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A) Soziale Gruppenarbeit und B) Gemeinwesenorientierte Beratung

1. Aufbau und Inhalte des Tätigkeitsfeldes: Entwicklung des Partizipations- Partizipations-prozesses

Gruppenarbeit mit BewohnerInnen beschränkt sich nicht darauf, nach gruppenpädagogi-schem Setting im Stuhlkreis zu sitzen und mit didaktischen Mitteln elaborierte Verhaltens-regeln und Umgangsformen einzuüben. Als partizipative Soziale Arbeit bedeuten Grup-penarbeit hier vor allem die Attribute Beziehungsfähigkeit, Kompetenz, Selbstwertgefühl und Selbststeuerung als erwünschte Erfolge in der Auseinandersetzung mit den Erforder-nissen der Umwelt wiederherzustellen oder zu verstärken. So werden auch solche sozial-politischen Ereignisse beschrieben, die unmittelbar die Belange der zukünftigen Bewohne-rInnen berühren oder in die sie direkt involviert waren. Es sind Ereignisse, wie z.B. die Teilnahme der BewohnerInnen an öffentlichen wohnungspolitischen Veranstaltungen. Das Verständnis von Gruppenarbeit in einem gemeinwesenorientierten Projekt berücksichtigt gerade solche Ereignisse mit und lässt deshalb nicht zwangsläufig die Einzigartigkeit der Personen in ihrer Person-Umwelt-Beziehung außer Acht.

Auf ein Konzept im Sinne fertiger Überlegungen, die eine detailliert beschriebene Hand-lungsorientierung beinhalten, konnte mit Beginn des Partizipationsprozesses nicht zurück-gegriffen werden. Es liegt in der Natur prozesshaften Arbeitens, Verfahrensvorschläge bis hin zu inhaltlichen Aussagen über Ziele und Angebote erst dann erbringen zu können, wenn die Abläufe Gestalt annehmen und zum Vorschein kommen. So stand im Vorfeld des Kontaktes mit den zukünftigen BewohnerInnen fest, dass die postu lierten Ziele der Betei-ligung auf dem Wege Sozialer Gruppenarbeit erreicht werden sollen. Unklar blieb jedoch zu Projektbeginn, ob Betroffenenpartizipation sich auf die programmatische Formel „Be-teiligung am Planen und Bauen“ im engeren Sinne beschränken und mithin dem Auftrag einer nachhaltigen und kostengünstigen Wohnraumversorgung genügen sollte, oder ob

gleichzeitig die Suche nach neuen Bewältigungsformen der AdressatInnen adäquate In-halte des Armutsbekämpfungsprogramms sein können. Indes zeigte sich bereits nach eini-gen Gruppenveranstaltuneini-gen, dass sich Vorstelluneini-gen und Wünsche der AdressatInnen nicht auf das Informiertwerden über den Sanierungsverlauf und die später vorgesehenen Selbsthilfeaktionen im Innenausbau und der Freiflächengestaltung reduzieren lassen. Die Soziale Gruppenarbeit und das gemeinwesenorientierten Beratungsangebot sind als In-strumente in einem Sanierungsverfahren zu sehen, womit die hinzugekommene neue Dienstleistung „Soziale Baubetreuung“ inhaltlich umgesetzt wurde. Dem Bestreben nach folgten die Partizipationsmöglichkeiten einem lebensweltorientierten Ansatz, der vor allem den Deprivationserfahrungen der AdressatInnen entgegenwirken sollte und nur im engen Kontakt mit ihnen zu entwickeln war.

Einige Leitgedanken, die von den ProjektinitiatorInnen in der Phase der Vorüberlegungen bereits formuliert worden waren, gaben dem Partizipationsangebot eine allgemeine Orien-tierung. Der augenfälligste Anspruch der dort bekundet wird, lautet: „Es soll eine tragfähi-ge Haustragfähi-gemeinschaft tragfähi-gebildet werden. Den Miethaushalten sollen langfristig Hausver-waltungsaufgaben sowie die Nutzung von Seitengebäuden in Eigenregie übertragen wer-den“1. Dieses Ziel beinhaltet eher eine programmatische Orientierung, die in ihrer Ab-straktheit konsensuelle Übereinstimmung fand. Als Grundsatzidee erfüllte sie eine für die Ausgestaltung des Partizipationsprozesses richtungsweisende Funktion, womit Inhalte und Qualität jeweiliger einzelner Maßnahmen und Aktionen jedoch nicht ausreichend benannt sind. Die Angebote mit denen partizipative Prozesse gestaltet werden, sind auf Konsens mit den Beteiligten ausgerichtet. In der oben zitierten Broschüre heißt es weiter: „Neben der Wohnraumversorgung soll Soziale Baubetreuung durch Partizipationsangebote vor allem das Aufbrechen einseitig reaktiver Abhängigkeiten bewirken“2. Dieser Anspruch be-gründet im Kern materielle Versorgung und verbindet sie mit emanzipatorischen Angebo-ten, die als solche Persönlichkeitsentwicklung reklamieren.

1 WOHNFORUM München gGmbH: Konzeptionelle Rahmenbedingungen des Wohnprojektes Orle-ansstraße 65a. Broschüre, München. 1993. S.10. In der Alltagspraxis folgte das Partizipationsangebot dem Subsidiaritätsprinzip, das die gesellschaftliche Angewiesenheit, die gegenseitige Abhängigkeit und die Bin-dung aller an die Gesellschaft berücksichtigt. Der einzelne Mensch mit seinem individuellen Lebensentwurf hat dabei seine Würde, um derentwillen ihm eine möglichst weitgehende Entfaltung der Persönlichkeit gesi-chert werden muss. Vgl. dazu auch: Giese, D.; Kramer, U. (Hrsg.): Sozialgesetzbuch. Allgemeiner Teil und Verfahrensrecht SGB I und X. Kommentar. Köln, Berlin, Bonn, München. 1992

2 WOHNFORUM München gGmbH a.a.O. S.12

Einem weiteren konzeptionell neuen Grundsatz wird in der Zusammensetzung der Mitglie-der des Baubetreuungsteams über die Laufzeit des Modellprojektes durchgängig entspro-chen. So bestanden seit Anfang der Sanierungsmaßnahme drei Bereiche die in diesem Team, bezogen auf das Objekt Orleansstraße 65a, miteinander kooperierten: der bautech-nisch-architektonische, der finanztechnische und zusätzlich der soziale Baubetreu-ungsbereich. Wie in diesem Kapitel zu sehen sein wird, haben sich im Bereich der Sozia-len Baubetreuung, die Aufgabenfelder wesentlich ausdifferenzierter entwickelt, als zu-nächst vom Baubetreuungsteam, also auch von der partizipationsprozessverantwortlichen Mitarbeiterin, angenommen wurde. Sehr rasch rückten mit den vielschichtigen Entwick-lungen Beteiligungsoptionen auf mehreren Ebenen ins sozialpädagogische Blickfeld. Es wurde erkennbar, dass es nicht ausschließlich um die Beteiligung an bau- und hausver-waltungsbezogenen Aufgaben gehen kann, sondern um maßgebliche akute wie auch zu-rückliegende Ereignisse im Lebenszusammenhang der AdressatInnen. Die aktuelle Ver-sorgungssituation einzelner Beteiligter, ihre Alltagsnöte und die Struktur sozialer Bezie-hungen waren die originären Felder, die zur Bearbeitung herausforderten.

Die Arbeitssituation des Bereiches Soziale Baubetreuung gestaltete sich bis zum Abschluss des Wohnprojektes Orleansstraße 65a immer auch als eine Experimentalphase, die von Versuch und Irrtum gekennzeichnet und daher von außenstehenden Akteuren leicht zu desavouieren war. Die wirklich neuen Aufgabenstellungen, wie z.B. die Frage nach dem Zusammenhang vom Zuschnitt der Wohnungen und den Entwicklungsmöglichkeiten der darin lebenden Personen, verblieben auch daher in ihrem inoffiziellen Dasein und ge-langten lediglich exemplarisch in den fachlichen Diskurs. Gleichzeitig nahm Soziale Bau-betreuung mit den ihr zugewachsenen Aufgaben an Intensität zu und zog enormen Auf-wand nach sich, der organisatorisch eine Herausforderung darstellte.

Die nachfolgende Grafik veranschaulicht jene konzeptionell fixierten Arbeitsbereiche des Baubetreuungsteams, die sich auf den Kontakt mit den AdressatInnen beziehen. Weitere Aufgaben der Baubetreuungsteammitglieder, so z.B. die Regelung finanztechnischer An-gelegenheiten oder wohnungspolitische Fachtagungen und ExpertInnenrunden sowie die architektonische Planung und Baubetreuung werden hierin nicht dargestellt.

Aufgabenteilung des Baubetreuungsteams zu Beginn des Wohnprojekts Orleansstraße 65a in München-Haidhausen

bautechnische Aufgaben (Dipl. Ing. ArchitektIn)

Konkretion der Aufgaben des interdisziplinären Baubetreuungsteams, die im Kontakt mit den AdressatInnen bearbeitet wurden.

soziale Aufgaben (Dipl. Sozialpäd. FH/Dipl. Päd.)

Informieren der AdressatInnen über:

• Wohnungszuschnitte/

Raumnutzungsoptionen

• Ausstattungsvarianten der Wohnungen und Stiegenhäuser

• Umgestaltungsmöglichkeiten des Seitengebäudes zum Gemeinschaftsraum

• Gestaltung der Hoffläche

• Optionen baulicher Selbsthilfe

finanztechnische Aufgaben (Dipl. Kauffrau/-mann, Dipl. SoziologIn)

Informieren der AdressatInnen über:

• Mietvertrag und Bestandteile der Miete

• finanzielle Ressourcen zu Innenausbaustandards,

Hofflächen- und Gemeinschaftsraumgestaltung.

• Erarbeiten eines sozialverträglichen Belegungskonzeptes

• ressourcenorientiertes Bearbeiten der Problemlagen der AdressatInnen mit ihnen

und den involvierten sozialen Diensten

• Stärken sozialer Kompetenzen hin-sichtlich aktiver Alltagsgestaltung

• Erstellen des baulichen Selbsthilfe-konzeptes und umsetzen desselben mit den

BewohnerInnen

Es dürfte verwundern, die Sparte bauliche Selbsthilfe als Fachgebiet der sozialen Baube-treuung vorzufinden, wo es doch um einen bauhandwerklichen Leistungsbereich geht.

Unter baulicher Selbsthilfe ist hier im Wesentlichen die Organisation der handwerklichen Anleitung und die Klärung der Motivation zukünftiger BewohnerInnen zu verstehen, wo-durch die Aufgabe nicht selbstverständlich zur Angelegenheit Sozialer Baubetreuung wird.

Im Gegen teil: eine wirkungsvolle Planung handwerklicher Tätigkeiten mit BewohnerInnen setzt in erster Linie baufachliche Kenntnisse voraus. Nur dann kann es gelingen, Arbeiten im Innenausbau in Art und Umfang sowie hinsichtlich benötigter Werkzeuge und Utensili-en, realistisch zu projektieren. Wird die handwerkliche Schaffenskraft zukünftiger Bewoh-nerInnen fehleingeschätzt, kann dies dem Erfolg des Partizipationsprozesses sehr abträg-lich sein. Diese Gefahr besteht schon deshalb, weil handwerkabträg-liche Arbeit viele Fru-strationsquellen in sich birgt und Motivation leicht zunichte gemacht werden kann. Des-halb spricht einiges dafür, die Umsetzung baulicher Bewohnerselbsthilfe dem fachlichen Verantwortungsbereich der Architektur zu belassen und die Klärung motivationaler Fragen interdisziplinär zu bearbeiten.

Die Grafik visualisiert die idealisierte Form der Aufgabenteilung der drei Disziplinen des Baubetreuungsteams im Hinblick auf den Kontakt zu den BewohnerInnen. Es wird au-ßerdem sichtbar, dass Soziale Baubetreuung am Anfang des Partizipationsprozesses auf konventionelle Bestände der Arbeitsweisen Sozialer Arbeit zurückgreift. Die Vokabel

„Problembearbeitung“ kann vieles beinhalten: konservativ versorgende Arbeitsweisen ebenso wie die Motivation zur selbstbestimmten Lebensorganisation. Außerdem ist offen gehalten, inwieweit AdressatInnen sowohl an der Organisation als auch an den Handlungs-vollzügen sozialer methodischer Praxis partizipieren. Die Zuordnungen der Arbeitsschwer-punkte im Be reich Soziale Baubetreuung sind daher auch als Warntafel zu lesen, die dazu verleiten kann, Betroffenenbeteiligung eher vordergründig zu veranstalten, um benachtei-ligten Menschen in begrenzter Zeit das Gefühl des Ernstgenommenwerdens zu vermitteln.

Soziale Baubetreuung war im Wohnprojekt Orleansstraße 65a ein, den Bereichen Archi-tektur und Finanzen untergeordneter Aufgabenbereich3. Vorwiegend sollte Soziale

3 Dem entspricht auch die unterschiedliche Bezahlung der Berufsgruppen des Baubetreuungsteams.

So wurde der Bereich Architektur unabhängig vom universitären bzw. Fachhochschul-Diplom der/des be-auftragten MitarbeiterIn gleichermaßen nach der Honorarordnung für ArchitektInnen und IngenieurInnen (HOAI) entgolten; die Art des Hochschulabschlusses spielte keine Rolle. Anders bei der Stelle der Sozialen Baubetreuung. Diese wurde bekleidet von einer doppelt qualifizierten Fachkraft, mit FH und universitärem Diplom. Hier wurde zunächst die Gehaltsstufe BAT III angesetzt, die noch während der Startphase des

treuung dazu beitragen, die AdressatInnen zu handwerkenden SelbsthelferInnen zu moti-vieren und deren Probleme sozialtechnisch zu reduzieren, damit diese Zielgruppen als taugliche MieterInnen unter Vertrag genommen werden können.

Angesichts der komplexen Verhältnisse impliziert Soziale Baubetreuung jedoch ein res-sourcenorientiertes, auf Autonomiegewinn der Betroffenen gerichtetes sozialpädagogi-sches Verständnis. Erforderlich ist, dass Mittel und Wege so konzipiert werden, dass die AdressatInnen Form und Inhalt der Angebote soweit wie möglich mitgestalten und da-durch an ihre realen Bedürfnisse anpassen können. Nur so wird der tatsächliche Nutzen für sie erkennbar und zu einem entscheidenden Erfolgskriterium. Daran macht sich eine für die Betroffenenpartizipation typische prozesshafte Arbeitsweise fest, nämlich das Betei-ligtsein der AdressatInnen an den Inhalten des Prozesses als auch an der Art und Weise des Bearbeitens von Fragestellungen. Wie dies gelingen kann, wird anhand der nun fortge-führten Deskription veranschaulicht.

Projektes auf BAT IVa rückgestuft wurde, weil die Kommune alle Personalkosten zu 15% bezuschusste und dies im neuen Bereich Soziale Baubetreuung nur auf der Basis von BAT IVa zu tun bereit war. Die/der Stel-leninhaberIn des Arbeitsgebietes Finanztechnische Aufgaben wurde unabhängig von FH- oder Universitäts-abschluss nach BAT IIa bezahlt. Hier erhob die Kommune keine Einwände. Wahrscheinlich, weil es um die Verantwortung größerer Finanzvolumen ging, die gegenüber Sozialer Arbeit – ob gerechtfertigt oder nicht – höher bewertet wird.

2. A) Soziale Gruppenarbeit: Ausgangssituation und konzeptionelle Zielrichtung

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