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A) Soziale Gruppenarbeit und B) Gemeinwesenorientierte Beratung

2. A) Soziale Gruppenarbeit: Ausgangssituation und konzeptionelle Zielrichtung Die praktizierte Form der Gruppenarbeit entstand aus einer Sammlung von

2.4. Themenfelder der Sozialen Gruppenarbeit: Mitwirkung am Planen und Bau- Bau-en, Rückgewinnung von Alltagskompetenz, Partizipation am gesellschaftlichen

2.4.4. Teilhabe durch Sprache – Kommunikation in der multinationalen AdressatInnengruppe

Idealerweise sollte den zukünftigen BewohnerInnen als einzelnen Gruppenmitglieder per-sönliche Entfaltung ermöglicht werden, indem jede/r TeilnehmerIn frei von Gruppendruck

ihre/seine Interessen verbalisieren können soll. Die gewählte Form der Gruppenarbeit mit den BewohnerInnen war in erster Linie durch sprachliche Übermittlung bestimmt. Am ehesten hatten dabei die im Verbalisieren geübten deutschsprachigen BewohnerInnen ein weites Übungsfeld für sich in Anspruch nehmen können. Damit den türkischsprechenden AdressatInnen gleichermaßen der Austausch von Informationen, Wissen, Erfahrungen und auch Stimmungen ermöglicht werden konnte, finanzierte WOHNFORUM die Dienste ei-nes Dolmetschers, den die betreffende ausländische Personengruppe vorgeschlagen hatte33. Kommunikation und Sprache der Gruppenarbeit bezogen sich sehr stark auf die Herstel-lung von Gemeinsamkeiten, an denen die einzelnen Personen teil hatten, als auch auf Ge-meinsamkeiten, die sie bereits in den Prozess mit einbrachten. Sprache ist dabei erlebbar geworden, als Mittel des Zustandekommens sozialer Beziehungen die aufrecht gehalten und verändert werden. Die deutschsprachigen Beteiligten stellten sich mit ihrem Sprechtempo auf die unterschiedlichen Deutschkenntnisse der ausländischen Bewohne-rInnen ein, so dass nicht nach jeder Sprechsequenz der für die Gruppenarbeit verpflichtete Dolmetscher mit einer Übersetzungsleistung zum Einsatz kommen musste. Insofern eta-blierten die BewohnerInnen ihren eigenen Kommunikationsstil, der sich dadurch auszeich-nete, dass die jeweils angesprochenen Personen inhaltlich das wiedergaben, was sie von ihrem Gegenüber verstanden hatten. Dies führte dazu, dass innerhalb des Prozessgesche-hens, die teilnehmenden Personen ihre Sprechweise zwischenzeitlich zum Gesprächsinhalt deklarierten und den fortwährenden Austausch der Informationen von den Rückmeldevor-gängen, also der Metakommunikation unterschieden, was eine bedachtere und selbstregu-liertere Kommunikation zur Folge hatte. Bei lebenspraktischen Fragen, die es zu regeln galt, waren die Sprach- und Kommunikationsdifferenzen zwischen deutschen und auslän-dischen BewohnerInnengruppen am geringsten. Mit dieser Erfahrung wagten zukünftige BewohnerInnen persönliche ungeklärte Fragen und Themen in der Gruppe zu veröffentli-chen und mit der Zeit auch über Gefühle und Einstellungen zu spreveröffentli-chen, die sie zunächst für sich selbst als unerwünschte Äußerungen zensierten. Der Wert der Gruppenerfahrung lag für die BewohnerInnen auch darin begründet, fassadenfreie Selbstoffenbarung erleben und ein ungenügendes Selbstwertgefühl korrigieren zu können. Solche Erfahrungsfelder

33 Er nahm die Aufgabe an, während den Gruppensitzungen unklare Begriffe oder Fragestellungen di-rekt zu übersetzen und phasenweise, z.B. wenn ein Thema erörtert oder Stellungnahmen abgegeben waren, eine zusammenfassende mündliche Übersetzung einzubringen. Dieses Vorgehen wirkte strukturierend in den Gruppenprozess ein, insofern das Gesagte rekapituliert wurde und sich dadurch die GruppenteilnehmerInnen einer weiteren Vergewisserung ihrer Meinungen unterziehen konnten.

lassen sich dann erschließen, wenn die Kooperation zwischen unterschiedlichen Adressa-tInnengruppen von den Beteiligten selbst und nicht nur von den VeranstalterInnen als not-wendig und sinnstiftend erachtet werden und die Statusunterschiede zwischen den Adres-satInnen nicht zu groß sind. Auf der Basis der individualisierten gegenseitigen Hilfe, kann die Zusammenarbeit der einzelnen Haushalte, d.h. der Verstärkung nachbarschaftlicher Unterstützung sichtbar und ermöglicht werden. Auch können schwächere Gruppenmitglie-der in einem so verstandenen (Gruppen-)Wettbewerb leichter ihren Platz finden. Innerhalb der auf diese Weise gestalteten Gruppenarbeit verortete sich die prozessverantwortliche Mitarbeiterin nicht an der Stelle der Initiatorin, sondern eher an der der Begleiterin, die sich so aktiv wie nötig und so passiv wie möglich zu verhalten versuchte. Die Leitung der Gruppe kann unter solchen Bedingungen tendenziell auf ihre Mitglieder verteilt werden.

Die Tatsache, dass nicht alle BewohnerInnen, ob deutscher oder anderer Herkunft, es ge-lernt haben mögen, Konflikte verbal auszuhandeln, sondern diese sich häufig in All-gemeinsätzen wie „da kann man nichts machen“, oder in psychosomatischen Beschwerden ausdrückten, stellte an die prozessverantwortliche Mitarbeiterin die Anforderung, analoge Kommunikationsmuster – soweit möglich – in digitale zu übersetzen34. Wenn diese Art Hilfestellung zu misslingen droht – so lehrt die Erfahrung – verfestigt sich der bestehende Unterschied hinsichtlich verbaler Kompetenzen zwischen den verschiedenen Adres-satInngruppen. Der Partizipationsprozess verbleibt dann auf der Ebene eines mehr oder weniger einseitigen Informationsprozesses. Wesentlich ist daher, auch nonverbale Signale zu bemerken, sie angemessen zu deuten und adäquat zu bearbeiten. Ebenso kann das „Ge-spräch am Rande“ zu Beginn und am Ende der Gruppentermine informellen Kontakten Platz einräumen, insofern den hier eingebrachten Erzählungen in persönlicher und emotio-naler Art Beachtung geschenkt wird. Zurückhaltendere AdressatInnen können an die Gruppenarbeit herangeführt und mit den Themen vertraut werden. Auch während dem offiziellen Teil der Gruppenarbeit ist daher andersartigen Beiträgen Aufmerksamkeit ent-gegenzubringen. Wichtig ist, dass auch solche Randgespräche als Arbeit angesehen wer-den, weil sie Zeit und Energie kosten.

34 Formen der Kommunikation unterteilt Watzlawick in „digitale“ und „analoge“ Muster. Die digitale Kommunikation leistet die Vermittlung von Inhalten und den Austausch von Informationen. Begleitet sind digitale von analogen Kommunikationsformen, wodurch die Beziehung der GesprächspartnerInnen in Form nichtsprachlicher Äußerungen, wie Gestik, Mimik, Tonfall usw. zum Ausdruck kommt. Im Idealfall wider-sprechen sich digitale und analoge Kommunikationsformen nicht. Vgl. Watzlawick, Paul; Beavin, Janet, H.;

Jackson, Don, D.: Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien. Bern, Stuttgart, Toronto.

(3.Aufl.) 1984. S. 61-68

2.4.5. Situationsorientiertes Erfahrungslernen versus Handlungsrationalität – Gren-zen der ThemenGren-zentrierten Interaktion (TZI)

Ob die erfahrenen Bedingungen und Wirkungen der erprobten Kommunikation den einzel-nen TeilnehmerIneinzel-nen eine weiterreichende Orientierung lieferten, wird insbesondere von administrativer Seite, aber auch von WOHNFORUM-Teammitgliedern leichtfertig und mit einem Handstreich abgetan35, wahrscheinlich auch deshalb, weil solche prozesshaften Ver-änderungen monetär kaum zu bewerten sind. Intentional ist der Partizipationsprozess auf situationsorientiertes Erfahrungslernen ausgerichtet, wobei das Entwickeln einer gemein-samen Zielkultur mit den BewohnerInnen konsequent an deren Bedürfnissen orientiert sein muss. Eine so verstandene Wirklichkeitsaneignung ist, im Sinne des EU-Armutsbekämp-fungsprogramms, grundsätzlich dem Wohnprojekt zu unterstellen. Demgegenüber steht die, insbesondere von den Verwaltungsakteuren eingeforderte, pragmatische Handlungs-rationalität sozialpädagogischer Arbeitsweise. Eine auf Pragmatismus gestützte Hand-lungsrationalität ist jedoch dem Partizipa tionskonzept nicht augenfällig zu entnehmen. Das Angebot „Betroffenenbeteiligung“ bzw. „Partizipation“ kann zwar beschrieben werden;

die einzelnen Bestandteile der Gruppenarbeit sind aber nicht ohne Weiteres voneinander abgrenz- und beliebig reproduzierbar. Zudem ist der Prozess der Herstellung einer Grup-pensituation oft noch wichtiger als das Resultat. Letztlich stellen den Gruppenprozess alle daran Beteiligten her, die zukünftigen BewohnerInnen ebenso wie die verantwortliche Mitarbeiterin. Dazu müssen die AdressatInnen darin unterstützt werden, sich selbst am Gegenstand dieses partizipativen Angebotes zu bilden und zu betätigen. Auf diese Weise können Elemente einer Arbeitsform erkennbar werden, die die Trennung von professionel-len MacherInnen und unproduktiven betroffenen AdressatInnen aufhebt. Hier blitzt die I dee der P r oduktivkr af tentw icklung auf , bei der s ich tendenziell die Einheit von P r oduktion

35 Soziale Arbeit mit BewohnerInnen wurde im interdisziplinären Team der WOHNFORUM gGmbH sowie aus der Sicht einiger Verwaltungsakteure auf die Funktionen instrumenteller Konfliktlösung reduziert.

Die AkteurInnen verbanden mit dem Begriff „Lernprozess“ ein eher traditionell schulisches Lernen, bei dem sich nach einer bestimmten Phase das Wissen über und die Wertschätzung von ökologischen Ausstattungs-materialien festigen und die Bereitschaft zur baulichen Selbsthilfeleistung steigern sollte. Nachdem die Woh-nungen fertig gestellt waren, legten die muslimischen und kurdischen BewohnerInnen im Sinne ihrer Tradi-tion die Räume mit (unverklebtem) Teppichboden aus. In den Augen der WOHNFORUM-InitiatorInnen ist dies ein Beispiel nicht erworbenen, ökologisch sinnvollen Verhaltens. Die BewohnerInnen hätten nicht nur nicht gelernt, das ökologisch wertvolle Eichenparkett zu würdigen, wovon unter den Synthetikteppichen kein Quadratzentimeter mehr zu sehen ist,… Vgl. Breckner, Ingrid: Wohnen zwischen Macht und Ohnmacht.

Lernen durch Erfahrung in einem nutzerorientierten Wohnprojekt. Hrsg. von der Forschungsgesellschaft anstiftung gGmbH, München. 1993. S 76. In Ignoranz religiöser Motive und Traditionen, die in der deko-rativen Gestaltung der Wohnungen muslimisch sozialisierter MieterInnen eine Rolle spielen, wurde diesen BewohnerInnen zerstörerisches Verhalten unterstellt. Vgl. dieselbe a.a.O.

und Kons umption w ieder hers tellt. D och r eibt sich ein emanzipator is ches K onzept dies er Ar t Licht und Liebe er lebt haben mag, und das s ein ander er in Elend, Hunger und Lumpen auf -w uchs oder zu einer kalten und zer br ochenen F amilie gehör t...“37. A ls „Tr os t“ gibt s ie dies em mit ges ells chaftlich legitimier ter Rands tellung von benachteiligten P er s onen s tar k vernachläs -s igt. Zutr ef f end i-s t, da-s-s die D ur chf ühr ung von I nnovationen ohne aktive M itar beit der

36 Hierin liegt eine Anschauung begründet, die sich in vielen diffusen und vagen Tendenzen und Grundanliegen gegenwärtigen Lebensgefühls, über die TZI hinaus, in den Botschaften des New Age, ver-standen als antimodernistische Strömung, wieder findet: die Sehnsucht nach Überwindung der Krise des modernen, technologischen Zeitalters durch Wiedergewinnung der Einheit des Menschen mit der Natur auf der Grundlage eines epochalen „neuen“ Bewusstseins und „neuen“ Denkens.

37 Cohn, R.: Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Stuttgart. 1997. (13. Auflg.) S. 162

38 dieselbe: S. 164

39 Der Slogan vom „Leben im Hier und Jetzt“ blühte in den 70er Jahren auf, und findet sich z.B. auch in dem Buchtitel von Richard Albert wieder, der nachdem er den Namen Baba Ram Dass angenommen hatte, 1971 eine New Age Manifestation („Remember, be here now“) für ein breites Publikum schrieb. Was die Begriffskombination des „Hier“ und „Jetzt“ in der Themenzentrierten Interaktion angeht, so wird an ver-schiedenen Stellen der Aufsatzsammlung von Ruth Cohn (vgl. Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion, Stuttgart, 1975) deutlich, dass der Methode des TZI ein individualistisches Menschen- und Welt-bild zugrunde liegt, das in der Unmittelbarkeit der Erlebnisdimensionen zu verhaften droht. Auf den Zusam-menhang zwischen sozioökonomischer Gesellschaftsstruktur, Herrschaft und Interaktion geht die Autorin kaum ein. Im Gegenteil. Eher werden Probleme auf schicksalhafte, relativ beliebige und austauschbare Si-tuationen reduziert. Während der Gruppenarbeit mit den BewohnerInnen orientierte die prozessverantwortli-che Mitarbeiterin das themenzentrierte interaktionelle Modell sehr eng an den Sachthemen der beteiligten BewohnerInnen. Es fand außerdem Verwendung in der didaktischen Gestaltung des Gruppengeschehens und der Reflexion von Leitungsfunktionen.

ar beit aktualis ier t w ur den, ver w eis en auf bestehende gesellschaftliche Verhältnisse und Umweltbedingungen, die sich als Ursache der eingeengten Verhaltensoptionen herauskri-stallisieren können.

Für den Partizipationsprozess war letztlich das jeweilige Thema, das in den Gruppenge-sprächen erörtert wurde der zentralste der drei Punkte im System der themenzentrierten Interaktion. Einerseits ist das Thema eine Art Bindeglied zwischen Individuum und Grup-pe, andererseits spielt es für die Strukturierung der Interaktion eine nicht unbedeutende Rolle. In diesem Prozess ist die/der GesprächsleiterIn auch als Teil der Gruppe, also als

„kommunizierende Person“ anzusehen, womit besondere Anforderungen im Hinblick auf Authentizität gefragt sind, in Bezug auf Empfindungen und Gefühle, Bezogenheit und Klarheit des Intellekts. Eine Gruppe zu leiten bedeutet Fähigkeiten in Form von Funktio-nen bereitzustellen und nicht eine Rolle zu spielen. Daraus folgt, dass die gruppenleitende Person ein pädagogischer Katalysator ist, wenn sie in sich selbst kongruent sowie selektiv und kongruent zugleich in ihren Aussagen ist. Die Fähigkeit des ständigen Interferierens, d.h. in den Gesprächsprozess involviert zu sein und zugleich die distanzierte Beobach-tungsperspektive beizubehalten wird, wie in Kapitel „Handlungsforschung…“ bereits dar-gelegt, für Forschende in Praxisprojekten immer wieder in Frage gestellt. Für die den Par-tizipationsprozess verantwortende Mitarbeiterin des Wohnprojektes bedeutete

„interferieren“, die Verantwortung für die Leitungsfunktion der Gruppe zu übernehmen und weder aus der Gruppe noch aus dem Thema auszusteigen.

Durch die Anerkennung der Autonomie der einzelnen TeilnehmerInnen gibt die leitende Person darüber die Macht ab, wer, wann, wo und wie zu wem etwas zu sagen hat und wel-che Gefühle in der Gruppe und beim Einzelnen zugelassen werden dürfen und welwel-che nicht. Die TeilnehmerInnen werden somit ermutigt sich mit ihren Störungen und Wider-ständen zu akzeptieren, ihre Themen einzubringen und ihre Fragen aufzuwerfen. Das Thema hilft hier den Prozess zu strukturieren und über das gemeinsame Behandeln eines Themas zu einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl und zu einem gemeinsamen Kon-sens in der Sache zu finden. Mit dem Thema muss den Interessen und den Bedürfnissen der Gruppe entsprochen werden, wobei die Formulierung konstruktive Möglichkeiten bei der Bearbeitung ansprechen muss, ohne die Realität zu beschönigen oder zu verschleiern.

Je stimulierender und persönlicher ein Thema formuliert ist, desto eher ist in der Gruppe – auch bei unangenehmen Themen – ein schöpferisches Arbeiten an der Aufgabe möglich.

Als weitere kreative und ökologisch orientierte Arbeitsweise wurde der Gruppe zukünf-tiger BewohnerInnen bauliche Selbsthilfe angeboten. Die Möglichkeiten, dadurch am Sa-nierungsgeschehen unmittelbar teilzunehmen, werden im folgenden Abschnitt skizziert.

2.4.6. Bauliche Selbsthilfe, eine Beteiligungsform mit vielseitigen

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