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5.4 K OMBINIERTE A NALYSE DER P ATIENTEN - UND E INRICHTUNGSDATEN

5.4.4 Zusammenfassung und Diskussion

5.4.4.1 Mehrebenenmodelle zur Erklärung der relativen ADL-Effektivität

ADL-Effektivität zeigen, kommt der Einrichtungsebene nur eingeschränkte Bedeu-tung bei der Erklärung von Effektivitätsunterschieden zu: So beträgt der Anteil der Einrichtungsvarianz an der Gesamtvarianz im leeren Modell nur 3,5%. Und wenn für verschiedene Patientencharakteristika kontrolliert wird, um Kompositionsunterschie-de als Ursache für EinrichtungsunterschieKompositionsunterschie-de hinsichtlich Kompositionsunterschie-der Effektivität partiell aus-zuschließen, fällt dieser Anteil im Grundmodell auf 3,4%. Die Patientenvariablen können also einen bedeutsamen Anteil der Varianz sowohl auf Patientenebene als auch auf Einrichtungsebene erklären. Abb. 29 verdeutlicht nochmals die in Tab. 5-40 vorgestellte Effektivitäts-Varianzverteilung auf Einrichtungs- und Patientenebene und die Anteile der jeweils durch Patientenvariablen aufgeklärten Varianz.

Anteil der Einrichtungsvarianz in % Anteil der Patientenvarianz in % Nicht erklärt in % Patientenvarianz/Einrichtungs-varianz an der GesamtPatientenvarianz/Einrichtungs-varianz der relativen ADL-Effektivität

Der Anteil der Patientenvarianz an der Gesamtvarianz bezüglich der relativen ADL-Effektivität ist mit 96,5 (blauer Balken, Mitte) deutlich höher als der Anteil der Einrichtungsvarianz (schwarzer Balken, Mitte). Von der Patientenvarianz können 17,7% (grüner Balken links) durch Patientenvariablen erklärt werden. Von der Einrichtungsvarianz können 23,2% (grüner Balken rechts) durch Patientenvariablen erklärt werden.

Abb. 5-29: Verteilung der Effektivitäts-Varianz auf Patienten- und Einrichtungsebene (Mitte) und Anteile der jeweils durch Patientenvariablen erklärten Varianz

Die Unterschiede zwischen einzelnen Patienten innerhalb einzelner Einrichtungen sind somit weit bedeutender als die Unterschiede zwischen den Einrichtungen. Ent-sprechend sagen die Charakteristika eines Patienten deutlich mehr über die zu er-wartende relative ADL-Effektivität der Rehabilitation aus als die Information darüber, aus welcher Einrichtung ein Patient kommt.359 Allerdings ist zu beachten, das zeigt die Entwicklung des Intra-Gruppen-Korrelationskoeffizienten in Abb. 5-24, dass die Varianz zwischen Einrichtungen hinsichtlich der Effektivität der Rehabilitation bei regulär entlassenen Patienten mit zunehmendem Barthel-Index bei Aufnahme an-steigt. Dies bedeutet, dass Einrichtungsunterschiede hinsichtlich der relativen ADL-Rehabilitationseffektivität vor allem bei Patienten mit höherem BI-A eine Rolle spie-len. Es ist zu vermuten, dass mit zunehmendem BI-A der Aufwand für eine Einrich-tung bezüglich der Dauer, Intensität und Qualität der Rehabilitation, einen weiteren BI-Zuwachs zu erzielen, steigt. Der Grenznutzen des zusätzlichen Aufwands wird mithin immer geringer. Hinzu kommt, dass bei regulär entlassenen Patienten mit niedrigem BI-A der natürliche Heilungsverlauf einen egalisierenden Einfluss auf Ein-richtungsunterschiede hat.

Betrachtet man die einzelnen Einrichtungsvariablen, so bestätigt der Vergleich von Einrichtungen mit unterschiedlichen Versorgungsverträgen die in Hypothese O-14 aufgestellte Vermutung: Patienten in Rehabilitationseinrichtungen weisen im

Durch-schnitt eine um 2,319 BI-Punkte höhere Rehabilitationseffektivität auf als Kranken-häuser, wenn für die verschiedenen Patientencharakteristika statistisch kontrolliert wird. Dieser positive Effekt bleibt in leicht abgeschwächter Form auch dann noch bestehen, wenn für andere Einrichtungsvariablen kontrolliert wird. Ein signifikanter Interaktionseffekt zwischen dem gesundheitlichen Status der Patienten bei Aufnah-me und dem Einrichtungstyp konnte im RahAufnah-men dieser Arbeit nicht nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse aus Regressionsanalysen werden durch die oben (5.4.2) durchgeführte Cluster-Analyse und die sich daran anschließenden Analyse von Unterschieden zwischen drei Einrichtungsgruppen bestätigt. Es scheint also so zu sein, dass geriatrische Rehabilitationseinrichtungen im Vergleich zu geriatrischen Krankenhäusern grundsätzlich die besseren Voraussetzungen für eine effektive ADL-Rehabilitation von Schlaganfallpatienten bieten. Aber bei dem Vergleich zwi-schen Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen müssen immer die schon oben360 beschriebenen unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen berücksichtigt werden. So ist vor Aufnahme in eine Rehabilitationseinrichtung die Rehabilitations-bedürftigkeit und das Rehabilitationspotential des Patienten zu prüfen.361 Deshalb ist – auch wenn die hier vorliegenden Daten dafür keine Belege liefern (können) – nicht auszuschließen, dass die geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen ein bereits auf einen positiven Rehabilitationserfolg hin vorselektiertes Patientenkollektiv aufneh-men und durch diese Spezialisierung einen Effektivitätsgewinn erzielen.

Der Einfluss der Intensität der Rehabilitation auf die relative ADL-Effektivität fiel un-terschiedlich aus. Wie in These O-1 erwartet, stieg mit sinkender Anzahl von Pati-enten pro Therapeut signifikant die Effektivität der Rehabilitation. Bei der Anzahl der Patienten pro Arzt hingegen war ein insignifikanter, umgekehrter Effekt feststellbar.

Dies deutet jedoch nicht unbedingt darauf hin, dass mehr Ärzte pro Patient sich per se negativ auf die relative ADL-Effektivität auswirken. Vielmehr kann es so interpre-tiert werden, dass Einrichtungen mit einer hohen Arztdichte eher auf die Akutbe-handlung von Patienten ausgerichtet sind und deswegen – wie schon oben gezeigt – weniger effektiv sind, wenn es um die Verbesserung in den Aktivitäten des tägli-chen Lebens geht.

Der nicht nachweisbare Einfluss der Pflegestellenschlüssel muss nicht zur Schlussfolgerung verleiten, dass die Pflege für eine effektive

359 Damit kommt diese Arbeit zu einem ähnlichen Ergebnis wie etwa Merlo et al. (2001) und Rehberg et al. (1999: 117), die bei der Ergebnisqualität ebenfalls nur geringe bis moderate Unterschiede zwi-schen Rehabilitationseinrichtungen nachweisen konnten.

360 Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit.

361 Vgl. dazu etwa das bayerische Antragsformular für eine Geriatrische Rehabilitationsbehandlung;

verfügbar am 09.03.2002 unter http://www.geriatriezentrum.de/GRBANTRAG.pdf.

tion irrelevant wäre. Dies widerspräche nicht nur jeglicher Erwartung, es folgt auch nicht zwangsläufig aus dem Ergebnis der Regressionsanalyse. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Pflegestellenschlüssel – wie in Kapitel 5.3.1, Tab. 5-22 dargestellt – den niedrigsten Variationskoeffizienten aufwies; mit anderen Worten:

die Unterschiede zwischen den Einrichtungen bezüglich des Pflegestellenschlüssels waren zu gering, um einen Einfluss auf die Effektivität feststellen zu können.362 Dar-aus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Einfluss des Pflegestellen-schlüssels auf die Effektivität auch dann so gering bleiben wird, wenn die Variabilität zwischen Einrichtungen steigen würde.

Entgegen der in Hypothese O-2 angestellten Vermutung unterschieden sich die 13 geriatrischen Teams dieser Studie mit Neurologen hinsichtlich der relativen ADL-Effektivität nicht signifikant von den 30 Teams ohne Neurologen.363

Die Spezialisierung auf ein homogenes Patientenkollektiv hatte im Rahmen dieser Studie einen Einfluss auf die Effektivität der Rehabilitation: Wie in den Thesen O-3 und O-4 erwartet, führten sowohl ein hoher Anteil der Schlaganfallpatienten pro Ein-richtung als auch eine hohe Homogenität der Patienten in Bezug auf den BI-A zu einer signifikant höheren Rehabilitationseffektivität als in weniger spezialisierten Einrichtungen: Ein um 10 Prozentpunkte höherer Anteil an Schlaganfallpatienten führte c.p. zu einer um 0,978 Punkten höheren Barthel-Index-Differenz zwischen Aufnahme und Entlassung (BIDIFF), während ein Anstieg der Standardabweichung des Barthel-Indexes bei Aufnahme um einen Punkt zu einer Reduktion von BIDIFF um 0,298 Punkte führte. Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisses scheint die Min-destmengenregelung des neuen Fallpauschalen-Gesetzes364 einen Weg in die rich-tige Richtung zu weisen und widerlegt zumindest teilweise das Gegenargument von Interessenverbänden, eine solche Regelung sei nicht zielführend.365 Über die ebenfalls angezweifelte Praktikabilität von Mindestmengenregelungen kann diese Arbeit keine Aussagen treffen.

Auch die weiteren Indikatoren für die Qualität der Rehabilitation zeigen den erwar-teten Einfluss auf die Rehabilitationseffektivität. Wie in Hypothese O-5 vermutet, stieg mit der Anzahl der verfügbaren rehabilitationsdiagnostischen Möglichkeiten auch die Effektivität der Rehabilitation. Für die Anzahl der akutdiagnostischen Mög-lichkeiten ließ sich ein solcher Einfluss nicht nachweisen.

362 Vgl. zu diesem Problem regressionsanalytischer Untersuchungen Tabachnik & Fidell (1996: 59) und Fichman (1999).

363 Fünf Einrichtungen machten keine Angaben darüber, ob ein Neurologe in ihrem geriatrischen Team mitarbeitete.

364 Vgl. Bundestag (2001).

365 Vgl. dazu etwa Stellungnahme der Bundesärztekammer (2001).

Einen signifikanten, positiven Einfluss auf die Rehabilitationseffektivität hatte die Anzahl der interorganisatorischen Beziehungen. Dieser Effekt war in Hypothese O-7 im Anschluss an verschiedene organisationstheoretische Überlegungen postuliert worden.

Deutlich wird auch der Beitrag der verschiedenen Einrichtungsvariablen zur Aufklä-rung der Einrichtungsunterschiede. Insbesondere die Anzahl der interorganisatori-schen Beziehungen trägt mit 12,2% Varianzreduktion in nicht unerheblichem Maße zur Erklärung von Einrichtungsunterschieden bei. Ähnliches gilt für den Versor-gungsvertrag einer Einrichtung und die Anzahl der rehabilitationsdiagnostischen Möglichkeiten.

Dass die akut- bzw. rehabilitationsmedizinische Ausrichtung der Einrichtung sowie die Anzahl der Patienten pro Therapeut – gemessen an dem R22-Wert in Tab. 5-42 – nur einen relativ geringen Varianzanteil aufklären, kann darauf zurückzuführen sein, dass die mit diesen Variablen verbundenen zufälligen Varianzkomponenten bei der Berechnung dieses R22-Wertes nicht berücksichtigt werden können. Hinge-gen kann die Erhöhung der Varianz auf Einrichtungsebene um 0,049 durch Hinzu-fügen der Variablen C_THERAPEUT zum Grundmodell durch Zufallsschwankungen erklärt werden.366

Insgesamt werden durch das multivariate Modell M_E_12 19,7% der Patientenvari-anz und 40,4% der EinrichtungsvariPatientenvari-anz aufgeklärt.