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Einschätzung der Entwicklung der weltpolitischen Lage

Schweizer*innen schätzen die weltpolitische Lage gleich kritisch wie im Vorjahr ein. 2019 begründete sich der Weltpessimismus in erste Linie durch die «Machtpolitik der Gross-mächte USA, China und Russland», in «politischen Instabilitäten» und im «aufkommen-den Nationalismus und Rechtspopulismus», wie die Auswertung der offenen Frage in der Studie «Sicherheit 2019» zeigte (Szvircsev Tresch et al. 2019, 169ff.). Der Anteil, der die weltpolitische Lage insgesamt als pessimistisch einschätzt, liegt statistisch unverändert bei 72% (–1 Pp; siehe Abbildung 4.5).7Der aktuelle Wert liegt über dem jährlichen Durch-schnitt (2015 – 2020) von 69%. Insgesamt geben 10% (+4 Pp) der Schweizer*innen an, die Entwicklung der weltpolitischen Lage als «sehr» und 62% (–5 Pp) als «eher» pessimistisch zu beurteilen. Rund ein Viertel der Befragten (27%, +1 Pp) beurteilt die weltpolitische Lage optimistisch, davon 1% (±0 Pp) «sehr» und 26% (+1 Pp) «eher» optimistisch. Der 2020 erreichte Wert liegt unter dem jährlichen Durchschnitt (2015 – 2020: 30%). Gemäss der Auswertung der offenen Frage begründete sich der Weltoptimismus 2019 durch

«gemeinsames Handeln auf der internationalen Ebene», «dem Vertrauen in politische Führungskräfte» und der «Hoffnung auf baldige Regierungswechsel» (Szvircsev Tresch et al. 2019, 177ff.). Da auch die Entwicklung der weltpolitischen Lage aktuell gleich wie im Vorjahr eingeschätzt wird, wird vermutet, dass dies auf dieselben oder ähnliche Gründe wie 2019 zurück zu führen sein dürfte. Da hierzu 2020 keine offene Frage gestellt wurde, können Verschiebungen bei den Hauptgründen aber nicht ausgeschlossen werden.

Abbildung 4.5

Subjekte Einschätzung der zukünftigen Entwicklung der weltpolitischen Lage

sehr optimistisch

weiss nicht / keine Angabe

Bis 2014:

düsterer und gespannter weiss nicht / keine Angabe eher pessimistisch sehr pessimistisch

«Glauben Sie, dass die weltpolitische Lage in den nächsten fünf Jahren besser und entspannter oder düsterer und gespannter wird? Oder bleibt sie in etwa so, wie sie heute ist?»

Seit 2015: «Wie sehen Sie die Entwicklung der weltpolitischen Lage in den nächsten fünf Jahren:

sehr optimistisch, eher optimistisch, eher pessimistisch oder sehr pessimistisch?»

(Angaben in Prozent, gerundet)

Soziodemografische Einflüsse: Bei der Einschätzung der weltpolitischen Lage zeigt sich nur beim Geschlecht eine unterschiedliche Bewertung. Männer schätzen die Entwick-lung der weltpolitischen Lage signifikant optimistischer ein als Frauen (Männer: 32%, Frauen: 23%; CC=0.10).

Weitere signifikante Unterschiede: Etwas stärker als im Vorjahr korreliert auch 2020 der nationale Optimismus mit der Einschätzung der weltpolitischen Lage (γ=0.51).

Schweizer*innen, die die Entwicklung der weltpolitischen Lage optimistischer betrach-ten, bewerten auch die Zukunft der Schweiz optimistischer. Wer sich im Allgemeinen

Sicherheit 2020

98

(γ=0.32) und im öffentlichen Raum sicher fühlt (γ=0.21) und sich nicht vor Kriminali-tät fürchtet (γ=0.14), der bewertet die zukünftige Entwicklung der weltpolitischen Lage optimistischer.

Fazit: Das allgemeine Sicherheitsempfinden der Schweizer*innen bleibt mit 95%

unverändert und sehr hoch. Die Kriminalitätsfurcht ist gering, denn lediglich 9% der Schweizer*innen geben an, sich vor Kriminalität konkret zu fürchten. Das subjektive Sicherheitsempfinden im öffentlichen Raum ist gegenüber dem Vorjahr unverändert und hoch. Nach wie vor fühlen sich vier von fünf Schweizer*innen im öffentlichen Raum sicher. Die Mehrheit der Schweizer*innen beurteilt die nähere Zukunft der Schweiz optimistisch. Sieben von zehn Schweizer*innen beurteilen die zukünftige Entwicklung der weltpolitischen Lage 2020 pessimistisch.

Vertrauen ist ein vielschichtiges Konzept. Was meinen wir, wenn wir einer Person sagen, dass wir ihr Vertrauen? Das Magazin (Das Magazin 2018) geht dieser Frage in einem Essay nach und stellt fest, dass ohne Vertrauen das moderne Leben nicht funktionieren kann.

Jeden Tag verlassen wir uns darauf, dass sich die anderen Verkehrsteilnehmer*innen an die Regeln halten, der Zug pünktlich fährt und die behandelnden Ärzt*innen ihr Bestes geben. Vertrauen gibt uns eine gewisse Planungs- und Handlungssicherheit und ermög-licht uns, dass wir uns auf unsere Mitmenschen verlassen können. Grund dafür ist, dass wir bis zu einem gewissen Grad abschätzen können, wie unsere Mitmenschen handeln werden. Gemäss Luhmann dient das Vertrauen «einer Reduktion der Komplexität» (Luh-mann 1968, 20). Vertrauen ist also gewissermassen eine Heuristik, die uns vereinfacht, Entscheidungen zu fällen, sobald wir in etwas oder eine Person Vertrauen gefasst haben.

Wir verlassen uns auf unser Vertrauen, weil es sehr kostenintensiv wäre, wenn wir in jeder Alltagssituation gänzlich neu beurteilen müssten, wie sich andere wohl verhalten würden.

Luhmann (Luhmann 1968) bezeichnet das Vertrauen aber als eine «riskante Vorleistung», da man nie wissen könne, wie Andere reagieren und handeln werden. Ohne diese riskante Vorleistung wäre der menschliche Alltag sehr mühsam und beschwerlich. Vertrauen ist daher auch mit den Begriffen Sicherheit und Stabilität verbunden.

Die Neue Zürcher Zeitung (Neue Zürcher Zeitung 2018c) ergründete im Herbst 2018 verschiedene Aspekte des Vertrauens und lieferte eine mit diversen Beispielen gespickte Übersicht zu dieser Thematik. Zuerst wurde die Frage gestellt, wie Vertrauen überhaupt entstehen kann. So wurde beispielsweise die Geschichte eines gesellschaftlich geächteten israelischen Militärdienstverweigerers, der einem Fotojournalisten Vertrauen schenkte und bei dessen Fotoserie erkennbar mitmachte, erzählt. Oder auch die Geschichte einer Journalistin, die sich das Vertrauen einer rechtsradikalen Widerstandsbewegung erarbei-tete – und so Teil eines Jugendcamps sein konnte –, welche ansonsten sehr misstrauisch gegenüber Fremden ist (Neue Zürcher Zeitung 2018d). In beiden Fällen brauchten die Journalist*innen Zeit und wiederkehrende Interaktionen, um das Vertrauen ihrer Ziel-personen zu erlangen. Die Neue Zürcher Zeitung (Neue Zürcher Zeitung 2018e) erzählt ausserdem das Beispiel eines Schweizer Kampfjetpiloten, der das Vertrauen in seine

Fähig-1 Die Daten der Studie «Sicherheit 2020» wurden zwischen dem 06. und 24. Januar 2020 erhoben. Somit können mögliche Effekte des Ausbruchs der COVID-19-Pandemie in der Schweiz und Europa sowie der öffentlichen und medialen Diskussion der Crypto-Affäre auf die aktuellen Daten ausgeschlossen werden, bzw. diese Ereignisse haben auf diese Umfrage keinen Einfluss.

Sicherheit 2020

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keiten nur langsam zurückgewinnen konnte, nachdem er mit einem Kampfflieger der Schweizer Luftwaffe abgestürzt war. Und wie er den Dienst zwei Jahre später quittierte, obwohl er mittlerweile wieder regelmässig flog. Grund für die Quittierung des Dienstes war der Flugzeugabsturz eines guten Freundes, welcher dabei ums Leben kam.

Vertrauen kann man jedoch nicht nur in Einzelpersonen haben, sondern auch in Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen. Beispielsweise in staatliche Organisationen, wie Regierungen, Parlamente, Parteien, in die Landeswährung oder in das Rechtssystem. Staatliche Institutionen basieren inhärent auf Beständigkeit und Ver-trauen, was eine gewisse Handlungs- und Planungssicherheit gewährleistet. Die Neue Zürcher Zeitung (Neue Zürcher Zeitung 2018f) schreibt dazu in einem Erfahrungsbe-richt aus Venezuela, wie die Hyperinflation das Vertrauen in die staatlichen Institutio-nen untergräbt und Venezolaner*inInstitutio-nen sich dafür scheinbar gegenseitig wieder verstärkt vertrauen. Diese Beispiele zeigen, wie wertvoll Vertrauen in staatliche Institutionen ist und wie nachhaltig die Schädigung dessen sein kann. Im internationalen Vergleich zeigen sich dabei teils grosse Unterschiede zwischen dem allgemeinen Vertrauen in Menschen (Neue Zürcher Zeitung 2018g).

Dabei wird das Vertrauen durch verschiedene Faktoren beeinflusst. So sind in vielen Ländern die Korruption, mafiöse Strukturen, schlecht funktionierende Justizsysteme und Bürgerkriege die Hauptgründe für das fehlende Vertrauen in staatliche Institutionen. Ein Grund für fehlendes Vertrauen kann auch ein fehlerhaftes Kommunikationsverhalten sein. Da den meisten Stimmbürger*innen die Zeit fehlt, sich grundlegend über Organi-sationen zu informieren, müssen sie sich auf deren Kommunikation verlassen. Die The-orie des öffentlichen Vertrauens argumentiert hier, dass eine kompetente, transparente und moralisch korrekte Kommunikation vertrauensfördernd wirken kann, das Gegenteil jedoch vertrauenshemmend ist (Bentele 1994).

Eine andere Sicht auf das Vertrauen in politische Institutionen besagt hingegen, dass das Vertrauen in Behörden und Institutionen nicht unabdingbar sei. Jede öffentliche Insti-tution brauche stattdessen eine sorgfältige und aufmerksame Kontrolle von aussen. Das konsequente Einhalten von Gesetzen und die effiziente Erfüllung der Aufgaben bilden den besten Weg, um eine funktionierende Gesellschaft zu ermöglichen. Uneingeschränktes Vertrauen der Bürger*innen sei in dieser Hinsicht nicht förderlich (Budnik 2018). Man kann daher von einem ambivalenten Verhältnis zwischen Vertrauen und funktionieren-den Institutionen ausgehen. Gerade in demokratischen Staaten beruht der Erfolg von Institutionen auf der Möglichkeit, sein Misstrauen zu äussern und unabhängige Unter-suchungen einzufordern (Decker et al. 2019, 12)

Gleichwohl kann dies als Indikator für eine gut funktionierende und stabile Gesellschaft gewertet werden, wenn Bürger*innen ein hohes Vertrauen in Behörden und Institutionen

haben. Das Vertrauen in eine staatliche Institution, bzw. in eine Behörde, kann einerseits die Zufriedenheit, bzw. die Unzufriedenheit, mit der Leistung ausdrücken, andererseits die Akzeptanz und Legitimation dieser Institution für die Gesellschaft insgesamt aufzeigen.

In der Regel werden kurzfristige Vertrauensschwankungen mit der Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der erbrachten Leistungen in Zusammenhang gebracht. Längerfristige Veränderungen stehen dagegen mit der Legitimation der jeweiligen Behörde oder Ins-titution in Zusammenhang. Während kurzfristige Vertrauensschwankungen zu einem gewissen Grad normal sind, deutet ein langfristig beobachteter Vertrauensverlust in eine staatliche Institution auf eine Legitimationskrise hin.

Als erstes wird in diesem Kapitel auf das spezifische Vertrauen der Schweizer Stimm-bevölkerung in neun ausgewählte Institutionen und Behörden eingegangen. Danach wird das Verhältnis zwischen Vertrauen und Sicherheitsgefühl bzw. Zukunftsoptimismus analysiert.