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EU-Klimaschutzprogramm für den Agrarsektor

Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt

7.1 Fallstudie 1: Reduzierung der THG-Emissionen aus landwirtschaftlicher Produktion im Rahmen der Agrarpolitiken BB, NI, NW und ST

7.1.1 EU-Klimaschutzprogramm für den Agrarsektor

Die Reduzierung landwirtschaftlicher Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) ist ein Teilziel des Programms zur Vermeidung des Klimawandels und zur Anpassung an Klimawandel bedingte Entwicklungen der EU-Kommission. Grundlage des Klimaschutz-Programms der EU-Kommission sind internationale Verpflichtungen, so die Konvention zur Vermeidung und Verminderung weitreichender grenzüberschreitender Luftverunreinigungen (UNECE – CLRTAP (United Nations Economic Commission for Europe – Convention on Long-range Transboundary Air Pollution), die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) und das Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (vgl. Art. 2 (1) iii) „Förderung nachhaltiger landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsformen unter Berücksichtigung von Überlegungen zu Klimaänderungen“), sowie gemeinschaftsrechtliche Beschlüsse, z. B. die Entscheidung des Rates vom 25. April 2002 über die Genehmigung des Protokolls von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Namen der Europäischen Gemeinschaft sowie die gemeinsame Erfüllung der daraus erwachsenden Verpflichtungen (2002/358/EG).

7.1.1.1 Entscheidungsvorbereitung und informationelle Steuerung

Dieses „Nachhaltigkeits“-Programm mit Schwerpunktsetzung im Bereich Klimaschutz ist aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt, so exemplarisch dem Grünbuch zur Anpassung an den Klimawandel (2007a), der Studie „Adaptation to climate change in the agricultural sector“ (Iglesias/Avis/Benzie 2007), dem sog.

„GAP-Gesundheitscheck“ (2007b), welcher auch die Fortschritte im Bereich Ökologisierung der GAP prüfen und weiterentwickeln sollte, dem WEISSBUCH – Anpassung an den Klimawandel: Ein europäischer Aktionsrahmen (2009a), dem COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT: The role of European agriculture in climate change mitigation (2009b) und der Mitteilung zur Entwicklung der GAP bis 2020 (2010), in der die neuen Herausforderungen wie Klimawandel und entsprechende Maßnahmen skizziert wurden. Das Klimaschutz-Programm der EU-Kommission für den Agrarsektor umfasst folglich eine Vielzahl informationeller Instrumente zur Vorbereitung und Ausgestaltung europäischer, nationaler und subnationaler Agrarpolitiken und zur Steuerung betrieblicher Landbewirtschaftung.

146 7.1.1.2 Regulative Steuerung

Daneben steht eine Vielzahl an Gesetzestexten zur Reduzierung von THG-Emissionen, exemplarisch etwa:

-zur Festsetzung von Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen (Verordnung (EG) Nr. 443/2009),

-zur Gestaltung eines Systems für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (Richtlinie 2003/87/EG),

-zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen im Elektrizitätsbinnenmarkt (Richtlinie 2001/77/EG),

-über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe (Richtlinie 2001/81/EG), in Artikel 4 der RL 2001/81/EG ist etwa festgehalten, dass „die Mitgliedstaaten bis spätestens 2010 ihre nationalen Emissionen an Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffoxiden (NOx), fluechtigen organischen Verbindungen (VOC) und Ammoniak (NH3) auf die in Anhang I festgelegten Emissionshöchstmengen begrenzen“,

-über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen mit Blick auf die Erfüllung der Verpflichtungen der Gemeinschaft zur Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 (Entscheidung Nr. 406/2009/EG), in Anhang II der Entscheidung ist aufgeführt, dass die Bundesrepublik Deutschland bis 2020 14% weniger THG bezogen auf das Jahr 2005 emittieren darf. Diese und weitere regulative Instrumente, deren Wirksamkeit im Falle der Richtlinien zudem der nationalstaatlichen Umsetzung bedarf, besitzen jedoch nur einen mittelbaren Zusammenhang zur Ausgestaltung der GAP, nationaler Agrarpolitiken und zum Agrarsektor. So gilt dies etwa für die Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe, wonach die nationalen Emissionshöchstmengen etwa für Stickstoffoxide (NOx), von denen NO2 (Stickstoffdioxid) besonders klimawirksam ist, aber auch Ammoniak, wegen der Eutrophierung des Bodens, zu begrenzen sind. Stickstoffdioxid (NO2) (Lachgas) wird in Deutschland zu 76 % (UBA 2013a: 5) und Ammoniak, welches nicht zu den Treibhausgasen gezählt wird, aber mittelbar durch Stickstoffdeposition zur NO2-Emission beiträgt, zu über 90 % im Rahmen landwirtschaftlicher Tierhaltung und Bodennutzung erzeugt. 2009 entstanden ca. 24 % der deutschen, landwirtschaftlichen NH3-Emissionen in der Agrarproduktion Niedersachsens (Flessa/Müller/Plassmann et al. 2012: 7), was deren Bedeutung im Rahmen nationaler Gesamtemissionen widerspiegelt und eine Grundlage für Maßnahmen zur Reduzierung landwirtschaftlicher Luftschadstoff- und THG-Emissionen darstellt.

Insgesamt ist zu erkennen, dass die regulative Steuerung im Bereich der Reduzierung von THG-Emissionen den Agrarsektor nicht direkt fokussiert. Der Agrarsektor wird im Rahmen der regulativen Steuerung zur Reduzierung von THG-Emissionen als ein Bereich von mehreren gesehen in dem THG-Emissionen vermieden werden können, jedoch wird auf EU-Ebene nicht direkt die nationale Auswahl der

147 Emissionsminderungsmaßnahmen bestimmt. Vielmehr bestehen die zentralen klimapolitischen Instrumente auf EU-Ebene aus dem EU-Emissionszertifikatshandelsystem, der EU-Politik zur Förderung Erneuerbarer Energiequellen, welche die konkrete Ausgestaltung der EE-Förderpolitik gemäß des Subsidiaritätsprinzips den Mitgliedsstaaten überlässt, und der Politik zur Förderung von Energieeffizienz, Energy Efficiency Directive, welche auch zur Standardisierung von energieintensiven Produkten beiträgt (SRU 2013: 8/9). Diese instrumentelle Rahmensetzung auf EU-Ebene betrifft den Agrarsektor ebenfalls nur mittelbar, etwa im Bereich der Verstromung von Biomasse aus Ackerpflanzen. Es besteht folglich ein großer Handlungsspielraum auf nationalstaatlicher Ebene hinsichtlich der Fragestellung, inwieweit im Agrarsektor Anstrengungen zur Emissionsreduzierung unternommen werden müssen.

7.1.1.3 Ökonomische Steuerung

Die EU-Kommission wies jedoch 2007 in ihrem Grünbuch zur Anpassung an den Klimawandel daraufhin, dass „im Zuge des Klimawandels die Funktion des EU-Agrar- und Forstsektors als Bereitsteller von Umwelt- und Ökosystemdienstleistungen immer bedeutender wird. Auch die Förderung klimaresistenter Waldbewirtschaftungssysteme, Bodenbewirtschaftungsmaßnahmen mit Schwerpunkt auf der Rückhaltung von organischem Kohlenstoff (z. B. keine oder minimale Bodenbearbeitung) und der Schutz von Dauergrünland sind Klimaschutzmaßnahmen, die dazu beitragen dürften, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu bewältigen“ (EU-Kommission 2007a: 17). Darüber hinaus müsse bei der Gestaltung der Förder- und Regulierungspraxis im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) darauf geachtet werden, dass „die GAP gute Bewirtschaftungspraktiken, die mit den neuen Klimabedingungen vereinbar sind und proaktiv zur Erhaltung und zum Schutz der Umwelt beitragen, fördern kann.“ (EU-Kommission 2007a: 17). Es wird ersichtlich, dass die (EU-Kommission einerseits bereits die Herausforderungen sich ändernder ökologischer Rahmenbedingungen für den Agrarsektor als zentrales Handlungsfeld identifiziert hat. Zugleich verweist die EU-Kommission auf die Notwendigkeit „das Potenzial des Agrarsektors in Bezug auf Klimaschutz und Anpassung“ zu steigern und „seine Fähigkeit, durch Minderung der Treibhausgasemissionen, Maßnahmen für eine effizientere Erzeugung (einschließlich Verbesserungen der Energieeffizienz), Biomasseerzeugung und Erzeugung erneuerbarer Energien, CO2-Abscheidung und Schutz von Boden-CO2, auf der Grundlage von Innovationen einen positiven Beitrag zu leisten“ (EU-Kommission 2010: 6). Ersichtlich wird aus den Anmerkungen, wonach im Rahmen der GAP „die Förderung klimaresistenter Waldbewirtschaftungssysteme, Bodenbewirtschaftungsmaßnahmen mit Schwerpunkt auf der Rückhaltung von organischem Kohlenstoff (z. B. keine oder minimale Bodenbearbeitung) und der Schutz von Dauergrünland“ verstärkt und geprüft werden müsse, wie „die GAP gute Bewirtschaftungspraktiken, die mit den neuen Klimabedingungen vereinbar sind und proaktiv zur Erhaltung und zum Schutz der Umwelt beitragen, fördern kann“ (EU-

148 Kommission 2007a: 17), dass die Umsetzung des Teilziels der Reduzierung landwirtschaftlicher THG-Emissionen durch den Einsatz ökonomischer Instrumente, also die monetäre Förderung klimaschonender Bewirtschaftungspraktiken im Rahmen der ersten und insbesondere der zweiten Säule der GAP, erreicht werden soll. Expliziert wird diese Präferenz der finanziellen Steuerung durch den Hinweis der EU-Kommission (European Commission 2012), dass landwirtschaftliche Unternehmen THG-Emissionen reduzieren können, indem die Maßnahmen der ländlichen Entwicklung zur:

-Modernisierung der Betriebe über Energieeffizienzsteigerungen (Agrarinvestitionsförderung),

-Förderung der Erzeugung von Biogas,

-und zur Kompensation von Zusatzkosten durch Klima- und Umweltschutzmaßnahmen (Agrarumweltprogramme) beitragen.

7.1.2 Nationales und subnationales Programm zur THG-Emissionsreduzierung