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Skala 6: Soziale Potenz

Im Dokument Sozialtherapie im offenen Jugendvollzug (Seite 173-177)

Resultat: Die Jugendlichen, die erst kurze Zeit sozialtherapeutisch behandelt werden, haben mit einem T-Wert von 65 einen sehr hohen signifikant

abweichenden Wert (t=2,39). Sie zeigen sich also wesentlich verschlossener und mißtrauischer als nicht-delinquente junge Männer. Diese hohen Werte könnten daher rühren, daß die sozialtherapeutische Abteilung oft besonders

problematische Fälle aufnimmt. Im Vergleich dazu sind die Werte derer, die sich länger dort befinden, um einiges geringer. Mit einem T-Wert von 55 weichen diese Jugendlichen nicht signifikant von der Durchschnittsbevölkerung ab (t=1,06). Gegenläufig stellen sich die Ergebnisse der Kontrollgruppe dar. Die Strafgefangenen, die erst kurz im Regelvollzug inhaftiert sind (9 bis 13 Monate, n=4), haben einen nicht-signifikanten T-Wert von 53 (t=0,75), diejenigen die sich länger in Haft befinden (14 bis 27 Monate, n=7), einen signifikanten T-Wert von 59 (t=3,34).

Auch wenn kein Längsschnittdesign gewählt wurde, legen die Ergebnisse die Ver-mutung nahe, daß die Inhaftierten der Abteilung „Sozialtherapie“ – im Gegensatz zu denen der Kontrollgruppe – im Laufe ihrer Behandlung aufgeschlossener, ver-trauensvoller und weniger mißtrauisch werden.

12.6 Skala 6: Soziale Potenz

Diese Skala gibt Attribute des sozialen Kontakts wieder, die sich auf die Liebes- und Bindungsfähigkeit beziehen.702

sozial potent sozial impotent

gesellig, im heterosexuellen ungesellig, im heterosexuelle Kontakt unbefangen, sehr hin- Kontakt befangen, wenig hin- gabefähig, deutlich konkurrie- gabefähig, kaum konkurrierend, rend, fähig zu Dauerbindung, kaum fähig zu Dauerbindung,

phantasiereich phantasiearm

Die Strafgefangenen der Abteilung „Sozialtherapie“ erreichen auf dieser Skala einen durchschnittlichen T-Wert von 47 und liegen damit nicht signifikant außer-halb der Norm junger nicht-delinquenter Männer. Sie empfinden sich also ebenso gesellig, im heterosexuellen Kontakt unbefangen und phantasiereich wie die Durchschnittsbevölkerung. Die Kontrollgruppe weist einen T-Wert von 48 auf.

702 Beckmann 1991, S.46f.

Mithin besteht zwischen den untersuchten Gruppen auf dieser Skala kein nennenswerter Unterschied.

In der Erhebung von Quensel/Quensel ergab sich für die jugendlichen Delinquenten ebenfalls keine signifikante Abweichung von der Bevölkerungsnorm.

Offensichtlich schlagen sich die Besonderheiten der Persönlichkeit jugendlicher Delinquenter nicht auf dieser Skala der sozialen Potenz nieder.

12.7 Zusammenfassung

Festzuhalten bleibt, daß sich beide Gruppen durchschnittlich sozial resonant fühlen. Dieses Ergebnis weicht von der Norm jugendlicher Delinquenten ab, die nach Quensel/Quensel eine signifikante Verschiebung in Richtung negativer sozialer Resonanz aufweisen, sich also mißachteter, unattraktiver und weniger durchsetzungsfähig fühlen als die Durchschnittsbevölkerung. Auf dieser Skala zeigt sich somit ein positives Resultat beider Gruppen. Es ist davon auszugehen, daß dieses vorteilhafte Ergebnis damit zusammenhängt, daß die Inhaftierten ihre sozialen Fähigkeiten trotz der Inhaftierung in einem begrenzten Maße üben können, da ihnen die Freiräume der recht fortschrittlichen offenen Jugendanstalt Göttingen-Leineberg703 zur Verfügung stehen.

Auf der Skala der Dominanz liegt ein signifikanter Unterschied zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe vor. Die Inhaftierten der Abteilungen des Regelvollzugs zeigen sich gefügiger als die Insassen der Abteilung

„Sozialtherapie“, ordnen sich leichter unter und sind seltener in Auseinander-setzungen verstrickt. Neben der Tatsache, daß die Abteilung „Sozialtherapie“ in vielen Fällen Jugendliche aufnimmt, die Schwierigkeiten mit ihren aggressiven Impulsen haben, ist dieses Ergebnis damit zu erklären, daß den Inhaftierten der Experimentalgruppe die Möglichkeit des bewußten Umgangs mit Konfliktsi-tuationen gegeben wird. Es ist naheliegend, daß dies bei ihnen zu einer diesbezüg-lichen Sensibilisierung führt mit der weiteren Konsequenz, daß die Jugenddiesbezüg-lichen auch eher bereit sind, ihre Aggressionen zuzugeben. Im Gegensatz zu dem Expe-rimentierfeld in der Abteilung „Sozialtherapie“ müssen sich die Jugendlichen des

Regelvollzugs lernen unterzuordnen und daher ist davon auszugehen, daß sie sich als fügsamer ansehen als die Inhaftierten der Experimentalgruppe.

Auch auf der Skala Kontrolle besteht eine Differenz zwischen der Experimental- und der Kontrollgruppe. Die Jugendlichen der Abteilungen des Regelvollzugs stellen sich kontrollierter dar als die Inhaftierten der Abteilung „Sozialtherapie“, sie empfinden sich also als ordentlicher, eifriger, stetiger und wahrheitsliebender.

Ein Erklärungsansatz ist, daß zunächst durch die Reduzierung der äußeren Kontrolle die Selbstkontrolle der Jugendlichen nachläßt, bevor sie durch die therapeutische Begleitung ein neues Gleichgewicht entwickeln können.

Bei den letzten beiden Skalen ist zusätzlich zu beachten, daß diese im Rahmen der Institution Strafvollzug besonders anfällig für eine Beschönigungstendenz im Sinne des Herunterspielens sozial unerwünschter Eigenschaften sind.

Sowohl die Experimental- wie die Kontrollgruppe erzielen auf der Skala Depres-sivität ein überdurchschnittliches Ergebnis, fühlen sich somit bedrückter, selbst-kritischer, ängstlicher und stärker zur Selbstreflexion neigend als die durchschnitt-liche Bevölkerung. Neben der Situation der jungen Straftäter, die geprägt ist von Haftdeprivationen, ungewissen Zukunftsperspektiven etc., kommt in der

Abteilung „Sozialtherapie“ noch hinzu, daß die Inhaftierten angeleitet werden, über ihre Schwierigkeiten und die daraus eventuell begangenen Straftaten nachzudenken. Die auf dieser Skala festgestellten Werte der Selbstreflexion können daher auch als Zeichen für die Wirksamkeit der Therapie angesehen werden.

Die berichteten Ergebnisse der Skala Durchlässigkeit lassen die Vermutung zu, daß die Jugendlichen der Abteilung „Sozialtherapie“ im Laufe der Behandlung – im Gegensatz zu den Insassen der Kontrollgruppe – aufgeschlossener, vertrauens-voller und weniger mißtrauisch werden.

Grundsätzlich bleibt zu konstatieren, daß sich die Inhaftierten beider Gruppen sozial anerkannt und geachtet fühlen. Darüber hinaus stellen sich die Inhaftierten

703 Siehe Abschnitt B 11.4.1.

der Abteilung „Sozialtherapie“ dominanter und unkontrollierter dar als die Insassen des Regelvollzugs, was für eine kritische Selbstreflexion mit ihren Schwierigkeiten und den daraus eventuell begangenen Straftaten spricht. Zudem kann vermutet werden, daß die Jugendlichen in der Abteilung „Sozialtherapie – im Gegensatz zu den Strafgefangenen des Regelvollzugs – im Laufe der

Inhaftierung aufgeschlossener werden.

Die Ergebnisse lassen die Vermutung zu, daß die sozialtherapeutische Behandlung die Jugendlichen zur Selbstreflexion anregt und ihre sozialen

Fähigkeiten fördert, somit einen positiven Beitrag zur Erziehung der Jugendlichen zu leisten.

13 Direkte Bewertung der Sozialtherapie bzw. des Regelvollzugs

Nach den oben bereits erläuterten Erfolgskriterien704 fand zunächst eine direkte Beurteilung der Sozialtherapie durch die Therapeuten und die

Experimentalgruppe sowie des Regelvollzugs durch die Kontrollgruppe statt.

13.1 Auswertung der Fragebogen der Therapeuten hinsichtlich

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