit „Gesetz, betreffend die Beförderung der Errichtung von Rentengütern“ vom 7. Juli 1891 (GS. S. 279) eine neue Form des Grunderwerbs ein. Land konnte danach zu Sied-lungszwecken gegen laufende Rentenzahlung verkauft und gekauft werden.

In der politischen Absicht zwar durchgesetzt, hatte sich der Erfolg nur in bescheidenem Aus-maß gehalten. „… in der Praxis gab es dann jedoch soviel Wenns und Abers, dass das Ergeb-nis recht unzulänglich blieb“. Insgesamt hatte die Ansiedlungskommission im Zeitraum von 1891 bis 1914 811 Güter und 617 Bauernhöfe angekauft. Auf deren Fläche von ca. 529 000 ha setzte sie 41 837 Siedlerstellen mit einer durchschnittlichen Größe von 12 ha an. In der Weimarer Republik musste gegen Arbeitslosigkeit und ihre politischen Folgen vorgegangen, die Versorgungslage stabilisiert, der durch Verlust von Gebieten an Polen geschwächte Osten Preußens bevölkerungspolitisch gestärkt, ein Bollwerk gegen das Überschwappen der Vor-gänge in Sowjetrussland aufgerichtet, bürgerlich-liberalen Vorstellungen von der Gestaltung des ländlichen Raumes nachgekommen und damit radikalen Forderungen der SPD nach ei-ner Bodenreform und denen der KPD nach Liquidierung des Großgrundbesitzes begegnet werden. Das gelang: „Die bloße Existenz des Reichssiedlungsgesetzes nahm der bedrohli-chen agrarrevolutionären Bewegung die Stoßkraft, den Wind aus den Segeln … Insbesondere ein Stand … verdankt dem Reichssiedlungsgesetz, dass er ohne wesentliche Erschütterungen diese unruhige Zeit überstanden hat: der Großgrundbesitz“. Dagegen waren die schon früh erkennbaren Mängel der Gestaltung des ländlichen Raumes in die Frage gekleidet worden:

„Wo erhebt sich eine Ortschaft als Muster errichtet für Ersatzbauten?“

Die Ergebnisse der Siedlungsarbeiten Preußens und Österreichs im 18. Jahrhundert hielten sich ebenso in Grenzen, wie die der Ansiedlungspolitik im Deutschen Reich zwischen 1919 und 1939. In diesem Zeitraum von 21 Jahren wurden auf dem Gebiet des Deutschen Rei-ches insgesamt 78 702 Neusiedler auf knapp 950 000 ha angesetzt. Zwischen 1933 und 1939 waren es 21 254 „Neubauernstellen“ auf 347 778 ha Fläche. Das entsprach einem jährlichen Durchschnitt von 3 750 Neusiedlern. Das zur Aufteilung stehende Land betrug ein ungefäh-res Drittel der in der SBZ aufgesiedelten Flächen. Es war die knappe Hälfte mehr dessen, was Preußen in einer Provinz geleistet hatte. Dieses schuf zwischen 1919 und 1930 33 887 Siedlerstellen auf einer Fläche von 375 805 ha. Lemmer bezeichnete die Ergebnisse als un-zureichend.

Die Blut- und Bodenpolitik des 3. Reiches war doppelgesichtig. In ihrem Rahmen gelangte die Siedlungsplanung zu fachlicher Höchstleistung mit Langzeitwirkung. Sie sollte die

Hand-habe bieten zur Vertreibung und massenhaften Vernichtung von Menschen in den eroberten Gebieten und zu deren Germanisierung. Die Siedlungspolitik nämlich verfolgte zwei Ziel-stellungen. Um einer der nationalsozialistischen Hauptforderungen nachzukommen, das Bauerntum als Kraftquell der Volksgemeinschaft zu stärken, sollte der typische ostelbische Großgrundbesitz, der seine Existenz „eigensüchtigem Handeln“ zu verdanken habe, beseitigt, durch landwirtschaftliche Siedlung auf seinen aufgeteilten Flächen ein Gerüst leistungsfähi-ger Bauerngemeinden gegründet werden. Zehn Jahre waren nach einem Plan der Reichsstelle für Raumordnung veranschlagt, um ca. ein Drittel des ostelbischen Großgrundbesitzes auf ca. 125 000 Bauernwirtschaften aufzuteilen. Das Vorhaben wurde jedoch bereits 1935 ge-stoppt. Das Ansetzen von Siedlern in den besetzten Ostgebieten wiederum hatte den Haupt-zweck, die Eroberung endgültig zu machen, zu befestigen und zu behaupten, den deutschen Herrschaftsanspruch durchzusetzen. Planungsarbeiten größten Ausmaßes bereiteten die Be-siedlung der Eroberungen unter der Devise vor, „kein Volk der Erde hat bis heute mit Latifun-dienbesitzern und Kleingärtnern Geschichte gemacht“. Dazu mussten die ansässige Bevölke-rung vertrieben und vernichtet, große deutsche BevölkeBevölke-rungsteile umgesiedelt werden. Über Planungswettbewerbe sollten belastungsfähige Erkenntnisse für die Gestaltung von Raum, Dorf und Hof gesammelt werden. Die Vorlagen aus der vorangegangenen Zeit wurden ger-ne aufgenommen. Das Gesamtvorhaben jedoch erlitt nicht nur durch den Kriegsverlauf ein

„schweres Fiasko“. Es habe an einer wirklich planvollen Führung gefehlt.

Gegenüber dieser vom Staat getragenen Kolonisation war die private Siedlungstätigkeit in dieser Zeit nach Schmoller die Ausnahme. Eine davon repräsentiert der bürgerliche grundbesitzer und Zuckerfabrikant Sombart. Er hatte sich davon leiten lassen, dass der Groß-grundbesitz sich auf Dauer nicht werde halten können. Er sei strukturell nicht in der Lage, so billig und ertragsstark zu wirtschaften wie ein Bauer. Unter allen Landeigentümern sei die Verschuldung der Gutsbesitzer am höchsten. In den sechs östlichen Provinzen der Mo-narchie habe sie das 32fache des Grundsteuerreinertrages erreicht. Überdies könne mit von Bauern bearbeitetem Land den Bestrebungen der Sozialdemokratie direkt entgegen gearbei-tet werden. Sein Hauptaugenmerk richgearbei-tete er zunächst auf die Parzellierung von Domänen.

Diese seien zudem ihrer Zuordnung zur Finanzverwaltung wegen nicht auf optimale land-wirtschaftliche Produktion, sondern rein fiskalisch auf die Erzielung fester Staatseinnahmen ausgerichtet. Im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Verein für Socialpolitik verwandte er sich unermüdlich und unverdrossen für seine Idee. Aber auch sich selbst brachte er ein.

Nachdem sein Vorhaben gescheitert war, in Neuvorpommern ein Gut zur Aufteilung und zur Anlage einer Musterkolonie zu kaufen, bot sich die Gelegenheit, aus der Insolvenz des Rittergutes Steesow (Kr. Westprignitz) zu profitieren. Er hatte es im Juni 1886 als alleiniger Bieter ersteigert und zog doppelten Nutzen daraus. Er sicherte eine hohe Hypothek, die er auf die Liegenschaft vergeben hatte, vor dem Verlust und verkaufte deren parzellierte Flächen mit Gewinn. Sein sicherlich auch zur Nachahmung aufforderndes Resümee: „Man kaufe aus der Sequestration oder aus dem Konkursverfahren Güter, behalte sie längere Zeit in eigener Regie oder kaufe sie aus freier Hand in guter Kultur, teile sie aber bald auf; das andere wird sich finden.“

Auf 774 ha siedelten 26 Kolonisten. Ihre Stellen entwickelten sich erfolgreich. Durch die am 1. Juni 1887 erfolgte Umwandlung des Gutsbezirkes Steesow in die Gemeinde Steesow (Amtsblatt der Regierung Potsdam S. 256) konnten sie ihr Leben in einer kommunalen Kör-perschaft selbst gestalten. Der Sohn würdigte die Leistung des Vaters: „Mit unermüdlichem Eifer und einer seltenen Sachkenntnis, die auf geometrisches, landwirtschaftlich-technisches und nationalökonomisches Wissen sich gleichermaßen stützte, wurde auf diesem abgewirt-schafteten Gute eine Bauernkolonie systematisch angesiedelt, die heute zu den blühendsten im deutschen Vaterlande gehört und ein Muster und Vorbild für alle zukünftigen Ansied-lungen von Bauernschaften geworden ist.“ Die sogenannten „Güterschlächter“ folgten. De-ren Anliegen war es, aus der Aufteilung von Gutsländereien einen möglichst hohen Profit zu ziehen. Andere Formen und Verfahren der Aufsiedlung ergaben sich aus dem Wirken von Siedlungsgesellschaften5. Die Provinzialsiedlungsgesellschaft Eigene Scholle z. B. kaufte das Gut Schwante (Kr. Osthavelland). Auf dessen parzellierter Fläche entstand eine Genossen-schaftssiedlung, an der Striemer6 seine Idee vom wachsenden Dorf weiter beobachtete. Auch H. Lübke war in die Siedlungstätigkeit eingestiegen. 1928 kaufte er, damals Geschäftsführer des Deutschen Bauernverbandes Berlin, von Alexander von Treskow dessen Rittergut Gie-senbrügge (Kr. Soldin), um es zu parzellieren.

Rechtliche Regelungen sicherten in Preußen die politische Absicht. Sie wurden im Fortgang der Siedlungspolitik den sich ändernden Verhältnissen angepasst. Nachdem das Scharnwe-bersche Projekt eines Parzellierungsgesetzes, das Abbau und Aufteilung von Landgütern regeln sollte, 1812 gescheitert war, stellte das „Gesetz, betreffend die Zerteilung von Grund-stücken und die Gründung neuer Ansiedlungen“ vom 3. Januar 1845 (GS. S. 25), das sich in der Hauptsache mit der Anlage einzelner Baulichkeiten befasste, die Gründung einer Kolonie unter den Genehmigungsvorbehalt der jeweiligen Regierung. Das „Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes, betreffend die Zerstückelung von Grundstücken und die Gründung neuer Ansied-lungen vom 3. Januar 1845“ vom 24. Mai 1853 (GS. S. 241) räumte der Verwaltung das Recht ein, einer Ansiedlung zu widersprechen, wenn daraus das Anwachsen der Armenlast zu

be-5 Liste der Siedlungsgesellschaften bei Becker, Reichssiedlungsgesetz, S. 21.

6 Alfred Striemer, geb. 17.10.1879.

Nach dem Studium der Rechts- und Staatswissenschaften Promotion 1919 1921–1923 Chefredakteur des ADGB-Organs „Die Arbeit“

seit 1923 Sozialsekretär in der Firma Borsig und verantwortlicher Redakteur der Firmenzeitung „Borsig-Zeitung“

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten verbrachte er eine Zeit in den USA und betätigte sich publizistisch (u. a. Wie der durchschnittliche Amerikaner wohnt; Die kommende große Bedeutung der kleinen Stadt).

1945 Landesplaner in der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg 1946 Lehrauftrag an der TH Berlin

später Leiter des Instituts „Stadt – Land“ an der TU Berlin R 73 Nr. 15039

Gutberger, Volk, Raum, S. 498–499; Lindner/Schmalfuß, Borsig, S. 110; Guericke, Die illustrierte Werkszei-tung, S. 2; Michel, Von der FabrikzeiWerkszei-tung, S. 115; Dix, „Freies Land“, S. 464; Butter, Neues Leben, S. 748. Die Autoren erwähnen Striemers Tätigkeit in Brandenburg nach 1945 nicht.

fürchten sei. Das „Gesetz, betreffend die Verteilung der öffentlichen Lasten bei Grundstücks-teilungen und die Gründung neuer Ansiedlungen in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien und Westfalen“ vom 25. August 1876 (GS. S. 405) hob zwar die-se Bestimmung auf, führte ein anderes Genehmigungsverfahren ein, ließ aber immer noch Einspruchsmöglichkeiten gegen die Anlage einer Siedlung zu (Siedlung nicht über einen of-fenen Weg zugänglich, Gefährdung der Nutzung benachbarter Grundstücke). Die folgenden Rechtsvorschriften „Gesetz, betreffend die Gründung neuer Ansiedlungen in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien, Sachsen und Westfalen“ vom 10. August 1904 (GS. S. 227) und „Gesetz über die Genehmigung von Siedlungen nach § 1 des Reichssiedlungsgesetzes“ vom 1. März 1923 (GS. S. 49) behielten die bisherigen Be-stimmungen bei; sie änderten lediglich das Genehmigungsverfahren. Das zitierte „Reichs-siedlungsgesetz“ vom 11. August 1919 i. d. F. der Gesetze vom 7. Juni 1923 (RGBl. I S. 364) und 8. Juli 1926 (RGBl. I S. 398) bestimmte Ausmaß, Grundlagen und Zuständigkeiten im Rahmen der neuen verfassungsmäßigen Ordnung von Reich und Staat.

1.3 Aufgabe und Umfeld