• Keine Ergebnisse gefunden

6. Ergebnisse

7.2 Lehrervorstellungen über ihren Umgang mit Schülervorstellungen in

7.2.1 Umgang, dem Conceptual Change folgend

Der Ansatz des Conceptual Change stellt die Grundlage für eine Systematisierung und Strukturierung der Lehrervorstellungen über ihre Strategien zum Umgangs mit Schülervorstellungen dar.

7.2.1.1 Wahrnehmen von Schülervorstellungen

Nur wenige Lehrkräfte sind sensibilisiert für die Wahrnehmung von Schülervorstellungen während ihres Unterrichts. Wenn, dann passiere das aber nicht nur in der Anfangsphase, beim Einstieg (6, 7), sondern auch im weiteren Verlauf, vornehmlich in den Erarbeitungsphasen (1, 3, 30). Eine Lehrkraft äußert, dass ihr Schülervorstellungen erst dann auffielen, wenn diese zur Rechenschaftsablage in der Folgestunde gebeten würden (16). Bei Schülerinnen und Schülern unterer Jahrgangsstufen würde man auf vorunterrichtliche Vorstellungen aufmerksam werden, weil sie sich noch viel melden und von sich aus erzählen würden, auch ohne Aufforderung, konkrete Vorstellungen zu nennen (6, 9, 15). Bei älteren Schülern könne man Vorstellungen besonders dann wahrnehmen, wenn sie durch aktive Teilnahme am Unterricht beispielsweise ad-hoc Vorstellungen entwickeln (4). Eine Lehrkraft sagt, man könne Schülervorstellungen wirklich nur dann wahrnehmen, „[…] wenn´s diese kooperativen Lernformen sind, dass sich mehrere Schüler äußern und man läuft rum und hört ja dann, was an den Tischen besprochen wird.“ (17, 30 - 30).

Durch die Metareflexion über ihren Unterricht während des Interviews stellt eine Lehrkraft fest, dass sie wahrscheinlich nur einen Bruchteil von Schülervorstellungen wahrnehme (10).

7.2.1.2 Erfassen von Schülervorstellungen

Im Gegensatz zur Wahrnehmung von Schülervorstellung fällt ins Auge, dass das Erfassen von Schülervorstellungen bei den meisten Lehrkräften ein fester Bestandteil ihrer Unterrichtsskripts ist, obgleich in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen Zielsetzungen.

Präkonzepte werden in den allermeisten Fällen zu Beginn einer neuen Unterrichtssequenz oder zu Beginn einer Einzelstunde erfasst (1, 2, 5, 6, 9, 10, 11, 13, 14). In seltenen Fällen werden aus dem Unterrichtsgespräch heraus von den Schülern ad-hoc geäußerte Vorstellungen thematisiert.

Die meisten Lehrerinnen und Lehrer bringen Schülervorstellungen im Klassenverband durch Interaktion mit den Lernern in Erfahrung. Zwei Lehrkräfte erkunden Schülervorstellungen gezielt vor dem Hintergrund, dass sich die Schülerinnen und Schüler selbst ihre vorunterricht-lichen Vorstellungen individuell bewusstmachen (10, 11). Lehrkräfte mit dem Anspruch der individuellen Auseinandersetzung der Lerner mit ihren persönlichen Alltagsvorstellungen setzen dafür angepasste Methoden ein. Im Gegensatz zur Aktivierung im Plenum ist die Verschriftlichung der eigenen Vorstellung durch den Einzelschüler hier ein zentrales Merkmal.

Unabhängig davon, wie mit diesen Notizen weitergearbeitet wird, kommen hierbei die Methoden der Gedankenwolke (11), des Niederschreibens der Gedanken ins Heft vor Beginn der

Erarbeitungsphasen (10) und das Übersetzen der Gedanken in Bilder (10) zum Einsatz. Die am weitesten verbreitete Methode des Erkundens ist das Brainstorming, welches von den Lehrkräften selbst als klassisch oder gängig bezeichnet wird. Sie kommt zur Anwendung, wenn es lediglich um das Hören oder Nennen von Schülervorstellungen geht (2, 5, 7, 11, 16, 17, 18).

Eine Lehrkraft differenziert zwischen Brainstorming und Mind-Mapping; bei Letzterem ginge es ihr um die Feststellung des Vernetzungsgrades von Vorstellungen (17). Da die Mindmap gemeinsam erstellt und an der Tafel fixiert wird, gibt sie jedoch keine Auskunft über die Komplexität von individuellen Vorstellungen. Als weitere Methode zur Aktivierung von Vorwissen werden die Phantasiereise (10), das Abrufen mittels medialer Impulse (13) genannt.

Nach mehreren Interviews kristallisiert sich als eine Strategie heraus, dass Lehrkräfte selbst Schülervorstellungen zur Aktivierung anbieten, die ihnen wegen ihrer Lehrerfahrung bereits bekannt sind (3, 8). Sie dienen quasi als Vehikel zur Aktivierung oder Offenlegung weiter Schülervorstellungen. Eine weitere, weit verbreitete, Strategie ist das einfache Abrufen, Abfragen, Fragen nach/Sammeln von Schülervorstellungen im Unterrichtsgespräch (1, 3, 6, 9, 14, 13, 16, 17). Vor allem diene sie den Lehrkräften dazu, Schülervorstellungen zur Kenntnis zu nehmen, sie „[…] mit[zu]nehmen“ (9, 64 - 64) . Lehrerinnen und Lehrer, die ausdrücklich darauf verweisen, Schülervorstellungen aus Beweggründen wie beispielsweise zu hohem Aufwand, Zeitmangel oder Nichteignung gewisser Themen ganz bewusst nicht erfassen zu wollen (1, 2, 7, 8, 10, 17, 16). Andere hingegen relativieren das und erkunden sie nur dann, „[…] wenn es eben passt.“ (3, 7).

7.2.1.3 Umstrukturieren von Schülervorstellungen

Das Umstrukturieren der Schülervorstellungen ist das eigentliche Ziel des Umgangs mit Schülervorstellungen. Die Lehrervorstellungen hierzu wurden zusammenfassend den passenden Konzepten, die sich aus der Informationsfülle ergaben, zugeordnet.

7.2.1.3.1 Konzept der Konstruktion von Wissen

In der konkreten Stunde einer Lehrkraft zur Entstehung der Jahreszeiten erhalten dieLernenden die Möglichkeit, sich aktiv mit ihren Vorstellungen auseinanderzusetzen, weil die Lehrkraft durch eine passende Methoden- und Sozialformwahl, dem Stationenlernen, den dafür benötigten Freiraum schafft (2). Auch wenn die Stationen didaktisch aufbereitet sind, haben die Schülerinnen und Schüler die potenzielle Chance, sich weitgehend selbstgesteuert (Arbeitstempo, Reihung der Stationen), aktiv und in Interaktion mit den Mitschülerinnen und Mitschülern mit ihren eigenen Vorstellungen zu befassen, neues Wissen zu generieren und veränderte mentale Modelle zu entwickeln. Das Taschenlampen-Globus-Experiment wird beispielsweise als Schülerexperiment durchgeführt. Die Lehrkraft betont ausdrücklich, dass bei diesem Thema das entdeckend-lassende Unterrichtsverfahren Priorität habe; die Schülerinnen

und Schüler sollen selbst an ihren Vorstellungen arbeiten und ihre „Fehlvorstellungen“ (2, 37 - 38) selbst überprüfen können. „Die sollen sich über das zur Verfügung gestellte Material an die fachwissenschaftlich richtige Sichtweise annähern“ (2, 83 - 84). In einer Plenumsphase erfolgt im Anschluss an die Stationenarbeit gegenseitige Präsentation ihrer neuen Erkenntnisse, die die Verifizierung oder Falsifizierung der Vorstellung und die Bewertung der Vorstellungsänderung oder -erweiterung zulassen. Die Lehrkraft übernähme nach ihren Aussagen dabei lediglich eine die Diskussion koordinierende und strukturierende Moderation, nicht aber die inhaltliche Zusammenführung zu einer gemeinsamen Erkenntnis. Auf eine Anwendung der neuen Vorstellungen unmittelbar im Anschluss an die Erarbeitung deutet allerdings nichts hin, obgleich sie die Meinung vertritt, dass, wenn man die Schülervorstellungen sammelt und als Lehrkraft Möglichkeiten anbietet, es die Lerner schaffen würden, die neuen Vorstellungen in anderen Kontexten anzuwenden (2, 80 - 80). Sie steuert in diesem Zusammenhang das Beispiel für eine fächerübergreifende Anwendung von Schülervorstellungen aus der Physik in die Geographie zum Thema spezifische Wärmekapazität (2, 86 - 86) bei. Sie stehe auf dem Standpunkt, dass es

„[…] nochmal besser hängen bleibt […], wenn sich Schüler gegenseitig etwas erklären würden

„[…] als wenn das der Lehrer vorne alles runter erzählt.“ (36 - 36). Dies seien Informationen, die vermutlich nur bis zur nächsten Stunde abgespeichert würden.

7.2.1.3.2 Konzept des Weiterreichens von Wissen

Alle anderen befragten Lehrkräfte verfolgen in der Stunde zur Entstehung der Jahreszeiten die Strategie des Beibringens von Wissen, in der die Lehrkraft eine zentrale Rolle spielt. Gleiches gilt für die dargestellten Lernangebote in anderen Stunden. Obwohl die Lehrkräfte hier explizit darauf verweisen, dass sie bei anderen Stundenthemen durchaus anders vorgehen würden. (1, 3, 4, 7, 10, 14, 17), folgen auch diese Abläufe im Wesentlichen dem klassischen Stundenaufbau. Das Konzept des Weiterreichens von Wissen wird aufgelockert durch konstruktivistisch orientierte Unterrichtsmethoden, wie zum Beispiel Rollenspiele (17) oder allgemein freiere Arbeitsphasen (4). Eine Lehrkraft erachtet nur Vertretungsstunden als besonders geeignet, um sich den Schülervorstellungen intensiv widmen zu können (8).

Bei der Stunde zur Entstehung der Jahreszeiten reflektiert eine Lehrkraft das komplette Handlungsmuster ihrer Stunde wie folgt: Zu Beginn der Unterrichtsstunde wird eine problemorientierte Fragestellung aus dem lebensweltlichen Kontext der Schülerinnen und Schüler aufgeworfen, die zur Hypothesenbildung auf der Basis der Präkonzepte der Lerner anregen soll. Die zentralen Methoden zur Erarbeitung neuer Vorstellungen seien das Taschenlampen-Globus-Demonstrationsexperiment und der Schülerversuch zur Messung der Strahlungsenergie mit Taschenlampe und Papier im fragend-entwickelnden Unterrichts-gespräch. Anschließend werden von der Lehrkraft Verständnisfragen gestellt (7). Die Lerner

sollen zum Beispiel ihren Geburtstag dort „[…] platzieren, wo die Sonne im Zenit steht.“ (7; 64 - 64).

„So würde ich es aufbauen. Also relativ lehrerzentriert und instruierend“ (7, 70 - 70). Auch eine angesprochene Stunde im humangeographische Bereich laufe bei ihm nach ähnlichem Muster ab.

Eine weitere Lehrkraft (8) sagt, dass ihr Stundenschema ihren ausgewählten Lernzielen entspräche: Als Einstieg werde eine problemorientierte Fragestellung aufgeworfen, der Kern ihres Konzepts sei das Taschenlampen-Globus-Experiment, an dem gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern neue Erkenntnisse erarbeitet würden. Der Ablauf sei linear und orientiere sich an des Lehrers vorweggenommener Strukturierung der Stunde. „[…] und so hangeln wir uns weiter, bis am Stundenende letztendlich die Lösung stimmt und wir müssen mit unserer falschen Vorstellung aufräumen, wir haben ja gesehen, das verhält sich im Prinzip ganz anders, Erfolgserlebnis für uns […]“. (8, 85 - 85) Eine Lehrkraft (6) setzt nach dem problematisierenden Einstieg zunächst ein für alle gleiches Arbeitsblatt in Kombination mit Textarbeit ein. Im Anschluss folge die Demonstration des Taschenlampen-Globus-Experiments zur Veranschaulichung der Vorgänge in mehrfachem Durchlauf. Das Unterrichtsgespräch dazu fände solange statt, bis alle Schülerinnen und Schüler die fachwissenschaftliche Sichtweise verstanden hätten. Zum Schluss werde gemeinsam gesichert (6). Auffällig ist, dass es anderen Lehrkräften im Gegensatz zu den bisher dargestellten Verlaufsmustern schwer fiel, ein konkludentes Handlungsmuster oder vollständige Abläufe zu dieser Stunde offenzulegen.

Genannt oder beschrieben wurden jene Phasen – im Folgenden als prototypische Routinen (vgl. Kap. 3) bezeichnet – die eine bedeutsame Funktion innerhalb des Stundenablaufs bekleiden und damit in der Interviewsituation am ehesten präsent waren. Zentrales Element der Stunde ist das Demonstrationsexperiment mit Taschenlampe und Overheadprojektor oder Globus, meist mit aktiver Assistenz durch wenige Schüler (1, 3, 4, 5, 6, 7 ,8, 9, 10, 11, 13, 14, 17). In der Regel wird es an den Einstieg angeschlossen. Begleitet wird die Erarbeitung der Inhalte durch ein auszufüllendes Arbeitsblatt oder ein gemeinsam zu entwickelndes Tafelbild. Das teilweise stark instruierende, fragend-entwickelnde oder hin und wieder auch impulssetzende Unterrichtsgespräch ist die dominierende Aktionsform. Gleiches scheint für Stunden, in denen der Einsatz von Filmsequenzen anstelle des Experiments präferiert wird, zu gelten (3, 10). Eine aktive und selbstständige Auseinandersetzung mit den Schülervorstellungen findet nicht statt.

Sie werden höchstens spontan eingebunden, wenn sie aus Sicht der Lehrkraft dem Unterrichtsfortschritt zuträglich sind. Einige Lehrkräfte berichten, dass sie die Präkonzepte, welche am Anfang erfasst wurden, am Stundenende für einen Vorher-Nachher-Vergleich im Plenum nochmals thematisieren würden (1, 8, 11). Andere verweisen explizit darauf, dies nicht zu tun (1, 10).

7.2.1.4 Bewerten und Anwenden der neuen Vorstellung

Eine Bewertung der neuen Vorstellung, eine Reflexion über die individuellen Vorstellungsveränderungen sowie die Anwendung der neuen Vorstellungen finden fast ausnahmslos (10, 13) nicht statt, weswegen an dieser Stelle keine Konzepte abgeleitet werden konnten.

7.2.2 Erfahrungsbasierte Lehrervorstellungen über den Erfolg ihres Umgangs mit