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Sinn und Zweck

Im Dokument fremd körper ( ) (Seite 139-146)

3. Die „jüdisch-männliche“ Menstruation

3.2 Menstruationsvorstellungen in der Antike

3.2.3 Sinn und Zweck

Auch Sinn und Zweck der Menstruation wurde diskutiert sowie die Frage, ob die Menstruation zur Gesundheit der Frau beitrage oder eher schädlich für sie sei. Der hippokratische Autor C und Galen sehen in der Menstruation einen nicht unerheb-lichen Nutzen zur Stabilisierung der weibunerheb-lichen Gesundheit. So beschäftigt sich Erstgenannter in seinem ersten Buch der Frauenkrankheiten intensiv mit der

346 Die Methodiker entwickelten, von atomistischen Ideen beeinflusst, die Theorie der drei grund-sätzlichen Krankheitszustände, auf die sich alle Krankheiten zurückführen ließen. Somit waren nur wenige Heilmittel vonnöten und theoretische Kenntnisse, beispielsweise im Bereich der Anatomie, überflüssig. Galen stand ihnen äußerst skeptisch gegenüber.

347 Diese Mengenangabe findet sich bereits beim hippokratischen Autor C im sechsten Kapitel des Buches über weibliche Krankheiten. Vgl. Grensemann: Hippokratische Gynäkologie (wie Anm. 338), 100–101.

348 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 165.

349 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 163.

350 Ebenda, 161.

351 Ebenda, 163.

truation und den schädlichen Auswirkungen, die deren Ausbleiben zur Folge habe.

Gemäß Autor C wird ein Großteil der Frauenkrankheiten durch eine nicht ord-nungsgemäße Menstruation hervorgerufen, so z. B.: „Wenn nun bei einer kinder-losen Frau der Monatsfluß verhalten wird und keinen Weg nach außen finden kann, so entsteht eine Krankheit.“352 Charlotte Schubert und Ulrich Huttner fassen die hippokratische Frauenmedizin wie folgt zusammen: „Menstruation, Geschlechts-verkehr und Schwangerschaft sind die prägenden Konstituenten des Frauenbildes der hippokratischen Medizin.“353 Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft dienen Autor C dabei vor allem als gesundheitliche Prophylaxe, gerade auch im Hinblick auf eine ordnungsgemäß funktionierende Menstruation. Galen verweist in seiner Schrift Über die Mischung und Wirkung von nicht zusammengesetzten Heilmitteln, De simplicium medicamentorum temperamentis et facultatibus (V 22)354, darauf, dass sowohl beim Aus-bleiben der Menstruation als auch bei einer geringen Blutung der Reinigungsfluss der Menstruation durch Medikamente angeregt und gefördert werden solle. Unre-gelmäßigkeiten bei der Menses werden also als Krankheitssymptom gewertet, das es umgehend medikamentös zu kurieren gilt.

Zugleich beschreibt Galen in seiner Schrift Über den Aderlass wider Erasistratos, De Venae Sectione adversus Erasistratum, die Menstruation als Notwendigkeit und ein von der Natur eingerichtetes Medikament, das die Frauen vor einer Unzahl von Krankheiten bewahre:

„It is necessary, in my opinion, that the female sex, who stay indoors, neither engaging in strenuous labour nor exposing themselves to direct sunlight – both factors conducive to the development of plethos [Konzept der Vollheit] – should have a natural remedy by which it is evacuated. This is one of the ways in which nature operates in these conditions“

(K 164, Zählung Kühn).355

Zum einen fällt auf, dass Galen an dieser Stelle – die biologischen Ursachen vermutlich als bekannt voraussetzend – nur zwei kulturelle Faktoren für die Notwendigkeit der weiblichen Menstruation nennt, wobei die fehlende Sonneneinstrahlung hier als neuer Faktor zu der bereits bekannten Ursache der körperlichen Trägheit hinzuzufügen ist.

Beide kulturellen Faktoren sind durch denselben Umstand bedingt, die angenommene 352 Hippokrates: Die Werke des Hippokrates. Die hippokratische Schriftensammlung in neuer deutscher Übersetzung, hrsg. v. Richard Kapferer/Georg Sticker, 3 Bde., Bd. 3, Fotomecha-nischer Nachdruck der fünfbändigen Original-Auflage (1933–40), Anger 1995, XXIII/26; vgl.

auch den griechischen Originaltext und die Übersetzung bei Grensemann: Hippokratische Gynäkologie (wie Anm. 338), 90–91.

353 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 470.

354 Ebenda, 177.

355 Peter Brain: Galen on Bloodletting. A Study of the Origins, Development, and Validity of his Opinions, with a Translation of the three Works, Cambridge und New York 1986, 26.

häusliche Gebundenheit der Frauen. Die Folge ist, dass das angesammelte Blut bei den Frauen nicht im gleichen Maße abgebaut werden kann wie beim Mann, der durch körperliche Arbeit, der direkten Sonnenstrahlung ausgesetzt, das überschüssige Blut quasi abtrainiert. So entsteht ein Überschuss, plethos bzw. πλήϑος, der gemäß Galen durch die Vorsorge der Natur über die Menstruation abgebaut werden kann. Galen nennt im Anschluss noch weitere solche Einrichtungen der Natur beim weiblichen Körper. So zählt er auch die Wochenbettblutung und den Milchfluss während der Stillzeit als Maßnahmen der Natur, um die Frauen vom plethos zu befreien (K 164).

Zudem nennt Galen eine Vielzahl an Krankheiten, von Arthritis über Epilepsie bis hin zur Melancholie, vor denen eine Frau während ihrer Menses geschützt sei, immer vorausgesetzt, dass diese den Normen entsprechend erfolge, also „if she is properly cleansed“ (K 165). Von den Frauen auf die Männer verweisend führt Galen weiter aus:

„But enough of women for the present; come now to consider the men, and learn how those who eliminate the excess through a haemorrhoid all pass their lives unaffected by diseases, while those in whom the evacuations have been restrained have fallen into gra-vest illnesses“ (K 166).356

Wie bereits Aristoteles357 zur Beschreibung der weiblichen Menstruation als Vergleich auf das Leiden der Hämmorhoidalblutungen verwiesen hatte, zieht auch Galen die-sen Vergleich, nun jedoch in umgekehrter Reihenfolge: Die Hämorrhoidalblutungen werden an der weiblichen Menstruation gemessen! Von männlicher Menstruation lässt sich im Fall der galenischen Beschreibung der Hämorrhoidalblutungen beim Mann sicher nicht sprechen, dennoch ist die implizite textliche Verknüpfung an dieser Stelle nicht zu unterschätzen. Selbst wenn Galen das Frauenthema als ausreichend behandelt und abgeschlossen erklärt, so ist dem Leser dieses doch noch unmittelbar im Gedächtnis und durch Galens expliziten Schlussstrich – „[b]ut enough of women for the present“ – wird dieser Eindruck eher noch verstärkt als abgeschwächt. Folg-lich tendiert der Leser dazu, die EvakuationsmögFolg-lichkeiten des weibFolg-lichen Körpers (Menstruation, Wochenbettblutung und Milchfluss) mit denen des männlichen (den Hämmorhoidalblutungen) zu vergleichen und gewisse Äquivalenzen auszumachen.

Dass Galen selbst mit Vorliebe solche Äquivalenzen in Bezug auf Männlichkeit und Weiblichkeit herstellt, z. B. wenn er Menstrualblut und Sperma miteinander gleich-setzt, trägt zu diesem Eindruck zusätzlich bei. Im Allgemeinen gilt ihm jedoch der männliche Körper als unumstößliches Ideal. In diesem Fall scheinen die Vorzeichen jedoch vertauscht, denn der weibliche Körper wird zuerst und sehr viel ausführlicher erwähnt, um nachzuweisen, inwieweit die Natur Vorsorge treffe, den Körper von unerwünschten Überschüssen zu reinigen. Es ist jedoch naheliegend, dass diese 356 Ebenda, 27.

357 Vgl. Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 159.

nahme der Tatsache geschuldet ist, dass Galen hier zugunsten seiner Argumentation seine Männlichkeits-Weiblichkeits-Wertungen etwas aufweicht. Schließlich geht es ihm in seiner Schrift in erster Linie um eine Rechtfertigung des Aderlasses. Dass die Natur den Aderlass sozusagen bereits in Form von Menstruation oder Hämorrhoidal-blutungen beim weiblichen und männlichen Körper vorsieht, gilt ihm an dieser Stelle als Nachweis für die Richtigkeit und Notwendigkeit der Aderlasspraxis. Dass die Frauen an dieser Stelle ein besseres Beispiel für die Stärkung seiner Theorie abgeben als die Männer und er somit sein Männlichkeitsideal teils untergraben muss, spielt für ihn vermutlich nur eine untergeordnete Rolle. Für diese Annahme spricht, dass Galen im weiteren Verlauf seiner Argumentation, wenn er die Negativfolgen eines Ausbleibens der männlichen Hämmorhoidalblutungen und der weiblichen Mens-truation beschreibt, das männliche und weibliche Fallbeispiel gleichwertig nebenei-nander stellt (K 166–167). Galens Textpassage setzt somit weibliche und männliche Blutungen als natürliche Evakuationen in einen gemeinsamen Referenzrahmen und könnte einen Anstoß für spätere, frühneuzeitliche Interpretationen männlicher Mens-truation geliefert haben. Dies gilt es im Hinblick auf die frühneuzeitlichen Theorien zur männlichen Menstruation noch zu überprüfen.

Doch zunächst sind noch weitere Ansichten zu der Frage nach Sinn und Zweck der Menstruation vorzustellen und zu analysieren, die unter den antiken Medizinern kursierten. Soranos von Ephesos setzt sich in einem eigenen Kapitel Ob die Reini-gung durch den Monatsfluss von Nutzen ist in seiner Frauenheilkunde (I 27–29)358 mit dem Thema auseinander. Hierbei referiert er auch die Lehrmeinungen von Herophi-los (1. Hälfte 3. Jh. v. Chr.) und Mnaseas (2. Hälfte 1. Jh. v. Chr.), die beide, wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen, davon ausgingen, dass die Menstruation für einen Teil der Frauen schädlich für den anderen nützlich, da gesundheitsfördernd, sei. Somit sind die beiden der Gruppe von Ärzten zuzurechnen, die der Menstrua-tion eine DoppelfunkMenstrua-tion zuwiesen und davon ausgingen, dass diese sowohl für die weibliche Gesundheit als auch für das Kinderkriegen dienlich sei. Ein anderer Arzt, Themison (von Laodikeia, 1. Jh. v. Chr.)359, „und die meisten unserer Schule“ (der Methodiker), wie Soranos schreibt, waren der Überzeugung, dass die Menstruation allein Reproduktionsfunktion besitze. Eine dritte Gruppe von Ärzten, die Soranos als bedeutend bezeichnet, aber nicht namentlich erwähnt, sprach der Menstruation sowohl im Hinblick auf die weibliche Gesundheit als auch auf die Reproduktion jeg-lichen Nutzen ab. Soranos selbst schließt seine Ausführungen mit der Bemerkung:

„Allgemein muß man aber gegen Mnaseas und Herophilos sagen, daß der Reinigungsfluß [κάϑαρσις] aller Frauen der Gesundheit schadet, daß er aber die empfindlicheren in

358 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 166–175.

359 Nach Manuela Tecusan darf Themison zu Recht als der erste Methodiker genannt werden.

Manuela Tecusan: The Fragments of the Methodists, Leiden und Boston 2004, 13.

rem Maße angreift, das dagegen seine Schadenswirkung bei denen unbemerkt bleibt, die einen unempfindlichen Körper besitzen. Wir können dementsprechend beobachten, daß die Mehrzahl der Frauen, wenn sie keine Regel [καϑαίρεσϑαι] haben, kräftiger sind, so etwa Frauen von männlichem Wesen und solche, die keine Kinder bekommen.“360 Dass die Frauen beschwerdefrei ohne die Menstruationsblutungen auskommen wür-den, ist hier Soranos’ stärkstes Argument. Diese Beobachtungen führt er schon zuvor (I 22–23) an und nennt hier u. a. Athletinnen, genauer gesagt Frauen, die sich „zur Vorbereitung auf einen Wettkampf Stimmübungen unterziehen“. Zudem sind auch geringere Blutungen, die ja bei Galen bereits kuriert gehören, für Soranos unbedenklich.

So empfindet er eine leichte Menstruation bei trainierenden – hier nennt er Gesangs-lehrerinnen – oder reisenden Frauen als keineswegs ungewöhnlich, sondern führt dies auf die größere körperliche Ertüchtigung zurück, während er bei untrainierten, wenig aktiven Frauen eine stärkere Menstruation annimmt. Fehlende Menses ist ihm zufolge sogar eine natürliche Erscheinung: „Daß im allgemeinen das Ausbleiben der Reinigung naturgemäß ist, läßt sich daran zeigen, daß keine beschwerlichen Begleit-erscheinungen auftreten.“361 Beim hippokratischen Autor C hingegen kann das wie-derholte Ausbleiben der Menses sogar Indiz für eine unheilbare Krankheit sein und geht oft mit starken Schmerzen einher.362 Während für die hippokratische Medizin, zu dessen Vertreter auch Galen gezählt werden kann, die Menstruation eine wichtige Rolle für die Gesundheit und somit in erster Linie für die Eukrasie, das ausgewogene Zusammenspiel der Säfte, spielt, kann für die methodische Schule, und hier vor allem für Soranos, die Menstruation eine Bedrohung der weiblichen Gesundheit darstellen.

Schubert und Huttner fassen Soranos’ gynäkologisches System treffend zusammen:

„Soran lehnt sowohl die Ansicht ab, daß der Uterus ein lebenswichtiges Organ im Körper der Frau sei, als auch die Auffassung, daß Menstruation und Schwangerschaft bzw. Geburt essentiell für die weibliche Gesundheit seien. Vielmehr ist er der Ansicht, daß beides eine potentielle Gefährdung für die Gesundheit einer Frau darstelle.“363

Damit bezieht Soranos eine klare Gegenposition zur hippokratischen Gynäkologie, bei der Menstruation, Geschlechtsverkehr und Schwangerschaft als wesentliche Garan-ten, das Ausbleiben der Menstruation bzw. etwaige Normabweichungen jedoch als potentielle Gefahrenherde weiblicher Gesundheit betrachtet wurden. Was die

360 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 175.

361 Ebenda, 167.

362 Hippokrates: Die Werke des Hippokrates (wie Anm. 352), XXIII/27; vgl. auch das griechische Original und die Übersetzung bei Grensemann: Hippokratische Gynäkologie (wie Anm. 338), 92–95.

363 Schubert/Huttner (Hrsg.): Frauenmedizin in der Antike (wie Anm. 334), 470.

chischen Begriffe zur Beschreibung der Menses betrifft, so finden sich sowohl solche, die auf den Monat, katamēnia bzw. καταµήνια, den zyklusmäßigen Verlauf, periodos bzw. περíοδος, oder die reinigende Funktion, katharsis bzw. κάϑαρσις, verweisen.

Generell ist bei der Wahrnehmung und Interpretation der Begriffe jedoch Vorsicht geboten, dies lässt sich anschaulich am letztgenannten aufzeigen. So gebraucht Soranos häufig den Begriff katharsis, ohne jedoch damit die reinigende Funktion der Menses betonen zu wollen, denn er spricht ihr ja gerade diese Funktion, den positiven Effekt auf die Gesundheit, ab. Auch für die hippokratischen Autoren warnt Arata vor einer Überstrapazierung des Begriffs:

„The importance attributed by Hippocratic physicians to purification was the result not of the association of femaleness with pollution but demonstrative of a concern about the irregularity of regular phenomena and how this irregularity might indicate an underlying problem with the mechanisms of the organism.“364

Die Schwerpunktsetzung liegt auf der Reinigung bzw. Evakuation als reguläres körperliches Phänomen für die Frauen, das somit ihrer Gesundheit zuträglich war.

Eine allgemeine Verunreinigung des weiblichen Körpers durch die Menstruation war hierbei keineswegs angedacht.

3.2.4 Wirkungen

Von der rein medizinischen Betrachtung einmal abgesehen, kursierte in der Antike auch eine ganze Reihe von weiteren Vorstellungen über die Wirkungen des Mens-trualblutes. Plinius der Ältere schreibt im 28. Buch seiner Historia naturalis, das sich mit Heilmitteln, die von bzw. aus Lebewesen gewonnen werden können, beschäf-tigt, auch über die Heilmittel der Frauen und nennt die Muttermilch, Speichel und Menstrualblut. Letzteres nimmt den größten Raum in der Textpassage ein, wobei Plinius eingangs und abschließend betont, dass er sich auf die Dinge beschränken wolle bzw. beschränkt habe, die er guten Gewissens, „mit Ehren“, referieren könne:

„Das sind die Mitteilungen, die man vertreten kann, und das meiste davon wurde nur mit Entschuldigung [eigentlich: wurde mit Ehren] gesagt; das übrige ist abscheulich und uner-hört, so daß unser Bericht sich beeilt, das Thema ,Mensch‘ zu verlassen“ (XXVIII.23(7).87).365

364 Arata: Menses in the Corpus Hippocraticum (wie Anm. 337), 18.

365 Übersetzung König und Winkler in der Tusculum-Ausgabe; Original: „Haec sunt, quae rettulisse fas sit, ac pleraque ex his non nisi honore dicto; reliqua intestabilia, infanda, ut festinet oratio ab homine fugere“ (XXVIII.23(7).87). Gaius Plinius Secundus: Naturkunde. Buch XVIII.

Medi-In Plinius’ Darstellung zeichnet sich das Menstrualblut durch seine äußerst ambiva-lenten Wirkungsweisen aus. So gilt es als Heilmittel – sogar für Epilepsie –, Abwehr gegen Stürme und Gewitter sowie in der Landwirtschaft als Mittel zur Schädlings-bekämpfung, aber auch als potentielle Gefahrenquelle. So kann ihm zufolge eine schwangere Frau, die in Kontakt mit Menstrualblut kommt, eine Fehlgeburt erleiden, die Saat kann verdorren, Pflanzen verderben und absterben, Spiegel matt und Mes-ser stumpf werden, um nur einige negative Wirkungen zu nennen. Somit wird die Kraft des Menstrualblutes sowohl im positiven als auch im negativen Sinn als extrem stark und wirkungsvoll eingeschätzt. Plinius umschreibt die Menstruation dement-sprechend auch mit dem Adjektiv monstrificus366, was in etwa als wundersam, seltsam oder magisch übersetzt werden kann. Wie eine Studie aus Kolumbien zeigt, die die Passage aus Plinius zum Anlass nahm, Frauen aus Bucaramanga nach magischen Vor-stellungen zu Menstruation und Menstrualblut zu befragen, wird der Menstruation und dem Menstrualblut immer noch eine große Wirkmächtigkeit zugeschrieben.367

Letztlich lässt sich festhalten, dass die Meinungen zur Menstruation in der Antike weit auseinandergingen. So war man sich weder über Sinn und Zweck noch über den genauen Verlauf noch über die Ursachen der Menstruation einig. Im Wesentlichen wurde versucht, anhand der drei genannten Themenkomplexe die Aspekte Menstru-ation und weibliche Gesundheit/Krankheit in RelMenstru-ation zueinander zu setzen. Hier-bei spielten Konzepte von Männlichkeit als Referenzrahmen eine nicht unerhebliche Rolle. Zum einen diente der Mann den antiken Medizinern zur Ursachenforschung für die weibliche Menstruation, in denen er in Bezug auf Konstitution und Lebens-weise als Negativfolie genutzt wurde. So sind es die zumeist angenommene wärmere Konstitution des Mannes und beim hippokratischen Autor C sein festeres und weniger Feuchtigkeit aufnehmendes Fleisch, die seine Menstruationslosigkeit sicherstellen. Im Hinblick auf die Lebensweise ist es seine außerhäusliche Aktivität, d. h. härtere Arbeit oft verbunden mit direkter Sonneneinstrahlung, die dazu führt, dass überschüssiges Blut in seinem Körper völlig verbraucht wird. Zum anderen bietet Galen mit der Gegenüberstellung der weiblichen Menstruation und der männlichen Hämorrhoi-dalblutungen und der Betonung ihrer Gemeinsamkeit, der Funktion der natürlichen Evakuation der Überschüsse, eine weitere Perspektive, bei der die Männlichkeit nicht als Kontrast dient, sondern Weiblichkeit und Männlichkeit in einen gemeinsamen positiven Referenz- und Äquivalenzrahmen gesetzt werden.

zin und Pharmakologie. Heilmittel aus dem Tierreich. Lateinisch-Deutsch, hrsg. v. Roderich König, unter Mitarb. v. Gerhard Winkler, Tusculum, München et al. 1988, 66–67.

366 Ebenda, 58.

367 Vgl. hierzu Miguel Ángel Alarcón-Nivia/Miguel Ángel Alarcón-Amaya/Lizzeth Blan-co-Fuentes: Creencias, actitudes y vivencias mágicas alrededor de la menstruación entre las mujeres de Bucaramanga (Colombia), in: Revista Colombiana de Obstetricia y Ginecología 57 (2006), 19–26, url: http://www.scielo.org.co/pdf/rcog/v57n1/v57n1a03.pdf (besucht am 27. 02.

2019), hier 19–26.

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