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Informationelle und kooperative Steuerung der THG- THG-Emissionsreduzierung in den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen,

Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt

7.1 Fallstudie 1: Reduzierung der THG-Emissionen aus landwirtschaftlicher Produktion im Rahmen der Agrarpolitiken BB, NI, NW und ST

7.1.2 Nationales und subnationales Programm zur THG-Emissionsreduzierung im Agrarsektor

7.1.2.1 Informationelle und kooperative Steuerung der THG- THG-Emissionsreduzierung in den Bundesländern Brandenburg, Niedersachsen,

Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt Landwirtschaftliche Unternehmensberatung

Im Rahmen der Ausgestaltung der Cross Compliance-Regelungen zur finanziellen und regulativen Steuerung landwirtschaftlicher Bewirtschaftungspraxis und zur informationellen Begleitung der Betriebe bei der Umsetzung der Mindestanforderungen an die Betriebsführung und der Erreichung eines guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands (GLÖZ; engl. GAEC (good agricultural and environmental conditions)) wurde den Mitgliedstaaten im Rahmen

150 der Verordnung 73/2009 EG (zuvor VO (EG) 1782/2003) über die Direktzahlungen vorgegeben, Systeme der „landwirtschaftlichen Betriebsberatung“ zu organisieren (European Commission 2010). Im Rahmen dieser Beratung können auch über diese Auflagen hinaus gehende Beratungsinhalte angeboten werden, so zu den sog.

Neuen Herausforderungen wie „Klimaschutz“ (vgl. BMEL 2009: GAK-Rahmenplan 2009-2012: 30-33; BMEL 2010: GAK-Rahmenplan 2010-2013:30-33;

Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011: 25). In den GAK-Rahmenplänen wird die Reduzierung der THG-Emissionen in genannten Abschnitten jedoch nicht im Detail genannt. Im Kontrast dazu beinhaltet der Entwurf über die Fördergrundsätze des Rahmenplans ab 2014, dass Ziele bzw. Fördergrundsätze einzelbetrieblicher Beratung der „Übergang zu einer kohlenstoffarmen und klimaresistenten Wirtschaft mit Schwerpunkt auf den Bereichen...Verbesserung der Effizienz der Energienutzung in der Landwirtschaft..., Erleichterung der Lieferung und Verwendung von erneuerbaren Energiequellen..., Verringerung der aus der Landwirtschaft stammenden Distickstoffmonoxid- und Methanemissionen, Förderung der CO2-Bindung in der Landwirtschaft“ (BMELV Entwurf GAK-Rahmenplan 2014:

Förderbereich 2: Förderung landwirtschaftlicher Unternehmen) sind. Es wird ersichtlich, dass die Reduzierung von THG-Emissionen im Bereich landwirtschaftlicher Betriebsberatung und Förderung einzelbetrieblicher Beratung in Verbindung mit Managementsystemen, welche bereits zur ökonomischen Steuerung im Bereich THG-Emissionsreduzierung zählt, auf Bundesebene bis zur Entwicklung der Förderperiode 2014-2020 nur mittelbar, „Umweltaspekte der gesamten Produktion“ und „Förderung der einzelbetrieblichen Energieberatung“ (BMEL 2010:

GAK-Rahmenplan 2010-2013: 31, 32/33), Gegenstand war. Die einzelbetriebliche Beratung wird in den Bundesländern Brandenburg (BB), Niedersachsen (NI), Nordrhein-Westfalen (NW) und Sachsen-Anhalt (ST) unterschiedlich organisiert. In BB und ST wurde die Beratung privatisiert und an Einzelpersonen bzw. Unternehmen und Beraterzusammenschlüsse übertragen. Dieser Privatberatung in BB und ST steht in NI und NW die Beratung durch die Landwirtschaftskammern (Kammerberatung) gegenüber. Da in diesen Ländern im Gegensatz zu etwa Baden-Württemberg und Bayern keine Offizialberatung bereitgestellt wird, bestehen in NI (Richtlinie „Einzelbetriebliche Beratung im Hinblick auf den Klimawandel, die Wasserwirtschaft, die biologische Vielfalt und weitere Herausforderungen für die Landwirtschaft“), NW (Richtlinien des Landes Nordrhein-Westfalen über die Gewährung von Zuwendungen zur Inanspruchnahme von Beratungsdiensten für landwirtschaftliche Betriebe vom 27.06.2007- II -6 - 2572.03, geändert durch RdErl.

d. Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz – II-6-2572.03 – vom 23.04.2012 und II-B3-2572.03 – v.

25.09.2013) und ST (Richtlinie über die „Gewährung von Zuwendungen für die Teilnahme von Landwirten an zertifizierungsfähigen gesamtbetrieblichen Qualitäts- und Umweltmanagementsystemen“) Fördermittel für Landwirtschaftsunternehmen zum Kauf von Beratungsdienstleistungen. In BB besteht dagegen keine monetäre Beratungsförderung.

151 7.1.2.1.1 Brandenburg (BB)

In Brandenburg existiert keine Kammer- oder Offizialberatung. Die landwirtschaftliche Betriebsberatung erfolgt ausschließlich durch Einzelpersonen aus privatkapitalistischen Unternehmen, welche individuell anerkannt werden (Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011: 66). Ergänzend dazu wurde das GAP-Informations- und Beratungssystem Brandenburg-Berlin (GIBB) installiert, welches landwirtschaftlichen Betrieben direkt Informationen zur Verfügung stellen und die Anerkennung und Weiterbildung der Betriebsberater fördern soll (ebd.: 67). Damit hat BB ähnlich wie Thüringen und Sachsen-Anhalt die neoliberale Strategie der Privatisierung und Kommodifizierung der Beratungsdienstleistungen gewählt (vgl. zu den umweltpolitischen Auswirkungen von Deregulierung und Privatisierung Collier 1998). Organisatorisch unterscheidet sich die Beratung etwa ggü. Thüringen, welches die Anerkennung als Beratungseinrichtung privatkapitalistischen Unternehmen statt Einzelpersonen gewährt (Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011:

52/55). Bis zum Jahr 2001 wurde Beratung durch das Land Brandenburg finanziell gefördert, danach entfiel diese Förderung vollständig. THG-Emissionen und deren Reduzierung besitzen in der landwirtschaftlichen Betriebsberatung eine nachrangige Rolle (EG 1, 18.11.2013). Dieses folge aus der Agrarstruktur und der Bewirtschaftungspraxis in BB, welche durch eine geringe Tierkonzentration und der im Vergleich zu anderen Bundesländern (insbesondere NI) moderaten Nährstoffbilanzen bei Mineraldüngern gekennzeichnet sei (EG 1, 18.11.2013).

Bedeutsamer im Rahmen landwirtschaftlicher Beratung seien die Cross Compliance Bereiche technischer Pflanzenschutz in der Pflanzenproduktion, Tierkennzeichnung und Registrierung in der Tierproduktion und betriebswirtschaftliche Beratung (Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011: 70/72). Erneuerbare Energien und Umweltschutz sind gemäß einer Befragung von BetriebsberaterInnen nach Spezialisierung nur Randthemen (ebd.: 73). Auch wurde vorgetragen, dass auf landespolitischer Ebene Klimaschutz und THG-Emissionsreduzierung in der Landwirtschaft eine untergeordnete Rolle spiele (EG 1, 18.11.2013), was Rückschlüsse auf die nachrangige Bearbeitung des Themas im Rahmen der einzelbetrieblichen Beratung zulässt. Auffällig ist, dass lediglich 8 von 43 der vom Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) Brandenburg anerkannten Cross-Compliance-BeraterInnen in ihren Leistungsprofilen Beratungsleistungen zu der „Neuen Herausforderung“ Klimawandel anbieten (MIL BB 2013a: Liste der vom MIL Brandenburg anerkannten Cross-Compliance-BeraterInnen; liegt als pdf-Dokument vor). Einen anderen Weg der Organisation der einzelbetrieblichen Beratung hat Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Neben der überwiegend kommerziell ausgerichteten Beratung durch privatkapitalistische Unternehmen wird die staatlich finanzierte Offizialberatung innerhalb einer privaten Beratungsorganisation (LMS Agrarberatung GmbH und „Zuständige Stelle für landwirtschaftliches Fachrecht und Beratung“ (LFB)) durchgeführt (Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011: 50 und EG 1, 18.11.2013).

152 7.1.2.1.2 Niedersachsen (NI)

Das Budget des „Programms zur Förderung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2007 bis 2013" (PROFIL) für die einzelbetriebliche Beratung wurde mit der fünften Programmänderung um „2,8 Mio. € öffentliche Mittel auf rund 13,8 Mio. € verringert“ (Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz 2013a: 30). Unberührt davon ist eine steigende Nachfrage nach Beratungsleistungen der landwirtschaftlichen Betriebe bezogen auf die „Neuen Herausforderungen“ (ebd.: 30). Den Schwerpunkt der Beratungsnachfrage bilden vor dem Hintergrund der seit 2009 geltenden „Richtlinie zur Förderung der einzelbetrieblichen Beratung in Verbindung mit Managementsystemen sowie Energieberatung (EMS und E)“, dem seitdem beobachtbaren Anstieg der Förderanträge und dem Ausbau der Energetischen Nutzung von Biomasse in Niedersachsen Beratungsleistungen bezogen auf EE-Erzeugung und Energieeffizienz. Insgesamt zeigt die steigende Nachfrage nach Beratungsleistungen im Bereich „Neue Herausforderungen“, dass in NI THG-Emissionen aus der Landwirtschaft neben betriebswirtschaftlichen Erwägungen hinsichtlich der Kostenreduzierung durch geringeren Energieverbrauch Relevanz bekommen. Das gesteigerte Bewusstsein landwirtschaftlicher Betriebe für EE-Erzeugung und Energieeffizienz ist auf die veränderte finanzielle Förderung im Bereich EE zurückzuführen. Zudem ist die gesteigerte Nachfrage nach Beratungsleistungen im Bereich Erneuerbare Energien dem Bestreben landwirtschaftlicher Betriebe nach Diversifizierung der eigenen Produkte und Einkommen geschuldet. Die Anpassung der landwirtschaftlichen Beratungsangebote an die von der EU-Kommission kommunizierten „Neuen Herausforderungen“, Klimawandel und Erneuerbare Energien, verdeutlicht, dass eine Weiterentwicklung der Beratung und finanziellen Förderung der Beratung bezogen auf eine Reduzierung landwirtschaftlicher THG-Emissionen stattfindet. So wurde die Maßnahme 114 im Rahmen der fünften Programmänderung des Programms zur Förderung im ländlichen Raum (PROFIL)

„Aufnahme neuer Beratungsthemen (z. B. Klimawandel, erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft oder biologische Vielfalt) im Rahmen der Förderung von Beratungsleistungen – Einzelbetriebliche Managementsysteme (EMS) sowie organisatorische Vereinfachungen bei der Abwicklung der Förderung“ mit der Aufnahme von Klimawandel als Beratungsthema neuaufgelegt.

7.1.2.1.3 Nordrhein-Westfalen (NW)

In der landwirtschaftlichen Betriebsberatung in den Regionen mit der stärksten Konzentration der Tierhaltung in NW wird die Reduzierung landwirtschaftlicher THG-Emissionen bisher nicht thematisiert. Nach Expertenauskunft durch die LWK (EG 2, 04.12.2013) besteht bei den Landwirten in diesem Bereich keine Betroffenheit, die sich betriebswirtschaftlich niederschlägt, weswegen Beratung zu der „Neuen Herausforderung“ Klimawandel nicht nachgefragt wird. In diesem Zusammenhang wurde ergänzt, dass bei den landwirtschaftlichen Interessenvertretern in NW (Rheinischer Landwirtschafts-Verband e. V.; Westfälisch-Lippischer

153 Landwirtschaftsverband e. V.; LWK NW) ein innerverbandlicher Konflikt zwischen Betrieben, die Anlagen mit mehr als 3.500 Stallplätzen bauen wollten und könnten, und Nebenerwerbsbetrieben und kleineren und mittleren Haupterwerbsbetrieben bestehe (EG 2, 04.12.2013). Die strategische Ausrichtung der Verbandspolitik der Landwirtschaftsverbände und der LWK zu Gunsten der wettbewerbsstarken Betriebe fördere die Konzentration der gewerblichen Tierhaltung in größeren Einheiten, was wiederum die Nährstoffüberschüsse und daraus resultierende THG-Emissionen begünstige, da diese Betriebe Produktionskapazitätswachstum stärker als andere Betriebsformen in den Blick nähmen und damit verbundene Finanzierungsrisiken eher bewältigen könnten. Zu diesem innerverbandlichen Konflikt, Zunahme der Konzentration der landwirtschaftlichen Produktionsressourcen und Tierzahlen in größeren Einheiten, ist festzustellen, dass dieser Interessengegensatz zwischen unterschiedlichen Kapitalfraktionen des Agrarsektors, bestehend aus den landwirtschaftlich produzierenden Betrieben (außerlandwirtschaftliche Investoren, börsennotierte Agrarunternehmen (z. B. KTG Agrar AG), Agrargenossenschaften, große, kleine und mittlere Haupterwerbsbetriebe und Nebenerwerbsbetriebe) und den GrundeigentümerInnen, im gesamten Agrarsektor aufzudecken ist, und sich neben der tierischen Produktion auch auf die pflanzliche Produktion erstreckt. Dieser Interessengegensatz manifestiert sich insbesondere durch steigende Pacht- und Bodenpreise, welche die Marktmacht der größeren Betriebseinheiten erhöhen, da diese neben größeren Marktanteilen und Effizienzvorteilen auch über einen bessere Fremdkapitalversorgung auf Grund vermeintlich größerer Bonität verfügen.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Konzentration der Fläche und der Tierhaltung in weniger aber größeren Betrieben zunimmt, wobei hieraus Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit und der Marktmacht folgen. Inwiefern sich die Konzentration der Produktionsfaktoren in größeren Betriebseinheiten in NW auf die Inanspruchnahme von Betriebsberatung mit Inhalten ökologischer Nachhaltigkeit und landwirtschaftlicher THG-Emissionen auswirkt, ist eine forschungsrelevante Fragestellung. Die Relevanz des Sachverhalts der steigenden Konzentration von Produktionsfaktoren bei wenigen Betrieben zeigt sich u. a. daran, dass die Agrarsoziale Gesellschaft ihre Jahrestagung im November 2013 anhand der Fragestellungen „Wem soll das Land gehören? – Welche Landwirtschaft wollen wir?“

thematisch organisierte (Agrarsoziale Gesellschaft 2013). Aus wissenschaftlicher Perspektive betrachtet, ist festzustellen, dass im wissenschaftlichen und praktischen Diskurs über die Konzentration der Produktionsfaktoren im Landnutzungssektor Agrarwirtschaft Fragen hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen und Dimensionen der Konzentration im Agrarsektor keine Rolle spielen.

7.1.2.1.4 Sachsen-Anhalt (ST)

Für Sachsen-Anhalt wurde in ExpertInnengesprächen darauf verwiesen, dass eine staatliche Beratungsevaluierung auf aktuellem Stand nicht vorliege (EG 3, 26.11.2013). Vor dem Hintergrund der privatisierten und kommerzialisierten landwirtschaftlichen Beratung kann folglich nicht genau eingeschätzt werden, welche Bedeutung den „Neuen Herausforderungen“, insbesondere Klimawandel und

154 Reduzierung landwirtschaftlicher THG-Emissionen, im Beratungsportfolio der privatwirtschaftlichen Beratungsunternehmen zukommt. Die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Beratungsleistungen in der Land- und Forstwirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt (Richtlinie Beratungsförderung) ist auf Grund der Wirtschaftskrise und der Haushaltssperre in Sachsen-Anhalt im Vollzug nicht zur Anwendung gekommen (Knierim/Knuth/Rupschus/Schläfke 2011:

53; vgl. auch Bauer/Bogumil/Knill et al. 2007: 208). Da die Beratung seit 2006 entsprechend der neoliberalen Strategie der Privatisierung öffentlicher Aufgaben vollständig kommerzialisiert wurde und die Beratungsförderung weggefallen ist, scheint die agrarumweltpolitische Beratung, selbst aus Sicht privater Beratungsanbieter, nur bedingt bedeutsam zu sein (ebd.: 54).