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Das Ziel dieser Arbeit besteht in der Überprüfung von Hypothesen über kausale Zusammenhänge zwischen unabhängigen und abhängigen Variablen. Nach Schnell et al. (1992) erfolgt diese Überprüfung von theoretisch vermuteten Zusammenhän-gen auf der Ebene von beobachtbaren Indikatoren: „Dabei muss jeder Forscher eine Entscheidung darüber treffen, wann, wo, wie und wie oft die empirischen Indikatoren an welchen Objekten erfasst werden sollen. Die Gesamtheit dieser Entscheidungen bezeichnet man als Untersuchungsform, Untersuchungsanordnung oder ‘For-schungsdesign‘. Der (logische) Aufbau des Forschungsdesigns ist mitentscheidend für den Grad an Gewissheit, mit dem die Frage nach dem Zusammenhang zwischen zwei Ereignissen (Ursache und Wirkung; unabhängige und abhängige Variable) beantwortet werden kann.“136 Dabei bemisst sich die Qualität eines Forschungsde-signs danach, ob es in der Lage ist, möglichst viele alternative Erklärungsansätze für einen beobachteten Zusammenhang auszuschließen. Dies gelingt um so besser, je mehr der Forscher in der Lage ist, alle möglichen unabhängigen Variablen zu kontrollieren. Aus diesem Grund gelten experimentelle Studien hinsichtlich des De-signs als Goldstandard, wenn es um die Überprüfung kausaler Zusammenhänge geht. Hier wird die unabhängige Variable – etwa die Medikamentierung eines Pati-enten – durch den Forscher variiert, während alle anderen möglichen Einflussfakto-ren auf die abhängige Variable kontrolliert und dadurch in ihrer Wirkung so weit wie möglich ausgeschaltet werden. Als wesentliche Kontrolltechnik in der medizinischen Forschung gilt dabei die randomisierte und doppel-verblindete Zuweisung der Pati-enten entweder in eine Interventionsgruppe oder in eine Kontrollgruppe. Zusätzlich werden häufig enge Ein- und Ausschluss-Kriterien – etwa bezüglich der

135 King et al. (1994: 13).

gnose, der Anzahl der Nebendiagnosen, des Alters oder des kognitiven Zustandes des Patienten – definiert, um die Homogenität der Patienten a priori zu erhöhen.

Auch die Durchführung der Intervention sowie die Datenerhebung erfolgt idealer-weise – etwa auf der Basis von Behandlungs- und Datenerhebungshandbüchern – hochgradig standardisiert, um mögliche Störfaktoren auszuschließen.137

Durch dieses hohe Kontrollniveau weisen gut durchgeführte experimentelle Studien eine hohe interne Validität auf: Sie können zuverlässige Aussagen darüber treffen, welche Wirkung eine Intervention unter genau spezifierten, kontrollierten Bedingun-gen bei einem homoBedingun-genen Patientenkollektiv im Vergleich zur Kontrollgruppe auf-weist. Die externe Validität der Ergebnisse kontrollierter Experimente, d.h. ihre Übertragbarkeit auf andere Kontexte wie etwa den Klinikalltag, wird hingegen viel-fach kritisch gesehen.138

Gegenüber einer experimentellen Studie ist das Kontrollniveau dieser Studie ver-gleichsweise niedrig. Das liegt zum einen daran, dass es sich hier um ein Ex-post-facto-Design139 handelt, d.h. es wurden lediglich Zusammenhänge zwischen Varia-blen beobachtet, die VariaVaria-blen selbst aber nicht experimentell verändert. Der Kon-trollmechanismus der randomisierten Patientenzuweisung in Interventions- und Kontrollgruppe wurde hier nicht angewandt. Zum anderen gab es im Gegensatz zu experimentellen Studien keine engen, vordefinierten Ein- und Ausschlusskriterien.140 Somit besteht im Vergleich zu einem experimentellen Studiendesign die Gefahr, dass die Ergebnisse dieser Studie systematisch verzerrt sind.141

Es gibt nun verschiedene Ansätze, mit diesem Problem der möglicherweise ver-zerrten Ergebnisse umzugehen: Zum einen wird versucht, die unterbliebene Kon-trolle von konfundierenden Patientenvariablen durch Randomisierung der Patienten dadurch zu kompensieren, dass in den Analysen statistisch für diese konfundieren-den Patientenvariablen kontrolliert wird. Da die Anzahl dieser konfundierenkonfundieren-den Dritt-variablen grundsätzlich unendlich ist, gilt es, ihre Auswahl theoretisch und empirisch so zu begründen, dass die Effizienz der Analysen maximiert und der Bias minimiert wird.

Zum anderen wird in der Diskussion der Ergebnisse überprüft, inwieweit die in die-ser Arbeit gefundenen Ergebnisse mit theoretischen Erwartungen und den Ergeb-nissen anderer Studien übereinstimmen. Auch daraus können Rückschlüsse über

136 Schnell et al. (1992: 223; Hervorhebung im Original).

137 Zu den verschiedenen Techniken der Kontrolle von Störfaktoren vgl. Schnell et al. (1992: 232ff.).

138 Vgl. etwa Glaser (1998: 52), differenzierter Schnell et al. (1992: 239).

139 Vgl. Schnell et al. (1992: 241).

140 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 5.1 dieser Arbeit.

141 Vgl. zu den möglichen Ursachen für Verzerrungen Hadorn et al. (1996).

die Gültigkeit der hier getroffenen Aussagen gezogen werden.142 Dabei ist der Rückgriff auf theoretische Argumente notwendig, um die ggf. statistisch gefundenen korrelativen Zusammenhänge kausal interpretieren zu können.

Und schließlich muss berücksichtigt werden, dass experimentelle, randomisierte Studien in diesem Bereich der Rehabilitation geriatrischer Schlaganfallpatienten nur bedingt durchzuführen sind. Dies liegt daran, dass sich die Strukturqualität einer Einrichtung nicht ohne weiteres – und insbesondere nicht doppelt-blind – im Rah-men einer Studie variieren lässt. Hinzu kommt, dass eine Zufallsauswahl geriatri-scher Kliniken nicht möglich ist, weil die Population geriatrigeriatri-scher Kliniken nicht hin-reichend genau spezifiziert ist.143 Auch eine randomisierte Zuweisung der Patienten zu den geriatrischen Einrichtungen ist aufgrund ihrer räumlichen Distanz kaum mög-lich. Weiter ist davon auszugehen, dass die in experimentellen klinischen Studien üblichen strengen Ein- und Ausschlusskriterien gerade bei geriatrischen Schlagan-fallpatienten die externe Validität der Studienergebnisse reduzieren würden: Denn wie oben144 schon beschrieben, sind diese Patienten in der Regel älter, multimorbi-de, polymedikamentiert und in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

Gerade der letzte Punkt ist auch deswegen von Bedeutung, weil es bei solchen Pa-tienten häufig nicht möglich ist, ihre für die Teilnahme an experimentellen Studien unbedingt notwendige informierte Zustimmung einzuholen.

Diese Gründe führen dazu, dass das Design dieser Studie doch nicht so weit vom optimalen Design entfernt liegt, wie es zunächst den Anschein gehabt haben mag.

Auch wenn die experimentelle Studie als Goldstandard zur Klärung kausaler Zu-sammenhänge gelten kann: Sie ist nicht bei allen Forschungsfragen praktikabel.

Eine weitere Quelle möglicher Verzerrungen liegt in dem Prozess der Datenerhe-bung. Um diese zu minimieren, konnte zum einen bei der Operationalisierung der interessierenden theoretischen Konstrukte teilweise auf standardisierte Erhebungs-instrumente zurückgegriffen werden. Auch der Prozess der Datenerhebung konnte teilweise standardisiert werden.145 Zum anderen werden in Kapitel 5.1 dieser Arbeit der Prozess der Patienten- und Einrichtungsauswahl, der Datenerhebung und der Datenbereinigung sowie die Eigenschaften der verwendeten Messinstrumente de-tailliert beschrieben, um deutlich zu machen, wo Verzerrungen entstehen können, für die im Rahmen dieser Studie nicht kontrolliert werden kann.

142 Vgl. Künne (1991) zu den verschiedenen Theorien über die Gültigkeit von Aussagen.

143 Vgl. zu diesem methodischen Problem King et al. (1994: 125); zur Problematik der Definition von Geriatrie vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit.

144 Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit.

145 Vgl. ausführlich Kapitel 5.1 dieser Arbeit.