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Aspekte der Handlungs- und Praxisforschung hinsichtlich der forschungspoli- forschungspoli-tischen Einordnung des lokalen Partizipationskonzeptes

III. Handlungsforschung als Bezugspunkt des Partizipationsauftrages im Rahmen des Programms Armut III

1. Aspekte der Handlungs- und Praxisforschung hinsichtlich der forschungspoli- forschungspoli-tischen Einordnung des lokalen Partizipationskonzeptes

Als pädagogisches Konzept rekurriert der Partizipationsprozess auf die Lebensweltanalyse, in der über die Erfassung sozialer Deutungsmuster der Zusammenhang mit den allgemei-nen gesellschaftlichen Orientierungen hergestellt werden soll. Gesellschaftliche Strukturen sollen somit nicht allein in ihrer Verselbständigung – als objektive Lebens- und Hand-lungsbedingungen – erfasst werden, sondern in den Dimensionen sozio-ökonomischer Be-dingungen alltäglicher Interaktion und Reflexion. Methodisches Kernstück ist der „praxis-gebundene Diskurs“ der WOHNFORUM-Teammitglieder bzw. die „praktisch-kommuni-kative Validierung“ der am Prozess Beteiligten8, geht es doch in erster Linie um das Ver-stehen kausaler Zusammenhänge, nicht um kausale Erklärungen. Damit ist der Wert der offenen Auseinandersetzung angesprochen, der sich von dem, im Rahmen von Handlungs-forschungsprojekten der 70er Jahre, vielfach bemühten Habermasschen transzendentalen Diskursbegriff abgrenzt. In seinen neueren Überlegungen zur Handlungsforschung mahnt Heinz Moser an, dass der Habermassche Diskursbegriff an die „ideale Sprechsituation“

geknüpft sei und nicht als beliebig organisierbares Arbeitsarrangement missverstanden werden dürfe, das quasi als dialektisches Element in gruppendynamischen Prozessen aus dem Hut gezaubert werden könne. Moser kritisiert vor allem die beliebige Anwendung des Habermasschen Diskurskonzeptes, das als problematisiertes Einverständnis bzw. als dis-kursive Verständigung eingeführt worden war und nicht als Handlungsanweisung, womit Praxisforschungsprozesse zu konzeptualisieren seien9.

Maja Heiner hat mit den von ihr wesentlich mitentwickelten Prinzipien der

8 Heinze, Thomas: Qualitative Sozialforschung. Erfahrungen, Probleme und Perspektiven. Opladen.

1995. S.44 und ff.

9 Vgl. Moser, Heinz: Grundlagen der Praxisforschung. Freiburg i.B. 1995. S. 36-48

schung Instrumentarien zusammengetragen, die sich eignen, komplexe Tatbestände aufzu-hellen und eine aufklärende Situationsdeutung ermöglichen, insofern sie das Selbstver-ständnis der PraktikerInnen betreffen und sie im Handeln orientieren. Die durchaus unter-schiedlichen Erwartungen konstituieren gleichzeitig ein prekäres Spannungsfeld: einerseits hat sich Praxisforschung durch wissenschaftliche Dignität und durch die Nützlichkeit für die Praxis auszuweisen, wobei die Nützlichkeit im konkreten Fall unterschiedlich beurteilt werden dürfte. Andererseits muss sie Problemlösungskompetenzen vorweisen, bei gleich-zeitig abverlangter politischer Enthaltsamkeit10. Während der Praxisbezug mit seinen wi-dersprüchlichen Implikationen bereits aus der Handlungsforschung der 70er Jahre bekannt ist, scheint das Zugeständnis politischer Abstinenz eine Legitimationsstrategie zu sein, überhaupt in der (eigenen) Praxis forschen zu können. Das schließt nicht aus, negative Be-funde durch die beteiligten Praxisforschenden zu positionieren, geht es doch auch darum, organisatorisch-administrative und sozio-politische Bedingungen zu benennen, unter denen Veränderungen herbeigeführt werden sollen.

Im Hinblick auf die Praxis des Wohnprojektes Orleansstraße 65a verdeutlichen die Impli-kate der Handlungs- und Praxisforschung den hohen Stellenwert einer Synthese von theo-retischer Reflexion und praktischem Handeln. Das schrittweise Vorgehen anhand von er-reichbaren Teilzielen erzwingt eine ständige Neubearbeitung von Zielen und Strategien.

Diese Vorgehensweise der „kleinen Schritte“ wirft dann Schwierigkeiten auf, wenn bei der Bearbeitung von Teilproblemen ein unkoordiniertes dilettantisches Vorgehen eingeschla-gen, und die Möglichkeit des Auftretens völlig neuer Gesichtspunkte, die eine Neudefiniti-on vNeudefiniti-on Problemen und Zielen nahe legen, außer Acht gelassen wird.

Nach der Phase programmatischer Entwicklungen der vielfältigen Erwartungen an Mo-dellprojekte im Bereich Sozialer Arbeit und der Praxisforschung stellt sich, so Hans Thiersch u.a., seit den 80er Jahren eine neue Phase der Reflexion auf Forschungsfragen, -methoden und Theoriekonzepte ein11. Der Autor fragt nach den Forschungsaufgaben die sich mit dem Konzept der Lebensweltorientierung für die Soziale Arbeit bedingen. Als ein Hauptvertreter dieser Richtung intendiert er mit dem Lebensweltbegriff nicht allein die

10 Vgl. Heiner, Maja: Qualitätsentwicklung durch Evaluation. Freiburg i.B. 1996. S. 20-47

11 Vgl. Thiersch, Hans: Lebensweltorientierte Soziale Arbeit und Forschung. In: Rauschenbach, Tho-mas; Thole, Werner (Hrsg.): Sozialpädagogische Forschung. Gegenstand und Funktion, Bereiche und Me-thoden. Weinheim und München. 1998. S. 81

vordergründige Orientierung an der Lebenswelt der AdressatInnen, sondern er wirft auch die Frage auf, wie Institutionen oder Programme Sozialer Arbeit sich als spezifische Le-benswelt ausgestalten und hierdurch Teil der LeLe-benswelt der AdressatInnen sind12. Ansichts der zunehmend rational bestimmten, arbeitsteilig organisierten (systemischen) ge-sellschaftlichen Strukturen gewönne die Frage nach den Erfahrungs-, Handlungs- und Deutungsmustern im Alltag an Bedeutung: mit der Pluralisierung von Lebenslagen und der Individualisierung von Lebensmustern, würden die alltäglichen Erfahrungen, die Zumu-tungen für Personengruppen und Einzelne anstrengend, sich in ihrem Leben zu behaupten und sich mit den Verhältnissen zu arrangieren. Lebensbewältigung beschreibt Thiersch daher als eigene, fordernde, okkupierende Aufgabe, insofern der Alltag an sich Arbeit be-deute13.

Lebenswelt beinhaltet neben beschreibenden auch normative Komponenten. In der Kriti-schen Theorie wird Lebenswelt immer im Widerstreit zwiKriti-schen gegebenen Verhältnissen, Machtspielen und Anpassungszwängen gesehen. Lösungsmöglichkeiten die zum Arran-gement die gegebenen Verhältnisse nötigen, sind mit den Prinzipien der Anerkennung und Selbstgestaltung in den eigenen Verhältnissen ausgewiesen14. So bezieht sich Habermas’

Lebensweltbegriff auf formale Bedingungen der Intersubjektivität sprachlicher Verständi-gung wenn er sagt: „Rationalität hat weniger mit Erkenntnis und dem Erwerb von Wissen als damit zu tun, wie sprach- und handlungsfähige Subjekte Wissen verwenden“15. Es kommt ihm auf den Nachweis einer immanenten und allgemeinen Rationalität der Le-bensweltstrukturen an, wobei er das kommunikationstheoretische Lebensweltkonzept in seiner sinnkonstituierenden Bedeutung als „Korrelat von Verständigungsprozesses“16 ein-führt. Lebenswelt einer (soziologischen) Analyse zugänglich zu machen wird möglich, wenn die Lebenswelt als Verweisungszusammenhang verstanden wird. Im Unterschied zur phänomenologisch ansetzenden Konzeption des einzelnen erlebenden Subjekts tritt der als

12 derselbe: S. 84

13 derselbe: S. 88

14 Vgl. Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns. Bd. 2; Zur Kritik der funktionali-stischen Vernunft. Frankfurt/M. 1987 (zuerst 1981). S. 522 f.

15 derselbe: a.a.O. Bd. 1; Handlungsrationalität und gesellschaftliche Rationalisierung. S. 25

16 derselbe: a.a.O. Bd. 1; S.107

konstitutiv sprachlich klassifizierte Bezugspunkt in den Vordergrund, der als intersubjektiv generiert angesehen wird.

Alltag und Lebenswelt werden in der Sozialen Arbeit als Grundlage und Ergebnis von Er-lebnissen, Handlungen und Kommunikationen betrachtet. Die Strukturen der Lebenswelt sind biographisch, sozial und kulturell bedingt. Mitbestimmend für die jeweiligen Rele-vanzsysteme der Lebenswelt sind die individuellen Strukturen des Wissensvorrates, die sozialen Einrichtungen, Sitten und Gebräuche u.a.m. Als Querschnittthematik weist das Konzept auf die neue Brisanz der Bewältigung des diffiziler gewordenen Alltags unserer Zeit hin. Dies ruft nicht nur Kritik am gewachsenen System sozialer Dienstleistungen, sondern bringt auch Entwürfe neuer Konzepte partizipativer Interventionen hervor. Das Beteiligungsverfahren mit von Armut betroffenen Menschen ist ein solches Programm, das vor allem auch das Ineinandergreifen der Lebenswelt der AdressatInnen und der des insti-tutionalisierten Gruppenprozesses ermöglichen soll, wie später zu sehen sein wird.

Thiersch setzt den Begriff Lebenswelt als Schnittstelle des Objektiven und Subjektiven – als Ort, an dem objektive strukturelle Vorgaben subjektiv bearbeitet werden. Demnach besteht die Forschungsaufgabe in der Klärung von Bewältigumgsmustern der Randstän-digkeitserfahrung. Wie aus den Ansätzen der Handlungsforschung bekannt, gleicht auch hier Forschung einem Suchprozess mit seinen Strategien von Entwurf und Korrektur.

Thiersch befindet, dass eine auf Vertrauen und Kommunikation basierende Forschung be-fangen bleibt in der Subjektivität der Forschenden, dass sie aber in den Verfahren von Vergleich, Distanzierung und Prüfung „objektiviert“ werden kann bzw. muss. Er proble-matisiert den Umgang mit der Subjektivität, dort wo Forschende an den zu erforschenden Lebensverhältnissen teilnehmen. Diesen Vorwurf hatte sich die Handlungs- bzw. Aktions-forschung der 70er Jahre eingetragen. Die notwendige Trennung von Forschung und er-forschtem Gegenstand war nicht realisiert worden, insofern Forschende als Personen in die Erfahrungsdarstellungs- und Auseinandersetzungszwänge des Forschungsfeldes einbezo-gen waren. In der Projektarbeit, die ihren Entwicklungsaufgaben mit begleitender For-schung gerecht werden will, wird dies zum Problem, wenn ForFor-schung ausschließlich in der gemeinsamen Aktion mit den AdressatInnen Sozialer Arbeit den Gegenstand der For-schungsarbeit entwickelt. Im Unterschied dazu ist Forschung in Entwicklungsprojekten im Kontext einer sich verwissenschaftlichenden sozialen Praxis zunehmend als integraler Be-standteil professionellen Handelns bestimmt.

Mit der hier angestrebten Untersuchung steht das Verhältnis der Lebenswelt der Adressat-Innen des Wohnprojektes und des pädagogisch inszenierten und inzwischen abgeschlosse-nen Partizipationsprozesses im Vordergrund. Primär geht es darum, die Bedeutung partizi-pativer Sozialer Arbeit in ihren Gelegenheiten aufzuzeigen, die pädagogisch genützt und verfehlt werden können. Die Leistungsfähigkeit dieses Konzeptes besteht insbesondere in der Mitwirkung der AdressatInnen bei der Entwicklung von Unterstützungsressourcen, d.h.

der Versorgung mit Dienstleistung an deren Herstellung sie selbst beteiligt sind. Ein Unter-suchungskonzept mit dem diese Form prozessorientierter Sozialer Arbeit bewertet werden kann, ist in den Methoden der summativen Evaluation gegeben; es wird im folgenden Ka-pitel vorgestellt.

IV. Methoden der Bewertung des Partizipationsprozesses durch die summative

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