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Deutsche Tierärzteschaft/Bundestierärztekammer e. V

4 Die Geschichte des tierärztlichen Berufsstandes

4.4 Der tierärztliche Stand nach dem Zweiten Weltkrieg

4.4.1 Der tierärztlichen Stand in der Bundesrepublik Deutschland

4.4.1.3 Deutsche Tierärzteschaft/Bundestierärztekammer e. V

Parallel zur Entwicklung der Tierärztekammern kam es zur Wiederbelebung der bis 1933 auf Reichsebene existierenden freien Berufsverbände (s. u.).93 Die Befürworter der Berufsverbände bezweifelten, dass

„die Einigkeit des Standes nur durch eine einzige Organisation mit Monopol-charakter gewahrt werden könne“.94

Sie strebten daher einen gemeinsamen Spitzenverband mit den westdeutschen Tier-ärztekammern an, in dem sie zusammen und gleichberechtigt die Interessen des Be-rufsstandes vertreten konnten.

Schließlich wurde dies mit der Gründung der „Deutschen Tierärzteschaft“ (DT) am 1.

Oktober 1954 auf dem Deutschen Tierärztetag in Bad Salzuflen umgesetzt.95 Die Satzung dieser neuen Dachorganisation des tierärztlichen Berufsstandes wurde im April 1955 im bereits 1953 wiederbegründeten Deutschen Tierärzteblatt veröffent-licht.96 In § 1 hieß es, dass sich die DT aus der Arbeitsgemeinschaft der Westdeut-schen Tierärztekammern, dem Bundesverband der praktiWestdeut-schen Tierärzte, der Bun-desarbeitsgemeinschaft für das Schlacht- und Viehhofwesen, dem Verband

90 Scheunemann 1994, 310.

91 Ohly 1953, 1.

92 Ohly 1953, 2.

93 Brühann 1983, 44.

94 Brüggemann 1951, 3.

95 Scheunemann 1994, 310.

96 Dtsch. Tierärztebl. 3 (4), 50-51 (1955).

scher Gemeindetierärzte und der Arbeitsgemeinschaft der Tierärztlichen Fakultäten bildete. Als satzungsgemäße Aufgaben der DT wurden die Pflege der Zusammenar-beit zwischen den beteiligten Organisationen, des Zusammengehörigkeitsgefühls der Tierärzte aller deutschen Länder und der Verbindung zu ausländischen tierärztlichen Vereinigungen bestimmt, genauso wie die Förderung des tierärztlichen Standes, das Vertreten der Interessen der Tierärzteschaft gegenüber Gesetzgeber, Verwaltung und Öffentlichkeit und die Beratung derselben Stellen in einschlägigen Fragen.

Wie aus dem Gründungsparagraphen (§ 1) der Satzung ersichtlich, bestand die Ar-beitsgemeinschaft der westdeutschen Tierärztekammern trotz der Existenz der DT fort. Beiden Vereinigungen hatte Dr. Ohly als Präsident vorgestanden, bis die Ar-beitsgemeinschaft westdeutscher Tierärztekammern sich selbst zum 31. Dezember 1958 auflöste. Die DT als eingetragener Verein war somit die alleinige Gesamtver-tretung aller westdeutschen Tierärzte geworden, die durch die Delegierten der Tier-ärztekammern und der tierärztlichen Berufsverbände gleichberechtigt vertreten wur-den.

Eine Bundestierärzteordnung, die neben der Ermächtigung für die Gebührenordnung die Ermächtigung für die Approbationsordnung enthielt, gab es erst seit dem 17. Mai 1965.97 Sie regelte also bundeseinheitlich das tierärztliche Zulassungswesen. Auf-grund der konkurrierenden Gesetzgebung wurde der Rahmen, in dem die Berufs-ausübung der Tierärzte zu erfolgen hatte, nicht bundeseinheitlich abgesteckt. Das Verabschieden der Berufsordnungen fiel in den Zuständigkeitsbereich der Landes-tierärztekammern, basierend auf den von einander abweichenden Heilkammergeset-zen der Länder.

Nach dem Krieg war zunächst noch die Berufsordnung von 1937 autoritativ gewe-sen, bis die Kammern schließlich seit Anfang der 1950er Jahre allmählich neue Be-rufsordnungen erließen, welche sich häufig wiederum eng an die Berufsordnung der RTK anlehnten.98 Dies galt auch für die 1952 erlassene Berufsordnung der Tierärzte-kammer Niedersachsen, wie Friedhelm Jaeger in seiner Arbeit über die Geschichte der Kammer schilderte.99

Genauso Angelegenheit der Landestierärztekammern war die Regelung der Weiter-bildung. Um eine Angleichung der Kammerordnungen zu erreichen, beschloss die DT 1968 eine Muster-Berufsordnung und 1969 eine Muster-Weiterbildungsordnung, die den einzelnen Kammern als Richtlinien dienen sollten. Beide Regelwerke sind bis heute ständig aktualisiert und weiterentwickelt worden.100

1990 hatten die Tierärztekammern der fünf neuen Bundesländer ihre Mitgliedschaft zur DT erklärt, die somit wieder eine gesamtdeutsche Interessenvertretung wurde.101

97 Die Bundestierärzteordnung ersetzte die 30 Jahre alte RTO (Pohlenz 1965, 133).

98 Taupitz 1991, 329-330.

99 Jaeger 1984, 46.

100 Scheunemann 2004, VII.

101 Scheunemann 2004, VII.

Vier Jahre später beschloss die Delegiertenversammlung der DT die Umbenennung in „Bundestierärztekammer e. V.“ (BTK), um die Wahrnehmung als

„eine Dachorganisation und ein Sprachrohr auf Bundes- und europäischer Ebene für den gesamten Berufsstand“102

in der Öffentlichkeit zu fördern.

Auf der außerordentlichen Delegiertenversammlung am 29. September 2001 in Kas-sel wurde eine Änderung der BTK-Satzung dahingehend beschlossen, dass nur noch die 17 Tierärztekammern Vollmitglieder der BTK sind. Die freien Berufs- und Interes-senverbände haben als kooptierte Mitglieder lediglich den Status nicht stimmberech-tigter Beobachter.103

Nach der heute gültigen Satzung der BTK104, die 2003 verabschiedet wurde, lautet der vollständige Name des gesamtdeutschen tierärztlichen Interessenverbandes nun: „Bundestierärztekammer e. V. – Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Tierärzte-kammern“.

Die Organe der BTK sind die Delegiertenversammlung, das Präsidium und das Er-weiterte Präsidium. Die Delegiertenversammlung ist das zentrale Organ der BTK. Sie tagt mindestens zweimal jährlich, um die wichtigsten Belange des Berufsstandes zu erörtern und Beschlüsse zu fassen. Der Präsident leitet und repräsentiert die BTK. Er bildet zusammen mit zwei Vizepräsidenten und vier Ressortverantwortlichen das Präsidium, das von der Delegiertenversammlung auf vier Jahre gewählt wird und den vereinsrechtlichen Vorstand darstellt. Die Ressortverantwortlichen sind jeweils für die Bereiche Praktische Berufsausübung, Öffentliches Veterinärwesen und gesundheitli-cher Verbraugesundheitli-cherschutz, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung und Industrie so-wie Internationale Angelegenheiten zuständig.105 Das Erweiterte Präsidium setzt sich aus den Präsidenten aller Landestierärztekammern und dem Präsidium zusammen und kommt dem Auftrag nach, die Tierärztekammern zu beraten und auf eine Har-monisierung der grundsätzlichen Regelungen und Ordnungen derselben hinzuwir-ken.

Die Satzung der BTK sieht vor, dass die BTK tierärztliche Belange gegenüber Ge-setzgeber, Verwaltung und Öffentlichkeit wahrzunehmen hat. Dazu hat die BTK 18 Fachausschüsse eingerichtet, jeweils bestehend aus drei bis acht Mitgliedern, die Stellungnahmen zu einschlägigen berufspolitischen oder fachlichen Fragen inhaltlich vorbereiten.106

102 Pschorn 2004, IX.

103 Anon. 2001c, 1202-1204.

104 Dtsch. Tierärztebl. 51 (9), 900-904 (2003).

105 Mrozek 2004a, V.

106 Mrozek 2004a, II.

Demselben Zweck dient auch der mindestens alle drei Jahre einzuberufende Deut-sche Tierärztetag, zu dem alle Tierärzte der Bundesrepublik Deutschland aufgerufen sind zu kommen. Er stellt das höchste Gremium der BTK und die Hauptversammlung der deutschen Tierärzte dar. Anlässlich der Hauptversammlung beschlossene Re-solutionen werden an die Öffentlichkeit, Ministerien, Behörden und Verbände weiter-geleitet.107 Die genaue Organisation des Deutschen Tierärztetages wird gemäß des

§ 13 der Satzung der BTK durch eine eigene Satzung bestimmt.108

Auf europäischer Ebene ist die BTK in der 1975 gegründeten Föderation der Tier-ärzte in Europa (FVE) vertreten, die die tierärztlichen Interessen europaweit koordi-niert, und kommt auf diese Weise ihrer satzungsgemäßen Aufgabe nach, die Be-lange der Tierärzteschaft auch international zu vertreten.109

Nachdem die Geschäftsstelle der BTK 1990 von Wiesbaden nach Bonn umgezogen war, wechselte sie kürzlich erneut ihren Sitz und ist seit Mai 2010 in Berlin ansässig.