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II. Die intermediäre gemeinnützige WOHNFORUM MÜNCHEN GmbH als Trä- Trä-gerorganisation des Wohnprojektes Orleansstraße 65a

2. Der multidimensionale Armutsbegriff als Handlungsansatz der WOHNFORUM gGmbH

2.1. Das Konzept der Lebenslage als Leitlinie der partizipativen Sozialen Arbeit mit den AdressatInnen des Wohnprojektes Orleansstraße 65a

2.1.1. EXKURS: Konstitutive Faktoren sozialer Ungleichheit im Geschlechterverhältnis

Im letzten Abschnitt klang die Frage an, ob und gegebenenfalls wie soziale Ungleichheit im Geschlechterverhältnis Armutslagen von Frauen verschärft. Die Fragestellung ist An-lass des Exkurses, womit die Diskussion um die Hauptfaktoren des gegenwärtigen Stand-orts der Ungleichheitsforschung expliziert wird. Zunächst wird die konsensuelle Argu-mentationslinie der Frauenforschung skizziert. Als richtungsweisende Standpunkte der Sozialstrukturanalyse und der Frauenforschung werden die Konzeptionen der Geschlech-terbeziehung von Hildegard Heise und Ursula Beer aufgegriffen. Letztlich wird im Rah-men der Strukturanalyse die Bedeutung der Individualisierungsthese von Ulrich Beck auf-gezeigt.

In der deutschen Debatte sind die Positionen um den Kontext der Reorganisation des Ge-schlechterverhältnisses zwischen marxistischer und feministischer Forschung und Sozial-strukturananlys teilweise umstritten. Zwar wird der Zusammenhang von Kapital- und Ge-schlechterverhältnis beziehungsweise Produktion und Reproduktion zwischen marxi-stischer und feminimarxi-stischer Forschung und Strukturanalyse in einigen Punkten konsensuell diskutiert, doch erschöpft sich dieser Konsens bereits in der Feststellung, dass das Ge-schlechterverhältnis als das historisch primäre soziale Verhältnis zu begreifen ist. Über dessen Bedeutung für kapitalistische Gesellschaften sowie über den Stellenwert des Ge-schlechterverhältnisses gegenüber dem Kapitalverhältnis gehen die Positionen auseinan-der. Weiter trägt der Konsens über den Zusammenhang von Produktion und Reproduktion, der sich folgendermaßen kurz skizzieren lässt: Produktion und Reproduktion als getrennte und komplementäre Bereiche bilden das Fundament von Industriegesellschaften. Diese Trennung von marktvermittelter und nicht-marktvermittelter, „privat“ organisierter Arbeit markiert historisch und aktuell auch eine Dimension geschlechtsspezifischer Arbeitstei-lung. Erwerbs- und Hausarbeit bilden in ihrer Komplementarität die Grundlage der Exi-stenzsicherung. Hausarbeit steht in struktureller Abhängigkeit von Erwerbsarbeit, da letzte-re angesichts der Angewiesenheit auf wie auch immer vermitteltes Erwerbseinkommen – zumindestens für den größten Teil der Bevölkerung – zentral ist. Ferner hat vor allem die

„Hausarbeitsdebatte“ die in den 70er und 80er Jahren der neuen Frauenbewegung geführt wurde, verdeutlicht, dass Erwerbsarbeit, in der Arbeitskraft gegen die Reproduktionsko-sten verkauft wird, erst durch die unentgeltliche Bestreitung des Reproduktionsaufwandes

möglich ist.

Für die Bestimmung des Zusammenhangs von Kapital- und Geschlechterverhältnis bzw.

der Frage, ob Geschlecht als Strukturprinzip kapitalistischer Gesellschaften zu begreifen ist und sich demzufolge in der sozialen Ungleichheit niederschlagen muss, werden nun we-sentliche Aussagen der Kontroverse zwischen marxistischer und feministischer Forschung aufgezeigt, die von Hildegard Heise und Ursula Beer vertreten werden11.

Hildegard Heise fragt in ihrer Konzeption marxistischer Subjekttheorie nach den Ursachen der Geschlechterungleichheit in Kapitalismus und wählt den Ausgangspunkt ihrer Analyse in den Spezifika dieser Produktionsweise. Als deren zentrale Bestimmung begreift sie die

„Versachlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse“, in der die „Sachen- und Warenwelt“

und zentral die „allgemeine Ware Geld“ zwischen die „Bezugnahme der Personen“ aufein-ander trifft und aus der die „Loslösung der Menschen von den Produktionsbedingungen“

folge. Diese Loslösung der Menschen bedeute auch ihre Loslösung voneinander und die

„Vereinzelung der Subjekte“ als „die soziale Zellform der spezifisch kapitalistischen Ge-sellschaft“. Als Vereinzelte seien die Subjekte beiderlei Geschlechts gleichermaßen auf das

„System gesellschaftlichen Arbeit“ verwiesen, wobei die „gesellschaftliche Produktion zur

11 Vgl. die Kontroversen zwischen

Beer, Ursula: Geschlechtliche Arbeitsteilung als Strukturelement von Gesellschaft – ein theoretischer Kurz-Schluss der Frauenforschung? In: Müller, Ursula; Schmidt-Waldherr, Hiltraud (Hrsg.): FrauenSozialKunde.

Wandel und Differenzierung von Lebensformen und Bewußtsein, Bielefeld. 1989. S. 298 ff. Und

Heise, Hildegard: Gleichstellung und Ungleichstellung von Frauen und Männern (im entwickelten Kapita-lismus) Vor- und Rückseite „Desselben“. In: Müller, Ursula; Schmidt-Waldherr, Hiltraud; a.a.O. S. 261 ff.

Sowie

Kreckel, Reinhard: Geschlechtssensibilisierte Soziologie. Können askriptive Merkmale eine vernünftige Gesellschaftstheorie begründen? In: Zapf, Wolfgang (Hrsg.): Die Modernisierung moderner Gesellschaften.

25. Deutscher Soziologentag in Frankfurt a.M. 1990. Frankfurt/M. und New York. 1991. S. 370 ff.

Zu den Konsensen neben Beer (1989) und Heise (1989) z.B.:

Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt/M. 1986. S. 174 ff.

Diezinger, Angelika: Frauen: Arbeit und Individualisierung, Chancen und Risiken. Eine empirische Untersu-chung anhand von Fallgeschichten. Opladen. 1991. S. 34 ff.

Beck-Gernsheim, Elisabeth: Das halbierte Leben. Männerwelt Beruf, Frauenwelt Familie. Frankfurt/M.

1980. S. 64 ff.

Knapp-Axeli, Gudrun: Arbeitsteilung und Sozialisation. Konstellation von Arbeitsvermögen und Arbeitskraft im Lebenszusammenhang von Frauen. In: Beer, Ursula (Hrsg.): Klasse Geschlecht. Feministische Gesell-schaftsanalyse und Wissenschaftskritik. Bielefeld. 1989. S. 242 f.

Stellvertretend für die „Hausarbeitsdebatte“:

Kittler, Gertrude: Hausarbeit. Zur Geschichte einer „Naturressource“. München. 1980. S. 112 ff. Und Beer, Ursula: Marx auf die Füße gestellt? Zum theoretischen Entwurf von Claudia von Werlhof, In: Prokla, Heft 50, 1984. S. 30 ff. Von ihnen stammt auch die Unterscheidung von Reproduktionskosten und -aufwand.

Existenzsicherung der Personen“ zugleich und übergeordnet der Kapitalverwertung diene und hierdurch in Bezug auf die Existenzsicherung unbeherrschbar sei. Die hier angelegte

„intrasubjektive Widersprüchlichkeit“ ist für die Autorin die „Qualität“, aus der die Gleich- und Ungleichstellung der Geschlechter im entwickelten Kapitalismus folge. Die kapitalistische Produktionsweise sei und erscheine geschlechtsneutral, da die Personen im dominanten „System der gesellschaftlichen Arbeit“ gleichgestellt seien. Diese Gleichstel-lung beinhalte als Kehrseite die UngleichstelGleichstel-lung der Geschlechter, da die biologisch be-gründete und historisch überformte stärkere „Bezogenheit auf die Nachkommen“ als „Be-sonderheit von Frauen“ hier keinen Raum habe und suche12. In diesem Sinne sei der Kapitalismus in seiner Geschlechtsneutralität patriarchalisch, da die Spezifik von Frauen im „System der gesellschaftlichen Arbeit“ nicht berücksichtigt werde. Sie wiederum seien deshalb und aufgrund der Vereinzelung der Subjekte stärker in die Widersprüchlichkeit der Existenzsicherung involviert, was zu geschlechtsspezifischen Reaktionen wie der Suche nach Scheinlösungen und der stärkeren Bindungsorientierungen in der „familialen Le-benssphäre“ führe. Die „intrasubjektive Widersprüchlichkeit“ konstituiere die Geschlech-terbeziehung (und -ungleichheit) als interpersonalen Gegensatz13. Für die Autorin entsteht die spezifisch-kapitalistische Geschlechterungleichheit aus der „Nicht-Differenzierung innerhalb einer unbeherrschbaren Existenzsicherung“14, auf die die vereinzelten Subjekte geschlechtsspezifisch reagieren und damit die Geschlechterungleichheit konstituieren. Die Gleichheit der Arbeitskräfte in ihrer Warenförmigkeit interpretiert sie offenbar nicht als das, was sie ist, nämlich eine lediglich formale Gleichheit. Die Gründe für die Differenzie-rung von Personengruppen im Kapitalismus und die Erhaltung der Wertegesetzlichkeit als gesellschaftliches Strukturprinzip muss demnach im Handeln der Personen gesucht wer-den.

Ähnlich wie Hildegard Heise fragt Ursula Beer nach dem „inneren Band“ Waren produzie-render Gesellschaften, aus dem heraus die Geschlechterungleichheit erklärt werden müsse, und kommt in ihrer Konzeption feministischer Strukturtheorie zu dem Ergebnis, dass

12 Vgl. Heise, H.: a.a.O., 1989 S. 265 ff. (Zitate: S. 270, 271, 278, Hervorhebung im Original, und S.

280).

13 Vgl. Heise, H.: Flucht vor der Widersprüchlichkeit. Kapitalistische Produktionsweise und Ge-schlechterbeziehung. Frankfurt/M. und New-York. 1986. S. 69 ff. und 142 ff.

14 Vgl. Heise, H.: Gleichstellung und Ungleichstellung von Frauen und Männer, a.a.O. 1989. Zitat:

S. 284

viduen geschlechtsspezifisch vergesellschaftet werden und das Geschlechterverhältnis als gesellschaftliches Strukturierungsprinzip zu begreifen ist. Sie reformuliert den Begriff der Produktionsweise als „Wirtschafts- und Bevölkerungsweise“. Einem erweiterten Ver-ständnis von „Ökonomie“ folgend, das die „Markt-“ und „Versorgungsökonomie“ umfasst, werden hier die Produktion von Waren und der „generative gesellschaftliche Bestander-halt“ gewährleistet. In diesem Sinne sei von einer Doppelung in der Vergesellschaftung von Menschen durch Arbeit und Fortpflanzung auszugehen15. Die Autorin verortet das Ge-schlechterverhältnis analog zum Kapitalverhältnis in der Struktur der Produktionsverhält-nisse und die Menschen als Geschlechtsindividuen in der Struktur der Produktivkräfte. Die

„fiktive Ware“16 Arbeitskraft existiere nur als geschlechtliche. Die Geschlechtshierarchie gehe deshalb in den Vergesellschaftungsprozess mit ein und werde auf diesem Wege Be-standteil der Marktökonomie. Auf der Erfahrungsebene bedeutet dieser Zusammenhang, dass sowohl mit der Trennung von Wirtschaft, Familie, sozialen Sicherungssystemen ei-nerseits, als auch durch formal unverbundene Rechtsbereiche (Arbeits-, Sozial-, Steuer-, Familienrecht) andererseits, die Zuweisung unentgeltlicher Reproduktionsarbeit an Frauen verbunden ist, inklusive der daraus entstehenden verminderten Erwerbschancen aufgrund von Schließungsprozessen. Dies stiftet die sozioökonomische Geschlechterungleichheit, die der Herausbildung und Entwicklung kapitalistischer Gesellschaften vorausgesetzt ist und in diesen durch die geschlechtsspezifische Vergesellschaftung von Lohnarbeitskraft reproduziert wird. Die Geschlechtsspezifik der Verwertung in der kapitalistischen Produk-tionsweise beziehungsweise ihre Logik selbst bleibt bislang vergleichsweise vage.

Im Rahmen dieser strukturell verfestigten Zusammenhänge hat sich die wirtschaftliche Situation der Frauen in Europa, ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ihre Einkom-menssituation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich verbessert und ihre Ab-hängigkeit von der Institution Ehe entsprechend verringert. Trotzdem ist für Frauen das Risiko, arm zu werden, tendenziell höher als für Männer: In allen Altersgruppen (außer bei Kindern und Jugendlichen) sind Frauen sehr viel häufiger als Männer von Einkom-mensarmut betroffen.17 Armut und Reichtum haben immer auch zu tun mit Über- und Unterordnung, mit Machtverhältnissen, d.h. mit einer klassischen Komponente der

15 Vgl. Beer, U.: a.a.O. 1990. S. 21 f., 90 ff., 109 ff. Zitate: S. 91

16 Beer, U.: a.a.O. 1990. Zitat: S. 261

17 Vgl. Pfaff, Anita: Was ist das Neue an der neuen Armut? In: Bieback, Karl-Jürgen und Milz, Hel-ga (Hrsg.): Neue Armut. Frankfurt/M. und New York. 1995. S. 28 - 57

der-Forschung: „The poverty of women relative to men is a manifestation of the unequal power relations between women and men, which have let to the development of economic, social, cultural und political structures, which discriminate against women and deny them to the full expression of their social, political an economic rights.“18

Innerhalb der Sozialstrukturanalyse hat Ulrich Beck seine Individualisierungsthese aufge-stellt, die gegenüber früheren Theoretisierungen neuer sozialer Ungleichheiten die Bezie-hungen und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern im Anschluss an Arbeiten der Frauenforschung zum eigenständigen Gegenstand der Reflexion macht. Beck versteht un-ter Individualisierung einen arbeitsmarktinduzierten Prozess der „Enttraditionalisierung“,

„Heterogenisierung“ und zugleich „Homogenisierung von Lebenslagen“19. In der histori-schen Dimension benennt er die konstitutive Bedeutung von Hausarbeit für die heutige Form von Erwerbsarbeit und für die Herausbildung von Industriegesellschaften. In diesem Zusammenhang spricht er von der „halbierten Vermarktung menschlichen Arbeitsvermö-gens“ als Fundament von Industriegesellschaften, die heute an Grenzen stoße. „Vollindu-strialisierung, Vollvermarktung und Familien in den traditionalen Formen schließen sich aus“. Mit der Gleichstellung der Geschlechter als einem der „Prinzipien der Moderne“

würden die Grundlagen der Industriegesellschaft im Verlauf ihrer Durchsetzung selbst in Frage gestellt. Die Zuweisung von Hausarbeit nach Geschlecht veranlasst Beck zur Analo-giebildung, in der er die soziale Lage der Frauen mit Ständen vergleicht, die die „Gegen-moderne“ verkörpern und die „Moderne“ ergänzen und bedingen, ihr aber auch widerspre-chen20.

Anzumerken bleibt, dass es ein erheblicher Unterschied ist, ob die Trennung von Erwerbs-und Hausarbeit als vormodernes FErwerbs-undament von – oder ob das Geschlechterverhältnis als konstitutiv für Industriegesellschaften begriffen wird. Ein Unterschied ist auch, ob Hausar-beit Frauen zugewiesen wurde beziehungsweise wird oder ob – wie bei Beck – die Frauen ausschließlich der Hausarbeit zugeordnet werden. Auf dieser Argumentationsschiene fällt

18 EAPN - European Anti-Poverty Network. 1997. Women, Violence and Poverty. Seminar Report

19 Vgl. Beck, Ulrich: Jenseits von Klasse und Stand? Soziale Ungleichheit, gesellschaftliche Indivi-dualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Formationen und Identitäten. In: Kreckel, Reinhard (Hrsg.): Soziale Ungleichheit. Soziale Welt. Sonderband 2, Göttingen. 1983. S. 51 ff. Zitate: S. 53

20 Vgl. Beck, Ulrich: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/M. 1986.

S. 162 ff. Zitate: S.174 und S. 178

ein Teil der Bedeutung des Geschlechterverhältnisses für die Herausbildung und Entwick-lung kapitalistischer Gesellschaften, nämlich die Frauenerwerbstätigkeit in ihrer kapital-seitig, aber auch verbands- und gewerkschaftspolitisch getragenen Minderbewertung und vor allem -entlohnung unter den Tisch. Die geschlechterunterschiedliche Vergesellschaf-tung erwies und erweist sich für Männer – dies bringt Beck‘s Analyse deutlich zum Vor-schein – als Erwerbstätige und, zumindest idealtypisch, Familienernährer als vergleichs-weise widerspruchsfreie Komplementarität von Arbeit und Leben. Deren Kehrseite – so belegen verschiedene Frauenforschungsergebnisse – war und ist jedoch die doppelte und widersprüchliche Vergesellschaftung von Frauen und dies nicht erst als neuere Entwick-lung.

Eine theoretische Begründung für den Zusammenhang von Arbeitsteilung und Existenzsi-cherung, die über die klassische, auf das Lohnarbeitsverhältnis bezogene Interpretation hinausgeht, wurde an dieser Stelle versucht darzulegen, weil wesentliche gesell-schaftsstrukturierende Ungleichheitsfaktoren – nämlich den sozialen und den geschlechtli-chen – den Armutsbegriff in seiner Multidimensionalität konstituieren. Der Armutsbegriff dreht sich – sofern er werttheoretisch argumentiert – immer um die Schnittstelle, die theo-retisch die „Reproduktion der Arbeitskraft“ mit dem materialen familialen Reproduktions-prozess verbindet. Im Kontext mit strittigen Punkten des Geschlechterverhältnisses bleibt festzustellen, dass heute weniger die Frage nach dem Wert von Hausarbeit als lö-sungsbedürftiges Problem gilt, sondern stattdessen die Existenzsicherung von Frauen ver-mittels sozialstaatlicher Politiken. Die komplexe Einheit der Existenzbedingungen unter denen Frauen leben, lassen sich nicht allein aus den ökonomischen Verhältnissen ableiten.

Es zeigt sich, dass der in der marxistischen Erkenntniskonzeption verwendete Struktur-begriff mehr umfassen müsste, als den des kapitalistischen Produktionsprozesses von Wa-ren. Die Frage des Geschlechts muss daher bei der Diskussion des Armutsbegriffes als durchgängige Querschnittsfrage behandelt werden, um zu realen Zustandsbeschreibungen und entsprechenden Veränderungsforderungen zu kommen, denn Armut und Geschlech-terverhältnis sind auf allen o.g. Ebenen mit einander verwoben und bedingt. Strategien der Armutsbekämpfung, wie sie im Wohnprojekt Orleansstraße 65a erprobt werden, müssen deshalb die Dimension Geschlecht aufgreifen.

Da nun der Begriff Armut als multidimensionales Phänomen im Hinblick auf die partizi-pative Soziale Arbeit mit den AdressatInnen des Wohnprojektes geklärt wurde, ist die Ba-sis geschaffen, im folgenden Kapitel III Positionen der Handlungsforschung aufzugreifen.

Dies ist sinnvoll, wenn man beachtet, dass Handlungsforschung den Anspruch einer Ver-mittlungsstrategie zwischen Forschung, Techniken und Praxis bildet. Diese Verknüpfung findet sich ebenfalls in der Anwendungsbezogenheit der evaluativen Methoden mit denen der Partizipationsprozess, der mit den AdressatInnen des Wohnprojektes realisiert wurde, untersucht werden wird. Es sind ebenso Anknüpfungspunkte hinsichtlich übertragbarer Erfahrungen aus der Sicht der AdressatInnen des Wohnprojektes erwartbar, weshalb an spätere Stelle und u.a. in Form eines Gruppendiskussionsverfahrens die veränderten Ziele des Partizipationsprozesses herausgearbeitet werden. Ihrem Sinn nach sind die partizipati-ven Angebote auf das Verhalten der AdressatInnen ausgerichtet und als Prozess daran ori-entiert. Handlungsforschungsprinzipien sind in der heutigen Form der Praxisforschung aufgegangen. Als dialogische Methode bieten Handlungs- und Praxisforschung Bezugs-punkte an, die die Kompetenzen der am Partizipationsprozess Beteiligten aus deren Erle-ben aufgreifen. EErle-benso münden sie in den Versuch ein, die Wirklichkeit sich verändernder Praxis systematisch – und durch die Beteiligten vor Ort – wahrzunehmen. Diesem Aspekt verpflichten sich evaluative Verfahren, die im Rahmen dieser Arbeit angewandt werden.

III. Handlungsforschung als Bezugspunkt des Partizipationsauftrages im Rahmen

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