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Politökonomische Rahmenbedingungen des Klima-, Natur- und Umweltschutzes

Reproduktions prozess

UMWELT- SCHUTZ

6.1.3.3 Politökonomische Rahmenbedingungen des Klima-, Natur- und Umweltschutzes

Natur- und Umweltschutz als politischer Sachverhalt hat in den letzten 40 Jahren an Bedeutung gewonnen. Böcher und Töller bezeichnen Umweltpolitik deshalb als ein zunehmend „komplexes Handlungsfeld“, das sich über die Ebenen global, EU, national, regional, lokal und individuell erstreckt und diverse Sektoren, z. B. Industrie, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Bau und Tourismus, umfasst (Böcher/Töller 2012:

73). International und zwischenstaatlich wurden zahlreiche umwelt- und naturschutzpolitische Regelungen und Organisationen geschaffen, z. B. Kyoto-Protokoll, UNEP, CBD, UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate

102 Change). Auf EU-Ebene wurden mit der eigenständigen Kommission Umwelt:

Biodiversitätsstrategie, IMPEL – „Netzwerk für die Implementierung und den Vollzug von Umweltgesetzen“ (European Network for the Implementation and Enforcement of Environmental Law – IMPEL) und EREP – Europäische Ressourceneffizienzplattform – Arbeitsgruppe zur Erarbeitung von Empfehlungen zur Steigerung der Ressourceneffizienz in Europa Institutionen und Regime geschaffen, um auf die Auswirkungen gesellschaftlicher Produktionstätigkeiten reagieren zu können. Nicht alle Institutionen und Regime weisen einen direkten Land- oder Forstwirtschaftsbezug auf oder sind gar primär fokussiert auf die Sektoren Land- und Forstwirtschaft. In Deutschland wurden im Rahmen naturschutzpolitischer Steuerungseingriffe zahlreiche die Land- und Forstwirtschaft bindende ordnungsrechtliche Vorgaben etabliert. Hinsichtlich des Erhalts und der Wiederherstellung der Bodenfruchtbarkeit und Bodenfunktionen einschließlich ihrer Funktion als Kohlenstoffsenke besteht etwa die Genehmigungspflicht für den DGL-Umbruch gemäß § 17 Abs. 3 BNatSchG und die Eingriffsregelung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG, welche ein unmittelbares Verbot des Umbruchs auf kohlenstoffreichen Böden konstituiert. Möckel/Köck/Rutz/Schramek weisen darauf hin, dass zudem „seit der Neufassung des WHG im Jahr 2010 alle Grünlandflächen, die sich im 5 m breiten Gewässerrandstreifen befinden, einem Umbruchverbot mit Befreiungsmöglichkeit (§ 38 Abs. 4 Nr. 1 und Abs. 5 WHG) unterliegen.“

(Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 132). Die Naturschutzverwaltung hat im Rahmen des DGL-Schutzes zudem die Kompetenz DGL-Umbrüche genehmigen zu können und Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen anzuordnen. Darüber hinaus

„sollen nicht genehmigte Umbrüche von den Naturschutzbehörden untersagt werden und sind nach § 69 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG Ordnungswidrigkeiten“ (ebd.: 157). Die Naturschutzfachverwaltung hat folglich de jure im Rahmen der Genehmigungserfordernis Machtressourcen (Zwang) zur Steuerung der Landnutzung. Möckel/Köck/Rutz/Schramek argumentieren, dass „die Schutzvorschriften im WHG strenger ausgestaltet sind als die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung, da der Umbruch von Grünland in Gewässerrandstreifen und in Überschwemmungsgebieten kraft Gesetz untersagt ist“ (ebd.: 140). Es wird ersichtlich, dass formal regulative Instrumente zur natur- und umweltschutzfachlichen Steuerung der Landwirtschaft bestehen. Inwieweit diese de facto Wirkung entfalten, hängt auch von der Ressourcenausstattung der jeweiligen Fachverwaltungen ab.

Daneben besteht mit der Landschaftsplanung die Fachplanung des Naturschutzsektors, welche sich nicht nur „auf den Arten- und Biotopschutz [beschränkt, R.K.], sondern gemäß §§ 1 Abs. 3, 9 Abs. 3 Nr. 4 BNatSchG die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und die damit verbundenen Funktionen und Leistungen der Umweltmedien Boden, Gewässer und Luft wichtige Planungsgegenstände“ (Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 140) in den Blick zu nehmen hat. Als Bestandteil der Landschaftsplanung können formal insbesondere die örtlichen Landschaftspläne auf die Steuerung der landwirtschaftlichen Bodennutzung einwirken, „da sie – anders als überörtliche Landschaftsprogramme

103 und -rahmenpläne – aufgrund ihres kleineren Maßstabes standortbezogene Festlegungen erlauben. So lassen sich in Landschaftsplänen schlaggenau Bodenschutzrisiken darstellen und auch entsprechende Risikokartierungen aufnehmen“ (ebd.: 140). Formal besteht folglich das landschaftsplanerische Instrumentarium um durch „standortbezogene Bewirtschaftungsvorgaben an die Landwirtschaft den Umweltschutz zu verbessern, Flächennutzungskonflikte zu lösen und auch die Rechtssicherheit für die Landwirte z.B. im Hinblick auf die Einhaltung der Anforderungen an die gute fachliche Praxis im BBodSchG und BNatSchG und von Cross Compliance-Anforderungen zu verbessern und Haftungsrisiken nach dem Umweltschadensgesetz zu vermindern“ (Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 140). In NW haben nach dem LSchaftG NRW Landschaftspläne eine eigenständige Verbindlichkeit und wirken teilweise auch gegenüber Dritten, also etwa den landwirtschaftlichen LandnutzerInnen (Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 141).

Dieses starke Instrument der Außenwirksamkeit besteht Möckel/Köck/Rutz/Schramek gemäß darüber hinaus nur in Berlin, weshalb in den anderen Bundesländern „die Durchsetzung hier auf die verwaltungsinterne Berücksichtigung oder nachrichtliche Übernahme in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen bzw. mittelbar in sonstigen behördlichen Plänen (z.B.

Raumordnungsplänen gemäß § 8 Abs. 2 ROG) beschränkt bleibt“ (2014: 141). So kann etwa eine extensive landwirtschaftliche Bodennutzung als landschaftsplanerische Notwendigkeit „nach der gegenwärtigen Rechtslage nicht durch einen Bebauungsplan außenverbindlich festgesetzt werden“ und „sind die landschaftsplanerischen Festlegungen auch bei keiner Genehmigungsentscheidung zu berücksichtigen“ (ebd.: 141). De facto folgt aus der naturschutzfachlichen Planungskompetenz keine Landnutzungssteuerungskompetenz zur Umsetzung von EU-Umweltschutzzielen wie Biodiversitätserhalt und –förderung durch Extensivierung. Ergo wurden die Kompetenzen des Natur- und Umweltschutzsektors auf Bundesebene weitgehend formuliert, aber im Rahmen der subnationalen Umsetzung schwach instrumentalisiert. Aus § 6 BNatSchG folgt zudem der Auftrag an die Länder und den Bund Natur und Landschaft einem Monitoring zu unterziehen.

Ohne eine verbindliche Festlegung der Qualität und Quantität des Monitorings kann eine „Vergleichbarkeit der Daten zwischen den Ländern und im Fall fehlender Landesregelungen auch zwischen den Behörden“ (Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 153) nicht erreicht werden. Eine formal starke Machtressource der Kategorie Zwang weist § 65 Abs. 1 und 3 BNatSchG den Naturschutzbehörden zu wonach diese „Grundstücke nach Ankündigung betreten und dort u.a. naturschutzfachliche Erhebungen, Vermessungen und Bodenuntersuchungen durchzuführen“ (ebd.: 154) berechtigt sind. Anknüpfend daran verweisen Möckel/Köck/Rutz/Schramek darauf, dass „die Behörden teilweise sogar einen Auskunftsanspruch gegenüber natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts haben“ und somit „können normativ betrachtet die Naturschutzbehörden vor Ort prüfen, ob z.B. die Grundsätze von § 5 Abs. 2 BNatSchG eingehalten werden, Eingriffe nach § 14 Abs. 1 BNatSchG vorliegen oder gesetzlich geschützte Biotope beeinträchtigt werden“ (ebd.: 154).

104 Diese formalen Kompetenzen wurden jedoch durch die faktischen

„Haushaltskürzungen und Personalabbau im letzten Jahrzehnt“

(Möckel/Köck/Rutz/Schramek 2014: 154; vgl. auch Bauer/Bogumil/Knill et al. 2007:

95) in ihren Steuerungspotenzialen massiv reduziert. Der staatliche Natur- und Umweltschutzsektor ist im Bereich der Länder in den Ministerien für Umwelt und Naturschutz (MKULNV NW, MLU ST, MUGV BB, MU NI) organisiert und wird etwa durch Beratungsorganisationen wie den Naturschutzbeirat des MUGV im Land Brandenburg und Fachbehörden, z. B. Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), unterstützt. Lokal fungieren die UNB (unteren Naturschutzbehörden) und der ehrenamtliche Naturschutz als die Träger sektoraler Ziele, wobei die Schwäche des Sektors insbesondere auf dieser Ebene in der relational zum Agrarsektor geringeren Ressourcenausstattung zu sehen ist (vgl. zur strukturellen Schwächung des mikroregionalen und lokalen Naturschutzes durch Mittelkürzungen und Kommunalisierung Bauer/Bogumil/Knill et al. 2007: 95, 100, 101/102; zur Reduzierung der Leistungsfähigkeit der Umweltverwaltung in Brandenburg: 170/171). Die Umsetzung von Natur- und Umweltschutzzielen, auch in den Sektoren Agrar- und Forstwirtschaft, wird vor dem Hintergrund der konjunkturabhängigen Haushaltslagen der Länder als ohnehin schwacher Belang zusätzlich in ihren Wirkungen begrenzt (ebd.: für Niedersachsen 102; für Sachsen-Anhalt 208). Die „Modernisierung“ der Umweltverwaltung, als eigene Machtressource des Natur- und Umweltschutzsektors, in der Form der Deregulierung und Entbürokratisierung kann folglich als Strategie zur Erhöhung der mikroregionalen Wettbewerbsfähigkeit betrachtet werden. So wird das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt als Akzelerator der Industrialisierung und Intensivierung agrarwirtschaftlicher Tierhaltung und Landnutzung beschrieben, welche der Profitabilität der gewerblichen Tierhaltungsunternehmen einerseits und der Steuerabschöpfung durch die lokale Steuerstaatlichkeit andererseits dienen (vgl.

Kap. 7.1.2.2.4 Sachsen-Anhalt (ST) und Kap. 7.3.2.2.2 Regulative Steuerung:

Sachsen-Anhalt). Insgesamt ist festzustellen, dass die Zusammenführung von Kommunalverwaltung und unterer Natur- und Umweltschutzverwaltung unter der Führung parteipolitisch gebundener WahlbeamtInnen die Einflusspotenziale des Natur- und Umweltschutzsektors gefährden kann (vgl. für NW Bauer/Bogumil/Knill et al. 2007: 124), was insbesondere in unterkapitalisierten und dementsprechend ökonomisch entwickelten Regionen, die deswegen auf Investitionskapital auch im Agrarsektor angewiesen sind, zu erwarten ist.

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