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6. Ergebnisse

6.1 Ergebnisse auf der Ebene der einzelnen Lehrkräfte und ihre

6.1.4 Kurzexplikation der Vorstellungen in Interview 18

A. Lehrervorstellungen über Schülervorstellungen

Zunächst leitet die Lehrkraft 18 die Erklärung des Begriffs aus der Wortbedeutung selbst her (10 – 10) und bezeichnet sie als „Ressourcen“, die es zu nutzen gilt (56 – 56). Alltagsvorstellungen habe im Grunde jeder Schüler und jede Schülerin (40 – 40), aber ihrer Erfahrung nach bekomme man sie vor allem von den Schülerinnen und Schülern mit, die ohnehin Interesse an der Geogra-phie bekunden (16 – 16). Mitunter seien Alltagsvorstellungen klischeebehaftet (60 – 60). Lehr-kraft 18 merkt an, dass die Schülervorstellungen gerade in der physischen Geographie auch di-rekt falsch sein können (11 – 12). Sie habe beobachtet, dass sich Schülerinnen und Schüler der mittleren Jahrgangsstufen des Gymnasiums mitunter genieren, ihre Alltagsvorstellungen zu äu-ßern, was den Umgang mit ihnen zusätzlich erschwere (12 – 12). Zu Beginn einer neuen Unter-richtssequenz würde es den Schülerinnen und Schülern leichter fallen, ihre Vorstellungen kund-zutun; bei einer vertiefenden Auseinandersetzung mit Themen würden die Beiträge von Alltags-vorstellungen spärlicher werden (20 – 20). Ihre Persistenz sei bemerkenswert, selbst nach der un-terrichtlichen Auseinandersetzung mit dem Lehrstoff (30 – 30). Dies sei nach Ansicht der Lehr-kraft auf das mangelnde Reflexionsvermögen der Schülerinnen und Schüler über ihren eigenen Lernzuwachs zurückzuführen (32 – 32). Schülervorstellungen seien alters- und interessensab-hängig ausgeprägt (60 – 60). Sie entstünden, wenn Schülerinnen und Schüler neue Phänomene zunächst mit bereits Bekanntem verknüpften (58 – 58). Dies hätte aufgrund des unterschiedliches Alltagserlebens auch mannigfache Alltagsvorstellungen zu einem Thema zur Folge. Lehrkraft 18 belegt ihre Vermutung am Beispiel des Elektronikkonsums ihrer Schülerinnen und Schüler, den sie dann im Unterricht mit Alltagsvorstellungen zu China verbinden würden (60 – 60). Eine große Einflussnahme weist Lehrkraft 18 Medien wie zum Beispiel dem Fernsehen zu, hier insbesondere Cartoons oder auch Comics in Printmedien (16 – 16). Der Medienkonsum als solcher würde auch signifikant zur Ausprägung von Klischees beitragen (60 – 60). Der Lehrkraft falle immer wieder auf, dass Schüler der fünften Jahrgangsstufe massive Schwierigkeiten hätten, sich räumliche und zeitliche Dimensionen, beispielsweise zur Erdgeschichte, vorzustellen (58 – 58).

B. Lehrervorstellungen über ihren Umgang mit Schülervorstellungen in der Unterrichts-praxis

Lehrkraft 18 nimmt die Alltagsvorstellungen in seinen Klassen vornehmlich am Stundenbeginn und besonders zu Beginn einer neuen Unterrichtssequenz wahr, weil dann sehr viele Vorstellun-gen spontan geäußert würden. Sie beobachte jedoch ein deutliches Nachlassen dessen im Ver-laufe der Sequenz (20 – 20). Auch in Zusammenfassungen nach Gruppenarbeiten würden vor allem Schülerinnen und Schüler der Oberstufe ergänzend Vorstellungen einbringen; solche

Ad-hoc-Vorstellungen seien von jüngeren Schülern nicht unbedingt zu erwarten (20 – 20). Im We-sentlichen werden die Alltagsvorstellungen der Schülerinnen und Schüler mündlich im Unter-richtsgespräch erhoben. Ziel der Lehrkraft sei es, sie zunächst zu hören und gegebenenfalls zu erfahren, wodurch sie entstanden seien (18 – 18). Als zielführende Methode setze sie das Brainst-orming ein, dessen Inhalte im Stundenverlauf immer wieder berücksichtigt werden würden (24 – 24). Bei großen Klassenstärken wäre es allerdings wegen der knappen Zeit unmöglich, sich alle Alltagsvorstellungen anzuhören (40 – 40). Auffälliger Weise kann Lehrkraft 18 keinen detail-lierten Einblick in ihr Unterrichtsskript zur Entstehung der Jahreszeiten geben; ihre Hauptstrate-gie sei aber, dass die Schülerinnen und Schüler durch die fachliche Auseinandersetzung in Form von Argumentationen fortlaufend, indirekt, nebenbei ihre Alltagsvorstellungen verändern wür-den. Auch die Begründungen für das Richtig oder Falsch seiner Vorstellung könne der Schüler oder die Schülerin auf diese Weise selbst ableiten (22 – 22). Sofern in der Stunde verständnisrele-vante Alltagsvorstellungen auftreten, müsse man als Lehrer in der Lage sein, sein Stundenkon-zept zu verlassen, um in einem Exkurs auf jene Vorstellungen dezidierter eingehen zu können (26 – 28). Es gebe aber auch Alltagsvorstellungen, die nicht zu diskutieren seien, weil sie einfach falsch sind; diese müsse man leider verwerfen (18 – 18). Auf andere könne man aufbauen (40 – 40). Sehr wichtig sei ihrer Ansicht nach, dass die Schülerinnen und Schüler in der Stunde selbst ausreichend Zeit zur Verfügung bekämen, um Ad-hoc-Vorstellungen entwickeln zu kön-nen. Sie halte es für motivationsförderlich, wenn die Schülerin oder der Schüler realisiere, dass ihr oder sein Beitrag zum Unterrichtsfortschritt beitrage und vom Lehrer wertgeschätzt werde (54 – 54, 18 – 18, 22 – 22). Lediglich bei Leistungsstanderhebungen würde die Lehrkraft merken, ob der Schüler oder die Schülerin die fachwissenschaftlich richtige Sichtweise übernommen habe (30 – 30). Eine Anwendung der neuen Vorstellung in anderen Kontexten wird nicht durchge-führt. Für Lehrkraft 18 spielen offenbar die qualitativen Unterschiede zwischen den Alltagsvor-stellungen eine Rolle: Eine optimale Unterrichtsdramaturgie bestünde darin, dass die Schülerin-nen und Schüler nach der gelungeSchülerin-nen Hinführung zum Thema „[…] die Ideen bringen, die man hören will.“ (26-26). Sie bemerke, dass vor allem lernresistente Schüler auf ihren alten Vorstellun-gen beharrten. In solchen Fällen müsse man als Lehrkraft missionierend im Sinne von belehrend eingreifen, in den meisten anderen Fällen seien die Alltagsvorstellungen aber als Ressource zum Anknüpfen geeignet. Insofern seien Schülervorstellungen sowohl als Barriere als auch als Chance zu sehen (56 – 56). In der Unterrichtsvorbereitung spielen Alltagsvorstellungen in strategischen Vorüberlegungen eine gewisse Rolle, aber explizit wird mit ihnen nicht geplant (62 – 64). Ein kompetenter kollegialer Austausch zu Schülervorstellungen finde nicht statt, auch sei das Thema innerhalb der Fachschaft Geographie noch nicht relevant (66 – 68).

C. Interessen, didaktische Grundeinstellung, Brüche

Im Grunde gelte für ihre didaktische Grundhaltung im Fach Geographie das gleiche wie für alle anderen Fächer: Der Unterricht soll so konzipiert sein, dass die Schülerinnen und Schüler aktiv sein können. Herausragend sei für Lehrkraft 18 im Fach Geographie das Aktualitätsprinzip, auf welches sie großen Wert lege. Häufig werde sein interdisziplinäres Potenzial unterschätzt (2 – 2).

Ihre Interventionen, ihre Lenkung seien vom Charakter der Klasse und auch von den zu behandelnden Themen abhängig. Es gebe Klassen oder Themen, die für einen selbstgesteuerten, kooperativen Unterricht einfach nicht geeignet seien. Dies berücksichtige sie auch bei ihrer Unterrichtsvorbereitung und -durchführung (8 – 8). Wichtig sei ihr, dass sie als Lehrkraft, sofern es sich anbiete, persönliche Interessen Gewinn bringend in den Unterricht einbringen könne (46 – 46). Dies sei auch ausschlaggebend für die Fächerwahl gewesen. Offen bekennt Lehrperson 18, dass sie sich aufgrund anderweitiger Aufgaben in den letzten beiden Jahren sehr wenig mit geographiedidaktischen Neuerungen auseinandergesetzt habe (48 – 48). Infolgedessen seien ihr die Begriffe Didaktische Rekonstruktion und Conceptual Change bisher unbekannt (70 – 72). Es sei sehr wichtig, dass intensive Forschungen betrieben würden, allerdings empfinde sie, dass die Forschungsthemen auffallend wenig Relevanz für den schulischen Alltag hätten und somit oft Wissen von oben nach unten durchgeben würden (74 – 74). Ihre Fachkenntnisse basieren auf im Ausbildungsabschnitt 1 angeeigneten Wissen und würden sich mit zunehmender Berufserfahr-ung durch informelles Lernen sukzessive erweitern (44 – 44, 46 – 46). Brüche sind in den Darstel-lungen der Lehrkraft im Allgemeinen nicht zu erkennen. Obwohl Lehrkraft 18 den Schülervor-stellungen eine gewisse Relevanz für ihren Unterricht einräumt ist erkennbar, dass ihr Unterricht nicht darauf basiert. Alltagsvorstellungen der Schüler werden zwar thematisiert, aber es werden aus oben dargestellten Gründen im Allgemeinen keine Lernumgebungen arrangiert, die eine konstruktive individuelle Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit dem Unter-richtsgegenstand erlauben. Vielmehr sei damit die Hoffnung verbunden, dass sich die Schüler-vorstellungen durch die Art und Weise seines Unterrichts quasi schleichend verändern, ohne durch Überprüfung und Anwendung der neuen Vorstellungen die Gewissheit zu erlangen, dass dies auch tatsächlich geschieht. Der Ansatz des Conceptual Change findet sich lediglich in Ansätzen wieder. Obwohl Lehrkraft 18 sagt, dass sie ihren Unterricht klassen- und themen-abhängig konzipiert, scheint sich aus Sicht der Lehrkraft gerade bei physisch-geographischen Themen ein lehrerzentrierter Unterricht bewährt zu haben. Am wichtigsten seien ihr in der Stunde zur Jahreszeitenentstehung kognitive Lernziele. Die Schülerinnen und Schüler sollten die Erdparameter, die später beispielsweise bei der Passatzirkulation relevant werden, kennen. Auch sollten sie damit verbundene Daten wie Frühlings-, Sommeranfang und so weiter kennen.

Gleiches gilt für die Schiefe der Ekliptik als eine Hauptursache für die Entstehung der Jahreszeiten.

7. Ableitung verallgemeinerter Aussagen

Nachdem die Kurzinterpretationen der Lehrervorstellungen auf individueller Ebene erfolgten, werden im folgenden Abschnitt interpersonale Ergebnisse der Studie dargestellt und diskutiert.

Die stark detaillierte Aufgliederung in thematische Einheiten, die bisher als Auswertungsbasis diente und der das mittels der Software MAXQDA entwickelte Kodiersystem zugrunde liegt, wird hier zum Zweck der Darstellung von verallgemeinerten, personenübergreifenden Lehrer-vorstellungen aufgegeben. Die Gliederungssystematik in diesem Abschnitt umfasst die folgenden drei großen Themenbereiche: Lehrervorstellungen zur fachdidaktischen Theorie über Schülervorstellungen, den Umgang mit Schülervorstellungen in der Unterrichtspraxis und lerntheoretische Überzeugungen der Lehrkräfte als Einflussfaktoren auf den Umgang mit Schülervorstellungen. Die Ausdifferenzierung der drei Bereiche erfolgt in Anlehnung an die induktiv entwickelten Unterkategorien des Kodiersystems. Sie werden nun so zugeordnet, dass sie als Grundlage für die nachfolgende Zusammenfassung der Haupterkenntnisse und zur Beantwortung der Forschungsfragen dienen wird. Nach Möglichkeit werden in den einzelnen Abschnitten Gemeinsamkeiten zusammengefasst dargestellt. Im Fließtext werden die Belegstellen mit (1, 2, 3 usw.) gekennzeichnet. Zum Zwecke einer guten Lesbarkeit werden direkte Zitate aus den Interviews kursiv geschrieben. Diese Belegstellen sind lt. Software MAXQDA wie folgt codiert: 1, 2 - 4, wobei sich hinter „1“der Interviewtext verbirgt und „2 - 4“

auf den Absatz verweist, in welchem das jeweilige Zitat beginnt und endet.

7.1 Lehrervorstellungen zur fachdidaktischen Theorie über