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Subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum

Seit 2014 sind dschihadistisch motivierte terroristische Anschläge in Europa zur Realität geworden (Neue Zürcher Zeitung 2018a). Während in Europa 2014 zwei und 2015 fünf terroristische Anschläge verübt wurden, wurden 2016 zehn Anschläge verzeichnet. 2017 zeichnete sich ein Rückgang ab: Es wurden noch sieben verübte Anschläge registriert (Spiegel Online 2017). Seit 2016 wird regelmässig das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum aufgrund der fünf 2015 verübten terroristischen Anschläge in Europa erhoben. Den Befragten dürften bei der Datenerhebung der Studie «Sicherheit 2017»

im Januar 2017 sowohl die terroristischen Anschläge vom 22. März 2016 am Brüsseler Flughafen und in der Brüsseler Innenstadt als auch der Anschlag auf den Berliner Weih-nachtsmarkt am 19. Dezember 2016 aufgrund ihrer räumlichen und zeitlichen Nähe zur Schweiz präsent gewesen sein. Das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum sank 2017 (79%, –2 Pp) gegenüber 2016 (81%) leicht, aber statistisch signifikant. Das im Jahr 2018 wieder leicht, aber statistisch signifikant gestiegene Sicherheitsempfinden (83%, +2 Pp) kann auf die gesunkene Anzahl Anschläge, die grösser gewordenen zeitlichen und räumlichen Distanzen zur Schweiz, und auf einen «Gewöhnungseffekt» (Welt 2018), dass terroristische Anschläge auch in Europa Realität sind, zurückgeführt werden (Ferst &

Szvircsev Tresch 2018, 3ff.). Im Jahr 2018 wurden in Europa insgesamt drei terroristische Anschläge verübt. Dabei fanden alle drei Anschläge in Frankreich statt, nämlich in den Städten Cargassonne (28. März 2018), Paris (12. Mai 2018) und in Strassburg (11. Dezember 2018) (Neue Zürcher Zeitung 2018b). Der Rückgang terroristischer Anschläge in Europa und der damit verbundene «Gewöhnungseffekt» (Welt 2018) können unter Umständen erklären, dass das Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum 2019 nicht gesunken ist.

Dies, obwohl der Anschlag vom 11. Dezember 2018 in Strassburg eine räumliche und zeitliche Nähe zur Schweiz und zum Erhebungszeitraum der Studie «Sicherheit 2019»

im Januar 2019 aufweist (Szvircsev Tresch et al. 2019, 89). Auch im Jahr 2019 waren ter-roristische Anschläge in Europa rückläufig. So wurden in Frankreich am 24. Mai 2019 in

Sicherheit 2020

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Lyon (Reuters, 2019) und am 03. Oktober 2019 in Paris (Kormann, 2019) insgesamt zwei terroristische Anschläge in Europa verübt. Unter Umständen haben die rückläufigen ter-roristischen Anschläge in Europa und der damit verbundene «Gewöhnungseffekt» (Welt 2018) dazu geführt, dass sich auch 2020 das Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum nicht verändert hat. Anhand der Daten kann dies allerdings nicht überprüft werden.

Gegenüber 2019 bleibt das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum unverändert hoch (siehe Abbildung 4.3). Aktuell fühlen sich 84% (+1 Pp) der Schweizer*innen im öffentlichen Raum sicher. 23% (+2 Pp) fühlen sich «sehr» und 61%

(–1 Pp) «eher» sicher. Insgesamt geben 15% (–1 Pp) der Befragten an, sich im öffentlichen Raum unsicher zu fühlen (13%, –2 Pp «eher» und 2%, +1 Pp «sehr» unsicher). Seit 2016 liegt der Anteil an Personen, die angeben nie an öffentlichen Orten zu sein, an welchen viele Menschen sind, konstant bei 1% (±0 Pp).

Abbildung 4.3

Subjektives Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum

Si/398/20

sehr sicher eher sicher

eher unsicher ganz unsicher

Ich bin nie an öffentlichen Orten, wo es viele Leute hat.

weiss nicht / keine Antwort

«Wie sicher fühlen Sie sich an öffentlichen Orten, wo es viele Leute hat, zum Beispiel an Sportanlässen, Konzerten und Bahnhöfen?»

Soziodemografische Einflüsse: Das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum wird wie auch das allgemeine Sicherheitsempfinden und die Kriminalitätsfurcht nicht nur durch objektive Gefahren und Bedrohungen, sondern auch durch soziodemo-grafische Faktoren beeinflusst.

Ab 60-Jährige (77%) fühlen sich im öffentlichen Raum signifikant unsicherer als 30 – 59-jährige (86%) und 18 – 29-jährige Schweizer*innen (88%; γ=–0.23). Personen mit hoher Bildung fühlen sich im öffentlichen Raum signifikant sicherer als Befragte mit mittlerer und tiefer Bildung (tief: 81%, mittel: 80%, hoch: 87%; γ=0.18). Im öffentlichen Raum ist das subjektive Sicherempfinden der Männer überdurchschnittlich und signifikant grösser als jenes der Frauen (Männer: 88%, Frauen: 78%; CC=0.17). Schweizer*innen mit tiefem Einkommen geben signifikant häufiger an, sich im öffentlichen Raum unsicherer

zu fühlen als Befragte der mittleren und hohen Einkommensklasse (tief: 81%, mittel: 86%, hoch: 90%; γ=0.16). Politisch links eingestellte Schweizer*innen haben im öffentlichen Raum ein signifikant grösseres Sicherheitsgefühl als politisch rechts Eingestellte (links: 86%, Mitte: 86%, rechts: 80%; γ=0.14). Schweizer*innen, die angeben «eher städtisch» zu leben, fühlen sich signifikant sicherer im öffentlichen Raum als Schweizer*innen, die angeben

«eher ländlich» zu leben (eher ländlich: 82%, eher städtisch: 89%; CC=0.14). Befragte, die einer Stadt leben, geben signifikant häufiger an, sich sicherer als Bewohner*innen ländlicher Regionen zu fühlen (Stadt: 87%, Agglomeration: 83%, Land: 81%; CC=0.10).6 Interessant ist, dass dieser Effekt in einer Regression verschwindet, wenn man nach der gefühlten Wohngegend fragt (adjusted r2=0.08). Wenn man zwar in einer Stadt wohnt, aber das Gefühl hat, man wohne ländlich, dann fühlt man sich an öffentlichen Orten mit vielen Leuten unsicherer. Deutschschweizer*innen haben ein grösseres Sicherheits-empfinden im öffentlichen Raum als Westschweizer*innen (D-CH: 85%, F-CH: 79%, Tessin: 80%; CC=0.10).

Weitere signifikante Unterschiede: Auch dieses Jahr zeigen sich zwischen den drei Fragen zum Sicherheits- und Bedrohungsempfinden starke und signifikante Korrelati-onen. Schweizer*innen, die sich im öffentlichen Raum sicher fühlen, zeigen auch eine signifikant weniger stark ausgeprägte Kriminalitätsfurcht (γ=–0.53). Etwas stärker ist die Korrelation zwischen dem allgemeinen Sicherheitsempfinden und dem subjektiven Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum ausgeprägt (γ=0.60). Wer ein hohes allge-meines Sicherheitsempfinden hat, der fühlt sich auch im öffentlichen Raum sicher. Da im Grunde genommen die drei Fragen das Sicherheitsgefühl in unterschiedlichen Situa-tionen messen, erstaunt der starke und statistisch signifikante Zusammenhang zwischen den drei Fragen zum Sicherheits- und Bedrohungsempfinden nicht: Schweizer*innen, die sich nur im geringen Masse vor Kriminalität fürchten, fühlen sich sowohl im öffent-lichen Raum als auch im Allgemeinen sicher.

6 Nach den Vorgaben des Bundesamtes für Statistik (BfS) wurden die Wohnorte der Befragten nach «Räumen mit städtischem Charakter» basierend auf dem aktuellsten Bevölkerungstand (31.12.2017) in drei Kategorien einge-teilt: «Stadt» (Agglomerationsgemeinde Kernstadt und Agglomerationsgemeinde Hauptkern: 52%), «Agglomera-tion» (Agglomerationskerngemeinde, Agglomerationsgürtelgemeinde und mehrfach orientierte Gemeinde: 29%) und «Land» (Kerngemeinde ausserhalb Agglomerationen und ländliche Gemeinden ohne städtischen Charakter:

19%; Schweizerische Eidgenossenschaft 2018). Gemäss den Daten der Studie «Sicherheit 2020» wohnen 46% der Befragten in einer «Stadt», 31% in der «Agglomeration» und 23% auf dem «Land». Die Verteilungen des BfS und diejenige der Studie «Sicherheit 2020» sind statistisch betrachtet deckungsgleich.

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