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Auswahl des Fallbeispiels Deutschland und der einzelnen Fallstudien Die Europäische Kommission hat im Jahr 2001 die Mitteilung mit dem Titel

Reproduktions prozess

4.2 Qualitative Interviewforschung: Leitfadengestützte, teilstrukturierte ExpertInnengespräche

4.3.1 Begründung der Länderauswahl

4.3.2.1 Auswahl des Fallbeispiels Deutschland und der einzelnen Fallstudien Die Europäische Kommission hat im Jahr 2001 die Mitteilung mit dem Titel

„Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung“ vorgelegt, welche beinhaltet, dass die Institutionen der EU, insbesondere der Europäische Rat in Stockholm und die EU-Kommission, die Lissabonner Strategie zur Entwicklung der europäischen Wirtschaft und des gesellschaftlichen Zusammenhalts um eine ökologische Dimension in der Form einer Nachhaltigkeitsstrategie (Europäischer Rat in Göteborg 2001; Erneuerung der Strategie 2006) ergänzen wollen. Dabei wurden erstmalig als größte ökologische Gefährdungen einer nachhaltigen Entwicklung die „globale Erwärmung“ und der „Rückgang der biologischen Vielfalt“ identifiziert (Europäische Kommission 2001a: 4). Auch wird darauf verwiesen, dass die Gefährdungen einer nachhaltigen Entwicklung etwa im Bereich Flächennutzung auf früheren Weichenstellungen beruhen (ebd.: 5). Es wurde für den Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und deren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung darauf verwiesen, dass „der ökologische Landbau und andere umweltfreundliche Wirtschaftsweisen gefördert werden und die Mittel weniger zur Marktstützung als zur Entwicklung des ländlichen Raums eingesetzt werden“ müssen (ebd.: 7). Die EU-Kommission wies zudem darauf hin, dass „die vorstehend beschriebenen größten Herausforderungen für die nachhaltige Entwicklung für mehrere Politikbereiche gleichermaßen gelten.

Dementsprechend ist ein umfassender, bereichsübergreifender Ansatz erforderlich, um diesen Herausforderungen zu begegnen“ (ebd.: 11) und 2006 wurde in der erneuerten Strategie für nachhaltige Entwicklung festgehalten, dass „Anpassung an die Klimaänderung und ihre Eindämmung in alle relevanten Bereiche der europäischen Politik integriert werden sollten“ (Rat der Europäischen Union 2006: 8).

Politikintegration und sektorübergreifende Politikgestaltung werden als sachlogische Notwendigkeiten präsentiert, weshalb der Analyse der Umsetzung von EU-Umweltschutz in der deutschen Land- und Forstwirtschaft wissenschaftliche und gesellschaftspolitische Relevanz zukommt. Fraglich ist nun, wie die Ökologisierungsziele, z. B. „Drosselung der Treibhausgasemissionen“ (Europäische Kommission 2001a: 12), in den spezifischen Politiksektoren, Agrar- und Forstwirtschaft, der Mitgliedsstaaten umgesetzt und welche Spielräume für die Integration der ökologischen Dimension in die Agrarpolitiksektoren genutzt wurden und werden. Insbesondere Deutschland steht dabei im Fokus, da es einerseits auf Grund der größten Gesamtwirtschaftsleistung innerhalb der EU die größten finanziellen Handlungsspielräume für agrarpolitische Reformen hat, andererseits auf Grund des Produktionsfaktorimports des heimischen Agrarsektors erhebliche ökologische externe Kosten erzeugt. Lugschitz/Bruckner/Giljum verweisen diesbezüglich darauf, dass die deutschen Importe von „grazing areas and land for the cultivation of oil seeds reveal the highest increases in absolute terms, with a growth of 4.5 and 2 million hectares, respectively. For oil seeds, this corresponds to a

71 45% rise in imports compared to 1997, with a high likelihood of soybeans and palm oil being responsible for most of the increase” (Lugschitz/Bruckner/Giljum 2011: 21;

vgl. auch Giljum/Lutz/Jungnitz et al. 2011), woraus im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der EU eine gesteigerte Verantwortung zur Ökologisierung der Agrar- und Forstpolitiken resultiert. Und schließlich beanspruchen sowohl die deutsche Bundesregierung (Bundesregierung 2012: 2) als auch einzelne Landesregierungen, dass Nachhaltigkeit ein zentrales Leitprinzip aller Politikbereiche darstelle und Art. 20a des deutschen Grundgesetzes beinhaltet zudem die staatliche Schutzverantwortung gegenüber der Ökosphäre und den natürlichen Lebensgrundlagen. Auf EU-Ebene besteht für die Politik für den ländlichen Raum, als historischer Pfad der Umweltpolitikintegration in die GAP, der Gemeinsame Strategische Rahmen (GSR), welcher aus einzelnen Fonds verschiedener Politiksektoren zusammengesetzt ist. Zum GSR zählen:

-ELER: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums

-EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung -ESF: Europäischer Sozialfonds

-KF: Kohäsionsfonds

-EMFF: Europäischer Meeres- und Fischereifonds

Die Politik für den ländlichen Raum soll mit dieser Zusammenführung der einzelnen Fonds inhaltlich kohärenter und zur Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung ländlicher Räume beitragen. Inwiefern die deutsche Land- und Forstwirtschaft dieser Zielstellung Rechnung tragen können, soll in der vorliegenden Studie aufgezeigt werden. Insbesondere die Überprüfung der Erreichung ökologischer Zielstellungen durch einzelne Programmteile in deutschen Bundesländern, mit zentraler Bedeutung für den Agrarsektor, steht dabei im Vordergrund. Die Überprüfung der Umsetzung von ökologischen Zielsetzungen des EU-Umweltschutzes im Rahmen der föderalen Agrar- und Forstpolitiken wird anhand von drei Fallstudien, welche zentrale Gegenstände der Ökologisierung der Agrarpolitiken abbilden, geleistet. Anhand der untersuchungsleitenden Fragestellung ist zu überprüfen, inwieweit Deutschland mit seinen föderalen Agrar- und Forstpolitiken, und hier insbesondere die Agrarpolitiken der Bundesländer BB, NI, NW und ST, zur Umsetzung des EU-Umweltschutzes als Beitrag zur Ökologisierung des Agrarsektors beigetragen hat. Die Auswahl der Fallstudien folgt einerseits aus den auf EU-Ebene durchgeführten und anstehenden Reformen hinsichtlich der Ökologisierung (Greening) des Agrarsektors und andererseits aus den ExpertInnengesprächen und Dokumentenanalysen zur Agrarpolitik in den ausgewählten Bundesländern.

72 4.3.2.2 Kriterien zur Auswahl der Fallstudien

Als Kriterien zur Auswahl der Fallstudien wurden:

-Flächenbedeutsamkeit der Fallstudie,

-Handlungsspielräume der Länder bei der Umsetzung von EU-Umweltschutz, -Anzahl und Vielfalt der beteiligten Akteure und

-Handeln und Nichthandeln der Akteure

identifiziert. Hinter der Flächenbedeutsamkeit der Fallstudie steht die Fragestellung, wieviel LF von dem Projekt betroffen ist. Eine numerische Festsetzung einer Erheblichkeitsgrenze ist nicht möglich, aber eine qualitative Einschätzung hinsichtlich der Bedeutung des „Projekts“, z. B. Reduzierung von Stoffeinträgen in die Umweltmedien Boden und Wasser, kann vorgenommen werden. Zahlreiche Studien und europäische Richtlinien belegen die flächendeckende Relevanz dieses Projektes. So hat jüngst der EuRH auf die Brisanz dieses Projekts hinsichtlich der Integration wasserpolitischer Ziele und Instrumente in die Agrarpolitiken zur Reduzierung von Stoffeinträgen in die lokalen Wasserressourcen hingewiesen (European Court of Auditors 2014). Das Kriterium Handlungsspielräume der Länder bei der Umsetzung von EU-Umweltschutz zielt auf die formalen Blockademöglichkeiten der nationalen und subnationalen Politiksektoren im Rahmen des föderalen EU-Mehrebenensystems ab, da es grundsätzlich zwei verschiedene Formen der Umsetzung von EU-Vorgaben gibt. Diese Formen sind auf die prozessuale Dimension der Umsetzung von EU-Umweltschutz bezogen. Einerseits können EU-Vorgaben, z. B. in der juristischen Form der Verordnungen direkt verbindlich sein, und andererseits kann entsprechend des Subsidiaritätsprinzips Handlungsspielraum, z. B. in der juristischen Form der Richtlinie, für die nationalen und subnationalen Ebenen bestehen. Das Kriterium Anzahl und Vielfalt der beteiligten Akteure stellt auf die Akteursdimension der Umsetzung von EU-Umweltschutz ab. Die potentielle Beteiligung starker und schwacher AkteurInnen ist relevant, da aufgezeigt werden kann, welche AkteurInnen und Akteurstypen ihre Machtressourcen wirksam einsetzen konnten. Schließlich fokussiert das Kriterium Handeln und Nichthandeln der Akteure die Fragestellung, inwieweit die formalen Handlungsspielräume de facto genutzt wurden.

73 Tabelle 1: Kriterienbasierte Fallstudienauswahl

Kriterium

Fallstudie

Flächenbe -deutsam-keit der Fall-studie

Handlungs- spielräume d. Länder bei d.

Umsetzung

v.

EU-Umweltschut z

Anzahl+

Vielfalt beteiligte r Akteure

Handeln/Nicht -handeln d.

Akteure

Reduzierung der THG-Emissionen aus landwirts.

Produktion im Rahmen

der Agrarpolitiken BB, NI, NW und ST

XX XX XX X

Reduzierung von Stoffeinträgen in Boden, Wasser und Luft

in den Agrar- politiken BB, NI, NW und ST

XX XX XX X

Förderung und Erhalt der Biodiversität im Rahmen landwirts.

Landnutzung durch die Agrarpolitiken BB,

NI, NW und ST

XX XX XX XX

Erklärung: XX= große Relevanz; X= mäßige Relevanz; 0= keine Relevanz Quelle: eigene Darstellung

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