• Keine Ergebnisse gefunden

Der Spezialist in den Standesordnungen Sachsens, Badens und Braunschweigs Braunschweigs

7 Die tierärztliche Spezialisierung bis 1945

7.1 Der Spezialist in den Standesordnungen Sachsens, Badens und Braunschweigs Braunschweigs

1908 legte der Vorsitzende des „Tierärztlichen Landesverbandes im Königreich Sachsen“, Tierarzt Carl Hecker aus Leipzig, einen Entwurf einer Tierärztlichen Stan-desordnung vor und empfahl den einzelnen Kreisvereinen die Annahme, da durch diese Standesordnung eine wichtige Grundlage für spätere Tierärztekammern ge-schaffen würde.169 Als Vorlage für diesen Entwurf diente ihm die ärztliche Stan-desordnung für das Königreich Sachsen. So wurde in dem Entwurf für die Standes-ordnung für die Tierärzte des Königreichs Sachsen, den Carl Hecker 1909 in der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift veröffentlichte, der Paragraph 5 über das tier-ärztliche Spezialistentum wörtlich von der tier-ärztlichen Standesordnung aus dem Jahre 1904170 übernommen. Wie aus dem Vergleich der beiden Versionen in den Abbil-dungen 4a und 4b deutlich wird, wurde lediglich der Begriff des Arztes durch Tierarzt ersetzt. Wollte ein Tierarzt oder Arzt eine spezialistische Bezeichnung führen, durfte er das nur auf Grundlage einer gründlichen Ausbildung in diesem Spezialfache tun.

168 Anon. 1902, 343.

169 Hecker 1909, 332-333.

170 Veröffentlicht in Rumpelt 1904, 93-104.

Wie die gründliche Ausbildung angelegt sein oder wie sie überprüft werden sollte, wurde hier nicht festgelegt. 171

Abb. 4a: Der § 5 über die Bezeichnung als Spezialist in der ärztlichen Standesordnung für das Königreich Sachsen (Rumpelt 1904, 98).

Abb. 4b: In dem Entwurf einer tierärztlichen Standesordnung für das Königreich Sachsen wurde in dem § 5 über die Bezeichnung als Spezialist nur der Begriff „Arzt“ durch „Tierarzt“ er-setzt (Hecker 1909, 332).

Im Mai 1909 wurde ein „Entwurf der Standesordnung für die Tierärzte des Herzog-tums Braunschweig“ veröffentlicht, in dem ebenfalls in § 5 eine Regelung zum Thema Spezialist getroffen wurde:

„Beabsichtigt ein Tierarzt, für seine Tätigkeit eine besondere spezialistische Be-zeichnung anzunehmen und öffentlich zu gebrauchen, so ist die Tierärztekammer befugt, sich die zum Nachweise der bezüglichen spezialistischen Ausbildung er-forderlichen Unterlagen vorlegen zu lassen.“172

Anders als bei dem sächsischen Entwurf wurde hier die Kontrolle der Nachweise ausdrücklich gestattet, aber nicht vorgeschrieben. Es wurde jedoch nicht verlangt, dass der Spezialist seine Ausbildung vor der Annahme dieser Bezeichnung der Kammer dokumentieren musste. Genauso wie im Königreich Sachsen wurden keine Details bezüglich der spezialistischen Ausbildung festgelegt.

171 Hecker 1909, 332.

172 Berl. Tierärztl. Wschr. 25 (19), 355-356 (1909).

Reinhold Schmaltz kommentierte in der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift die Entwürfe der sächsischen und der braunschweigischen Standesordnungen.173 Er stellte fest, dass beide Fassungen sich sehr ähnlich wären, was durch ihre Anleh-nung an die ärztlichen StandesordAnleh-nungen, die ihrerseits im Wesentlichen überein-stimmten, leicht zu erklären wäre. Als wichtig erachtete Schmaltz die Bestimmun-gen, die sich auf die Verhinderung unwürdiger Reklame beziehen. In diesem Zu-sammenhang begrüßte er, dass „Vorkehrungen gegen einen Missbrauch der Be-zeichnung eines Spezialisten“ getroffen wurden, wobei er die braunschweigische Version des § 5 bevorzugte.174 Eine Begründung für diese Präferenz gab Schmaltz nicht an. Zum Abschluss seiner Anmerkungen erklärte er, „dass die ersten tierärztli-chen Standesordnungen so einfach wie möglich gehalten sein“ und nur die „wesent-lichsten Punkte zusammenfassen“ sollten. Es wäre notwendig,

„erst Erfahrungen zu sammeln, und nach zehnjähriger Wirksamkeit einer Stan-desordnung wird es möglich sein, durch eine Revision eine endgültige Fassung herbeizuführen“.175

Dieser Anforderung wurde der § 5 in beiden Ausführungen gerecht.

Im Juni 1909 beschloss die Tierärztekammer des Herzogtums Braunschweig eine

„Standesordnung für die Tierärzte des Herzogtums Braunschweig“, die in der Berli-ner Tierärztlichen Wochenschrift veröffentlicht wurde.176 Der § 5 des Entwurfes wurde in geänderter Fassung in die endgültige Version übernommen. Jetzt hieß es:

„Beabsichtigt ein Tierarzt eine besondere spezialistische Bezeichnung anzuneh-men und öffentlich zu gebrauchen, so hat er die Tierärztekammer hiervon zuvor zu benachrichtigen; diese ist befugt, sich die zum Nachweise der bezüglichen spezialistischen Ausbildung erforderlichen Unterlagen vorlegen zu lassen.“177 Immerhin war die Tierärztekammer jetzt im Voraus zu informieren, aber zum Spezi-alisten qualifizierende Nachweise waren weiterhin nicht unaufgefordert vorzulegen.

Die Tierärztekammer des Großherzogtums Baden beschloss im Januar 1911 eine Standesordnung für die ihr angehörenden praktizierenden Tierärzte.178 Bei ihrer Ver-öffentlichung wurde darauf hingewiesen, dass „dieselbe eine Zusammenfassung der bei der Ausübung der tierärztlichen Praxis beachtenswerten Grundsätze“ darstellt;

„gesetzlich bindende Kraft kommt derselben nicht zu“.179

173 Schmaltz 1909, 356-357.

174 Schmaltz 1909, 357.

175 Schmaltz 1909, 357.

176 Berl. Tierärztl. Wschr. 25 (30), 565-566 (1909).

177 Berl. Tierärztl. Wschr. 25 (30), 565 (1909).

178 Berl. Tierärztl. Wschr. 27 (6), 107-108 (1911).

179 Berl. Tierärztl. Wschr. 27 (6), 107 (1911).

Unter „B. Besonderes“ regelte der Abschnitt „I. Die tierärztliche Praxis“ im § 4 den Umgang mit Reklame:

„Jede öffentliche Anpreisung (Reklame) in irgendwelcher Form, ebenso das pri-vate schriftliche oder mündliche Anbieten tierärztlicher Hilfe ohne entsprechende Aufforderung ist standesunwürdig. Unter öffentlicher Anpreisung ist namentlich zu verstehen: (…) 3. Die Anpreisung besonderer eigener Heilmethoden durch öffent-liche Blätter, Vorträge oder Druckschriften und die Bezeichnung als ‚Spezialist’, ohne für die Berechtigung dazu besondere Nachweise erbringen zu können.“180 Details über Art und Inhalt der Nachweise waren auch hier nicht festgelegt, nicht einmal hatte eine vorherige Benachrichtigung der Tierärztekammer zu erfolgen oder waren Kontrollen vorgesehen.

7.2 Der Spezialist in der tierärztlichen Standesordnung Preußens In Preußen wurde der Beschluss, eine Standesordnung auszuarbeiten, 1914 ge-troffen. Rudolf Wille berichtete in der Berliner Tierärztlichen Wochenschrift unter der Überschrift „Aus den preußischen Tierärztekammern.“ über die „Aufstellung einer Standesordnung“. Darin hieß es, dass in der Tierärztekammer Schleswig-Holstein bereits im März 1913 die Annahme des Entwurfes einer Standesordnung beschlos-sen worden sei. Ebenfalls lägen Entwürfe der Kammern für Westfalen, die Rhein-provinz und Sachsen vor, in den übrigen Kammern würde noch beraten. Für diese Kammern wurde der 14. Oktober 1914 als Frist genannt, um dem ausschuss ihre Entwürfe vorzulegen. Die Beschlussfassung des Tierärztekammer-ausschusses wurde für Ende des Jahres angesetzt.181 Aufgrund des Ersten Welt-krieges gelang es Preußen aber erst im Juni 1920 eine Standesordnung zu erlas-sen. Diese vom Ausschuss der Preußischen Tierärztekammern beschlossene

„Standesordnung für die preußischen Tierärzte“182 befasste sich ebenfalls im § 5 mit dem tierärztlichen Spezialistentum:

„Beabsichtigt ein Tierarzt für seine Tätigkeit eine besondere spezialistische Be-zeichnung anzunehmen und öffentlich zu gebrauchen, so hat er die Tierärzte-kammer hiervon vorher zu benachrichtigen. Diese hat die zum Nachweise der bezüglichen spezialistischen Ausbildung erforderlichen Unterlagen zu prüfen und hiernach zu entscheiden.“183

Diese Form der Regelung ging noch einen Schritt weiter als die des Großherzog-tums Braunschweig, denn in Preußen wurde das Führen der Bezeichnung „Spezia-list“ von einem Entscheid der Tierärztekammer abhängig gemacht. Es reichte nicht

180 Berl. Tierärztl. Wschr. 27 (6), 107 (1911).

181 Wille 1914a, 359.

182 Berl. Tierärztl. Wschr. 36 (25), 289-290 (1920).

183 Berl. Tierärztl. Wschr. 36 (25), 289 (1920).

aus, die Kammer nur im Voraus zu benachrichtigen und gegebenenfalls entspre-chende Belege zu erbringen.

Eine komplexe Frage des Lesers Dr. K. bezüglich der rechtlichen Zuständigkeiten bei der Bezeichnung als Facharzt wurde in der Tierärztlichen Rundschau vom Mai 1922 in der Rubrik „Sprechsaal“ veröffentlicht:

„Hat die Tierärztekammer die r e c h t l i c h bestehende Befugnis, einem Tier-arzt die Bezeichnung ‚FachTier-arzt’ zu erteilen? Darf sich ein TierTier-arzt ohne weiteres Facharzt nennen, ohne nachteilige Folgen seitens der Tierärztekammer zu ge-wärtigen? Gibt es eine Instanz außerhalb bzw. über den Tierärztekammern, wel-che die Bezeichnung ‚Facharzt’ erteilen kann? Ist etwa die Landwirtschaftskam-mer dafür maßgebend?“184

Auf diese Frage antwortete neun Ausgaben später sehr ausführlich die Schriftleitung der Tierärztlichen Rundschau. Ihrer Meinung nach

„dürfte – streng juristisch betrachtet – einer Tierärztekammer das Recht zur Er-teilung bzw. Versagung der Bezeichnung ‚Spezialist’ nur zustehen, wenn sie sich auf eine Standesordnung berufen kann, die vom Gesamtministerium des betref-fenden Staates anerkannt und unterzeichnet ist, also gesetzlich bindende Kraft besitzt“.185

Gesetzlich bindende Kraft hatte die erste preußische Standesordnung jedoch noch nicht. Die Schriftleitung versäumte es bei dieser Gelegenheit auch nicht, auf die Schwächen des Paragraphen 5 der Standesordnung für die preußischen Tierärzte hinzuweisen:

„Die Hauptsache jedoch, welche Unterlagen verlangt werden und wie diese zu prüfen seien, ist n i c h t angegeben.“186

Dieser Mangel wurde auch bereits auf einer Sitzung der Tierärztekammer für die Provinz Schleswig-Holstein im November 1920 offensichtlich, als zum zweiten Mal der Antrag des Tierarztes Dr. Magnussen auf Führung des Titels „Spezialist für Chi-rurgie“ verhandelt wurde.187 Das erste Mal wurde sein Anliegen bereits am 25. Juni 1919 in der Kammer besprochen, also zu einem Zeitpunkt, als die Standesordnung Preußens noch nicht beschlossen war. In der Sitzung wurde vereinbart:

„Der Antrag (…) soll von einer Kommission zunächst geprüft werden. Von Seiten der Kammer ist an den Kollegen die Anfrage zu richten, ob er beabsichtigt,

184 Anon. (K.) 1922, 359.

185 Anon. (Schriftleitung) 1922, 567.

186 Anon. (Schriftleitung) 1922, 567.

187 Berl. Tierärztl. Wschr. 37 (1), 13 (1921a).

schließlich chirurgisch tätig zu sein. Bejahendenfalls wird satzungsgemäß in die Prüfung des Antrages eingetreten durch eine Kommission.“188

Magnussen bejahte und legte der Kammer das Manuskript über seine Veröffentli-chungen vor. Zusätzlich wurde der Antragsteller zur Sitzung 1920 hinzugezogen, um zu berichten, welche Vorstellung er von seiner Tätigkeit als Spezialist für Chirurgie hatte. Er erklärte,

„dass er sich seine spätere Tätigkeit etwa als chirurgischer Beirat für die Tierärzte denkt; er will z. B. die Besitzer der Tiere, wenn sie zwecks chirurgischer Behand-lung ihrer Tiere zuerst zu ihm kommen, grundsätzlich auffordern, sich zunächst an ihren Tierarzt zu wenden, und erst dann, wenn dieser ablehnt, seine Tätigkeit, gegebenenfalls auch ohne den betreffenden Tierarzt, ausüben“.189

Daraufhin beschloss die Kammer die Erteilung der Erlaubnis zur Führung des bean-tragten Titels.190

In diesem Zusammenhang entschied die Tierärztekammer Schleswig-Holstein auch, den preußischen Tierärztekammerausschuss aufzufordern, allgemeine Richtlinien zur Erteilung der Bezeichnung als Spezialist durch die Kammern aufzustellen.191 Und so wurde dieser Antrag auf die Tagesordnung der VII. Tagung des Tierärzte-kammer-Ausschusses vom 2. bis 4. März 1921 in Berlin gesetzt. Schließlich wurde 1922 der § 5 durch die vom Tierärztekammerausschuss in seiner 8. Sitzung festge-legten Forderungen an die spezialistische Ausbildung ergänzt. Der genaue Wortlaut fand 1929 im Rahmen der Vorbereitung der 1930 erlassenen preußischen Standes-ordnung im „Amtsblatt des Tierärztekammerausschusses und der Preußischen Tier-ärztekammern“ Veröffentlichung:

„Als Richtlinien für die Erteilung der Bezeichnung ‚Fachtierarzt’ wird den Kam-mern die Forderung des Nachweises einer zweijährigen Assistententätigkeit bzw.

der Tätigkeit in einer Klinik oder bei einem anerkannten Spezialisten während der Dauer eines Jahres empfohlen. Eine zweijährige bewährte Tätigkeit in einem Spezialberufe wird gleichfalls für ausreichend gehalten. In dem Spezialfache muß die Haupttätigkeit liegen.“192

Bezüglich der qualitativen Anforderungen an die Ausbildung wurden den Kammern lediglich Empfehlungen an die Hand gegeben, die sich auf die Dauer und die Aus-bildungsstätte bezogen. Fachliche Inhalte der spezialistischen Ausbildung wurden nicht vorgegeben. Bindenden Charakter bekam die Forderung nach der Beschrän-kung der tierärztlichen Tätigkeit auf das entsprechende Spezialfach.

188 Dtsch. tierärztl. Wschr. 27 (29), 299 (1919).

189 Berl. Tierärztl. Wschr. 37 (1), 13 (1921a).

190 Berl. Tierärztl. Wschr. 37 (1), 13 (1921a).

191 Berl. Tierärztl. Wschr. 37 (1), 13 (1921a).

192 Preuß. TKA 1929a, 119.

Ein Jahr zuvor, in der Herbstversammlung am 30. September 1921, hatte der Tier-ärztliche Landesverein Hessen auf Antrag seines Schriftführers Bausch Forderun-gen für die Erteilung der Bezeichnung „Fachtierarzt“ aufgestellt. Einstimmig war be-schlossen worden:

„Für die Erteilung der Bezeichnung „Fachtierarzt“ wird gefordert: 1. Der Nachweis einer 2jährigen Assistententätigkeit bzw. die Tätigkeit in einer Klinik, oder 2. die Tätigkeit bei einem anerkannten Spezialisten während der Dauer eines Jahres.

Eine 2jährige Tätigkeit in einem Spezialistenberufe wird gleichfalls für ausrei-chend gehalten. In dem Spezialfache muß die Haupttätigkeit liegen.“193

Da sowohl der Tierärztliche Landesverein Hessen als auch der Preußische Tierärz-tekammerausschuß für diese Richtlinien zur Erteilung des Fachtierarzttitels nahezu denselben Wortlaut wählten, liegt die Vermutung nahe, dass beide tierärztliche Ver-einigungen eine (humanärztliche) Vorlage hatten oder dass Preußen sich an Hessen orientierte.

Im Juni 1924, nur zwei Jahre nach Aufstellung der Richtlinien für die Erteilung der Bezeichnung „Fachtierarzt“ durch den Preußischen Tierärztekammerausschuss, wurde auf der zehnten Tagung des Ausschusses der Preußischen Tierärztekam-mern erneut zum Thema „Fachtierärzte“ getagt. Es wurde

„von einigen Kammern eine Erschwerung der Bedingungen für die Erteilung der Bezeichnung ‚Fachtierarzt’ empfohlen in Rücksicht auf mehrfache unbegründete Anträge. So wurden von einer Kammer 3jährige Fachausbildung und ausschließ-liche Tätigkeit in dem Spezialfache beantragt“.194

Mit Verweis auf „die gegenüber den Ärzten unterschiedlichen Verhältnisse“ hielt der Ausschuss jedoch an den bereits bestehenden Bestimmungen fest.

1928 wurden die preußischen Tierärztekammern mittels Rundschreiben dazu auf-gefordert, „Richtlinien für eine neue Standesordnung“ zu entwickeln. Termin zur Vorlage dieser Entwürfe war der 21. und 22. März 1929, die XVI. Hauptversamm-lung des preußischen Tierärztekammerausschusses. Dieser Aufforderung kam frist-gerecht nur die Tierärztekammer Hannover nach. Die säumigen Kammern erhielten eine Fristverlängerung bis zum 10. April 1929. Unter Verwendung des dann vorlie-genden Materials sowie weiterer Vorschläge von privaten Organisationen und aus der Fachpresse sollten die Ausschussmitglieder Dr. Froehner und Friese einen Re-ferentenentwurf ausarbeiten, der der folgenden Hauptversammlung vorzulegen war.195

193 Dtsch. tierärztl. Wschr. 31 (19), 230 (1923).

194 Tierärztl. Rdsch. 30 (29), 478 (1924).

195 Preuß. TKA 1929a, 63-64.

Über die Vorarbeiten für eine neue Standesordnung in Preußen wurde 1929 im Amtsblatt des Preußischen Tierärztekammerausschusses und der Preußischen Tierärztekammern berichtet.196 Hier lässt sich der Entwurf der Tierärztekammer Hannover nachlesen, der in Abschnitt „C. Verhalten der Tierärzte untereinander“ in § 14 das Führen der Bezeichnung der Fachtierärzte reglementierte:

„Zur Bezeichnung der Fachtierärzte (Spezialtierärzte) oder Tierärzte für ein be-stimmtes Gebiet muß die besondere Vorbildung nachgewiesen werden. In dem Spezialfache muß die Haupttätigkeit des Fachtierarztes liegen.

Über die Berechtigung, sich als Fachtierarzt zu bezeichnen, hat die zuständige Tierärztekammer zu befinden.“197

Im Anschluss folgten die Stellungnahmen der übrigen Tierärztekammern zu dem hannoverschen Entwurf. Zu § 14 äußerten sich die Kammern Ostpreußens, Bran-denburg-Berlins und Hessen-Nassaus.198 Im Gegensatz zu Ostpreußen, das sich le-diglich die Überschrift „Fach- oder Spezialtierärzte“ für diesen Paragraphen wünschte, waren die Anmerkungen Brandenburg-Berlins ausführlicher. In dieser Provinz wurde genauso wie in Hannover für die Bezeichnung des Fachtierarztes der Nachweis einer besonderen Vorbildung erwartet und über die Berechtigung, diese Bezeichnung zu führen, sollte die zuständige Tierärztekammer entscheiden. Darü-ber hinaus hatte man die Vorstellung, dass die Befähigung bei einer mindestens zweijährigen Tätigkeit an einem behördlichen Fachinstitut oder einer Klinik im All-gemeinen als erbracht galt. Der Fachtierarzt sollte grundsätzlich von der Ausübung allgemeiner tierärztlicher Tätigkeit ausgeschlossen sein. Hessen-Nassau ging diese letzte Forderung zu weit, da der Fachtierarzt „höchst selten in seinem Sonderfache allein eine auskömmliche Einnahme finden kann und sicherlich nicht in den ersten Jahren seiner Tätigkeit (…)“ und machte den Vorschlag, „in der Regel“ oder „im all-gemeinen“ einzufügen oder die allgemeine tierärztliche Tätigkeit von einer Geneh-migung der Tierärztekammer abhängig zu machen.199

Die Gruppe Düsseldorf der Rheinprovinz regte an, einheitliche Richtlinien festzule-gen, unter welchen Bedingungen die Bezeichnung des Fach- oder Spezialtierarztes zu bewilligen wäre, da es sonst möglich wäre, dass in zwei Kammerbezirken ge-genteilige Entscheidungen getroffen würden.200 Abschließend wurde der

„Referentenentwurf des beauftragten TKA.-Mitgliedes Dr. Froehner, Groß-Strehlitz.“

vorgestellt.201 Darin wurden die Bestimmungen bezüglich der Bezeichnung des Fachtierarztes in § 13 als Bestandteil des Abschnittes „III. Verhältnis des Tierarztes zu anderen Tierärzten“ behandelt:

196 Preuß. TKA 1929b, 117-130.

197 Preuß. TKA 1929b, 121.

198 Preuß. TKA 1929b, 125.

199 Preuß. TKA 1929b, 125.

200 Preuß. TKA 1929b, 127.

201 Froehner 1929, 127-130.

„Ein Tierarzt, der die Bezeichnung Spezialist oder Fachtierarzt führen will, hat sich der zuständigen Kammer gegenüber über seine besondere Eignung und Ausbildung auszuweisen. Ein Fachtierarzt darf die allgemeine tierärztliche Praxis nicht ausüben. Ausnahmen können von der zuständigen Tierärztekammer zuge-standen werden. (…)“202

Der Referent merkte zu § 13 an, dass die Kammer Pommern sich für ein Verbot der allgemeinen praktischen Tätigkeit der Fachtierärzte einsetze, die Kammer Hessen-Nassau sich jedoch dagegen ausspreche.203

Auf der XVII. Hauptversammlung des Preußischen Tierärztekammerausschusses, die am 21. und 22. November 1929 in Berlin stattfand, kam es zur Beschlussfassung über die neue Standesordnung, nachdem Dr. Froehner über seinen Entwurf und der Korreferent Friese über den hannoverschen Entwurf, der dem Referentenentwurf zugrunde lag, gesprochen hatten.204 Nach einer Spezialberatung kam es schließlich zur einstimmigen Annahme des geänderten und gekürzten Referentenentwurfes.205 Am 14. Januar 1930 wurde die neue Standesordnung für die preußischen Tierärzte mit Ermächtigung des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten verkün-det.206 In § 12 (1) hieß es jetzt:

„Ein Tierarzt, der die Bezeichnung Spezialist oder Fachtierarzt führen will, soll der zuständigen Tierärztekammer seine besondere Eignung und Ausbildung nach-weisen. Ein Fachtierarzt soll allgemeine tierärztliche Praxis nicht ausüben. Aus-nahmen kann die Tierärztekammer zulassen.“207

In einer Anmerkung zu § 12 (1) lässt sich folgender Hinweis finden:

„Welche Voraussetzungen der Tierarzt zu erfüllen hat, der sich Fachtierarzt nen-nen will, hat die Kammer zu entscheiden. Der TKA. hat unterm 19. Sept. 1922 Richtlinien darüber aufgestellt (Amtsblatt des TKA. und der TKn. S.119, 1929), die aber für die Kammern nicht bindend sind.“208

Auch bei der Entwicklung dieser Standesordnung für die preußischen Tierärzte diente unter anderem die Standesordnung für die deutschen Ärzte von 1926209 als Arbeitsgrundlage.210 Tatsächlich unterschieden sich die ärztliche und die tierärztliche Standesordnung in Bezug auf die Fachärzte oder Fachtierärzte nicht wesentlich,

202 Froehner 1929, 129.

203 Froehner 1929, 129.

204 Preuß. TKA 1929c, 157-161.

205 Preuß. TKA 1929c, 160.

206 ABl. d. Preuß. TKA 3 (2), 15-17 (1930).

207 ABl. d. Preuß. TKA 3 (2), 16 (1930).

208 ABl. d. Preuß. TKA 3 (2), 16 (1930).

209 Ärztl. Vereinsbl. 55 (1395), 417-422 (1926).

210 Preuß. TKA 1929b, 119.

auch wenn dieses Mal der Text der humanmedizinischen Vorlage nicht mehr oder weniger wörtlich übernommen wurde. Beide Standesordnungen verlangten vom Spezialisten den Nachweis seiner besonderen Vorbildung und beide Regelwerke schlossen ihn grundsätzlich von der allgemeinen Praxis aus. Die Standesordnung für die deutschen Ärzte verwies auf die Richtlinien des Bremer Ärztetages als Ent-scheidungsgrundlage über die Berechtigung der Titelführung, die für die preußi-schen Tierärzte auf die Richtlinien von 1922. Im Inhalt dieser Richtlinien liegt aller-dings ein wesentlicher Unterschied, sind doch die humanmedizinischen sehr viel umfassender und legen sie auch bereits Fachgebiete fest, für die eine Facharztbe-zeichnung genehmigt werden kann.

Wichtig bei dieser neuen preußischen Standesordnung war, dass sie 1930 mit Er-mächtigung des Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten verkündet wurde, wodurch sie gesetzlich bindend wurde.

7.3 Die verhandelten Anträge zur Führung des Fachtierarzttitels in