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Inhaltsverzeichnis

2.3 Typologie

Globale Politiknetzwerke sind in den 90er Jahren „in the shadow of traditional multilateralism“

(Reinicke/Deng 2000, 22) entstanden, mithin ein junges Phänomen. Es ist davon auszugehen, dass die politische Praxis noch in einem Experimentierstadium ist, aus dem bestimmte erfolg-reiche Modelle globaler Politiknetzwerke evolvieren werden. Da bis auf einige Fallstudien10 noch keine empirischen Arbeiten existieren, hält sich auch die wissenschaftliche Debatte mit strengen Typologien zurück. Erste Klassifizierungsversuche wurden hinsichtlich der Akteure (öffentlich-privat) von Börzel/Risse (2003) sowie hinsichtlich der Netzwerkfunktion von Ben-ner et al. (2002) und Witte et al. (2003) unternommen.

Börzel/Risse benennen sechs Formen öffentlich-privater und privater Interaktionen, die sich im Grad der Autoritätsverschiebung von „öffentlich“ zu „privat“ unterscheiden.11 Hiermit werden zwar geteilte Souveränitäten zwischen Staat und privaten Akteuren erfasst, mit Bezug auf tri-sektorale globale Politiknetzwerke ist jedoch die Differenzierung in „öffentlich“ und „privat“

10 Hier sind vor allem die des Global Public Policy Institute zu nennen.

11 (1) Konsultation und Kooptation privater Akteure: z.B. private Akteure als Mitglieder von Regierungs-delegationen, Partizipation in Verhandlungssystemen, (2) Koregulierung öffentlicher und privater Akteu-re: z.B. private Akteure als direkte Verhandlungspartner, gemeinsame Implementierung, (3) Delegation zu privaten Akteuren: z.B. Standardsetzung unter Beteiligung öffentlicher Akteure, (4) Private Selbstre-gulierung im Schatten der Hierarchie: z.B. Selbstverpflichtungen unter Beteiligung öffentlicher Akteure, (5) Übernahme privater Regulierungsmechanismen durch den öffentlichen Sektor und (6) Private Selbst-regulierung: z.B. Branchenstandards (2003, 19).

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unterspezifisch. Im Weiteren werden daher private Akteure in Unternehmen und NGOs unter-schieden.12 Es ergeben sich auf der Akteurseite folgende mögliche Konstellationen:

Öffentlich-privat: (1) Trisektoral, (2) Regierung/IO13 – Unternehmen, (3) Regierung/IO – NGO;

Privat: (1) Unternehmen – NGO, (2) NGO – NGO, (3) Unternehmen – Unternehmen.14

Als Oberkategorien der Akteursklassifizierung können „Selbstregulierung“ und „regulierte Selbstregulierung“ unterschieden werden (vgl. Schulz/Held 2001). Während erstere ausschließ-lich private Netzwerke meint, bezieht sich zweiteres auf die Beteiligung öffentausschließ-licher Akteure 15. Zu den Funktionen von Netzwerken. Über die Beobachtung hinaus, dass alle Formen globaler Politiknetzwerke am Agenda-Setting beteiligt sind, lassen sich drei zentrale Funktionen identifi-zieren:

Verhandlung, Koordination und Implementierung (Witte et al. 2003, 66).

Verhandlungsnetzwerke

In Verhandlungsnetzwerken werden globale Normen und Standards festgelegt. Sie sind ihrer großen Regulationsreichweite wegen die voraussetzungsvollste Form von Netzwerken. Legiti-mität, Rechenschaftspflicht und Machtverteilung stellen hier kritische Größen dar. Ein besonde-rer Fall des Verhandlungsnetzwerkes ist die Standardsetzung und deren Durchsetzung allein durch Unternehmen oder deren Verbände in Form von Codes of Conduct. Es lassen sich zwei Modelle der Selbstregulierung unterscheiden (vgl. Haufler 2001, 8): Zum einen die technische und wirtschaftliche Standardisierung zur Reduktion der Transaktionskosten im internationalen Güter- und Dienstleistungsaustausch16 und zum anderen die Bestimmung von ökologischen und sozialen Standards.17 Eine solche Entwicklung von Soft Law18 durch wirtschaftliche Selbstregu-lierung wirft Fragen nach der Effektivität, Effizienz und Legitimität auf. Bedeutende Variablen

12 Diese Unterscheidung entspricht nicht derjenigen der UN. Die UN fassen auch Unternehmensverbände unter NGOs.

13 Internationale Organisationen, womit zwischenstaatliche Organisationen gemeint sind.

14 Auch die Kategorie „Unternehmen“ ist eine starke Vereinfachung. Häufig agieren Netzwerke, die aus-schließlich aus Unternehmen zusammengesetzt sind, anstelle einzelner Unternehmen (vgl. auch Schnei-dewind 19998, 245). Wiederum können Netzwerke Netzwerke bilden, wie dies bei dem Zusammen-schluss der Business Action for Sustainable Development (BASD) der Fall ist. Diese ist ein Koordinati-onsnetzwerk der International Chamber of Commerce und des World Business Council for Sustainable Development in Vorbereitung auf den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung. Der heuristische Wert der Simplifizierung liegt in der Feststellung, welche sektoralen Handlungslogiken in einem Netzwerk zu-sammentreffen.

15 Unter „öffentlich“ fallen zum einen Regierungen und zum anderen internationale (gleich: intergouver-nementale) Organisationen.

16 „Private governments“ existieren beispielsweise im Bereich des Flugverkehrs und der Schiffahrt (vgl.

Ronit/Schneider 2000, 19). Die Standardisierung im Rahmen der International Organization for Standar-dization (ISO) ist hingegen ein öffentlich-privater Prozess (vgl. Haufler 2001, 9).

17 Während ersteres eine in Europa bis ins 16. Jh. zurückgehende Tradition besitzt (grenzüberschreitender Handel wurde zunehmend relevant), ist letzteres ein junges Phänomen, das mit den Aktivisteninitiativen gegen multinationale Unternehmen in den 70er Jahren aufkam. Ein frühes Beispiel sind die Sullivan Prin-zipien, die sich auf das Apartheidsregime Südafrikas bezogen.

18 Soft law bezieht sich auf „rules, which are neither strictly binding nor completely void of any legal significance“ (Bernhardt 1984, in: Reinicke/Witte 1999, 16).

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sind der politische Wille der Akteure wie der Verbindlichkeitsgrad des Standards (z.B. Monito-ring, Sanktionsmechanismen).

Koordinationsnetzwerke

Koordinationsnetzwerke dienen der Abstimmung von Handlungsstrategien und dem Pooling komplementärer Ressourcen (vgl. Benner et al. 2002, 34; vgl. Witte et al. 2003, 67). Im Falle von Markt- oder Staatsversagen kann auf diese Weise nach dem Prinzip des komparativen Vor-teils eine effiziente Ressourcenallokation stattfinden. Voraussetzung hierfür sind die Akkumu-lation und der Austausch von Wissen zwischen Unternehmen, NGOs, Regierungen und interna-tionalen Organisationen. Wissen stellt eine zentrale Ressource im politischen Prozess eines Ko-ordinationsnetzwerkes dar. Idealtypisch nehmen in Koordinationsnetzwerken internationale Organisationen die Funktion des Netzwerkbrokers ein. Unternehmen und NGOs werden sehr weit gehend in die internen Entscheidungsprozesse internationaler Organisationen integriert.

Implementierungsnetzwerke

Implementierungsnetzwerke fungieren ebenfalls als Mechanismen des Ressourcentauschs und – poolings; dies in erster Linie zur Umsetzung zwischenstaatlicher Verträge. Zum Teil bauen Implementierungsnetzwerke auf zwischenstaatlichen Verträgen als konsensuales Netzwerkwis-sen, zum Teil bilden sie aber auch Koalitionen, um einzelne Vertragsnormen wieder zu öffnen und neu zu verhandeln (vgl. Witte et al. 2003, 68). Die Partnerschaften des Weltgipfels fallen zum großen Teil in diese Kategorie.

Grundsätzlich sind mit dieser Dreiteilung idealtypische Funktionen benannt, die auch im Lei-stungsspektrum eines einzelnen Netzwerkes liegen können oder die ein Netzwerk im Zeitablauf nacheinander erfüllt. Werden die Akteurs- und die Funktionsdifferenzierung zusammengeführt, ergibt sich folgende Matrix:

Die Beispiele illustrieren jeweils Netzwerke, an denen Unternehmen beteiligt sind. Im Gegen-satz zu dyadischen Akteursbeziehungen mit klaren Zielfunktionen lassen sich die Netzwerkty-pen meist nicht nur einer der Arenen Politik, Markt und Öffentlichkeit zuordnen. Die Effekte

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des Netzwerkhandelns in Verhandlungs-, Koordinations- und Implementierungsnetzwerken sind multidimensional.

Die drei vorangegangenen Abschnitte haben den Untersuchungsgegenstand eingeführt, indem sie dessen empirische Relevanz im politisch-historischen Kontext kurz verdeutlicht, ein generi-sches Konzept vorgeschlagen und eine Klassifikation vorgenommen haben. An diesen deskrip-tiven Part schließt sich die Erarbeitung des theoretisch-konzeptionellen Rahmens von unter-nehmerischer Handlungslogik einerseits und strukturellen Bedingungen des internationalen Systems andererseits an. In diesen können globale Politiknetzwerke schließlich systematisch als Instrument von Corporate Citizenship-Strategien und als eigenständige Governanceform einge-ordnet werden.

Corporate Citizenship und Global Governance

Das folgende Kapitel führt zunächst auf der Grundlage der Strukturationstheorie zwei metatheoretische Annahmen als Ontolgie des Sozialen ein, die ein Grundver-ständnis für die Vermittlung von unternehmerischem Handeln und globalen Ord-nungsstrukturen fundieren und eine „Brille“ für den Umgang mit substantiellen Theorien bereitstellen.

Vor diesem Hintergrund wird nach Anknüpfungspunkten für globale Politiknetz-werke in substantiellen Theorien der Managementlehre (Handlungslogik) und der Internationalen Beziehungen (Strukturelle Bedingungen) gesucht. Die Beteiligung von Unternehmen an globalen Politiknetzwerken wird in der Handlungslogik von Corporate Citizenship-Strategien rekonstruiert, die mit der Trias „Sozialinvestitio-nen – Sozialkapital – Soziale Ordnung“ benannt werden kann. Analog zur Analyse des Akteurs wird die Arena, das internationale System, betrachtet und nach den strukturellen Bedingungen gefragt, die zur Beteiligung von Unternehmen in glo-balen Netzwerken führen. Netzwerke zeigen sich schließlich als eine funktionale Verbindung von Unternehmenshandeln und der dezentralen Schaffung globaler Ordnungsstrukturen.

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3 Corporate Citizenship und Global Governance

3.1 Die Strukturationstheorie als Metatheorie

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 17-22)