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Orientierung und Kompetenzstärkung - die Potentiale des Partizipationskon- Partizipationskon-zeptesPartizipationskon-zeptes

A) Soziale Gruppenarbeit und B) Gemeinwesenorientierte Beratung

VI. Ausgewählte Ergebnisse des Partizipationsprozesses

1. Orientierung und Kompetenzstärkung - die Potentiale des Partizipationskon- Partizipationskon-zeptesPartizipationskon-zeptes

Als soziale Dienstleistung zeichnet sich das Partizipationskonzept dadurch aus, dass es sachorientiertes Arbeiten ermöglicht und dabei die Persönlichkeitsentwicklung der Mit-glieder einer heterogenen BewohnerInnengruppe fördert. Der Bauprozess als solcher ver-mittelte den AdressatInnen sukzessive die physische Herstellung ihres zukünftigen Wohn-raums. Die gewonnenen Vorstellungen konnten an der Baustelle augenscheinlich überprüft und in der Phase baulicher Selbsthilfe mitbewerkstelligt werden. So entstanden sinnlich vermittelte Eindrücke davon, wie in den zukünftigen Wohnungen individuell unterschied-liche Lebensweisen realisiert werden können.

Mindestens ebenso wichtig scheint die Erfahrung der ProjektadressatInnen, selbst eine bewusstere Vorstellung erarbeitet zu haben, ob bislang gelebte Konventionen des Alltags bestehen oder, sei es in Teilbereichen, verändert werden können und was an bisheriger Orientierung revidiert werden sollte. Das Interesse zukünftiger BewohnerInnen am Ge-samtbild der Lebenslage erwuchs wesentlich an den Impulsen, die durch die baulich-räum-liche Realisierung des Wohngebäudes gegeben waren. Die für Altbauten typische Grund-rissstruktur mit ihren nutzungsneutralen Räumen und deren Neuausstattung wie z.B. mit Wasser- und Elektrizitätsanschlüssen, das Zumauern oder Durchbrechen von Türen in Zwischenwände, Farbwahl der Fließen und Küchenböden – all das wurde kleinteiligst mit den zukünftigen BewohnerInnen abgestimmt. Wenn auch im Wesentlichen auf den Innen-ausbau beschränkt, so hat diese Planungskultur die Qualität, die ansonsten nur Eigenheim-bauherrInnen zuteil wird. In die Auseinandersetzung mit den Planungsdetails verwoben sich zunehmend Raumnutzungsfragen, die den AdressatInnen zumeist ungewohnte Hand-lungsspielräume ihres privatpersönlichen Alltags bewusst machten.

Aus der Verquickung dieser Einzelfaktoren resultiert die Lebenslage, die nicht ohne Bezug auf das subjektive Erleben der Menschen, die sich in einer bestimmten Situation befinden, verstehbar ist. Die Institutionen des Partizipationsprozesses, Gruppenarbeit und Beratung, griffen den Zusammenhang sozialer Strukturiertheit von Umständen auf, isolierten jedoch nicht deren Elemente, die den Rahmen individuell-subjektiven Erlebens abstecken. Nach den Bezugspunkten des Wohnens und des Alltags ist den AdressatInnen ihre jeweilige

Le-benslage unter ökonomischen, sozial-politischen und kulturellen Aspekten erkennbar ge-worden. Am Planungsprozess orientierte Gruppen arbeit wirkt der Atomisierung der Le-benslagen zumindest entgegen und stiftet eine Atmosphäre offener, informeller Gemein-schaft, deren Aktivitäten von den einzelnen Personen als lohnenswert erlebt werden. Es hat den Anschein, als würden die gegensätzlichen Bedürfnisse nach privater Sicherheit und nach Gemeinschaftsgefühl auf einen Nenner gebracht werden. Es sind dies Bedürfnisse, die seit jeher den Kern sozialer Kultur ausmachen und die mit partizipativen Strategien in Einklang gebracht werden können. Darin liegt die Stärke der Planungsbeteiligung, die ne-ben den ökonomischen vor allem die immateriellen, psychosozialen Aspekte der Le-bensverhältnisse zugänglich macht.

In dieser subjektzentrierten Interpretation der Lebenslagen wurden die Gegebenheiten der formalen wohnungsbehördlichen Voraussetzungen, welche die AdressatInnen zu erfüllen hatten, nicht ausgeklammert.

Resignation der AdressatInnen ist immer wieder hervorgerufen worden, durch die untrans-parente amtliche im Einzelfall geprüfte Einzugsberechtigung, insofern diese die Form vor dem Inhalt betont und vergleichbare Ausgangslagen unterschiedlich handhabte. Den AdressatInnen entstand der Eindruck, dass sie wegen ihres Interesses an dem lokalpolitisch umstrittenen Wohnprojekt durch behördliche Hinhaltetaktik sanktioniert wurden, wohinge-gen sie als einzelne, anonyme AntragstellerInnen eine angemessene Behandlung durch die Fachstelle der Wohnungsbehörde erfahren hätten können. Für jede einzelne AdressatIn ist spürbar geworden, dass bestimmte soziale und eventuell auch ethnische Gruppen von vor-eiligen behördlichen Zuschreibungen und überhartem amtlichen Vorgehen betroffen sein können und dass sie jeder Zeit einer Hausgemeinschaft als unfähig abgestempelt werden können. Auf der anderen Seite macht der Partizipationsprozess deutlich, dass die Toleranz-schwelle der AdressatInnen, ihre Reflexionsfähigkeit und Solidarbereitschaft gefördert wurden. Eigenschaften, die ansonsten Menschen zugesprochen werden, deren Situation wirtschaftlich und sozial abgesichert ist und die sich postmateriellen Werthaltungen ver-pflichten.

Diesen Zusammenhang veranschaulicht auch die aktive Einmischung von Frauen in die Diskussion der (im Kapitel V.2.2.4. Belegungsverhandlungen „von unten“ – Adressatinnen skandalisieren die Behördliche Belegungspraxis) geschilderten Bürgerversammlung, die sich an alle im Stadtteil Haidhausen lebenden Bevölkerungskreise wandte. Wie auch die

übrigen AdressatInnen des Wohnprojektes, beklagen die beteiligten Frauen den Mangel am Zugang zu Macht und Ressourcen und haben diesen spontan – mit der Gunst der Öffent-lichkeit – eingefordert. Die Frauen erwirkten durch ihr forderndes Auftreten auf politischer Ebene das Interesse am Zustandekommen der Hausgemeinschaft. Die aktive Beteiligung an der geschilderten lokalen Bürgerversammlung zeichnet sich durch drei Elemente aus:

Es wird ein Entwicklungsprozess deutlich, in dem sich Menschen, die von Macht-losigkeit und Demoralisierung betroffen sind, aktiv ein Mehr an Macht, Kraft und Gestaltungsvermögen aneignen.

Eine solche Aktion lebt von der Kraft des Plurals, der spontanen solidarischen Ver-netzung.

Die Aktion produzierte strittige und konflikthafte Prozesse der Delegitimierung im Hinblick auf die bisherige Praxis wohnungsbehördlichen Erteilens der Einzugsbe-rechtigung.

Ausschließlich deutsche Frauen taten diesen Schritt in die Öffentlichkeit, was vermuten lässt, dass zum einen insbesondere Frauen – weil zur Umsichtigkeit und zur Mitsorge für andere sozialisiert – im Zustandekommen sozialer Beziehungen leichter Stärken weiter-entwickeln, die sich als Durchsetzungskraft äußern. Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass in der Gruppe aktive ausländische Frauen und Männer lediglich über den Aufenthalts-status in unterschiedlichen Graden verfügten, oder sie waren als politisch verfolgte Asyl-suchende anerkannt. Sie verhielten sich zurückhaltend in der Öffentlichkeit, auch wenn sie die strukturell ungleiche Teilhabe an der Deutungshoheit ihrer eigenen Situation als von administrativen Instanzen forciert erkannten. Als ausländische ProjektinteressentInnen sorgten sie für die Beachtung ihrer Interessen bei zwei öffentlichkeitswirksamen Kam-pagnen auf einem Marktplatz im Stadtteil. Das Zustandekommen dieser Aktionen durch die AdressatInnen verdeutlicht den reflexiven Gedanken des Partizipationskonzeptes, inso-fern die aktive Aneignung von Gestaltungsvermögen gefördert wird. Selbstbemächtigung und Selbstaneignung im Sinne eines Aufbruchs einerseits; den bisherigen Lebensweg zu wechseln oder zu korrigieren ist damit andererseits gemeint. Beides – je unterschiedlich – haben sich die AdressatInnen angeeignet. Das Beteiligungsverfahren fordert diese Res-sourcen ebenso heraus in Lebensphasen der Demoralisierung und motiviert auch dann eine produktive Lebensregie zu führen.

Die Arbeitsweise der Gruppentreffen zeichnet sich durch weitgehenden Verzicht etablier-ter Methoden der Erwachsenenbildung aus. So wurde nicht, wie bei kommunaler Bürger-beteiligungspraxis sonst üblich, etwa mit Kärtchen und Flip-Chart moderiert. Mit techni-sierten Planungsmoderationen schließt man genau die Bevölkerungsgruppen aus, die er-reicht werden sollen. Das Handlungskonglomerat von Gruppengespräch, Beratung, kreati-ven Aktivitäten und baulicher Selbsthilfe unterscheidet sich von geordneten Bürgerbe-teiligungsprozessen, bei denen mehrstufige dialogische Verfahren systematisch-methodisch in didaktischer Feinplanung aufeinander bezogen werden. Bei solchen Veran-staltungen nehmen politisch erfahrene BürgerInnen Mitsprachemöglichkeiten wahr. Rand-ständige Menschen entziehen sich dieser Art Moderation. Vielmehr gelang es, wesentliche Lebensbereiche durch den Wechsel von formellen und informellen Veranstaltungsformen dauerhaft zu bearbeiten. So hatten die AdressatInnen neben den schon erwähnten institu-tionalisierten Veranstaltungsformen, das Organisieren und Feiern von Festen, Erkundungs-spaziergänge im Stadtteil und dergleichen, weitere erfahrungssättigende Umgangsformen hinzugefügt. Mit ihrem Handlungsimpuls, der dem Alltag vor allem in dessen unstetigen Formen nachgeht, finden sich expressiv-erlebnisbezogene Angebote immer zwischen Ver-trautem und Neuem und beziehen sich auf Erfahrungsfelder, die dem Leben der Adres-satInnen eigen sind. Der Entwurfscharakter von Lebenslage tritt dabei spürbar hervor.

Kreative Prozesse, in denen die eigene Aktivität und Handlung besondere Bedeutung besit-zen, sind tragend für das niedrigschwellige Beteiligungsverfahren. Das Partizipations-konzept nimmt deutliche Anleihen aus der Erlebnis- und Emanzipationspädagogik, indem die Zielgruppen, in ihrer Position der NutzerInnen von Diensten, ihrer Angelegenheiten einzeln oder gemeinsam selbst in die Hand zu nehmen, bestärkt werden1.

Obgleich der erhebliche Teil partizipativer Angebote auf der Basis kommunikativer Bezie-hungsarbeit entwickelt wurde, blieb das Partizipationskonzept nicht auf der Ebene der Selbstthematisierung stehen. Der Wechsel zwischen personenzentrierter biographischer Betroffenheit und sachorientiertem Interesse an den unmittelbaren Sanierungsbaumaßnah-men erleichterte den Versuch der einzelnen AdressatIn, komplizierte Ereignisse schritt-weise in Eigenverantwortung zu bearbeiten. Partizipation ist deshalb nicht allein in den

1 Im engeren Sinne lässt sich der erlebnispädagogische Ansatz rückführen auf Kurt Hahn (1886-1974) und dessen Erlebnistherapie. Paulo Freire hat ab den 40er Jahren in Brasilien die Emanzipationspädagogik entwickelt, die sich an unterprivilegierte Gruppen wendet und auf politisches Bewußtmachen ihrer Lebens-situation zielt. Bürgerbewegungen der westlichen Länder und Ansätze der professionellen Gemeinwesenar-beit haben diese Erfahrungen für die Durchsetzung ihrer Belange genutzt.

Kategorien der Mitentscheidung an den bautechnischen Ausstattungen zu erfassen. Das Partizipationskonzept hat seinen spezifischen Wert in der gelingenderen Mikropolitik des Alltags und benennt das Vermögen der AdressatInnen in der Strukturierung ihrer All-tagsbeziehungen und -organisation. Damit ist partizipative Soziale Arbeit dem Empower-ment verschrieben, das „auf die Stärkung und Erweiterung der Selbstverfügungskräfte des Subjektes zielt; (dabei geht es) um die (Wieder-)Herstellung von Selbstbestimmung über die Umstände des eigenen Alltags“2.

Ein solcher Aneignungsprozess kann nicht von Fachleuten bewirkt, hergestellt oder ver-ordnet werden. Es können aber Erfahrungen durch professionelle Kommunikationsformen bewusst gemacht und das aktive Handeln, wenn auch zunächst am Modell und fachlich begleitet, erprobt werden. Auch wenn der Fokus auf die „Ressourcen-Person“3 ausgerichtet ist, so darf von professioneller Seite nicht versäumt werden, Mangelerfahrungen und das daraus fatalistische und zu Passivität neigende Verhalten mit seinen negativen Folgen zu thematisieren. So verursacht z.B. Erwerbsarbeitslosigkeit nicht allein den Verlust sozialer Beziehungen; oft ist das Verhältnis zu gesellschaftlichen Werten beeinträchtigt. An dieser Stelle kann das Partizipationskonzept auch den über lange Zeit erworbenen negativen Ein-stellungen und Verhaltensweisen Rechnung tragen, indem es ungezählt viele Einzelfakto-ren der Lebenslage in der Konstellation der Gruppenarbeit oder der Beratung einzelner Personen aufgreift.

2 Herriger, Norbert: Empowerment. Annäherung an ein neues Fortschrittsprogramm der Sozialen Ar-beit. In: Neue Praxis Heft 4/1991. S. 222. Und vgl. derselbe: Empowerment in der Sozialen ArAr-beit. Eine Einführung. Stuttgart, Berlin, Köln. 1997. S. 7-18

3 Vgl. Sonntag, Ursula; Keupp, Heiner: Empowerment. Konzepte zur Förderung von Gesundheit. In:

Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis. Heft 4/1992; S. 412-415. Vgl. auch Stark, Wolfgang: Empo-werment. Neue Handlungsperspektiven in der sozialen Praxis. Freiburg i.B. 1996. S. 107 f. Die AutorInnen betonen zwar den ressourcenorientierten Blickwinkel, der es ermögliche, Menschen, Organisationen oder Gemeinschaften an die Gestaltung ihres ökologischen und sozialen Lebensraums heranzuführen. Gleichzeitig benennen sie die Vielfalt persönlicher und sozialer Defizite vor deren Hintergrund Unterstützung geleistet wird.

Die gemeinwesenorientierte Beratung Einzelner hat sich ebenfalls als Empowermentstra-tegie bewährt, indem das Beratungsangebot die Wahrnehmung sozialer Dienstleistungen seitens der AdressatInnen förderte. Das Beratungskonzept selbst verläuft in zirkulären Pha-sen und nach sozialpädagogisch bewährter Dramaturgie: Einschätzung der Situation, Pla-nung der Unterstützung, Intervention, Kontrolle und Bewertung. Die praktische Unterstüt-zung in der Beratung Einzelner hat, analog der sozialen Gruppenarbeit, ihren Mittelpunkt im Lebensalltag der AdressatInnen und kommuniziert jeden Teilschritt mit ihnen. Als problembezogener Ansatz ist dieses Konzept dem Casemanagement nahe, insofern es pro-fessionelle, soziale und persönliche Ressourcen zu verknüpfen versucht.

Dieser Aspekt verlangt nach Multidisziplinarität, indem zuerst ein professionell differen-ziertes Problembewusstsein und die Kooperationsbereitschaft weiterer Einrichtungen oder Fachdienste vorausgesetzt wird. Während der Laufzeit des Wohnprojektes fand dieses allgemein geteilte Verständnis von Professionalität nur ansatzweise Entsprechung. Die Grundlage für die Gestaltung der Hilfen für einzelne AdressatInnen haben die Mitarbeite-rInnen der beteiligten Initiativen bestenfalls in der Weitergabe von Informationen mit-getragen. Im Zusammenhang, vor allem auch mit den raumbezogenen Zugriffsformen auf ein weithin ausdifferenziertes soziales Hilfeangebot, blieb die qualifizierte Entscheidung über geeignete und mögliche Hilfen im Einzelfall der prozessverantwortlichen Mitar-beiterin überlassen. Mit Ausnahme des Arbeitskreises Auländerfragen hatten die übrigen Initiativen keine teamähnlichen Arbeitsformen mit der WOHNFORUM-Mitarbeiterin ent-wickelt. Seitens der am Wohnprojekt beteiligten Fraueninitiativen waren Ansprechpart-nerinnen benannt, die über kein sozialpädagogisches Fachwissen verfügten, womit z.B. die systematisierte Einschätzung eines Beratungszyklus und die darauf folgenden Neuüberle-gungen hätten stattfinden können.

Zusammenfassend:

Es ist sehr zügig gelungen, eine behutsame Suche nach den Stärken der beteiligten Adres-satInnen zu entwickeln. Für diesen Prozess ist die Eröffnung sozialer Problemlagen durch die Betreffenden selbst kennzeichnend; dadurch regulieren diese selbst die Dichte der Pro-blembearbeitung. Diese Beteiligungsperspektive verniedlicht nicht die Abhängigkeiten und die Beschädigungen, die den Einzelnen daraus entstehen können. Was Menschen über sich selbst und über andere in der Problembewältigung lernen, fließt in einen Wissensvorrat ein, der über die aktuelle Situation hinaus objektive und subjektive Bedingungen ihrer

Le-bensverhältnisse bewusst macht. Insofern ist es gelungen, mit Hilfe der Partizipationsan-gebote bewusste Orientierungen der AdressatInnen in Gang zu setzen, über die üblichen Formen sozialarbeiterischen Beistands hinaus.

In erster Linie ist die Wahrnehmung und Rückmeldung durch die Gruppenmitglieder her-vorzuheben und nicht allein die der prozessverantwortlichen Mitarbeiterin. Hierdurch ent-stehen Optionen, Erfahrungen von Angst und Leiden authentisch zum Ausdruck zu brin-gen. Auf diese Weise ist kontinuierlich der Selbstwert der Einzelnen in der Gruppe geför-dert und Entscheidungsautonomie schrittweise erarbeitet worden. Solche Erfahrungen leichtern das Eintreten der einzelnen AdressatIn in den Auseinandersetzungsprozess er-heblich. Es entwachsen daraus dynamische und überraschende Prozesse der Selbster-mächtigung, wie die Infostandaktionen und die aktive Beteiligung an der BürgerInnen-versammlung belegen. Auch ist einzelnen AdressatInnen die Einmündung in die Er-werbsarbeit gelungen.

Es wurde erreicht, Beziehung herzustellen

zwischen dem Einzelnen und ihren/seinen Mitmenschen, in Form nachbarschaftli-cher Unterstützungsnetze;

zwischen den Einzelnen und den kulturellen, politischen, sozialen Institutionen (mitgemeint sind auch Erwerbsarbeitgeber);

zwischen den Einzelnen und der physisch-räumlichen Umwelt.

Abgesehen von der grundlegenden Versorgung mit Gütern, wie Wohnraum und Einkom-men (gegebenenfalls als Transferleistung), wird die Komplexität der Probleme durch die partizipative soziale Arbeit allmählich, an kleinen Erfolgen erkennbar, reduziert. Eine Tat-sache, die hinter den Erwartungen des Trägers weit zurück bleibt und der involvierten Ak-teure nicht gerade entgegenkommt. Wie veranschaulicht wurde, verfolgt das Partizipati-onskonzept die Absicht, Probleme und Fragestellungen mit den Betreffenden weitestgehend gemeinsam, in möglichst niedrigschwelliger Weise zu bewältigen. Gerade weil das Thema „Wohnen“ durch die Beteiligung am Planen und Bauen konkret wird, lie-fert es auch Initialzündungen, die die Beteiligten in die Situation versetzen, an überschau-baren erfolgversprechenden Fragen zu arbeiten, um sich dann auch an tiefgreifendere

Pro-bleme heranzutasten. Die personenbezogenen Sichtweisen werden dabei überschritten, insofern der Sozialraum ebenso gefragt ist. Das Konzept zeichnet sich aus, als ein Ver-bundsystem unterschiedlicher Hilfeangebote, unterschiedlich in Bezug auf Problemlagen der AdressatInnengruppen und der Beratung mit offenen Zugängen.

Mit Hans Thiersch kann diese Art lebensweltorientierte pädagogische Intervention be-schrieben werden, als die Gewährung von Unterstützung und Anregung in Bezug „auf die Gestaltung von Situationen, Gelegenheiten und Räumen als Hilfe zur Selbsthilfe“4. Ge-meint ist strukturiertes Lernen des Umgangs mit Gefahren und Risiken der Lebenswelt und beinhaltet zugleich Aneignungschancen von Lebenswirklichkeit aufzugreifen. Sozial-pädagogische Interventionen sollen somit ihren „Ausgang nehmen in den gegebenen Strukturen, Verständnis- und Handlungsmustern“5. Thierschs Anspruch an pädagogische Unterstützungen und Anregungen reichen weiter, wenn er fordert, dass diese „ die indivi-duellen, sozialen und politischen Ressourcen so stabilisieren, stärken und wecken, dass Menschen sich in ihnen arrangieren, ja vielleicht Möglichkeiten finden, Geborgenheit, Kreativität, Sinn und Selbstbestimmung zu erfahren“6. Mit Geborgenheit geht es um Ver-trauen, sich aufgehoben fühlen. Dann um Kreativität, um die Fähigkeit neues zu schaffen oder zumindestens Vorhandenes neu zu kombinieren. Darüber hinaus: Sinn erfahren, Her-ausforderungen suchen, finden, bestehen; Aufgegebenes in Gegebenem erkennen und an-gesichts eigener Fähigkeiten und Kräfte daran wachsen. Dies alles ist nicht an vordefinierte Effektivitätsmassstäbe zu koppeln und zu gestalten in Form einer zweieinhalbjährigen prozessorientierten Begleitphase, die den zeitlichen Ablaufstrukturen der Bauorganisation unterworfen ist. Thierschs Begriff der Lebensweltorientierung steht nicht ausschließlich für die Bewältigung von Lebensverhältnissen, sondern letztlich für das produktive Span-nungsverhältnis von Gegebenem und Möglichem und weist über die unmittelbaren Erfah-rungen hinaus. Gegebene Verhältnisse müssen auf die in ihnen noch ruhenden Potentiale eines „gelingenderen Alltags“ bezogen werden: „Eines nämlich ist es, von gegebenen Ver-hältnissen menschlich, also als Subjekte ihres Lebens mit der Erfahrung von (...) Produkti-vität und Selbstzuständigkeit leben können“7. Micha Brumlik resümiert Thierschs Le-bensweltorientierung als die Utopie des geglückten Alltags. Es geht darum, Potentiale, die

4 Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Weinheim und München. 1992. S. 23

5 ebenda: S. 23

6 ebenda: S. 27

7 ebenda: S. 27

in gegenwärtigen Situationen stecken, nicht den vielfältigen Zwängen der Wirklichkeit zu opfern, sondern sie auszuschöpfen - sowohl Möglichkeiten in den Individuen selbst, als auch solche in den Strukturen. Lebensweltorientierung hält am Recht im Alltag eines Jeden auf Verständnis und Hilfe im Zeichen gerechter Verhältnisse fest und professionstheore-tisch gesehen, an den Fragen pädagogischen Handelns, im Sinne der Entwicklung und Ge-staltung sozialer Beziehungen8.

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