• Keine Ergebnisse gefunden

Netzwerke als Sozialkapital

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 53-56)

Inhaltsverzeichnis

4.1 Netzwerktheorie: Strukturmerkmale

4.1.4 Netzwerke als Sozialkapital

Unternehmen investieren in Sozialkapital und soziale Ordnung, um Handlungsoptionen erster und zweiter Ebene zu erzielen. Der oben schon angeführten Definition zufolge ist Sozialkapital

„jenes durch formelle und informelle Institutionen konstituierte Beziehungsgefüge, das einer Gesellschaft die dauerhafte Überwindung sozialer Interaktionsprobleme erlaubt und somit Erträge sozialer Kooperation dauerhaft zu stabilisieren verhilft“ (Habisch 1999, 473).

Mit der Rückbindung des Sozialkapitalkonzeptes an das Kriterium kollektiver Handlungsfähig-keit wird einem qualifizierten Sozialkapital- und Netzwerkverständnis gefolgt, das an den strukturationstheoretischen Netzwerkansatz anschlußfähig ist und die Notwendigkeit von Netz-werkregulation verdeutlicht. Dem strukturationstheoretischen Netzwerkansatz zufolge ist kol-lektive Handlungsfähigkeit und damit Sozialkapital als Eigenschaft von Netzwerken eine Funk-tion der NetzwerkregulaFunk-tion.

Sozialkapital ist ein Attribut von Individuen und deren Beziehungen (vgl. Ostrom/Ahn 2001, 13). In diesem Sinne befähigt Sozialkapital Unternehmen und andere gesellschaftliche Akteure zu kollektivem Handeln, um „Netzwerkressourcen“67 (Windeler 2001, 311) bzw. öffentliche Güter, wie z.B. soziale Ordnung, zu produzieren und zu nutzen. Sozialkapital umfasst Vertrau-en, Reziprozitätsnormen68, Netzwerke bürgerschaftlichen Engagements, Regeln und Gesetze (vgl. Ostrom/Ahn 2001, 123). So stellen auch globale Politiknetzwerke institutionelle Arrange-ments dar, in die Vertrauen und Reziprozität eingebettet sind, und die diese befördern (vgl. auch Scharpf 2000, 233). Vertrauen, das durch Kommunikation und dauerhafte Interaktion geschaf-fen wird, und die Fähigkeit, eigene Regeln inklusive Kontroll- und Sanktionsmechanismen zu etablieren, sind Schlüsselfaktoren in der Bewältigung von Problemen kollektiven Handelns (vgl.

Ostrom/Ahn 2001, 9). Habisch zufolge erfüllt Sozialkapital vier zentrale Funktionen, um so-ziale Dilemmasituationen zu Gunsten kollektiven Handelns zu überwinden: (1) Die Versiche-rungsfunktion schafft langfristige und verbindliche Beziehungen, die besonders in turbulenten Umwelten von Bedeutung sind, z.B. können Unternehmen-NGO-Netzwerke zu Erwartungssi-cherheit auf beiden Seiten führen. (2) Über die Erziehungsfunktion werden Fähigkeiten sozialer Interaktion vermittelt, z.B. können in Netzwerken NGOs und Unternehmen argumentative Um-gangsformen erlernen. (3) Die Informationsfunktion sozialen Kapitals sorgt für den Informati-onsaustausch. (4) Und über die Identitätsfunktion trägt Sozialkapital zur Herausbildung und Stabilisierung moralischer Normen bei (vgl. Habisch 1999, 481-488). Über die Erfüllung dieser Funktionen wird – so die Annahme – soziale Ordnung auch ohne Staat möglich.

67 Netzwerkressourcen sind netzwerköffentliche Ressourcen, die allein durch den Netzwerkzusammen-hang entstehen.

68 Reziprozität im Zusammenhang mit Sozialkapital meint das für Netzwerke typische System generali-sierten Austausches (Ringtausch) und nicht die unmittelbare Reziprozität (tit-for-tat).

4 Netzwerkgovernance: Strukturmerkmale, Effektivität, Legitimität 53

Quelle 15 Habisch 2003, 189 (verändert).

Es ist deutlich geworden, dass nicht jedes Politiknetzwerk soziales Kapital darstellt. Es handelt sich um ein qualifiziertes Netzwerkverständnis, das sich an der Ermöglichung kollektiven Han-delns orientiert: Netzwerke sind Sozialkapital, wenn sie zu kollektivem Handeln führen, gleich-zeitig ist die kollektive Handlungsfähigkeit von Netzwerken als durch Strukturation konstitu-ierte soziale Systeme nur dann gegeben, wenn die Netzwerkregulation erfolgreich verläuft (vgl.

Abb. 8). In der Folge sind Netzwerke nur dann Sozialkapital, wenn eine erfolgreiche Systemre-gulation sie dazu macht.

Abbildung 8 Netzwerke als Sozialkapital und Netzwerkregulation.

Sozialinvestition Netzwerk als Sozialkapital Bedingung: Netzwerkregulation

Soziale Ordnung Quelle 14 Eigene.

Mit dem Kriterium der durch Netzwerkregulation erzielten Dauer- und Systemhaftigkeit von Netzwerken folgt der strukturationstheoretische Netzwerkansatz dem Verständnis von Netzwer-ken als Sozialkapital69 und impliziert damit – so eine plakative Gegenüberstellung – eher Netz-werke fester denn schwacher Bindungen (vgl. Habisch 2003, 189; vgl. Abb. 9). Erstere befähi-gen zu kollektivem Handeln, während letztere eher offene Lernforen sind, die jedoch nicht den für kollektives Handeln notwendigen Zusammenhalt bzw. die Zeit-Raum-Kontinuität besitzen (vgl. Abb. 9):

Abbildung 9 Netzwerke loser und fester Kopplung.

69 Zusätzlich zu Netzwerken loser und fester Kopplung lassen sich „Open Source-“ und„Hub&Spoke“-Netzwerke (Elsner 2003, 11-12) unterscheiden. „Open Source“ bzw. „Hub&Spoke“ beziehen sich auf Sozialkapital produzierende bzw. dysfunktionale Netzwerke. Solche plakativen Gegenüberstellungen finden sich in der Netzwerkliteratur häufiger (vgl. auch Duschek 2002, 265). Netzwerke können sich eben in beide Richtungen entfalten.

z.B. UN Global Compact Netzwerke loser Kopplung

• Lose Bindungen

• Informationsaustausch

• Offenes Lernforum

• Best Practice-Austausch

Netzwerke als Sozialkapital

• Feste Bindungen

• Kollektive Selbstbindung

• Soziale Ordnung

• Bed.: Netzwerkregulation

z.B. Marine Stewardship Council

4 Netzwerkgovernance: Strukturmerkmale, Effektivität, Legitimität 54

Abbildung 10 Theoretischer Rahmen.

Quelle 16 Eigene.

Fichter/Sydow bringen das Verständnis von Netzwerken als Sozialkapital im Kontext von Cor-porate Citizenship auf den Punkt:

„Certain structural conditions are necessary for the network mode of coordination to be effective in governing ... in support of realizing good corporate citizenship... [T]he inter-organizational relationships, or ‚lines‘ of the network, should represent tightly rather than loosely coupled relationships. The very ‚strength of strong ties‘ (Krackhardt 1992) is that they are more likely to support intensive communication, mutual understanding, and adequate means of resource usage although, at least from a structuration perspective, strong ties may not only enhance but also result from intensive communication, mutual understanding, and resource transfer“ (Fichter/Sydow 2002, 364).

4.1.5 Zwischenfazit

Mit dem strukturationstheoretisch formulierten und an Sozialkapital orientierten Netzwerkkon-zept läßt sich der theoretisch-konNetzwerkkon-zeptionelle Zusammenhang von Corporate Citizenship, Netz-werkgovernance und Global Governance schließen. Sozialinvestitionen in Netzwerke als Me-chanismen kollektiver Selbstbindung führen zu sozialer Ordnung und damit letztendlich zu Handlungsoptionen, wenn sich das Netzwerk als Sozialkapital etabliert, was eine erfolgreiche Netzwerkregulation voraussetzt (Abb. 10). Der Prozess der Netzwerkentstehung und -beibehaltung ist als Strukturationsprozess zu denken, in dem verschiedene Dimensionen des Sozialen Wirkung entfalten (Abb. 10). Dieser theoretisch-konzeptionelle Baustein liefert die Grundlage für handlungspraktische Vorschläge für eine als Netzwerkregulation verstandene Governance von Netzwerken in Kapitel sechs.

Corporate Citizenship Netzwerkgovernance Global Governance

[Strategisches Management] [Netzwerkforschung] [Internat. Bez.]

Sozialinvestition Soziale Ordnung/

Regelsysteme

Handlungsoptionen 1. und 2. Ebene Netzwerkregulation

Netzwerke als Sozialkapital

Annahmen: 1. Vermittlung von Akteur und Struktur durch Strukturation.

2. Relevanz von Regeln und Ressourcen.

Soziale Praktiken

Substantielle TheorienMetatheorie

4 Netzwerkgovernance: Strukturmerkmale, Effektivität, Legitimität 55

Der theoretische Rahmen ist abgesteckt und es gilt zu fragen, wann globale Politiknetzwerke effektiv und legitim sind. Während die Frage der Effektivität direkt an den skizzierten funktio-nalen Zusammenhang anschließt und sich auf kollektives Handeln bezieht, wird die Legitimi-tätsfrage quasi extern von der Demokratietheorie an den Sachverhalt herangetragen. Für beide Kriterien werden jeweils Chancen- und Risikodimensionen in Bezug zu globalen Politiknetz-werken ermittelt.

4.2 Effektivität globaler Politiknetzwerke

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 53-56)