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Inhaltsverzeichnis

6.2 Selektion

Die Praktiken und Kriterien der Netzwerkselektion sind von großer „konstitutiver“ Bedeutung, da (1) Anzahl und Charakter der Akteure die Legitimität des Netzwerkhandelns in starkem Ma-ße bestimmen, (2) „die Mitgliedschaft ... hochgradig intentional, diskursiv, strategisch wichtig und disponibel“ (Windeler 2001, 251)154 ist und (3) die Mitgliedschaft dauerhaften Charakter besitzt.155

Im Mittelpunkt der Selektionsprinzipien stehen Eintritts-, Austritts- und Ausschlußkriterien und deren Operationalisierung in sozialen Praktiken.

Eintrittskriterien

Als obersten Leitsatz für Eintrittskriterien nennt Hemmati „Be as inclusive as necessary and possible“ (2002, 217), womit ein möglichst hoher Partizipationgrad priorisiert, aber keine

154 Die Mitglieder müssen zu koordiniertem proaktiven Handeln ohne hierarchische Steuerung fähig sein.

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rien gewonnen werden. Trisektorale Partizipation bietet grundsätzlich den Vorteil von „checks and balances“, sollte also angestrebt werden. Darüber hinaus wird die Selektion der Stakeholder durch den oder die Netzwerkinitiatoren problematisch: Wer kann einen Anspruch geltend ma-chen? Während das Major Group-Modell die potentiellen Stakeholder auf ein Set einschränkt, nehmen Analysen der „high impact categories“ (Hemmati 2002, 218) auch alternative Gruppen in den Blick. Die kritischste Kategorie für globale Netzwerke ist die Herkunft der Organisation:

Entwicklungs- oder Industrieland?156 Die geforderte „North-South representation“ (Rieth et al.

2002, 8) wird meist über regionale Zuordnungen157 operationalisiert.158 Sind einmal Stakehol-derkategorien gefunden worden, stellt sich die Frage nach der Gewichtung. Die gängige Praxis nimmt in der Regel keine Hierarchisierung der Ansprüche vor. Bei besonderem Betroffenheits-grad bestimmter Gruppen sollte dies allerdings in Betracht gezogen werden. Über die Identifi-kation von Stakeholdergruppen und deren Gewichtung hinaus, wird die demokratische Legiti-mität durch das demokratische Mandat der entsprechenden Organisationen bestimmt. Organisa-tionsinterne Demokratie kann ein Maßstab sein, der bei Unternehmen jedoch schwer greift. Nur zum Teil kann dieses Defizit durch prozedurale Anforderungen wie Nachhaltigkeitsberichter-stattung und Stakeholderdialoge der beteiligten Unternehmen ausgeglichen werden. Da Unter-nehmen häufig qua UnterUnter-nehmensnetzwerke in trisektorale Netzwerke eingebunden sind, for-dert UNEP eine Ausweitung des Mandats und auch der Ressourcen der Unternehmensvertre-tungen wie z.B. des WBCSD (vgl. 2002, 58).

Prinzipiell gilt, dass die Selektionskriterien im Vorhinein öffentlich zugänglich zu machen sind.

Intransparente Praktiken wie die der World Commission on Dams, die Stakeholder einlädt, ohne die Kriterien offen darzulegen, oder des UN Global Compact, der seine aktuellen Mitglieder nicht einmal offen auf der Homepage benennt (vgl. ebd.)159, laufen dem Transparenzkriterium zuwider. Selektionskriterien, die auf die Steigerung der Legitimität zielen, folgen der Logik eines normativ-kritischen Stakeholderkonzeptes (vgl. Ulrich 1997, 442). Dieses zeigt besondere Relevanz für Verhandlungsnetzwerke (vgl. Witte et al. 2003, 66), da es um die kollektive Be-stimmung von Regeln geht. Koordinations- und vor allem Implementierungsnetzwerke hinge-gen fokussieren stärker auf die Effektivität ihres Handelns. Der funktionalen Logik entspre-chend werden Netzwerkakteure nach einem strategischen Stakeholderkonzept (vgl. Ulrich 1997,

155 Eine anschauliche Analyse der Netzwerkregulation durch Selektion liefern Windeler et al. 2001 am Beispiel von Projektnetzwerken in der Fernsehindustrie.

156 Denkt man daran, dass Organisationen durch Personen vertreten sind, wird auch „Geschlecht“ zu einer kritischen Kategorie, die Einfluss auf die Selektionskriterien nehmen kann. Ebenso können verschiedene Handlungsebenen (lokal, regional, global) relevant werden.

157 Z.B. Westeuropa/Nordamerika, Asien und pazifischer Raum, Lateinamerika, Afrika, Osteuropa etc.

158 Wenn alle Regionen in gleichem Maße (one region – one vote) vertreten sind, kann gemessen an der Bevölkerung noch nicht von Repräsentativität gesprochen werden. Aber selbst diese schwache Form der Repräsentativität stellt bei der starken Dominanz westlicher NGOs und Unternehmen in der globalen Politik eine Herausforderung dar.

159 Es werden ausschließlich die Gründungsunternehmen aufgelistet. Dies widerspricht auch dem Reputa-tionsgedanken, der für viele Mitgliedsunternehmen hinter der Beteiligung am UN Global Compact steht.

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442)160 ausgewählt. Maßgeblicher Orientierungsstab ist die Komplementarität der einzubringen-den Ressourcen bzw. Kompetenzen, wie sie der sektorale Kernkompetenzansatz beschreibt. Die Auswahl der Netzwerkakteure nach diesem Kriterium ist insofern von besonderer Wichtigkeit, als auf diese Weise Nutzen für alle beteiligten Akteure produziert werden kann. Wie oben ge-zeigt wurde, ist die Throughput-Dimension die größte Effektivitätsvariable und ob Argumenta-tion zustande kommt, hängt wiederum von der Handlungsorientierung der Akteure ab:

„Eine Problemlösungsorientierung der Akteure kann demgegenüber dazu beitragen, die battle-Konstellation aufzulösen und die kollektive Wohlfahrt (im Sinne des Kaldor-Optimums) zu erhöhen“ (Messner 1995, 262).161

Es ist also von großer Wichtigkeit einzuschätzen, wie problemlösungsorientiert und netzwerk-kompetent potentielle Netzwerkakteure sind. Die Ethical Trading Initiative (ETI), ein britisches Netzwerk aus Unternehmen, NGOs und Gewerkschaften, das die Implementierung von Sozial-standards forciert, fragt die Problemlösungsorientierung potentieller neuer Mitglieder gezielt ab:

„Any membership application submitted by an authorised representative of the organisation should:

• indicate acceptance of ETI's purpose and principles, including the Base Code and the commitment to monitoring and verification

• indicate the willingness of the organisation to participate in pilot schemes and other ETI activities

• stipulate the scope of application of their code of labour practice

• provide a brief report on its current commitment to ethical trading.“162

Indem beispielsweise auch der Nachweis bisherigen Engagements im fairen Handel verlangt wird, wird die Gefahr rhetorischen Handelns gemindert. Die Praxis hat zudem gezeigt, dass neben der Netzwerkkompetenz der Organisationsvertreter deren organisationsinterne Entschei-dungskompetenz für die Reichweite des Netzwerkhandelns bedeutsam ist. „High level commit-ment“ (Calder 2002, 16) ist gefragt.

Die funktionalen Anforderungen an Ressourcenausstattungen, Handlungsorientierung und Kompetenzen sowie das Problem der großen Zahl können mit dem Gebot der größtmöglichen Inklusivität konfligieren (vgl. Dodds 2002, 59). Die auf der langjährigen Erfahrung des Stake-holderforum163 basierende Studie von Hemmati schlägt zur Entschärfung des Zielkonfliktes eine gestaffelte Organisationsform des Netzwerks vor, so dass verschiedene Foren ihren Konsens an die nächste Ebene des mehrstufigen Verhandlungssystems delegieren. Auf diese Weise konnten

160 Das klassische machtstrategische Stakeholderkonzept wählt Stakeholder danach aus, wie groß ihre Defektivmacht gegenüber der auswählenden Organisation ist. Strategische Stakeholderauswahl im Netz-werkaufbau bedeutet hingegen, danach Ausschau zu halten, wer den größten Beitrag zu einem gemeinsa-men Projekt leisten kann. Der defensive Ansatz verkehrt sich zu einem proaktiven.

161 Messner nennt drei Größen, mit denen eine Problemlösungsorientierung positiv korreliert: Kommuni-kation zwischen den Akteuren, Vertrags- und Rechtssicherheit und Vertrauen (vgl. 1995, 283).

162 http://www.ethicaltrade.org/pub/about/eti/main/index.shtml, 04.05.2003.

163 http://www.stakeholderforum.org/, 04.05.2003.

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in der WCD nicht nur die 12 Kernmitglieder, sondern über das WCD Forum insgesamt 70 Or-ganisationen beteiligt werden (vgl. 2002, 219-220).

Austrittskriterien

Neben Einstieg muss auch – der organisatorischen Autonomie wegen164 – Ausstieg möglich sein (vgl. BPD 2002, 26). Es sollte geregelt sein, unter welchen Bedingungen einzelne Akteure den Netzwerkzusammenhang verlassen können und für welchen Zeitraum das gesamte Netzwerk geplant ist. Die Exit-Option kann, wenn offensichtlich ist, dass die Kosten den Nutzen überstei-gen, helfen, die Sunk Costs einzugrenzen. Ebenfalls ermöglichen klare Regelungen des Netz-werkaustritts Netzwerkausgründungen.165

Ausschlußkriterien

Ausschluß aus dem Netzwerk ist die stärkste Form der Sanktionierung bei Mißachtung von Netzwerkregeln oder Trittbrettfahrertum. Aus der Praxis sind keine Fälle von Ausschluß be-kannt, entsprechen sie doch nicht der Logik von Corporate Social Responsibility.166 Auch in der kleinen Reformdebatte zum UN Global Compact werden Mechanismen positiver Anreizsetzung wie Benchmarking anstelle von harten Sanktionen bevorzugt (vgl. Hamm 2002, 37). Je bedeut-samer allerdings die Anforderungen an die politische Verantwortlichkeit von Netzwerken wer-den, umso relevanter werden Ausschlußkriterien, um die Legitimität des Gesamtzusammenhan-ges nicht zu gefährden.

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 105-108)