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Legitimitätschancen und -risiken

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 70-76)

Inhaltsverzeichnis

4.3 Legitimität globaler Politiknetzwerke

4.3.2 Legitimitätschancen und -risiken

102 Hier wird die große Nähe zur Effektivität globaler Politiknetzwerke ersichtlich. Diese kann positiv vom argumentativen Charakter der Kommunikation im Netzwerk abhängen.

103 Effektivität und Legitimität sind nicht notwendigerweise komplementär. Besonders in Verhandlungs-prozessen können Zielkonflikte entstehen. Die Verhandlungsliteratur hat erkannt, dass informelle Politik – also unter Ausschluß der Öffentlichkeit – sehr wirksam sein kann (z.B. durch Koppelgeschäfte) (vgl.

Schneider 2001, 341).

104 Es gibt nur Fallstudien und allein diejenige zur World Commission on Dams (vgl. Dingwerth 2003) legt ein systematisches Legitimitätsverständnis zugrunde. Vergleichende Studien existieren noch nicht.

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der World Commission on Dams. In diesem Netzwerk wurden die Kriterien für die Auswahl der Kommissionsmitglieder nicht offengelegt (vgl. Dingwerth 2003, 28). Weiterhin wird das Kon-sensprinzip einiger Verhandlungsnetzwerke dem Kriterium der Betroffenheit gerecht. Es wird keine Entscheidung gefällt, der nicht alle autonom zustimmen können.

Ein starkes Defizit zeigen globale Politiknetzwerke hinsichtlich ihres demokratischen Mandats (vgl. Schneider 2001, 342). Private Akteure sind in der Regel nicht Constituencies gegenüber rechenschaftspflichtig. Während sich NGOs teilweise auf eine moralische Autorität berufen können, ist das Accountability-Defizit bei Unternehmen prekär. Hier greift auch die übliche Therapie der internen Demokratisierung nicht, da diese – so die allgemeine Annahme – funktio-nalen Notwendigkeiten der Unternehmensführung widerspricht (vgl. Reinicke/Witte 1999, 23).105 Das Risiko der nicht vorhandenen politischen Verantwortlichkeit verschärft sich, wenn Politiknetzwerke keine Kontroll- und Sanktionsmechanismen etablieren oder diese nicht trans-parent gestalten. Dann entfällt auch die indirekte Form demokratischer Kontrolle über den Weg transparenter Selbstkontrolle.

Unter dem Gesichtspunkt demokratischer Autonomie sind globale Politiknetzwerke ein lei-stungsstarker Mechanismus für die Beteiligung der Betroffenen. Der qualitative Charakter der Partizipation ist jedoch in hohem Maße von der Auswahl der Stakeholder (vgl. Hemmati 2002, 217-222) und dem Partizipationsgrad abhängig. Partizipation wird defizitär, wenn zwischen unterschiedlichen Betroffenheits- und damit Legitimitätsgraden nicht unterschieden wird. Ein grundsätzliches Risiko birgt auch der Gleichheitsgrundsatz. Wird er nur formal interpretiert und werden Machtverteilung sowie unterschiedliche Ressourcenausstattungen ignoriert, wird eine materielle Gleichheit der Partizipationschancen verfehlt. Als institutionelle Maßnahme werden Ausgleichsfonds vorgeschlagen. Da Partizipationsrechte nur in den wenigsten Fällen institutio-nalisiert sind, gibt es auch keine Berufungsinstanz.

Wie für die Kriterien der demokratischen Kontrolle und Autonomie gilt auch für die Diskursi-vität die Beteiligung von Stakeholdern als Legitimitätspotential. Zudem beteiligen sich beson-ders in trisektoralen Netzwerken zivilgesellschaftliche Akteure, sprich Vertreter der kritischen Öffentlichkeit. Inwieweit die Interaktion innerhalb der Netzwerke rational und reziprok von-statten geht, ist letztlich eine empirische Frage.106 Theoretisch ist ein Gelingen wie ein Mißlin-gen denkbar, wobei die Möglichkeiten des strategischen und rhetorischen Handelns grundsätz-lich in Betracht zu ziehen sind. Schließgrundsätz-lich wird auch die Annahme einer transnationalen kriti-schen Öffentlichkeit von der Praxis nur in partiellen, günstigen Situationen bestätigt.

105 Das funktionale Argument trifft z.T. auch auf verbandsinterne Demokratie zu. Verbände agieren im Spannungsfeld zwischen Mitglieds- und Einflußlogik. Die Verhandlungsfähigkeit beruht teilweise auf internen Autoritätsstrukturen (vgl. Schneider 2001, 324).

106 Und hierbei sind methodische Probleme gegeben, weil die Rationalität und Reziprozität nur von den Teilnehmern selbst beurteilt werden können (vgl. Dingwerth 2003, 17).

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In der Zusammenschau ergibt sich folgendes Bild:

Tabelle 11 Legitimitätschancen und -risiken globaler Politiknetzwerke.

Demokratische Kontrolle Demokratische Autonomie Diskursivität Chancen • Transparenz durch

Infor-mationspolitik und klare Spielregeln

• Beteiligung Betroffener • Beteiligung Betroffener

• Hoher Beteiligungsgrad der kritischen Öffentlichkeit

• Argumentieren Risiken • Mangelhafte politische

Verantwortlichkeit, da häu-fig kein demokratisches Mandat

• Fehlende Kontroll- und Sanktionsmechanismen

• Keine Differenzierung der Stakeholder nach Legitima-tionsgraden

• Unterschiedliche Ressour-cen- und Machtausstattun-gen

• Keine individuellen demo-kratischen Rechte

• Strategisches und rhetori-sches Handeln

• Fehlende weitere transna-tionale Öffentlichkeit

Quelle 23 Eigene, angelehnt an Dingwerth 2003, 31.

Werden die erkannten Chancen- und Risikodimensionen jeweils auf die zentralen Punkte ver-dichtet, ergeben sich folgende zwei Hypothesen zur Legitimität globaler Politiknetzwerke:

H 5: Netzwerke können die Legitimität globaler Politik durch die starke Beteiligung Be-troffener und transparente Verfahren erhöhen.

H 6: Netzwerke können Legitimitätsdefizite aufweisen, wenn sie intransparent sind, starke Machtasymmetrien aufweisen und kein demokratisches Mandat sowie keine Kontroll- und Sanktionsmechanismen besitzen.

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4.4 Zwischenfazit

Im Überblick zeichnet sich ein Chancen- und Risikoprofil von globalen Netzwerken hinsichtlich Effektivität und Legitimität ab:

Kapitel drei verortet globale Politiknetzwerke in der Handlungslogik von Corporate Citizens-hip-Strategien und im strukturellen Wandel des internationalen Systems. In Kapitel vier legen der strukturationstheoretische Netzwerkansatz und die Sozialkapitaltheorie globalen Poli-tiknetzwerken ein theoretisches Fundament zugrunde, wobei Netzwerkregulation als notwendi-ge funktionale Bedingung erkannt wird. Im Anschluss wird ein Chancen- und Risikoprofil von globalen Politiknetzwerken im Hinblick auf Effektivität und Legitimität ermittelt. Dabei liegt das Effektivitätskriterium in der Logik von Sozialkapital und kollektivem Handeln und präzi-siert diese durch eine genauere Analyse der Throughput-Dimension und deren Bedeutung für den Output des Netzwerkes. Die Legitimitätskriterien hingegen werden aus der Demokratie-theorie importiert.

Insgesamt liefert der theoretische Rahmen sechs Hypothsen, die für die untersuchte Fragestel-lung relevant sind. Davon beziehen sich zwei auf die allgemeine Relevanz unternehmerischer Strukturpolitik in der globalen Nachhaltigkeitspolitik und vier gehen auf die funktionale und normative Seite von globalen Politiknetzwerken ein.

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Das Hypothesenset auf einen Blick:

Tabelle 13 Hypothesen.

Hypothesenset

Zur allgemeinen Relevanz unternehmerischer Strukturpolitik in der globalen Politik:

H 1: Multinationale Unternehmen agieren im Rahmen ihrer Corporate Citizenship-Strategie verstärkt in globalen Politiknetzwerken.

H 2: Das internationale System bildet durch die Zunahme von Netzwerken als Governancemechanis-men zunehGovernancemechanis-mend strukturpolitische Arenen für UnternehGovernancemechanis-men aus.

Zur Chancen- und Risikodimension von Netzwerken:

H 3: Netzwerke können durch eine kommunikative Logik kollektives Handeln und neue soziale Prak-tiken generieren.

H 4: Netzwerke können funktionale Defizite aufweisen, die kollektives Handeln und Lernprozesse verhindern.

H 5: Netzwerke können die Legitimität globaler Politik durch die starke Beteiligung Betroffener und transparente Verfahren erhöhen.

H 6: Netzwerke können Legitimitätsdefizite aufweisen, wenn sie intransparent sind, starke Macht-asymmetrien aufweisen und kein demokratisches Mandat sowie keine Kontroll- und Sanktions-mechanismen besitzen.

Quelle 25 Eigene.

Die gewonnenen Annahmen gilt es nun, für den hier relevanten Kontext der globalen Nachhal-tigkeitspolitik zu überprüfen – der jüngst stattgefundene Weltgipfel für Nachhaltige Entwick-lung bietet sich bestens an.

Netzwerkgovernance am Beispiel des Weltgipfels für

Nachhaltige Entwicklung

Nachdem im vorangegangenen Kapitel globale Politiknetzwerke theoretisch fun-diert und ihre Chancen und Risiken ermittelt wurden, werden nun die Hypothesen zur allgemeinen Relevanz von unternehmerischer Strukturpolitik in globalen Poli-tiknetzwerken und zum Chancen- und Risikoprofil einem empirischen Test am Beispiel der Auseinandersetzungen um Netzwerkgovernance im Rahmen des Weltgipfels für Nachhaltige Entwicklung (WSSD) unterzogen.

Dazu wird zunächst kurz in den Fall des WSSD eingeführt und die politisch-institutionellen Voraussetzungen für die Beteiligung von Unternehmen in der glo-balen Nachhaltigkeitspolitik werden geklärt, um anschließend die Diskussionen zu

„Multi-Stakeholder-Dialogen“ und „Partnerschaften“ aufzugreifen. Aufgrund des

„politischen“ Charakters der Einschätzungen von Effektivität und Legitimität von globalen Politiknetzwerken, werden idealtypische Positionen entlang der drei Ak-teursgruppen Unternehmen, NGOs und Regierungen herausgearbeitet. Auf diese Weise lassen sich die besonderen Chancen- und Risikoeinschätzungen der jeweili-gen Akteure und die damit verbundenen politischen Polarisierunjeweili-gen ermitteln. Die so empirisch gewonnenen Risiken und die identifizierte politische Polarisierung bilden die Grundlage für den konzeptionellen Fortgang der Arbeit.

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