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A) Soziale Gruppenarbeit und B) Gemeinwesenorientierte Beratung

2. A) Soziale Gruppenarbeit: Ausgangssituation und konzeptionelle Zielrichtung Die praktizierte Form der Gruppenarbeit entstand aus einer Sammlung von

2.2. Belegungsverhandlungen mit dem Amt für Wohnungswesen:

2.2.3. Frauenwohngemeinschaften im Wohnprojekt:

richtungsweisend und unrealistisch zugleich

Immerhin zeigte sich die Behörde bereit, in zwei der Vier-Zimmer-Wohnungen des Anwe-sens die Belegung mit Wohngemeinschaften alter und älterer Frauen des Vereins „ERGO – Frauen leben im Alter zusammen“ zuzulassen. Schwierigkeiten, die allgemein Wohnge-meinschaften im öffentlich geförderten Wohnungswesen entgegenstehen, ergeben sich für die Behörde bei etwaigen Folgebelegungen. Es wird argumentiert, dass ein solcher Fall eintrete, wenn eine Person aus der gemeinschaftlichen Wohnung ausziehen möchte und die übrigen Mitglieder das Fortbestehen der Wohngemeinschaft wünschen. Wenn keine Er-satzmieterIn mit entsprechenden Voraussetzungen gefunden werden kann, tritt Unter-belegung ein, die von einer Sonderabteilung wie der Fachstelle zur Vermeidung von Ob-dachlosigkeit (FAST) nicht vermieden, sondern im Gegenteil noch produziert werden wür-de. Vor diesem Hintergrund erklärt sich der behördliche Vorbehalt gegenüber jeglichen WohngemeinschaftsinteressentInnen jedoch nicht vollends. Die Argumentation ignoriert die Vielfältigkeit heutiger Lebensstile. So werden erwachsenen Personen, die als Paar zu-sammenleben wollen und die, was die wirtschaftliche Situation anbelangt, sozial-wohnungsberechtigt wären, als Wohngemeinschaft wegen der eintretenden Unterbelegung, die beim Auszug einer Person gegeben ist, von der Versorgung öffentlich geförderten

13 Die relativistische EU-Definition hebt auf das Einkommen ab, bei dem die Armutsgrenze bei 50%

bzw. 60% des Durchschnittseinkommens in dem jeweiligen Land gezogen wird.

Wohnraums ausgeschlossen. Obwohl sich heute auch verheiratete Paare mit oder ohne Scheidungsurteil trennen und, sofern es sich dabei um BewohnerInnen einer Sozial-wohnung handelt, Unterbelegung entsteht, wird von der Person, die in der ehelichen Woh-nung verbleibt, nicht verlangt, künftig mit einer/m behördlich zugewiesenen Ersatzmiete-rIn zusammenzuleben.

Für das Wohnprojekt Orleansstraße 65a hätte die Behörde ausnahmsweise die zwei ge-planten Wohngemeinschaften älterer Frauen akzeptiert. Die damit einhergehende über-schrittene Einkommensgrenze – das Kriterium „Einkommensgrenze“ wird in diesem Ab-schnitt noch erörtert – der WG-Haushalte würde durch ihren geringeren Flächenverbrauch im Verhältnis zu, ansonsten pro Antragstellerin benötigter Einpersonen-Wohnung, auf-gewogen werden. Für die Belegung des Wohnprojektes Orleansstraße 65a kam im Übri-gen, außer einer Zwei-Personen Pflegewohngemeinschaft des ERGO e.V., kein weiterer Wohngemeinschaftsvorschlag aus dem Kreis der älteren und allein lebenden Frauen zu-stande. Einige an dieser Wohnform interessierten Frauen kannten sich nach ihrer Einschät-zung nicht nahe genug, um diesen Schritt zu wagen14. Bei anderen Frauen, die ebenfalls über den Verein ERGO zueinander gefunden und sich zur Vier-Personen-Wohngemeinschaft entschlossen hatten, löste die unbestimmte Zeit in der sie den amtli-chen Bescheid erwarteten große Verunsicherung aus. Sie gaben die Wohngemeinschafts-idee auf und suchten nach individuellen Lösungen, unabhängig vom Wohnprojekt Orleans-straße 65a.

Nachdem außer der Pflegewohngemeinschaft keine weitere Frauenwohngemeinschaft aus der Gruppe der älteren Frauen zustande kam, belegte die Wohnungsbehörde eine Vier-Zimmer-Wohnung des Anwesens mit einem Eineltern-Haushalt, der auf unbefristete Zeit mit öffentlich gefördertem Wohn raum bereits versorgt war. Es handelte sich um eine allein

14 Die Namensgebung des Vereins ERGO – Frauen leben im Alter zusammen e.V. kündet von dem Anliegen, neben dem etablierten dichten Netz Münchner Alten- und Servicezentren, alternative Wohnmög-lichkeiten für ein weibliches Publikum zu schaffen. Dieser Wohnbedarf ergibt sich insofern alte und allein lebende Menschen im eigenen Haushalt leben, bis ein Umzug in eine Altenwohneinrichtung unumgänglich geworden ist. Möglicherweise ist der Verein seinem satzungsgemäßen Auftrag – woran i.d.R. auch Zu-schussmittel geknüpft sind – Wohngemeinschaften mit älteren und alten Frauen zu gründen, dauerhaft nicht gerecht geworden. Nur so erklärt sich der Druck unter dem sich jene ERGO-Mitgliedsfrauen fühlten, die sich vor dem Hintergrund ihrer Vereinszugehörigkeit persönlich verpflichtet sahen, mehr oder weniger anonym, zu den geplanten Frauen-Wohngemeinschaften hinzuzustoßen. Diese Wohngemeinschaften kamen freilich nicht zustande. Vergleichbare Münchner Wohngemeinschaftsprojekte dokumentieren eindeutig, dass diese Wohnform für ältere Menschen bestenfalls mit einem zeitlichen Vorlauf von mehreren Jahren realisiert wer-den könne.

erziehende Frau mit zwei Kindern. Diese Familie hatte in der Vergangenheit bei der Woh-nungsbehörde Umzugswünsche nach Haidhausen angemeldet, dem Stadtteil, in dem sich das Wohnprojekt befindet. Die hinzukommende am Wohnprojekt interessierte Frau be-wertete ihre Situation als erheblich begünstigt und zeigte sich innerhalb der BewohnerIn-nengruppe verunsichert. Demgegenüber neideten die übrigen AdressatInnen der neuen Mieterin weniger die unverhältnismäßig große Woh nung, die für ein Elternpaar mit drei Kindern bzw. für vier erwachsene Personen vorgesehen war. Vielmehr deuteten sie, wie auch die prozessverantwortliche Mitarbeiterin, diese Belegungspraxis als unverhohlenen Willkürakt seitens der verantwortlichen Behördenmitarbeiterin.

Prinzipiell gab die Fachstelle zur Vermeidung von Obdachlosigkeit (FAST) keine Fristen bekannt, innerhalb derer potentielle MieterInnen mit einem Bescheid rechnen konnten.

Manche AntragstellerInnen warteten daher eineinhalb Jahre auf die endgültige Einzugsbe-rechtigung. Diese Ungewissheit traf – zufällig oder nicht – die zukünftigen Haushalte al-lein erziehender Frauen und Interessentinnen am gemeinschaftlichen Wohnen aus dem Kreise des „ERGO – Frauen leben im Alter zusammen e.V.“. Die Tatsache, dass es sich al-lein um Frauen handelt, die bei dem Vergabeverfahren des Amtes für Wohnungswesen zunächst unberücksichtigt blieben, deutet, zumindest vordergründig, auf ein strukturelles Problem hin15. Auf der Handlungsebene blieb diese Situation, bei der die Wohnzukunft der Frauenhaushalte ungewisser nicht hätte sein können, nicht folgenlos. Nach einigen Bera-tungen während der Gruppentreffen starteten die AdressatInnen des Wohnprojektes zwei aufeinanderfolgende Infostandaktionen auf lokalen Marktplätzen des Quartiers und ernte-ten damit positive Resonanz bei den Anwohnern und der Presse.

15 Zur Bedeutung der Wohnungsnot für Frauen siehe Fachausschuss Frauen in der

BAG-Wohnungslosenhilfe 1993. S. 67-69 sowie zahlreichen Publikationen zur Problematik der Wohnungslosigkeit von Frauen bzw. einer frauenfeindlichen (Wohnungs-)Politik. Vgl. hierzu Becker, Ruth: Wohnungspolitik aus feministischer Sicht. In Gefährdetenhilfe, Heft 4/93, hrsg. von der BAG Wohnungslosenhilfe, Bielefeld.

1993. S. 131-135. Vgl. auch Bodenmüller, Martina: Wohnungslose Mädchen und junge Frauen. In: Forum:

Frau und Gesellschaft – hrsg. von Bettina Licht, 2.Jg., Heft 3/ August 1998. Hofbieber. S. 12-22. Zur Situati-on wohnungsloser Frauen in München vgl. Romaus, Rolf: Allein stehende wohnungslose Frauen in München – ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Untersuchung. In: Gefährdetenhilfe, Heft 3/90, hrsg. von der BAG-Wohnungslosenhilfe, Bielefeld. 1990. S. 69-72

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