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Politökonomische Rahmenbedingungen landwirtschaftlicher Landnutzung

Reproduktions prozess

6. Politiksektoren und ökologische Dimensionen der Land- und Forstwirtschaft

6.1 Politiksektoren Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Natur- und Umweltschutz

6.1.1.4 Politökonomische Rahmenbedingungen landwirtschaftlicher Landnutzung

Landwirtschaftliche Landnutzung ist eingebettet in politökonomische Strukturen, die von der fragmentierten internationalen Politik im Rahmen der Vereinten Nationen oder multi- und bilateraler Verträge, über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU (GAP) bis zu den nationalen und subnationalen Ebenen reichen. International ist die Food and Agriculture Organization of the United Nations (FAO) ein zentraler Akteur, der die supranationalen und nationalen Agrarregime beeinflusst. Auf internationaler Ebene besteht etwa der Internationale Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft der den Rahmen des Pflanzen- und Sortenrechts beeinflusst. Als internationale Organisation mit Ausrichtung auf die tierische Produktion des Agrarsektors ist die World Organisation for Animal Health (OIE) zu nennen. Die internationale Dimension landwirtschaftlicher Landnutzung wird nicht weiter vertieft, da der Untersuchungsschwerpunkt auf der subnationalen Ebene liegt.

Die Gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) ist für die Entwicklung europäischer landwirtschaftlicher Landnutzung von zentraler politökonomischer Bedeutung (für den Ökolandbau vgl. Plagge 2014: 21). So wurde die GAP als Ursache für den landwirtschaftlichen Strukturwandel angeführt (Döpke 2012: 3/9). Zu analytischen Zwecken ist die GAP als Kernprogramm des Agrarsektors in die Bestandteile:

6 Zum „Entwicklungs“-Begriffs im Rahmen agrarpolitischer Steuerung vgl. Kap. 2.3 „Nachhaltigkeit – Dimensionen nachhaltiger Entwicklung“.

82 - Agrarhandelspolitik

- Agrarpreispolitik - Agrarstrukturpolitik - Agrareinkommenspolitik - Agrarsozialpolitik

- Agrarumweltpolitik

zu unterteilen. Eine vertiefende Diskussion der genannten Teilpolitiken der GAP findet in Kap. 6.2.1 Multifunktionalität der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) statt. Im Rahmen der Teilpolitiken der GAP bestehen zahlreiche regulative, ökonomische, informationelle und kooperative Instrumente (zu den regulativen, ökonomischen, informationellen Instrumenten: Krott 2001) zur Steuerung des Agrarsektors, wobei die einzelnen Instrumente auf die Teilziele der Teilpolitiken ausgerichtet sind. So diente etwa das agrarpreispolitische Instrument der Preisgarantien der Stabilisierung der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise und damit der Stabilisierung der landwirtschaftlichen Einkommen unter den Bedingungen der kapitalistischen Industriegesellschaft.

Das regulative Instrumentarium des (europäischen, deutschen, subnationalen (Bundesländer)) Agrarsektors kann in die rechtlichen Teilbereiche:

- Landwirtschaftliches Pachtrecht [Landpachtrechtliche Regelungen des BGB (§§ 585 ff.), Landpachtverkehrsgesetz (LpachtVG), Pachtkreditgesetz (PachtkreditG)]

- Landwirtschaftliches Erbrecht [Erbrechtliche Regelungen des BGB (§§ 1922 ff.)]

- Landwirtschaftliches Produktionsrecht: Teilbereich Pflanzliche Produktion:

Saatgutrecht [Bund: Saatgutverkehrsgesetz (SaatG), VO über das Artenverzeichnis zum Saatgutverkehrsgesetz, VO über den Verkehr mit Saatgut landwirtschaftlicher Arten und von Gemüsearten (Saatgutverordnung), SaatgutaufzeichnungsVO, PflanzenkartoffelVO RebenpflanzgutVO, Hopfengesetz, VO zur Durchführung des gemeinschaftlichen Hopfenrechts (HopfDV)]

Sortenschutzrecht [Bund: Sortenschutzgesetz, VO über das Verfahren vor dem Bundessortenamt (i. d. F. der Bek. v. 28.09.2004)]

Pflanzenschutzrecht [Bund: Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen (Pflanzenschutzgesetz – PflSchG), Pflanzenschutz-SachkundeVO, VO über Pflanzenschutzmittel und Pflanzenschutzgerät (PflanzenschutzmittelVO), VO über Anwendungsverbote für

83 Pflanzenschutzmittel (Pflanzenschutz-AnwendungsVO), PflanzenbeschauVO, VO zur Bekämpfung der Reblaus (ReblausVO), VO über die Anwendung bienengefährlicher Pflanzenschutzmittel (BienenschutzVO), VO zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses und der Kartoffelnematoden, VO zur Bekämpfung der Bakteriellen Ringfäule und der Schleimkrankheit, VO zur Bekämpfung der Scharkakrankheit, VO zur Bekämpfung der San-Josè-Schildlaus, VO zur Bekämpfung der Blauschimmelkrankheit des Tabaks, VO zur Bekämpfung der Feuerbrandkrankheit (FeuerbrandVO), VO zur Bekämpfung von Nelkenwicklern]

Düngungsrecht [Bund: Düngegesetz (2009), VO über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (DüngemittelVO – DüMV), VO über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (DüngeVO – DüV), VO über Probenahmeverfahren und Analysemethoden für die amtliche Düngemittelüberwachung (Probenahme- und AnalyseVO-Düngemittel), KlärschlammVO (AbfKlärV), VO über den Klärschlamm-Entschädigungsfonds (KlärschlammEntschädigungsfondsVO-KlärEV), VO über die Verwertung von Bioabfällen auf landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich und gärtnerisch genutzten Böden (BioabfallVO – BioAbfV)]

- Landwirtschaftliches Produktionsrecht: Teilbereich Tierische Produktion:

Futtermittelrecht [EU: VO (EG) Nr. 178/2002 Festlegung der allg.

Grundl. d. LebensmittelR (BasisVO), RL 70/524/EWG d. Rates ü.

Zusätze d. Tier-Ernährung, RL 1999/29 EG ü. unerwünschte Stoffe u.

Erzeugn. d. Tier-Ernährung, Entscheid. 91/516/EWG Komm. z.

Festlegung d. Verzeichnisses v. Ausgangserzeugn. deren Verw.

verboten ist, RL 95/53/EG Grundregeln d. Durchf. amtlicher Futtermittelkontrollen,RL 95/69/ EG (AnerkennungsRL) Zulassung u.

Registrierung zwischengeschalteter Betriebe d. Futtermittelsektors, Bund: Gesetz über d. Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln u. sonst. Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB), FuttermittelVO Neufassung 2007, VO über Probenahmeverf. und Analsyemethoden f. d. amtl. Futter- Mittelüberwachung, VO zur Überwachung transmissibler spongiformer Enzephalopathien (TSE-ÜberwachungsVO), 2. Futtermittel-VerwertungsverbotsVO, VO über d. fachlichen Anforderungen an die Futtermittelkontrolleure]

84 Tierarzneimittelrecht

Tierseuchenrecht

Tierzuchtrecht

Tierschutzrecht: Landwirtschaftliche Tierhaltung

Tiertransport

- Recht des Ökologischen Landbaus [EU: VO (EG) Nr. 834/2007 (Öko-Basis-VO), VO (EG) Nr. 889/2008 mit Vors. zur Durchführung d. Öko-Basis-VO, Bund: Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der EG auf dem Gebiet des Öko-Landbaus (Öko-LandbauG – ÖLG), Gesetz zur Einführung und Verwendung eines Kennzeichens für Erzeugnisse d. Öko-L. (Öko-KennzeichenG – Öko-KennzG)] und

- Landwirtschaftliches Verfahrensrecht [Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Landwirtschaftssachen]

unterteilt werden (Grimm 2010)7. Die einzelnen Normen beinhalten unterschiedliche Regelungsmechanismen mit ökologieorientierten, ökonomieorientierten, global-, regional- oder sozialorientierten Teilzielen. Die zentralen ökonomischen Instrumente sind die „erste Säule“ mit den markt-, preis- und einkommenspolitischen Instrumenten und dem Europäischen Ausgleichs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) (zur Rolle und Ausrichtung des EAGFL vgl. Döpke 2012: 8) und die „zweite Säule“ für die ländliche Entwicklungspolitik mit dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Der ELER ist als Bestandteil des Gemeinsamen Strategischen Rahmens der EU (GSR) für den Zeitraum 2014-2020 ein Element der Europäischen Kohäsionspolitik. Döpke verweist auf die Zentralität ökonomieorientierter Steuerung im Rahmen ländlicher Entwicklungs- und Kohäsionspolitik als Gegenstand des „politischen Produktivismus“

(Döpke 2012: 12), welcher das politische Leitbild der europäischen Agrarpolitik bis in

7 Die Auflistung der Normen ist nicht abschließend. Mittels jener wird angedeutet, welchen Umfang agrarsektorales Ordnungsrecht hat und wie weit der kapitalistische Produktionsbereich Landwirtschaft technisiert und bürokratisiert ist. Folglich kann abgeleitet werden, dass jede Produktionsstufe des Agrarsektors hochgradig verrechtlicht und standardisiert ist, um den Binnenmarkt mit land- und ernährungswirtschaftlichen Produkten zu organisieren, was durch Konzentration von Marktmacht und Kapital bei wenigen AkteurInnen der Kommodifizierung traditionaler landwirtschaftlicher Praktiken und Wissensbestände dient (vgl. Landnahme-Theorem Dörre 2012; Harvey 2006).

85 die 1980er und 1990er Jahre darstellte. Die MacSharry-Reform (1992) war der erste Schritt beim Umbau des ökonomischen Instrumentariums der Gemeinsamen Agrarpolitik und wurde durch die Agenda 2000, den „Mid-Term-Review“ (2003), den

„Health Check“ (2008) und die aktuelle Reform für die Periode 2014-2020 ergänzt.

Die Entkoppelung der Direktzahlungen von der Produktion und die Etablierung der flächenbezogenen Betriebsprämien sowie der zweiten Säule, die schrittweise Reduzierung der direkten Einkommensstützung durch die Modulation8 und die Verwendung der zusätzlichen Mittel für die zweite Säule gelten als Maßnahmen zur Erhöhung der marktwirtschaftlichen und der ökologieorientierten Elemente der GAP (Kaufer/Krott/Hubo/Giessen 2013: 388). Zentrales Instrument bleiben die Direktzahlungen, da sie die unmittelbare nichtmarktliche Finanzierung landwirtschaftlicher Betriebe bedeuten. Dabei sind die öffentlichen Einkommen der Landwirte an Auflagen in den Feldern Klima-, Umwelt-, Tier- und Naturschutz und Lebensmittelsicherheit gebunden, das sog. Cross-Compliance-Prinzip.

Agrarpolitische Einkommenstransfers entspringen der Teilfunktion der GAP als Agrareinkommenspolitik für den ländlichen Raum. Ausgestattet wurde der EAGFL mit einem Finanzvolumen von 40 Mrd. € (European Commission 2012a: 6). In Niedersachsen wurden jährlich etwa 1 Mrd. € Direktzahlungen an „aktive“ Landwirte bezahlt (ML NI 2012: 1), was bei einem Produktionswert von 9,3 Mrd. € (ML NI 2011:

17) eine erhebliche Größe darstellt (Kaufer/Krott/Hubo/Giessen 2013: 388). Auf europäischer Ebene stehen neben den Einkommenstransfers an die Landwirte die marktbezogenen Maßnahmen mit einem Finanzvolumen von 2,966 Mrd. € (Europäische Kommission 2011: 83). Marktmaßnahmen bilden als staatsinterventionistische Instrumente in die europäischen Agrarmärkte den agrarpreispolitischen Schwerpunkt der GAP (Kaufer/Krott/Hubo/Giessen 2013: 388) und dienen damit den agrarpreispolitischen Teilzielen der Preisstabilität und der Risikoreduzierung landwirtschaftlicher selbstständiger Landwirtschaftsunternehmen mit und ohne abhängig beschäftigte LohnarbeiterInnen auf volatilen Agrarmärkten.

Finanzielle Förderung ländlicher Regionen im Rahmen der „zweiten Säule“ wurde und wird auf Bundes- und Landesebene auf der Grundlage der Verordnung(EU) Nr.

1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 vollzogen. Rechts- und Fördergrundlagen bildeten das Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe

„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAKG), die „Nationale Rahmenregelung der Bundesrepublik Deutschland für die Entwicklung ländlicher Räume“ (NRR) und die Länderprogramme zur Förderung der ländlichen Räume.

8 Modulation umfasst die „progressive Reduzierung der Direktbeihilfen“ zur „Finanzierung von Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums“ (EG VO 73/2009: L 30/17).

86 Die Länderprogramme (BB: KULAP 2007; NI: PROFIL 2007-2013; NW: NRW-Programm Ländlicher Raum 2007–2013; ST: EPLR 2007-2013) sind die zentralen ökonomischen und entwicklungsplanerischen Instrumente zur subnationalen Einflussnahme auf die politökonomischen Rahmenbedingungen des Agrarsektors.

Auf Bundesebene steht die Politik im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe

„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ im Vordergrund (GAK und GAK-Gesetz) im Vordergrund, da diese den nationalen Rahmen zur Umsetzung der ELER-Verordnungen bildet. Dem Bund kommt im Rahmen der GAK eine

„rahmensetzende, koordinierende und kofinanzierende Funktion“ (Weingarten 2008:

Zusammenfassung iii) zu. Zu den investiven Maßnahmen im Rahmen der GAK gehört etwa die Neuordnung des ländlichen Grundbesitzes nach dem Flurbereinigungsgesetz (FlurBG). Demnach dient etwa die wertgleiche Landabfindung gemäß § 44 FlurBG der Agrarstrukturverbesserung. Der Exekutive wurde somit ein Instrument an die Hand gegeben, um gemäß § 1 FlurBG etwa im Interesse einer „Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung“

den „ländlichen Grundbesitz durch Maßnahmen nach diesem Gesetz“ neuzuordnen.

Somit kann die öffentliche Verwaltung innerhalb rechtlich bestimmter Grenzen der Sozialpflichtigkeit des ländlichen Grundbesitzes oder privatkapitalistischen Interessen gerecht werden, indem sie unter Abwägung von Gemeinwohlinteressen und privaten Nutzungsinteressen eine Umgestaltung der ländlichen Bewirtschaftungsstrukturen vornimmt. Die Entwicklung zu größeren Ackerschlägen ist eine Folge des produktionstechnologischen Wandels und der Nutzung der intensiven Flurbereinigung. Neben dem GAK-Regime zur Steuerung der Agrarstrukturen bestanden weitere Förderprogramme zur Stabilisierung der landwirtschaftlichen Einkommen. So sollte anhand des 2010 und 2011 angebotenen Milch-Sonderprogramms (MSP) (Gesetz über ein Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter (Milch-Sonderprogrammgesetz – MilchSoPrG) die Situation von Landwirten, die auf Grund der Preisvolatilitäten und der Nachfragemacht des Einzelhandels in betriebswirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, verbessert werden.

Das Aktionsprogramm „Energie für morgen – Chancen für ländliche Räume“, welches „die Steigerung des Biomasseangebots, die Verstärkung und den Ausbau der Wissensvermittlung, den Abbau technischer Hemmnisse, die Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen und Investitionsanreize“ umfasst, soll die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse fördern (BMEL 2014a). Maßnahmen bilden etwa die Förderung der Holzmobilisierung, von Kurzumtriebsplantagen und Agroforstsystemen oder der Produktionssteigerung der Energiepflanzenproduktion.

Daneben sollen durch die Einleitung des Bioenergie-Regionen-Bundeswettbewerbs die regionalen Wertschöpfungsketten in verschiedenen Regionen ausgeweitet werden. Das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe: Förderung von Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrationsvorhaben (BMELV 2012a) fasst die Zielsetzungen und Förderbereiche der agrarsektoralen Bioökonomie zusammen und zeigt Leitlinien und Fördertöpfe auf. Im Bereich der ökologischen Landwirtschaft bietet der Bund das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN) an. Zentrales kooperatives Instrument der GAK

87 ist gemäß § 4 und § 5 GAKG, neben den in § 3 GAKG normierten finanziellen Förderungen, den sog. investiven Maßnahmen, der Gemeinsame Rahmenplan zur agrarstrukturellen Entwicklungsplanung. Hierin kommt das politische Ziel des Bundesgesetzgebers zum Ausdruck den Bundes- und Landesexekutiven ein Instrument zur Entwicklung ländlicher Räume bereitzustellen. Der gemeinsame Rahmenplan hat jedoch lediglich die Qualität einer untergesetzlichen Regelung, diese resultiert der Natur der Sache nach daraus, dass der Rahmenplan lediglich eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern darstellt (Thiemann 2007: 41). Folglich bedarf der Rahmenplan, der gemäß § 6 GAKG vom Planungsausschuss (PLANAK), bestehend aus dem „Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz als Vorsitzender sowie der Bundesminister der Finanzen und ein Minister (Senator) jedes Landes“, erstellt wird, einer Konkretisierung durch die Länder in der Form der Förderprogramme, um gegenüber Dritten Außenwirkung entfalten zu können (Thiemann 2007: 41). Insofern wird ersichtlich, dass trotz der grundsätzlich weit ausgreifenden Eigentumsfreiheit im Agrarsektor den Exekutiven planerische Instrumente zur Gestaltung der mittel- und langfristigen Entwicklung der Agrarstrukturen zur Verfügung stehen. Im Bereich der informationellen Instrumente ist zu verweisen auf die verschiedenen Zertifizierungsregime, z. B. das EG-ÖKO-Logo (COMMISSION REGULATION (EU) No 271/2010 of 24 March 2010 amending Regulation (EC) No 889/2008 laying down detailed rules for the implementation of Council Regulation (EC) No 834/2007, as regards the organic production logo of the European Union) oder das EU-Gemeinschaftszeichen für Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung.

Daneben bestehen die Datenbank für organisches Saatgut OrganicXseeds und das Organic Farming Information System (OFIS) für den Bereich der ökologischen Landwirtschaft. Das Datenbanksystem TRACES – Community Trade Control and Expert System dient der Erfassung des gesamten Tierverkehrs in der EU sowie in die EU herein und aus der EU heraus (Entscheidung 2003/623/EG der Europäischen Kommission vom 19. August 2003 über die Entwicklung eines integrierten EDV-Systems für das Veterinärswesen). Döpke verweist darauf, dass für die ökonomische Entwicklung des europäischen Landwirtschaftssektors mit dem Fokus auf die industrialisierte landwirtschaftliche Landnutzung die, stark auf die ökonomischen Dimension und ökonomische Instrumente konzentrierte, GAP mit ihrem „agricultural welfare state“- und „state assistance“-Paradigma (Döpke 2012: 9), wonach „der Landwirtschaftssektor auf staatliche Unterstützung und Außenschutz angewiesen ist und diese auf Grund seiner sozialen und ökonomischen besonderen Bedeutung legitimerweise erhalten soll“ (ebd.: 9), zentral ist. Die Dominanz dieses Paradigmas, welches von agrarsektoralen Akteuren von nationalen Agrarpolitiken auf die GAP übertragen wurde (ebd.: 10, 13), muss im Rahmen der Analyse agrarpolitischer Prozesse insbesondere hinsichtlich der Ökologisierung landwirtschaftlicher Landnutzung in Europa berücksichtigt werden. Wissenschaftlich wird der Einfluss der Agrarpolitik auf die Industrialisierung der landwirtschaftlichen Landnutzung als

„Produktivismus“ bezeichnet (Döpke 2012: 10). Das „dominante landwirtschaftliche Produktionsmodell“ (Döpke 2012: 11) basiert auf der agrarpolitisch forcierten

88 Produktionssteigerung und ist damit kongruent mit den produktionsbezogenen Merkmalen kapitalistischer Produktionsweise, innerhalb welcher zum Zweck der Profitsteigerung, neben begrenzt möglichen Preissteigerungen oder Lohnkostensenkungen, einerseits die „Erweiterung des produktiven Potentials (Fabrikgebäude, Maschinen, Rohstoffe, Arbeitskräfte)“ (Conert 2002: 19) und andererseits technologische, z. B. die Erhöhung der möglichen Fahrgeschwindigkeit von Landwirtschaftsmaschinen (vgl. hierzu u. a. Kapitel 7.3.2.2 Biodiversitätsprogramm für die Agrarpolitiken der Länder BB, NI, NW und ST:

Informationelle und kooperative Steuerung: Sachsen-Anhalt (ST)), aber auch produktionsorganisatorische „Innovationen“, [als, R.K.] einzelunternehmerische Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität“ (Conert 2002: 19) getätigt werden können. Die GAP und nationale wie subnationale Agrarpolitiken haben Döpke folgend die Technologisierung und Industrialisierung der landwirtschaftlichen Landnutzung in Europa in der Form der „kapitalintensive[n], stark mechanisierte[n]

Bewirtschaftung großer Landflächen“ (Döpke 2012: 11; vgl. auch Clasen 1997: 421) in zentraler Weise ermöglicht. Hieraus folgte wiederum die Konzentration im Landwirtschaftssektor (vgl. Mann 2003: 140), da große Betriebe die politischen Rahmenbedingungen besser für wachstumsnotwendige „Investitionen und Flächenerweiterungen“ (Döpke 2012: 11) nutzen konnten. Diese besonders marktmächtigen Unternehmen, die von den für sie günstigen politischen Rahmenbedingungen des Sektors profitieren konnten, vergrößerten ihre Marktmacht zudem durch die zunehmende Konzentration und steigende Marktmacht einzelner Marktteilnehmer der nachgeordneten Lebensmittelindustrie (Döpke 2012: 37), da sie durch die kapitalintensive Technologisierung und Automatisierung am einfachsten Produktivitätsausweitungen erreichen konnten (Döpke 2012: 11; vgl. Clasen 1997:

421). Durch die Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen für die kapitalistische Modernisierung und Produktivitätssteigerungen bildet der historisch gewachsene Politiksektor Agrar den entwickelten politisch-administrativen Arm der auf kapitalistische Modernisierung und staatliche Flankierung abzielenden privatwirtschaftlichen Landwirtschaftsunternehmen und Interessenverbände. Der europäische Agrarsektor, ausgehend von den nationalen agrarsektoralen Akteuren, hat den (politischen) „Produktivismus“ als ein „commitment to an intensive, industrially driven and expansionist agriculture with state support based primarily on output and increased productivity. The concern (of productivism) was for

‘modernization’ of the national farm, as seen through the lens of increased production. By the ‘productivist regime’ we mean the network of institutions oriented to boosting food production from domestic sources which became the paramount aim of rural policy following World War II. […]” (Lowe et al. 1993, 221, cit. Wilson 2001, 78)“ (Döpke 2012: 12) zum dominanten Politikmuster ländlicher Entwicklungspolitik erhoben. Der „politische Produktivismus“ als Leitbild ländlicher Entwicklung wird seit den 1980er und 1990er Jahren allerdings stärker kritisch in den Blick genommen.

Ursachen und Gegenstände der Kritik und Ausgangspunkte für die oben angeführten Reformen (MacSharry, Health Check, etc.) waren die Kompetenzerweiterung der EU, z. B. im Bereich der Natur- und Umweltschutzpolitik, steigende Kosten der

89 Agrarpreispolitik etwa für Garantiepreise, die Differenzierung des europäischen Agrarsektors durch die Erweiterung der EU, Kritik an der GAP im Rahmen der internationalen Handelspolitik und schließlich die Überschussproduktion mit den negativen ökologischen Auswirkungen (Döpke 2012: 15).

6.1.2 Forstwirtschaft

Fraglich ist nun, inwieweit der für den Agrarsektor beschriebene (politische)

„Produktivismus“ samt der damit verbundenen Kritik für den zweitgrößten Landnutzungssektor Forstwirtschaft von Bedeutung ist. Die Beantwortung dieser Frage wird aufzeigen, inwiefern politischer Wandel im Bereich der Landnutzung und Umsetzung von EU-Umweltschutz vor dem Hintergrund der gesellschaftlich dominanten Produktionsweise und diese stabilisierender Politiksektoren möglich ist.