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4.2.3 Dimensionen der Strukturqualität

4.2.3.1 Die Personalschlüssel der Einrichtungen

Die Personalschlüssel einer Einrichtung sollen hier zunächst als Indikator für die Rehabilitationsintensität herangezogen werden.

Generell ist die Intensität ein Maß für die Stärke, das Ausmaß oder den Grad der Konzentriertheit. Relativ unkompliziert lässt sich die Intensität beispielsweise bei der medikamentösen Therapie, bei Bestrahlungsstärken in der Onkologie, aber auch bei einem physiotherapeutischen Ergometer-Training messen. Bei vielen anderen me-dizinischen oder therapeutisch-pflegerischen Interventionen ist dies nicht ohne wei-teres möglich. Entsprechend liegt – obwohl der Einfluss der Intensität auf die Effek-tivität der Rehabilitation schon in einer Reihe von Studien auch zur Schlaganfallre-habilitation thematisiert wurde223 – weder eine einheitliche Definition und Operatio-nalisierung der Rehabilitationsintensität noch ein einheitliches theoretisches Kon-zept über die Art des Zusammenhangs zwischen Intensität und Effektivität vor.

Die Form des Zusammenhangs zwischen Intensität und Effektivität ist vermutlich nicht linear, der Grundsatz ‘Viel hilft viel‘ entsprechend kaum einschlägig; vielmehr spricht eine Reihe von Argumenten für einen s-förmigen Verlauf gemäß einer klas-sischen Produktionsfunktion (vgl. Abb. 4-7).224

223 Vgl. Huff et al. (1999), Hamel et al. (1999), Kwakkel et al. (1997), Richards et al. (1993), Sivenius et al. (1985).

224 Vgl. dazu Henrichsmeyer et al. (1991: 134).

-20 -15 -10 -5 0 5 10 15 20

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

Intensität der Rehabilitation

Effektivität der Rehabilitation

positiv

negativ

niedrig hoch

Abb. 4-7: Theoretisch vermuteter Zusammenhang zwischen Intensität und Effektivität der Rehabilitati-on

Wie dieser Kurvenverlauf zeigt, nimmt mit zunehmender Intensität der Rehabilitation die Effektivität zunächst langsam, dann stärker, später wieder langsamer zu, um schließlich sogar abzunehmen. Dies impliziert, dass eine Rehabilitation ein gewis-ses Mindestmaß an Intensität voraussetzt, um überhaupt wirken zu können. Sobald dieser Schwellenwert – beispielsweise beim Ergometertraining – überschritten wird, nimmt die Effektivität zu und erreicht mit zunehmender Intensität ein Optimum. Die Höhe dieses Optimums ist abhängig vom Grad der Belastbarkeit des Patienten.

Wird dieses Intensitätsoptimum überschritten, nimmt die Effektivität rapide ab, und es kann sogar zu einer Schädigung des Patienten kommen, etwa aufgrund kardio-pulmonaler Überforderung oder zu hoher Belastung einer Operationswunde.

Die empirischen Ergebnisse über den Zusammenhang zwischen der Intensität und der Effektivität sind bisher bestenfalls gemischt, wie Keith (1997: 1302) als Ergebnis einer Literaturdurchsicht feststellt. Gerdes et al. (2000: 3) konstatieren, „...dass es kaum evidenzbasierte Anhaltspunkte für die Therapiedichte...in der Rehabilitation...“

gibt und „...Entscheidungen über Art und Häufigkeit der eingesetzten Therapiemaß-nahmen...[sich auf]...persönliche Erfahrung, etablierte Praxis in der Klinik, theorie-gestützte Plausibilität, Gewohnheit, aber nur in geringem Maße [auf] wissenschaft-lich geprüftes Wissen“ stützen.225 Huff et al. (1999: 299) konnten in einer neueren deutschen Studie zur Schlaganfallrehabilitation keinen Zusammenhang zwischen den erbrachten Leistungen der Physio- und Ergotherapie und der Effektivität der

225 Gerdes et al. (2000: 28f).

Rehabilitation entdecken. Kwakkel et al. (1997) fanden in einer Meta-Analyse kleine, aber statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen der Intensität und der Effek-tivität der Schlaganfall-Rehabilitation, mussten aber eingestehen, dass die Rehabi-litationsintensität nur in einer Studie adäquat erfasst wurde. Bell & Redmeier (2001) konnten allerdings zeigen, dass die Mortalität in Krankenhäusern bei Patienten, die am Wochenende mit einer schweren Erkrankung aufgenommen wurden, höher ist, weil dort weniger Personal vorhanden ist. Aufgrund der hier verwendeten linearen statistischen Modelle lässt sich nicht überprüfen, ob, wie theoretisch vermutet, ein s-förmiger Zusammenhang zwischen der Intensität und der Effektivität der Rehabilita-tion besteht. Deshalb soll hier auch im Anschluss an die Literatur folgende Hypothe-se aufgestellt werden:

O-1 Je mehr therapeutisches, pflegerisches und medizinisches Personal zur Verfügung steht, desto effektiver wird die Rehabilitation sein.

Häufig wird – wie etwa bei Huff et al. (1999) – die Anzahl der Therapieeinheiten, die ein Patient pro Tag erhält, als Indikator für die Intensität genommen.226 Da es sich dabei um einen Indikator für die Prozessqualität der Rehabilitation handelt und hier die Strukturqualität im Vordergrund steht, wird die Rehabilitationsintensität operatio-nalisiert, indem die Anzahl der Patienten einer Einrichtung in Bezug gesetzt wird zur Anzahl des vorhandenen Personals227:

Personal Anzahl

g Einrichtun der

Auslastung Betten

Anzahl Personal

pro Patienten Anzahl

Intensität = = *

Dieser Wert wurde jeweils für die folgenden Professionen getrennt berechnet:

226 Allerdings ist damit weder die Dauer einer Therapieeinheit noch ihr Inhalt näher bestimmt: Patienten können im Rahmen einer 30 Minuten dauernden physiotherapeutischen Therapieeinheit intensiv ge-fordert oder aber auch geschont und extensiv belastet werden, die Therapiesitzung kann als Einzel-oder Gruppentherapie durchgeführt werden usw.

227 Eine vergleichbare Überlegung hat Meier-Baumgartner (1992: 4) angestellt.

• Facharzt

• Arzt

• Arzt im Praktikum

• PJ (Medizinstudenten im Praktischen Jahr)

• Pflegeperson

• Physiotherapeut

• Ergotherapeut

• Logopäde

• Neuropsychologe

• Sozialarbeiter

• Masseur

• Diätassistent

• Seelsorger

• Arzt_total (aggregiert aus Facharzt, Arzt und Arzt im Praktikum)

• Therapeut (aggregiert aus Physiotherapeut, Ergotherapeut, Logopäde, Neu-ropsychologe, Sozialarbeiter, Masseur, Diätassistent, Seelsorger)

Neben der Intensität können die Personalschlüssel einer Einrichtung auch Ausdruck ihrer Spezialisierung sein. Dies ist insofern von Belang, als es sich in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen – etwa der industriellen Güterproduktion, aber auch bei der Erbringung von Dienstleistungen – gezeigt hat, dass sich durch Spezialisierung und Standardisierung große Produktivitätsgewinne erzielen lassen. Auch klinische Einrichtungen verschließen sich diesem Trend nicht und spalten sich grundsätz-lich228 in immer engere Subdisziplinen auf.229 Oben230 wurde schon die v.a. in den 90er Jahren geführte Diskussion um die Rolle der verschiedenen ärztlichen Fach-gebiete in der Versorgung von Schlaganfallpatienten angesprochen. Dabei vertreten die Fachkommission Schlaganfall Sachsen (2001: 6) und Gillum & Johnston (2001) die Ansicht, dass eine adäquate Versorgung von Schlaganfallpatienten nur mit der

228 Die Geriatrie ist hier – wie oben schon beschrieben – bisher eine Ausnahmeerscheinung.

229 Auch bezüglich der Prozessqualität ist in der Medizin ein wachsender Spezialisierungstrend zu beobachten. Dabei mehren sich die Belege dafür, dass es – bei bestimmten operativen Prozeduren – einen positiven Zusammenhang gibt zwischen der Anzahl der operativen Prozeduren, die in einer Einrichtung bzw. von einem Chirurgen innerhalb eines gewissen Zeitraums durchgeführt werden und der Qualität, mit der diese Prozeduren durchgeführt werden; vgl. etwa Birkmeyer et al. (2002) und Dudley et al. (2000). Für nichtoperative Fächer sind die Ergebnisse diesbezüglich bestenfalls gemischt.

Dennoch gibt es auch in Deutschland mittlerweile Überlegungen, bestimmte Prozeduren nur noch für jene Ärzte abrechenbar zu machen, die pro Jahr eine bestimmte Mindestanzahl von Patienten mit dieser Prozedur diagnostizieren oder behandeln. So sieht das neue Fallpauschalengesetz eine Ände-rung des § 137 I SGB V und entsprechend die Definition eines Kataloges von medizinischen Leistun-gen vor, „...bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, sowie Empfehlungen zu der je Arzt oder Krankenhaus erfor-derlichen Mindestmenge und Hinweise zu deren Anwendung.“ Vgl. Bundestag (2001: 3).

230 Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit.

speziellen fachärztlichen Expertise von Neurologen möglich sei. Auf diese Studie übertragen soll hier deshalb folgende These aufgestellt werden:

O-2 Geriatrische Teams mit einem Neurologen sind effektiver als geriatri-sche Teams ohne einen Neurologen.