• Keine Ergebnisse gefunden

Corporate Citizenship: strategisch

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 29-33)

Inhaltsverzeichnis

3.2 Corporate Citizenship

3.2.2 Corporate Citizenship: strategisch

Sozialinvestitionen zielen auf eines: Handlungsoptionen. Diese sind – strategisch gesprochen – der Return on Investment des Aufbaus von Sozialkapital und der Herstellung sozialer Ordnung.

Schneidewind spricht im Kontext des Umweltmanagements in Bezug auf größere Handlungs-optionen für ökonomische und ökologische Ziele von der „Schnittstellenerweiterung“ (1998, 70). Diese geschieht durch die Einflußnahme auf die Umwelt des Unternehmens, in der die Handlungsrestriktionen begründet liegen. Unternehmen werden selbst zu „Strukturgestaltern“

bzw. „Regelsetzern“:

„The role of the large firm is unique. Whereas the regulation of the behaviour of individual ‚private‘

actors is concerned with the imposition of a public or general will on private citizens, large firms cannot be described as private ‚takers‘ of regulation in this sense. They have acquired the status of

34 Für Habisch ist eben diese Interaktion Charakteristikum eines qualifizierten Verständnisses von CC.

Ausschließlich Maßnahmen, die intersystemische bzw. intersektorale Interaktion beinhalten, betrachtet er als Bestandteil von CC.

35 Eine derartige Vorstellung sozialer Ordnung als Resultat einer Gesellschaft aktiver Bürger, die allesamt Sozialinvestitionen tätigen, transportiert Giddens in seinem politischen Werk „Der Dritte Weg“. In Ab-grenzung zum „rechten“ Konzept des Neoliberalismus, das einen Minimalstaat präferiert, und zum „lin-ken“ Konzept des interventionistischen Wohlfahrtsstaates skizziert Giddens einen Staat, der Sozialinve-stitionen tätigt (vgl. Renner 2001, 65).

36 Hier wird dem Konzept Integriertes Management von Bleicher (vgl. 1996) gefolgt.

3 Corporate Citizenship und Global Governance 29

‚governing institutions‘. As Lindblom has argued, in a market economy firms carry out functions of an essentially public character“ (Hancher/Moran 1989, in: Zimmer 2001, 363).37

Werden Handlungsoptionen nun mit Zimmer auf Grundlage des „resource based view“ des strategischen Managements als Ressourcen konzipiert (vgl. 2001, 361), wird die Einflussnahme des Unternehmens auf seine Umwelt im Rahmen bestehender Modelle des strategischen Mana-gements nachvollziehbar. Auch das Potential zur Einflussnahme auf unternehmensexterne Strukturen ist als Ressource zu begreifen, nämlich als „[Handlungspotential] einer zweiten Ebe-ne“ (Zimmer 2001, 362), da es Ressourcen der ersten Ebene, also unmittelbar wirksame Hand-lungsoptionen, mobiliseren kann – es ist Handlungspotential, das sich aus Beziehungen ergibt.

Der entsprechende theoretische Rahmen innerhalb der ressourcenbasierten Ansätze, der die aus interorganisationalen, also auch Netzwerkbeziehungen entstehenden Ressourcen abbildet, ist der

„relational view“38, der „auch als ein (Meta-)Theorierahmen ressourcenbasierter Netzwerkan-sätze gelten“ (Duschek 2002, 276) kann. In Erweiterung des klassischen ressourcenbasierten Ansatzes geht der Relational View davon aus, dass für das Unternehmen wettbewerbsrelevante Ressourcen und Kompetenzen häufig in interorganisationalen Beziehungen bzw. Praktiken lie-gen. Diese können für das Unternehmen zu relationalen Renten führen, sofern die interorgani-sationalen Beziehungen als Sozialkapital39 wirksam werden. Denn nur als derart qualifizierte Beziehungen erlauben sie – gemäß dem Verständnis von Sozialkapital – „die dauerhafte Über-windung sozialer Interaktionsprobleme“ (Habisch 1999, 473) und die dauerhafte Stabilisierung sozialer Kooperationserträge (vgl. Habisch 2003, 30). Ressourcen- und Kompetenzenpooling als Formen kollektiven Handelns sind z.B. erst auf der Basis von interorganisationalen Bezie-hungen im Sinne von Sozialkapital möglich. Der Relational View erklärt nun auf der Basis rela-tionaler Renten, die aus derartigen Beziehungen zu erschließen sind, Wettbewerbsvorteile.

Corporate Citizenship-Aktivitäten und speziell Vernetzungsstrategien sind somit im Rahmen des strategischen Managements abzubilden: Nämlich als Sozialinvestitionen in Sozialkapital und soziale Ordnung, die als Handlungsoptionen erster und zweiter Ebene auf der Ressourcen-seite des Unternehmens relevant werden (vgl. Abb. 2). Etablieren sich Netzwerke als Sozialka-pital bieten sie den Vorteil relationaler Renten, also erweiterter Handlungsoptionen erster und zweiter Ebene.

Wie können die soeben in ihrer strategischen Logik skizzierten Sozialinvestitionen handlung-stheoretisch formuliert werden?

37 Dass sich Unternehmen de facto ihrer strukturpolitischen Rolle bewußt sind, zeigt ein 2002 veröffent-lichtes Statement des Weltwirtschaftsforums:

„Companies and business leaders have different spheres of influence [!], where they have different levels of authority and ability to manage their impacts and to influence the actions of their own employees, stakeholders and others“ (2003, 7).

38 Der „relational view“ von Dyer/Singh ist noch kein ausgereifter Ansatz, stellt allerdings die jüngste theoretische Modifikation im strategischen Management dar (Duschek 2002, 276).

39 Zum Teil wird auch von relationalem oder Netzwerkkapital gesprochen (vgl. Duschek 2002, 264-265, Zimmer 2001, 362)

3 Corporate Citizenship und Global Governance 30

Die instrumentelle, strukturverändernde Einflussnahme auf die marktliche, politische, rechtliche und öffentliche Unternehmensumwelt, sprich der Versuch, Handlungsoptionen zu schaffen bzw.

für das Umweltmanagement die Schnittstelle von Ökonomie und Ökologie zu erweitern (vgl.

Abb. 2), wird in der Betriebswirtschaftslehre unter den Begriffen „Strukturpolitik“ (Schneide-wind 1998) bzw. „strategische Institutionalisierung“ (Ortmann/Zimmer 2001, 309-315) themati-siert.40 Die theoretischen Annahmen der Ansätze konvergieren: Beiden liegt die Strukturation-stheorie zugrunde und die Ausführungen zu strategischer Institutionalisierung (Zimmer 2001, 377-418) greifen zu einem Großteil die Analyse strukturpolitischer Ansatzpunkte auf. Diese Arbeit folgt dem Konzept der unternehmerischen Strukturpolitik.

„Unternehmerische Strukturpolitik ist die interessengeleitete und machtbasierte Einflußnahme von Unternehmungen auf marktliche, politische und gesellschaftliche Strukturen.“ (Schneidewind 1998, 42).

Die Wirkungsweise der bewußt „handlungspraktisch und diskursiv[en]“41 strukturpolitischen Einflussnahme erklärt Schneidewind mit Rekurs auf die Strukturationstheorie, die in der Theo-rie der Unternehmung als strukturpolitischer Akteur zur Grundlegung eines Verständnisses der Unternehmen-Umwelt-Beziehungen wird (vgl. Schneidewind 1998, 208).42

Unternehmen nehmen strukturpolitischen Einfluss auf ihre Umwelten, indem sie die Struktur der Umwelt, in der Giddensschen Formulierung die Regeln und Ressourcen, modifizieren. Die Vermittlung von Handlung und Struktur vollzieht sich auf der Ebene der Vermittlungsmodali-täten. Der Differenzierung und Begriffsbezeichnung von Schneidewind (1998, 143-144) zufolge werden hier Interpretationsschemata, Normen, allokative und autoritative Ressourcen wirksam.

Diese Mittlerinstanzen sind auch die Ansatzpunkte für strukturpolitisches Handeln. Zum einen können die vier genannten Vermittlungsmodalitäten inhaltlich beeinflusst werden (z.B. verän-derte Bedeutungszuweisung oder Umverteilung allokativer Ressourcen) und zum anderen kann die relative Gewichtung der vier Modalitäten in einem bestimmten Kontext modifiziert werden (vgl. Schneidewind 1998, 199-201). Über die unmittelbare Beeinflussung der Modalitäten hin-aus kann mittelbar über die Einflussnahme auf Akteurskonstellationen und die

40 Zunehmend befassen sich auch soziologisch-institutionelle Analysen „organisationaler Felder“ im Grenzbereich von Organisationstheorie, Umweltmanagement und –politik sowie Umweltsoziologie mit der Frage, wie strategisches Handeln von Organisationen organisationale Felder beeinflußt und umge-kehrt (vgl. Hoffman/Ventresca 2002; Jennings/Zandbergen 1995, 1030-1031, Starik/Rands 1995, 922-926). Damit vermeiden sie über- bzw. untersozialisierte Analysen von Organisationshandeln und werfen das Licht auf den Prozess institutionellen Wandels. Da diese Ansätze aber zumeist von der Ebene des organisationalen Feldes ausgehen, sind sie für die Erklärung strategischer Beeinflussung der Unterneh-mensumwelt im Rahmen des strategischen Managements nur bedingt geeignet.

41 Schneidewind betont den Charakter des „bewußt“ strukturpolitischen Handelns, da streng genommen die Strukturationstheorie jedes Handeln als strukturpolitisch bezeichnet.

42 Die Theorie der Unternehmung beschreibt die Einflussnahme des Unternehmens auf seine Umwelt. Sie grenzt sich auf diese Weise von einem Verständnis der Determination des Unternehmens durch seine Umwelt im Sinne der System-Umwelt-Theorie oder eines reaktiven Stakeholder-Ansatzes ab und be-schreitet den Weg zu einem interaktiven Verständnis der Unternehmen-Umwelt-Beziehung (vgl. Müller-Christ 2001, 110).

3 Corporate Citizenship und Global Governance 31

chanismen der Strukturreproduktion strukturpolitisch gewirkt werden. Dabei ist mit letzterem die Beeinflussung der Reflexivität und Diskursivität sozialer Praktiken gemeint (vgl. Schneide-wind 1998, 203).

Abbildung 2 Corporate Citizenship: strategisch.

Sozialinvestition Sozialkapital Soziale Ordnung

Handlungsoption der 1. Ebene als Ressource Handlungsoption der 2. Ebene als Ressource

Strukturpolit. Akteur Vermittlungsmodalitäten Veränderte Struktur

Erweiterte Schnittstelle

Quelle 5 Eigene.

Während der Resource Based und der Relational View Corporate Citizenship-Aktivitäten im strategischen Management verankern und damit ein theoretisch fundiertes Verständnis der Handlungslogik von Corporate Citizenship anbieten, liefert die Theorie der Unternehmung als strukturpolitischer Akteur ein avanciertes Strukturverständnis und Ansätze der Strukturpolitik – die Theorien ergänzen sich.

Zur empirischen Relevanz der strategischen Logik von Sozialinvestitionen:

Der oben angeführten Umfrage des Zentrum für Wirtschaftsethik und The Conference Board zufolge ist für 50 % der befragten Führungskräfte die Unternehmenstradition für Corporate Ci-tizenship-Aktivitäten ausschlaggebend, gefolgt von der Notwendigkeit langfristiger Investitio-nen in die Gesellschaft (national: 52 %; international: 21 %); für Deutschland wird mit 21 % als drittwichtigstes Motiv genannt, dass Corporate Citizenship Teil der gültigen Unternehmens-strategie ist. Externer gesellschaftlicher Druck und andere Motive folgen in großem Abstand (vgl. Seitz 2002, 44-45).

Folglich hat die Logik von Sozialinvestitionen als zweitwichtigstes Motiv nach der Unterneh-menstradition mit 52 % in Deutschland eine relativ weite Verbreitung erreicht, während inter-national nur 21 % der Unternehmensführer diesem Verständnis folgen.

Resource Based/ Relational ViewUmweltmanagement

3 Corporate Citizenship und Global Governance 32

Im Dokument Jonas Meckling NETZWERKGOVERNANCE (Seite 29-33)