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Treibhausgas (THG)-Emissionen aus Tierhaltung, Wirtschaftsdüngermanagement, Nutzung und Umwandlung von Mooren und

Reproduktions prozess

UMWELT- SCHUTZ

6.3 Ökologische Qualität der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und der landwirtschaftlichen Landnutzung

6.3.2 Negative Externalitäten

6.3.2.3 Treibhausgas (THG)-Emissionen aus Tierhaltung, Wirtschaftsdüngermanagement, Nutzung und Umwandlung von Mooren und

Landnutzungsänderungen

Seit 1990 gehen die THG-Emissionen der deutschen Landwirtschaft zurück (UBA 2013: 4; BMELV 2006: 21) und dennoch ist der Anteil der landwirtschaftlichen Emissionen an den deutschen Gesamt-THG-Emissionen seit 1990 gestiegen. Der Rückgang der Gesamt-THG-Emissionen vollzieht sich folglich schneller als die Reduktion landwirtschaftlicher THG-Emissionen. Für die europäische Landwirtschaft verweist die EU-Kommission auf einen Rückgang der Emissionen um 20 % seit 1990 (EU-Kommission 2010b: 6). Ein Teil des Rückgangs deutscher landwirtschaftlicher THG-Emissionen um 8 % seit 1990 ist auf die Reduzierung der Tierbestände zurückzuführen (BMELV 2006: 21). So wurde der Anteil an Großvieheinheiten reduziert, die Rinderbestände, welche durch Verdauung Methan (CH4) ausstoßen, wurden verkleinert. Zentrale Emissionsbereiche der THG Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffmonoxid (Trivialname: Lachgas) (N2O) sind die

„Nutztierhaltung – Emissionen aus Fütterung und Verdauung (Methan); − Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft (Methan und Lachgas) und −Emissionen aus landwirtschaftlichen Böden infolge der Stickstoffdüngung (Lachgas)“ (UBA 2013: 2). Hinzu kommen Landnutzungsänderungen etwa in der Form des „Grünlandumbruch und die Kultivierung von Niedermooren als Acker und

139 Grünland“ (UBA 2013: 4), welche 2010 ursächlich waren für 37.508 Gg1 CO2-Äquivalente (UBA 2013: 4). Dementsprechend sind der deutschen Landwirtschaft

„7,1 % der gesamten THG-Emissionen im Jahr 2010“ (UBA 2013: 2) zuzuordnen.

Gemäß des SRU hat die deutsche Landwirtschaft 2009 „durch Tierhaltung, Düngung und Bearbeitung von mineralischen und organischen Böden (zu denen Moorböden und Feuchtgebiete gehören) etwa 12 % der jährlichen THG-Emissionen“ verursacht, wobei „ein Drittel davon (42,8 Mt2 CO2-Äquivalente) allein durch die Entwässerung und Nutzung von Moorböden entsteht“ (SRU 2012: 244). Für 2007 hatte der SRU dargelegt, dass „die Landwirtschaft in Deutschland an den nationalen Treibhausgas-Emissionen mit insgesamt rund 128 Mio. t CO2-Äquivalenten jährlich bzw. 13 % beteiligt (6 % bei Kohlendioxid, 48 % bei Methan, 80 % bei Lachgas) ist, davon stammten 77 % aus der Wiederkäuerverdauung (Methan) und aus der ackerbaulichen Nutzung (Kohlendioxid und Lachgas)“ (SRU 2009: 12). Auch der SRU verweist explizit auf die Kohlenstoff freisetzenden Landnutzungsänderungen im Rahmen „der Umwandlung von Wäldern in Ackerland oder Weiden, dem Umbruch von Grünlandflächen oder der Entwässerung von Niedermoorböden“ (SRU 2009:

12). Aus den angeführten Zahlen lässt sich ableiten, dass die Gesamtemissionen der deutschen Landwirtschaft leicht rückläufig sind und der Anteil von Emissionen aus Landnutzungsänderungen (Grünland zu Acker oder Entwässerung von Moorböden) stark an Bedeutung gewinnt. Werden landwirtschaftliche Emissionen der drei THG separat betrachtet, ergibt sich, dass „die Landwirtschaft Hauptverursacher bei den direkt zugeordneten Emissionen von Methan (Anteil: 54 %) und Lachgas (Anteil: 76

%) ist. Demgegenüber sind die Beiträge der Landwirtschaft zu den CO2-Emissionen wenig relevant“ (UBA 2013: 5). Die Emissionen deutscher Landwirtschaft weichen dabei, zumindest gemäß der globalen Zahlen des IPCC aus 2007, nicht von den globalen Emissionen der Landwirtschaft ab, da “agriculture accounts for 10-12 % of total global anthropogenic emissions of GHGs. Agriculture contributes about 47%

and 58% of total anthropogenic emissions of CH4 and N2O…” (IPCC 2007: 503). Für Niedersachsen (vgl. Kap. 7.1.2 Nationales und subnationales Programm zur THG-Emissionsreduzierung im Agrarsektor) stellen Flessa/Müller/Plassmann et al. fest, dass „die Landwirtschaft der größte Emittent der Treibhausgase N2O und CH4 ist. Im Jahr 2007 betrug der Anteil der Landwirtschaft an den gesamten CH4- und N2O-Emissionen in Niedersachsen 63 bzw. 90 %“ (Flessa/Müller/Plassmann et al. 2012:

5). Kern der genannten Emissionsstatistiken ist, dass die Landwirtschaft bei der Betrachtung globaler, nationaler und subnationaler THG-Emissionen einen Anteil von 7-13% der Gesamtemissionen zu verantworten hat. Dabei sind die landwirtschaftlichen CO2-Emissionen wenig bedeutsam, aber die Methan (CH4)- und Lachgas (N2O)-Emissionen jeweils zu mindestens 47 % und teilweise bis zu 90 % aus landwirtschaftlicher Landnutzung resultierend. Es ist jedoch anzumerken, dass die Angabe der anteiligen landwirtschaftlichen Emissionen variieren kann, da unterschiedlich Bemessungsgrundlagen herangezogen werden. Fraglich ist etwa, ob lediglich die Emissionen aus direkter landwirtschaftlicher Tätigkeit (Acker- und gartenbauliche Nutzung und Tierhaltung) oder darüber hinaus auch Emissionen aus vor- und nachgelagerter Produktion (Produktion der Produktionsfaktoren;

140 Produktionsfaktorimport; Verarbeitung; Lagerung, etc.) berücksichtigt werden.

Werden nur die direkten landwirtschaftlichen Emissionen beachtet, liegt der Schwerpunkt im Bereich der Methan- und Lachgasemissionen, die deutlich klimarelevanter als die CO2-Emissionen sind. UBA und SRU verweisen darauf, dass die Emissionen aus Landnutzungsänderungen wie Grünlandumbruch zur ackerbaulichen Nutzung oder die Kultivierung von Mooren zentral für die Verursachung landwirtschaftlicher THG-Emissionen sind (SRU 2009: 12; UBA 2013:

4). So sind gemäß dem SRU „circa ein Drittel der THG-Emissionen der Landwirtschaft auf die Nutzung und Umwandlung von Moorböden zurückzuführen“

(SRU 2012: 243). Im Ländervergleich weist Deutschland hinsichtlich der CO2-Emissionen auf der Moorfläche keine gute Bilanz auf, da „in Deutschland je km2 Moorboden fast dreimal so viel CO2 emittiert wird wie in Finnland, Kontinental-USA oder im europäischen Teil Russlands. Dies spiegelt die Intensität der Nutzung bzw.

den ökologischen Zustand der Moorflächen wider“ (SRU 2012: 243). So liegen „etwa 8 % (ca. 13.000 km²) der gesamten landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland auf Moorböden. Von der Gesamtfläche der Moore werden 32 % als Acker und 40 % als Grünland genutzt“ (SRU 2012: 245). Hauptursachen der Kohlenstoffemissionen auf Moorflächen sind die Trockenlegung für die land- und forstwirtschaftliche Landnutzung und der Torfabbau für den Gartenbau (s. Abschnitt 2.1.2). So

„schwankt der natürliche Wasserstand saisonal und liegt zum Beispiel für Hochmoore zwischen Geländeoberfläche und 0,35 m unter Flur. Der häufigste und zugleich folgenreichste Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt ist die Drainage. Die landwirtschaftliche Nutzung als Grünland erfordert einen Wasserstand von circa 0,4 bis 0,8 m unter Flur, Ackerbau benötigt sogar eine Absenkung des Wasserstandes auf 1,0 bis 1,2 m unter Flur“ (ebd. 244/245). Im Rahmen intensiver Ackerbaunutzung wird neben dieser deutlichen Wasserstandreduzierung der Moorflächen zusätzlich Stickstoff durch Düngung eingetragen, weshalb „neben CO2 auch Lachgas (N2O) entsteht“ (ebd.: 246). Somit kann die intensive ackerbauliche Nutzung entwässerter Moorböden „nach Einschätzung der Bundesfachbehörden…THG-Emissionen von bis zu 15 t CO2eq pro Hektar und Jahr“ oder gemäß anderer wissenschaftlicher Quellen

„20 bis 40 t CO2eq pro Hektar und Jahr“ (ebd.: 246) verursachen. Für 2009 wurden der „Agrarnutzung von organischen Moorböden 40,4 Mt CO 2eq“ in Verbindung mit dem „Torfabbau von 2,4 Mt…Gesamtemissionen von 42,8 Mt aus Moorböden“ (SRU 2012: 246) zugeordnet, was „4,4 % der deutschen Brutto-Gesamtemissionen“ (ebd.:

247) entspricht. Dieser Anteil ist bezogen auf die Bodenqualität der Moorböden betriebswirtschaftlich a priori nicht nachvollziehbar, da „Moorböden trotz des hohen Humusgehaltes aufgrund der Nährstoffarmut (Hochmoorböden) bzw. ungünstiger physikalischer und chemischer Bodenverhältnisse als Niedrigertragsflächen gelten“

(ebd.: 249). Dennoch würden diese Standorte „aus Mangel an Ausweichflächen in Gegenden mit ausgedehnten Niedermoorböden sowie wegen der familiären Bindung kleinbäuerlicher Betriebe an diese Flächen genutzt“ und zudem „geht ein wesentlicher Anreiz dabei auch von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) aus. Um Fördermittel aus der GAP zu erhalten, müssen selbst auf stillgelegten Flächen Pflegemaßnahmen wie Mulchen oder Mähen durchgeführt werden, die eine

141 Entwässerung erfordern (Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen 2011)“ (SRU 2012: 249). Hieran kann die zentrale Bedeutung des Produktionsfaktors Grund und Boden und der Steuerungsimpulse der GAP für die ökologische wie ökonomische Entwicklung des Agrarsektors abgelesen werden. Ökologisch fragwürdig hinsichtlich der Begrenzung von THG-Emissionen ist somit die intensive ackerbauliche Nutzung von Moorflächen. Deshalb führen Flessa/Müller/Plassmann an, dass „die landwirtschaftliche Produktion auf entwässerten Moorböden stark klimabelastend ist, da die Torfmineralisation hohe CO2-Emissionen verursacht. Eine Minderung der Treibhausgasemission kann nur durch die Anhebung des Wasserspiegels der Moorböden erreicht werden. Moorschutz (Erhalt und Neubildung von Torf) erfordert die nahezu vollständige Vernässung des Torfkörpers. Dies schließt die herkömmliche landwirtschaftliche Nutzung der Moore als Acker oder Grünland aus“

(Flessa/Müller/Plassmann 2012: 15/16). Somit besteht auch hier wieder eine Alles‐oder‐nichts‐Entscheidung (vgl. Kap. 6.3.2.1 Toxizität der Pflanzenschutzmittelanwendung) zwischen herkömmlicher landwirtschaftlicher Nutzung von Moorböden und Moorschutz als Beitrag zum Klima- und Naturschutz.

Dieser Gegensatz zwischen Ökonomie und Ökologie hinsichtlich der

bodennutzungsbezogenen THG-Emissionen wird von

Osterburg/Nitsch/Laggner/Roggendorf durch den Verweis darauf unterstützt, dass

„im untersuchten Zeitraum von 2005 bis 2007 sich die Maisfläche sowie die für nachwachsende Rohstoffe genutzte Fläche zum Teil sehr deutlich ausgedehnt haben, gleichzeitig ist die nicht genutzte Flächenstilllegung zurückgegangen.

Flächen, auf denen sich die nicht genutzte Flächenstilllegung bisher besonders konzentriert hat, wie Überschwemmungsgebiete, FFH- und Naturschutzschutzgebiete oder Moorböden, sind vom Rückgang der Stilllegung und der Ausdehnung der nachwachsende Rohstoffe in besonderem Maße betroffen. Die Ausdehnung des Maisanbaus erfolgt ebenfalls vergleichsweise gleichverteilt im Raum, allerdings zeigt sich eine deutlich höhere Zuwachsrate auf Moorflächen“

(Osterburg/Nitsch 2009: 43). Im Rahmen der politisch angestrebten Energietransformation wurde die landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden folglich intensiviert. Moorschutz wurde zu Gunsten ackerbaulicher Nutzung mit dem Ziel der energetischen Verwendung der Erntesubstrate zurückgefahren. Im Rahmen der GAP spielte Klimaschutz bis zur anstehenden Reform für den Zeitraum 2014-2020 eine untergeordnete Rolle (UBA 2013: 12). Im Rahmen der „Neuen Herausforderungen“

sollen Aspekte des Klimaschutzes in die GAP aufgenommen werden (EU-Kommission 2010b: 6; 8), „dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die heutige Landwirtschaft vielfältig negativ auf die Umwelt wirkt und die Gemeinsame Agrarpolitik diesen Trend bislang nicht bremste sondern eher förderte“ (UBA 2013:

10). So fehlen gemäß dem UBA „bislang spezifische THG-Emissionsminderungsziele für die Landwirtschaft. Gleichwohl bestehen eine Vielzahl von Fördermaßnahmen und ordnungsrechtlichen Vorgaben, die die landwirtschaftliche Produktion direkt oder mittelbar auch die THG-Emissionen der Landwirtschaft beeinflussen“ (UBA 2013:

12). Die deutsche Agrarministerkonferenz (AMK) hat vor dem beschriebenen Hintergrund „die Notwendigkeit weiterer Schritte zur Reduzierung der

142 Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft betont und als zentrale Handlungsfelder u. a. die Optimierung des Stickstoffmanagements und den Erhalt und die nachhaltige Nutzung von Kohlenstoffspeichern benannt“

(Flessa/Müller/Plassmann et al. 2012: 9). Dieses steht im Widerspruch zur Realität der ackerbaulichen Nutzung von Moorböden und zur Bedeutung der landwirtschaftlichen Düngungspraxis. So stammen „in Niedersachsen über 95 % der NH3-Emission aus der Landwirtschaft. Ammoniak wird im Zuge der Lagerung und Ausbringung tierischer Wirtschaftsdünger freigesetzt (118 kt NH3 in 2009 oder 88 % der landwirtschaftlichen NH3-Emission in Niedersachsen). Eine weitere wichtige NH3-Quelle ist die Ausbringung harnstoffhaltiger Mineraldünger (2009: 15 kt NH3).

Die NH3-Gesamtemission ist seit 1990 weitgehend unverändert geblieben.

Sinkenden Emissionen aus dem Bereich Wirtschaftsdüngermanagement stehen steigende Emissionen aus dem zunehmenden Einsatz harnstoffhaltiger Stickstoffdünger gegenüber“ (ebd.: 7). Die Ammoniak-Emissionen im Rahmen des Wirtschaftsdünger- und Mineraldüngermanagements stellen einen Produktionsfaktorüberschuss dar, welcher neben THG-Emissionen durch Produktion und Import (Mineraldünger) auch „naturnahe Ökosysteme belastet, zu indirekten N2O-Emissionen führt und die Stickstoffeffizienz der landwirtschaftlichen Produktion verringert“ (ebd.: 13). Flessa/Müller/Plassmann verweisen darauf, dass „die Bereitstellung von synthetischem Stickstoffdünger mit ca. 2.130 kt CO2-Äq.“ von großer Bedeutung für die Klimabilanz der Landwirtschaft ist. Daneben sind als weitere Emissionsquellen der direkte Energieverbrauch und der Import von im Ausland produzierten Futtermitteln in Niedersachsen bedeutsam (ebd.: 6).

6.4 Zusammenfassung

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die ökologische Dimension Europäischer Agrarpolitik, und insbesondere der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) als politischer Rahmen, durch die Integration von klima-, umwelt- und naturschutzfachlichen Zielen und Instrumenten seit den Agrarreformen zu Beginn der 1990er-Jahre gestärkt wurde. Mit diesen Reformen wurden neben die primär markt-, einkommens- und exportorientierten Ziele der GAP zunächst umwelt- und naturschutzpolitische und seit wenigen Jahren auch klimaschutzpolitische Ziele gestellt. In der Fachliteratur wird diese Erweiterung der agrarökonomischen Perspektive um eine ökologische Dimension teilweise sogar als Paradigmenwechsel bezeichnet (Buller 2002: 105; Petrick 2008: 252). Feindt hat jedoch darauf hingewiesen, dass vor dem Hintergrund divergierender Interessenlagen in der agrarpolitischen Arena auf EU-Ebene und daraus resultierendem Kompromisszwang hinsichtlich der Leitprinzipien der GAP eher von Kontinuität als von Politik- oder gar Paradigmenwechsel gesprochen werden muss (Feindt 2010: 311). Für diese Perspektive spricht etwa, dass im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) hinsichtlich der GAP lediglich markt-, einkommens- und preispolitische Ziele aufgeführt sind.

Zur Umsetzung der agrarumweltpolitischen Ziele wurden verschiedene Steuerungsinstrumente entwickelt und in das Politikmuster der GAP aufgenommen.

Diese Steuerungsinstrumente können primär in den GAP-Teilbereich der

143 Agrarumweltpolitik eingeordnet werden, welche deshalb hinsichtlich der Ökologieorientierung europäischer Agrarpolitik von zentraler Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund wird häufig von der „Multifunktionalität“ der GAP gesprochen.

Dennoch haben auch Maßnahmen anderer GAP-Teilbereiche, z. B.

agrarpreispolitische Reformansätze wie die Rückführung der Preisgarantien und der Exporterstattungen mit der Folge einer stärkeren Effizienzorientierung beim Ressourceneinsatz oder die obligatorische Flächenstilllegung zum Abbau der Produktionsüberschüsse (agrarpolitisches Ziel: Agrarmarktstabilität) mit der Schaffung von Habitaten für die Entwicklung der Wildbiodiversität oder agrareinkommenspolitische Innovationen wie die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion, ökologisch vorteilhafte Entwicklungen ausgelöst. Für die Agrarumweltpolitik ist jedoch festzustellen, dass etwa im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) unter den Zielen der GAP keine ökologischen Ziele festgehalten sind. Auf der Zielebene der GAP wird der

„Multifunktionalität“ nicht entsprochen. Im Rahmen der Agrarumweltpolitik sind die umwelt- und naturschutzpolitische Steuerung durch die finanzielle Förderung der Maßnahmen gemäß der ELER-Verordnung, die Förderung des Ökolandbaus und die Cross Compliance-Regelung mit den Grundanforderungen an die Betriebsführung und die Auflagen zur Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand (GLÖZ) gemäß VO (EU) 73/2009 von zentraler Bedeutung. Ökologieorientiert stark wirksam werden die Förderung des Ökolandbaus und die Agrarumweltprogramme im Rahmen der ELER-VO nur auf wenigen ausgewählten Standorten, da deren finanzielle Ausstattung in Relation zur konventionellen Förderung gering und die Teilnahme an den Maßnahmen der Agrarumweltprogramme freiwillig ist. Darüber hinaus werden Extensivierungs- und Ökologisierungsmaßnahmen meist nur auf kaum für die ackerbauliche Nutzung geeigneten Standorten durchgeführt. Die Cross Compliance-Regelungen beinhalten das Potential der flächendeckenden Sicherung von ökologieorientierten Standards, allerdings sind die einzuhaltenden Standards Mindestanforderungen und die Kontrollrate gering.

Die positiven Externalitäten Europäischer Agrarpolitik sind gebunden an eine extensive Produktionsweise. So können neben dem Erhalt der Kulturlandschaft im Rahmen der intensivierten Agrarproduktion keine zusätzlichen Ökosystemleistungen bereitgestellt werden. Ökosystemleistungen wie Erhalt und Förderung der Wildbiodiversität, Erhalt der Agrobiodiversität, Sicherung von Böden mit höheren Bodenkohlenstoffvorräten wie Moorflächen und Dauergrünland oder Schutz regionaler Wasserressourcen werden nur bei geringeren Produktionsintensitäten gewährleistet. Die Bereitstellung von nachwachsenden Rohstoffen zur Bewältigung der Energieerzeugungstransformation geht einher mit der Verlagerung von Grünlandstandorten, wobei der umwelt- und naturschutzfachliche Wert der Flächen wie Bodenkohlenstoffvorräte keine Rolle spielt. Auch der Erhalt der Agrobiodiversität hängt als Nischenphänomen von den Agrarumweltprogrammen ab, stellt jedoch keinen flächendeckenden Aspekt der Agrarpolitik dar.

144 Negative Externalitäten europäischer Agrarproduktion und Agrarpolitik bestehen in der intensiven Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit gravierenden Auswirkungen auf die Wildbiodiversität in der Agrarlandschaft, insbesondere Insekten und Amphibien sind betroffen, landwirtschaftlichen Stoffeinträgen in Böden und regionale Wasserressourcen, wobei insbesondere Mineralstoffe (Nitrate), Bodensedimente und Veterinärprodukte Schwerpunkte bilden, und landwirtschaftlichen Emissionen aus den Produktionsbereichen Nutztierhaltung, Lagerung und Ausbringung von Wirtschaftsdünger tierischer Herkunft, Stickstoffdüngung, Grünlandumbruch und der Kultivierung von Mooren.

Landwirtschaftliche Methan- und Lachgasemissionen bilden gemessen an den Gesamtemissionen, sowohl national, wie auf EU-Ebene als auch global, die Emissionsschwerpunkte. Diese Problematik greifen Clark und Dellachiesa mit dem Hinweis auf, dass „more attention must be devoted to reducing pollution emissions from the agricultural sector” (Clark/Dellachiesa 2013: 22). Clark/Dellachiesa verweisen darauf, dass signifikante Fortschritte im Bereich der umwelt- und klimaschutzpolitischen THG-Emissionsreduzierung nicht durch Maßnahmen im Industriesektor der Industrieländer, sondern durch Emissionsreduzierungen im Agrarsektor, insbesondere von Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen, erreicht werden können (ebd.: 22). Diese Feststellung ist für die Ausrichtung globaler Umwelt- und Klimaschutzpolitik von zentraler Bedeutung. Vor dem Hintergrund, dass die deutsche Landwirtschaft für 54% der Methan- und 76% der Lachgasemissionen in Deutschland verantwortlich ist (UBA 2013: 5), gilt, dass die sektorübergreifenden Klimaschutzbemühungen den Agrarsektor stärker in den Blick nehmen müssen. Im Bereich des Schutzes der Wildbiodiversität durch europäisches Pflanzenschutzmittelrecht erweist sich die Risikobewertung chemischer Pflanzenschutzmittel insbesondere hinsichtlich der Tiergruppen Insekten und Amphibien als unzureichend, da die EU-Zulassungsverordnung für PSM (VO (EG) 1107/2009) die Erreichung der biodiversitätsbezogenen Ziele der EU nicht unterstützt (UBA 2010b: 1). Die Abnahme der Artenvielfalt wird durch die PSM-Regulierung nicht gebremst. Auch im Bereich landwirtschaftlicher Stoffeinträge in die Umweltmedien Boden und Wasser kann eine Trendwende zu einer wenig belastenden Produktionsweise durch die begleitende Agrarumweltpolitik nicht festgestellt werden (OECD 2012a; OECD 2012b).

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