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2 Literaturübersicht

2.6 Tumorimmunologie

2.6.1 Tumorantigene

Arbeiten von PREHN und MAIN Ende der 50er Jahre schufen die Grundlage für die Hoff-nung, T-Zellen im Kampf gegen Tumoren einsetzen zu können. Sie zeigten, dass Mali-gnome spezifisch von CD8+ T-Zellen abgestoßen werden können, indem sie Tumorzellen, die aus Mäusen mit chemisch induzierten Karzinomen isolierte wurden, subkutan in syn-gene Tiere transplantierten. In Rezipienten kam es zum Auswachsen des Transplantati-onstumors, während er im Donor abgestoßen wurde. Wurden jedoch vor Injektion der Tu-morzellen CD8+ T-Zellen der Donormäuse in die syngenen Tiere transferiert, kam es zur Abstoßung der Tumorzellen. Diese Protektion war tumorspezifisch (PREHN und MAIN, 1957). Daraus resultierend wurde vermutet, dass Tumoren Antigene exprimieren, die von tumorspezifischen T-Zellen erkannt werden können. Diese Antigene wurden als

Tumoran-tigene bezeichnet. Sie werden sowohl von den Tumorzellen selbst als auch von speziali-sierten, antigenpräsentierenden Zellen präsentiert. Welche Antigene T-Zellen auf Tumoren erkennen, wurde erst Anfang der 90er Jahre entdeckt (PARDOLL, 1994; TSOMIDES und EISEN, 1994; BOON et al., 1995; VAN DEN EYNDE und VAN DER BRUGGEN, 1997).

Ihre Identifizierung erfolgte zumeist entweder mit der biochemischen oder der genetischen Methode. Grundlage hierfür waren tumorspezifische T-Zellklone, die als sensitives Detek-tionsmittel dienten. Sie wurden generiert, indem T-Zellen aus Blut, Lymphknoten oder Tu-moren isoliert und mit Tumorzellen desselben Patienten kokultiviert wurden.

Beim biochemischen Ansatz (COX et al., 1994) wird durch Säurebehandlung eine Elution der Peptide vom MHC-Klasse-I-Molekül der Tumorzellen bewirkt und der Peptid-Pool nach Fraktionierung mittels HPLC auf Zielzellen geladen, die ein passendes MHC-Molekül tra-gen. Durch den anschließenden Einsatz von tumorspezifischen T-Zellklonen kann über-prüft werden, ob die Zielzellen durch die Peptidbeladung sensitiv für eine Lyse geworden sind. Die AS-Sequenz kann anschließend durch Massenspektroskopie festgestellt werden.

Die genetische Methode (BOON et al., 1989; VAN DER BRUGGEN et al., 1991) beruht auf der Herstellung einer cDNA-Bibliothek von einer Tumorzelle. Die cDNA-Pools werden nachfolgend in Zielzellen eingebracht, die die entsprechenden MHC-Allele exprimieren.

Eine Lyse der Transfektanten durch in vitro generierte, autologe CTLs kann nach Subfrak-tionierung zur Isolierung einer einzelnen cDNA führen.

Eine alternative Technik zur Identifizierung von Tumorantigenen stellt die serologische Analyse von rekombinanten cDNA-Expressionsbibliotheken mit autologen Antikörpern (SEREX) dar (SAHIN et al., 1995). Ein Tumorantigen, das auf diese Weise identifiziert werden konnte, ist das zuerst beim Oesophaguskarzinom entdeckte Antigen NY-ESO-1 (CHEN et al., 1997b; GRETEN und JAFFEE, 1999).

Eine Analyse des Genprofils überexprimierter DNA-Produkte in neoplastischen Zellen durch Microarray-basierte Studien ist eine weitere Möglichkeit zur Identifikation potentieller Zielantigene in Tumoren unterschiedlichen Ursprungs (MOHR et al., 2002).

Tumorantigene können grob in zwei Klassen unterteilt werden. Zur ersten Klasse werden Antigene gerechnet, die selektiv auf Tumorzellen, nicht jedoch auf normalen, somatischen Zellen exprimiert werden. Sie sind streng tumorspezifisch und werden in mutierte Antigene sowie von Viren abstammende Antigene eingeteilt. Erstere gehen aus Punktmutationen

oder Gen-Umordnungen hervor, die häufig mit dem Prozess der Onkogenese einherge-hen. Bei den mutierten Genen kann es sich um Onkogene, Tumorsuppressorgene oder Gene handeln, deren Produkte keinen Einfluss auf die Tumorentstehung haben. Ein typi-sches Beispiel hierfür sind Mutationen im Tumorsuppressorgen p53, die in 60-80 % aller humanen Tumoren vorkommen (GREENBLATT et al., 1994). Von onkogenen Viren ab-stammende Produkte stellen, ähnlich wie mutierte Antigene, fremde Antigene dar, gegen die keine Toleranzinduktion stattgefunden hat. Sie sind in der Lage, T-Zellantworten zu induzieren und bilden somit eine sehr immunogene Gruppe an Tumorantigenen (DE VIS-SER et al., 2003). Die Onkoproteine E6 und E7 des humanen Papillomavirus 16 sowie EBNA-1 des Epstein-Barr-Virus stellen klassische Vertreter dar. Ein tumorspezifisches Antigen der Katze, das nach einer Infektion mit dem Felinen Leukämievirus (FeLV) an der Oberfläche von Tumorzellen nachgewiesen werden kann, ist das FOCMA-Antigen (Felines Oncornavirus-assoziiertes Membran-Antigen) (ESSEX et al., 1979). Bei Hühnervögeln geht eine Infektion mit dem Gallinen Herpesvirus 2 mit einer Expression tumorassoziierter Antigene (,,Marek disease tumorassociated surface antigens") einher (MURTHY und CALNEK, 1979).

Die zweite Klasse von Tumorantigenen setzt sich aus Antigenen nicht-mutierter Struktur-gene zusammen, die der zentralen oder peripheren Toleranzinduktion unterworfen sein können. Hierzu werden unter anderem Differenzierungsantigene, onkofetale Antigene so-wie tumorassoziierte Tumor / Testis-Antigene gerechnet.

Differenzierungsantigene sind gewebsspezifisch, das heißt, dass sie nur in besonderen Gewebstypen und in aus ihnen hervorgehenden Tumorzellen exprimiert werden. Gut cha-rakterisierte Beispiele für Differenzierungsantigene sind Tyrosinase, gp100 und MART-1 / Melan-A. Sie sind sowohl in Melanozyten als auch in Melanomzellen vorhanden (BOON et al., 1995). Aufgrund ihrer nur schwachen Expression auf gesunden Zellen und einer damit verbundenen, ausbleibenden Toleranzinduktion stellen sie interessante Zielstrukturen für Therapien dar.

Onkofetale Antigene wurden erstmals von GOLD und FREEDMAN (1965) beschrieben. Es handelt sich um Proteine, die normalerweise nur von fetalen Zellen gebildet werden. Auf-grund einer Rückdifferenzierung während der Transformation kann es zu einer erneuten Expression durch Tumorzellen kommen. Die bekanntesten Vertreter dieser Gruppe sind

das α-Fetoprotein (AFP) und das carcinoembryonale Antigen (CEA). AFP ist ein Glykopro-tein, das primär von der fetalen Leber synthetisiert wird. Normalerweise fällt seine Serum-konzentration kurz nach der Geburt rapide ab (BECKER et al., 1977). Im Fall einiger Tu-morerkrankungen kann es jedoch zu einem starken Anstieg des Serumspielgels kommen.

So wurde festgestellt, dass die Mehrzahl aller am hepatozellulären Karzinom (HCC) er-krankten Personen dieses onkofetale Antigen überexprimieren (VOLLMER, Jr. et al., 1999). Aus diesem Grund kann AFP als diagnostisches Hilfsmittel bei tumorösen Entar-tungen z.B. der Leber eingesetzt werden (KIRKWOOD et al., 1994). Beim Hund konnte ebenfalls ein erhöhter Serumlevel an AFP und CEA bei tumorösen Entartungen der Leber beschrieben werden (LOWSETH et al., 1991; MARTIN DE LAS et al., 1995; KITAO et al., 2006). Die eigentliche Funktion von AFP ist nicht bekannt. Aufgrund seiner Eigenschaft, Fettsäuren, Steroide und Schwermetalle zu binden, wird allerdings vermutet, dass es eine Rolle beim Transport von Serumkomponenten spielt (RUOSLAHTI und SEPPALA, 1979;

MIZEJEWSKI, 1995; CHEN et al., 1997a). AFP könnte auch eine immunsuppressive Rolle während der fötalen Entwicklung spielen (SHEPPARD, Jr. et al., 1977).

Tumorassoziierte Tumor / Testis-Antigene werden im Gegensatz zu onkofetalen Antige-nen nicht zur falschen Zeit, sondern am falschen Ort exprimiert. Es handelt sich um Prote-ine, die in zahlreichen Tumoren und in den Testis, jedoch nicht im normalen Gewebe vor-kommen. Der Grund für die Expression von Hoden-spezifischen Genen in Tumoren könn-te in einer Demethylierung der Promotorregion dieser Gene liegen, die als zufälliges Er-eignis sowohl in männlichen Keimzellen als auch in fortgeschrittenen Malignomen vor-kommt (DEL MAZO et al., 1994; DE SMET et al., 1996).

Zu dieser Gruppe von Tumorantigenen gehören beispielsweise die Melanom-Antigene (MAGE), BAGE und GAGE (DE PLAEN et al., 1994). Ein anderes Beispiel ist NY-ESO-1, ein Tumorantigen, das mittels SEREX von CHEN et al. (1997b) in einem Patienten mit einem Oesophaguskarzinom identifiziert wurde. NY-ESO-1 scheint eine Rolle bei der Re-gulation der Zellproliferation zu spielen. Eine Expression dieses Proteins wurde in 34 % aller Melanome, 30 % aller Mammakarzinome, in 25 % aller Prostatakarzinome und in fast 80 % aller Blasenkarzinome beschrieben (CHEN et al., 1997b). WANG et al. (1998) konn-ten 2 A31-restringierte Epitope nachweisen. Von JAGER et al. (1998) wurden 3 HLA-A2-restringierte Epitope beschrieben. Eine NY-ESO-1-spezifische, spontane humorale und

zelluläre Immunantwort konnte in einer Vielzahl von Patienten mit fortgeschrittenem NY-ESO-1-exprimierenden Karzinom detektiert werden (KORANGY et al., 2004; KARBACH et al., 2006). Da tumorassoziierte Tumor / Testis-Antigene in vielen Tumoren vorkommen und mit Ausnahme der Hoden nicht in normalen Geweben exprimiert werden, eignen sie sich gut für eine Immuntherapie. Die Expression im Testis kann als nicht so problematisch angesehen werden, da ein direkter Kontakt zwischen Immunzellen und testikulären Zellen nicht stattfindet (BARKER und BILLINGHAM, 1977) und die Keimzellen zudem MHC-Klasse-I-negativ sind (TOMITA et al., 1993).

Zu den Antigenen nicht-mutierter Strukturgene zählen weiterhin Glykolipide und Glykopro-teine, die aufgrund einer gestörten, tumorspezifischen posttranskriptionalen Modifikation veränderte Zuckerstrukturen tragen oder Proteinbestandteile abnormal exponieren. Diese Moleküle können als Antigene fungieren. Ein Beispiel ist das fehlerhaft glykosylierte Prote-in MUC-1, das Prote-in zahlreichen Tumoren vorkommt (GIRLING et al., 1989; FINN et al., 1995).