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9.2 Die einzelnen sozialtherapeutischen Einrichtungen

9.2.5 Ludwigshafen

Abschluß von Arbeitsverträgen, Besitz eines eigenen Zellenschlosses u.ä. Darüber hinaus besuchten die Insassen frei praktizierende Ärzte.329

Die Vorteile, die die Inhaftierten an dieser Einrichtung im Gegensatz zum Regel-vollzug besonders schätzten, waren die hohe Gesprächsfrequenz, die Nähe zu den Mitarbeitern, Unterstützung bei der Entlassungsvorbereitung, die Sportmög-lichkeiten für alle Bewohner und die Herausnahme aus der Anonymität der Anstalt.330

9.2.5 Ludwigshafen

Die Sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Frankenthal-Zweig-anstalt Ludwigshafen wurde am 01.02.1972 in der Stadtmitte eröffnet und am 01.11.1975 als selbständige Anstalt Ludwigshafen mit 67 Haftplätzen weiter-geführt.331 Bei Inbetriebnahme der Sozialtherapie gingen die Mitarbeiter davon aus, daß kriminelles Verhalten auf einem Nichtlernen oder Falschlernen von sozialen Verhaltensweisen beruht. Somit müssen Lernprozesse nachgeholt bzw.

Umlernprozesse initiiert werden, damit der einzelne befähigt wird, ein

selbstverantwortliches Leben ohne Straftaten zu führen.332 Organisatorisch wird in Ludwigshafen versucht, eine therapeutische Gemeinschaft zu führen. Konkret bedeutet dies zunächst, daß das Anstaltsleben nach außen geöffnet wird. In der Anstalt müssen sich zum einen realistische, d.h. dem Leben in Freiheit

angeglichene, Interaktionen und Situationen ergeben, und zum anderen sollte die Außenwelt in die Anstalt gebracht werden, z.B. in Form von Besuchern.

Außerdem ist die Organisationsstruktur der Anstalt eine demokratische. Dies bedeutet auf der einen Seite, daß die Insassen an Entscheidungen in der Anstalt beteiligt werden und auf der anderen Seite, daß das hierarchische Verhältnis zwischen Beamten und Fachpersonal aufgelockert wird. Es sollen also häufige,

329 4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.186.

330 4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.188.

331 Egg, ZfStrVo 45 (1996), S.276; Schmitt 1980, S.101, 107; Sachstandsbericht über die Sozialtherapeutische Abteilung der Justizvollzugsanstalt Frankenthal-Zweiganstalt Ludwigshafen in: Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe 1973, S.177; Schmitt in:

Müller-Dietz 1974, S.2.

332 Lerntheorie oder Verhaltensmodifikation: Sachstandsbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen in: Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe 1977, S.295; Schwegler, ZfStrVo 26 (1977), S.39ff.; Schmitt in: Müller-Dietz 1974, S.9ff.; Schmitt 1980, S.102, 225.

offene und gleichberechtigte Interaktionen aller stattfinden.333 In der Anstalt sind 38 Beamte, fünf psychologische Stellen, wovon drei als Teilzeitstellen besetzt sind, fünf Sozialarbeiter, vier Schreibkräfte, drei Verwaltungskräfte und ein Werkbeamten beschäftigt. Eine Ärztin und eine Pfarrerin erscheinen einmal die Woche in der Anstalt. Anstaltsleiterin ist eine Diplom-Psychologin und

Stellvertreter ein Diplom-Sozialarbeiter.334 Um die bereits erwähnte

Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Berufsgruppen zu intensivieren, führte man 1985 das Konzept der sogenannten Triaden ein. In diesen Triaden arbeiten je ein Mitarbeiter aus dem AVD, dem psychologischen Dienst und dem sozialen Dienst einzelfallbezogen zusammen. Dieses Konzept ermöglicht eine höhere wechselseitige Akzeptanz der verschiedenen Berufsgruppen und somit ein besseres Betriebsklima. Zudem gewährleistet dieses System, daß die

Strafgefangenen möglichst konstant von denselben Bezugspersonen betreut werden.335 Zur Förderung der Teamarbeit und der gemeinsamen Zieldefinition sowie zur Weiterbildung gibt es in Ludwigshafen ein ausgeprägtes

Konferenzsystem. Zweimal die Woche findet eine Verwaltungskonferenz aller Diensthabenden statt, in der vor allem organisatorische Fragen geklärt werden.

Eine große Verwaltungskonferenz ist zusätzlich vier- bis sechsmal im Jahr.

Zudem erfolgt dreimal wöchentlich eine Therapiekonferenz, die eine halbe Stunde dauert und an der alle Fach- und Abteilungsdienste teilnehmen. Außerdem

besprechen sich alle Fachdienste einmal die Woche in einer Fachkonferenz.

Ferner nehmen alle Wohngruppenleiter einmal monatlich an der

Wohngruppenleiterkonferenz teil.336 Ein soziales Lernfeld für die Entwicklung der Mitbestimmung des Insassen bietet die Gefangenenmitverantwortung. Zudem fördert dies eine Identifikation mit den Zielen der Anstalt. Pro Wohngruppe wird

333 Schmitt 1980, S.103ff; Sachstandsbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt der

Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen in: Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe 1977, S.296; Schmitt in: Müller-Dietz 1974, S.3; Schwegler, ZfStrVo 26 (1977), S.41.

334 Michelisch-Traeger, in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997 c, S.25; 4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.139, 142; Sachstandsbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt Ludwigshafen in: Sozialtherapie im Strafvollzug,

Dokumentation der 5. Überregionalen Tagung der sozialtherapeutischen Einrichtungen im Bundesgebiet vom 29. bis 31. März 1995, S.193.

335 Michelitsch-Traeger, in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997 b, S.16f.

336 Michelitsch-Traeger, in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997 a, S.92ff.; 4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.147; Schmitt 1980, S.106f.

ein Stellvertreter gewählt und diese treffen sich alle 14 Tage mit einem Bediensteten, der als Ansprechpartner fungiert.337

Als Basisbehandlungsmaßnahme kann die Schaffung therapeutisch nutzbarer Erlebnisfelder durch den Wohngruppenvollzug im Sinne einer Milieutherapie betrachtet werden.338 Als psychotherapeutische Methoden stehen Verhaltensthe-rapie, GesprächspsychotheVerhaltensthe-rapie, Transaktionsanalyse und Familientherapie zur Auswahl. Falls möglich werden Angehörige und die Beamten des AVD in die Therapie einbezogen. Unterstützt und ergänzt werden alle psychotherapeutischen Maßnahmen durch soziales Training und sozialpraktische Übungs- und Bewäh-rungsfelder. Die Einzeltherapie findet einmal die Woche eine Stunde statt und die Gruppentherapie einmal die Woche drei Stunden bzw. für die Freigänger nur eine Stunde.339

Die Zellen werden abends um 22.00 Uhr verschlossen.340 In der Freizeit besitzen die Inhaftierten die Möglichkeit zum Fußball- oder Fitnesstraining, Kickern, Volleyball spielen, Schwimmen, Jogging, Theater spielen, Basteln und Werken.

Zudem können geeignete Insassen mit Vollzugslockerungen Angebote außerhalb der Anstalt nutzen.341 Darüber hinaus wird einmal im Monat eine Aktivität des Freizeit- und Kulturprogramms angeboten.342 Besuch darf der Strafgefangene bis zu dreimal wöchentlich für eine Stunde erhalten, wobei eine Verlängerung auf zwei Stunden möglich ist. Dieser wird zunächst optisch überwacht, diese Überwachung entfällt jedoch später, falls der Inhaftierte auf diese Lockerung einen Antrag stellt. Bei den Besuchern finden Leibesvisitationen statt, bei den Insassen nur bei Verdacht darauf, daß der Besucher ihm etwas mitgebracht hat, was in der Anstalt verboten ist. Urlaub, Ausführungen und Ausgang werden

337 4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.171; Schmitt 1980, S.103, 106.

338 Eingehend: Herbold in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997, S.71ff; Händel in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997, S.31ff.

339 Sachstandsbericht der sozialtherapeutischen Anstalt Ludwigshafen in: Sozialtherapie im Strafvollzug, Dokumentation der 5. Überregionalen Tagung der sozialtherapeutischen Einrichtungen im Bundesgebiet vom 29. bis 31. März 1995, S.194; 4.Synopse der

sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.147; Schmitt 1980, S.159, 161; Schmitt 1980, S.106.

340 Sachstandsbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt der Justizvollzugsanstalt Ludwigshafen in Bundeszusammenschluß für Straffälligenhilfe 1977, S.304; Herbold in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997, S.71.

341 Michelisch-Traeger, Sachstandsbericht der Sozialtherapeutischen Anstalt Ludwigshafen in: 25 Jahre Sozialtherapie 1997, S.29f.; Sachstandsbericht der sozialtherapeutischen Anstalt

Ludwigshafen in: Sozialtherapie im Strafvollzug Dokumentation der 5. Überregionalen Tagung der sozialtherapeutischen Einrichtungen im Bundesgebiet vom 29. bis 31. März 1995, S. 194;

4.Synopse der sozialtherapeutischen Anstalten in: Egg 1993, S.169.

342 Genauer hierzu: Ruf, ZfStrVo 41 (1992), S.179ff.

abhängig von der therapeutischen Entwicklung gewährt, wobei – abgesehen von der besonderen Lockerungsmaßnahme nach § 124 StVollzG – keine Unterschiede zum Regelvollzug bestehen.343 Die eingehende Post wird einer Sichtkontrolle unterzogen, die ausgehende Post wird stichprobenhaft kontrolliert. Es findet eine Kontrolle der Freigänger statt. Auch die Hafträume werden regelmäßig

überprüft.344

Im Gegensatz zum Regelvollzug werden folgende Alltagsaufgaben von den Inhaf-tierten ausgeführt: Häufiges Kochen und Backen sowie Zubereitung jedes Früh-stücks in der voll eingerichteten Küche der Wohngruppe, Waschen mit der eigenen Waschmaschine und dem eigenen Trockner, Einkaufen bei

entsprechenden Lockerungen u.ä. Darüber hinaus hat der Insasse die Möglichkeit, einen Führerschein zu machen und ein eigenes Kfz zu führen.345