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„That everything is (more or less) connected to everything else does not make all research im-possible.210

Die Untersuchung von Organisationen, ihrer Entstehungsbedingungen, ihrer Struk-turen und Prozesse sowie der durch sie gezeitigten Folgen ist allgemein Gegen-stand der Organisationstheorie.211

Ausgangspunkt der Organisationstheorie ist das klassische Modell der bürokratisch-rationalen Organisation, wie es von Max Weber in seinen Schriften idealtypisch be-schrieben wurde: Solche Organisationen sind – von ihrer Umwelt klar abgrenzbar – hierarchisch und arbeitsteilig organisiert und durch feststehende Regeln so umfas-send – letztlich: total – gesteuert, dass alle organisatorischen Aktivitäten nur dem Erreichen der – ebenfalls hierarchisch strukturierten – Organisationsziele dienen.

Diesem Idealtyp entsprechen moderne Organisationen im Allgemeinen und klini-sche Einrichtungen wegen des starken berufsständiklini-schen Elements der Ärzteschaft im Besonderen jedoch nur partiell und graduell. Zwar sind sie formal grundsätzlich rational und arbeitsteilig organisiert, trotz zahlreicher bereichsübergreifender Ar-beitsgruppen und Ansätzen zu vernetztem Arbeiten überwiegend hierarchisch strukturiert sowie in weiten Bereichen bürokratisiert. Diese formalen Strukturen

1458) aus. Weitere Diskussionen dieses Indikators finden sich etwa bei Reker et al. (1998: 752) und Shah et al. (1990: 242).

209 Vgl. dazu Garber et al. (1996:27).

210 March & Simon (1958:18).

211 Vgl. dazu einführend Scott (1986), Kieser & Welter (1985), Kieser (1993).

den jedoch durchdrungen von einer Vielzahl von informellen Strukturen: ‘kurze Dienstwege‘, althergebrachte Verhaltensweisen und Routinen, persönliche Freund-und Feindschaftsbeziehungen etc.

Darüber hinaus gibt es noch andere Dimensionen, entlang derer sich eine Organi-sation charakterisieren lässt: die Anzahl, die Motivation und die Kompetenzen ihrer Mitglieder, ihre sachliche und finanzielle Ausstattung, die herrschende Organisati-onskultur, die in ihr ablaufenden Prozesse und nicht zuletzt durch die von der Orga-nisation verfolgten Ziele (vgl. Abb. 4-5).212

Ausstattung Kultur Mitarbeiter

Struktur

Prozesse Ziele

Organisation Umwelt

Abb. 4-5: Zentrale Dimensionen von Organisationen

Innerhalb realer Organisationen wird man schon anhand dieser verschiedenen Di-mensionen Heterogenitäten feststellen können. Beispielsweise müssen nicht alle Mitarbeiter das gleiche Ausbildungsniveau haben, die Qualität der sachlichen Aus-stattung kann sich von Abteilung zu Abteilung unterscheiden und die Kultur einer Finanzabteilung kann der Kultur einer Finanzabteilung in einem anderen Unterneh-men mehr ähneln als der Kultur der Produktionsabteilung in der eigenen Organisati-on.

Ähnlich verhält es sich auch zwischen den Ausprägungen dieser Dimensionen: Die Ausprägung einer Dimension determiniert nicht die Ausprägungen entlang anderer Dimensionen.213 Vielmehr sind sie in unterschiedlichem Maße aufeinander abge-stimmt; entsprechend können sie sich so ignorieren, unterstützen oder auch konter-karieren. So mag das hohe Ausbildungsniveau der Mitarbeiter einer Organisation nicht notwendigerweise zum streng hierarchischen Aufbau der Organisation und der

212 Vgl. dazu etwa Staehle (1991: 475).

213 Weick (1976) hat in diesem Zusammenhang den Begriff der ‘Losen Kopplung‘ zwischen den ver-schiedenen Dimensionen geprägt.

autoritären Unternehmenskultur passen; oder die Lösung komplexer Probleme wird durch die strikte Arbeitsteilung, den hohen Formalisierungsgrad und die mangelnde Qualität der zur Verfügung stehenden Maschinen verhindert.

Mit all dem sind Organisationen in verschiedene Umwelten eingebettet, die Anforde-rungen an die Organisationen herantragen, so die Organisationen gestalten, aber auch ihrerseits wieder von den Organisationen gestaltet werden.214

In jüngster Zeit kommt verstärkt hinzu, dass Organisationen nicht nur in ihre Um-welten eingebettet sind: Bestimmte Aufgaben wie z.B. die Buchhaltung von Kran-kenhäusern werden ausgelagert, Einkaufsgesellschaften gegründet, bestimmte Be-reiche – z.B. Notambulanzen – werden zusammen mit anderen Krankenhäusern gemeinsam betrieben, oder klinische Einrichtungen schließen sich zu Verbünden zusammen. Patienten werden von mehreren Einrichtungen gemeinsam behandelt, nachdem eine Kostenzusage nur nach intensiven Auseinandersetzungen mit dem zuständigen Kostenträger zu erreichen war, der sich dann im weiteren Rehabilitati-onsverlauf auch intensiv am Case Management des Patienten beteiligt. Diese zu-nehmende Vernetzung von Organisationen kann unterschiedlichsten Zwecken die-nen, variiert hinsichtlich ihrer Ausrichtung und Intensität215, hat aber letztlich immer zur Folge, dass die Grenze zwischen einer Organisation und ihrer Umwelt mehr und mehr verschwimmt.216 Dies führt dazu, dass etwa Erfolge und Misserfolge einer kli-nischen Einrichtung nur noch in beschränktem Maße dieser Einrichtung alleine zu-gerechnet werden können.

Insgesamt ergibt sich so ein Bild, das klinische Einrichtungen – wie viele andere Organisationen auch – als soziale Systeme von hoher struktureller, informationeller und sozial-psychologischer Komplexität zeichnet.

Einige Autoren leiten daraus nun die Unmöglichkeit ab, eine größere Zahl von Or-ganisationen quantitativ vergleichend zu untersuchen und daraus generalisierende Aussagen ableiten zu können.217 Andere Autoren wehren sich allerdings gegen der-art postmoderne, dekonstruktivistische Tendenzen auch in der Organisationstheo-rie218; so merken etwa March & Simon (1958:18) in dem Vorwort zur Neuauflage ihres Buches „Organizations“ an: „That everything is (more or less) connected to

214 Zum Konzept der organisatorischen Umwelt vgl. Scott (1986: 228ff.). Während vor allem von Ver-tretern des Situativen Ansatzes in der Organisationstheorie – vgl. dazu einführend Kieser (1993: 161-192) – zunächst der Einfluss der Umwelt auf die Organisation thematisiert und untersucht wurde, be-tonten Vertreter des Resource-Dependency-Ansatzes wie etwa Pfeffer & Salancik (1978) schon früh-zeitig die bestehenden Wechselbeziehungen zwischen Organisation und Umwelt.

215 Vgl. dazu etwa Alter & Hage (1993), Nohria & Eccles (1992), Hasenfeld & Gidron (1993), Powell (1990). Für einen Überblick zu den genannten Verknüpfungsstrategien vgl. Scott (1986: 257ff.).

216 Vgl. Friedberg (1996: 73ff.).

217 Vgl. Friedberg (1996).

218 Sie tun dies allerdings, ohne dabei in das andere Extrem eines Strukturdeterminismus zu verfallen.

everything else does not make all research impossible. The world of organization studies is still partly decomposable. It is just not quite as decomposable for all pur-poses as we might have once thought.“

Ohne diesen grundlegenden, wissenschaftstheoretischen Streit hier entscheiden zu können, folgt diese Arbeit in ihrer Konzeption der verhalten-optimistischen Auffas-sung von March und Simon: Sie wird vorrangig – auch wenn dies vor dem Hinter-grund des gerade eben skizzierten Bildes von Organisationen geradezu reduktioni-stisch erscheinen mag – einige wenige Indikatoren zur Beschreibung der unter-suchten Einrichtungen heranziehen und sich darauf konzentrieren, was in der ein-schlägigen Literatur zum Qualitätsmanagement in klinischen Einrichtungen als Strukturqualität219 bezeichnet wird.