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Juan Huarte de San Juan

Im Dokument fremd körper ( ) (Seite 106-109)

2. Das unreine Blut neuchristlicher Ammen

2.3 Das frühneuzeitliche Verbot neuchristlicher Ammen

2.3.1 Juan Huarte de San Juan

Beispielhaft hierfür ist das Werk Prüfung der Köpfe für die Wissenschaften des Arztes Juan Huarte de San Juan. So schlug dieser in seinem Erziehungsratgeber vor, die Kinder entsprechend ihrer Talente zu erziehen und zu fördern, da er davon ausging, dass die Neigung und Befähigung zur Ausübung einer bestimmten Wissenschaft bereits in der Natur des Kindes angelegt sei und dementsprechend auch nicht um- oder aberzogen werden könne. Dies bespricht er ausführlich in seinem ersten Kapitel, welches in der bislang einzigen deutschen Übersetzung von Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) nicht umsonst folgende Überschrift trägt:

„Erstes Hauptstück. Worinne durch ein Beyspiel gezeigt wird, daß wenn der Knabe nicht die faehigkeit besitzt welche zu der Wissenschaft der er sich widmet erfordert wird, alles vergebens ist, ob er schon die besten Lehrmeister hoeret, viel Buecher hat und seine ganze Lebenszeit darueber zubringt.“274

272 Gracia Guillén: Judaísmo, Medicina y Mentalidad Inquisitorial’ en la España del siglo XVI (wie Anm. 90), 331.

273 Ebenda, 331.

274 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 1. Im spanischen Original heißt es an dieser Stelle: „Capitulo I donde se prueba por un ejemplo que si el muchacho no tiene el ingenio y habilidad que pide la ciencia que quiere estudiar, por demás es oírla de buenos mae-stros, tener muchos libros, ni trabajar en ellos toda la vida.“ Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 69.

Die richtige Erziehung spielt somit für den Arzt zwar eine bedeutende Rolle, aber ohne die Grundvoraussetzung, d. h. ohne die natürliche Befähigung des Kindes zu einer Wissenschaft ist seiner Meinung nach alle Mühe umsonst. Daher sollten die Kinder ihren natürlichen geistigen Fähigkeiten entsprechend, also gemäß ingenio y habili-dad, gefördert werden. Später fügt er in diesem ersten Kapitel noch erklärend hinzu:

„Wenigstens ist das was ich gesagt habe nicht zu leugnen, daß es nemlich Koepfe giebt wel-che zu einer Wissenschaft durchaus gebohren, zu jeder andern aber durchaus ungeschickt sind. Ehe also der Knabe zu studiren anfaengt, muß man seine Seelenkraefte erforschen, sehen welche Wissenschaft mit seiner ueberein koemmt und ihm nur diese und keine andere lernen lassen.“275

Hier wird eine leichte Bedeutungsverschiebung zwischen dem ursprünglichen Text von Huarte de San Juan und der deutschen Übersetzung durch Lessing deutlich, denn während Huarte de San Juan davon spricht, dass die Kinder zu einer Wissenschaft bestimmt seien, also determinados para una ciencia, geht Lessing davon aus, dass sie hierzu geboren sein müssen. Somit verweist er zugleich auf den Ursprung der Bestim-mung, d. h. das Kind, genauer seine Seelenkräfte, la manera de su ingenio, sind folg-lich von Geburt an determiniert. Dass Lessing mit dieser Konkretisierung durchaus dem Anliegen Huartes gerecht wird, lässt sich an einem weiteren Kapitel aus seinem Erziehungsratgeber aufzeigen, nämlich am „Fünfzehente[n] Hauptstück. Welches ohne Zweifel das wichtigste seyn wird, weil man darinne zeigt, wie die Vaeter weise und zu den Wissenschaften faehige Soehne erzeugen sollen“276. Die Betonung liegt hierbei ganz bewusst auf den Vätern und Söhnen, denn Huarte ging als Arzt von den gängigen antiken Theorien aus, dass Frauen und Männer sich nur darin unterschei-den würunterschei-den, dass das Geschlecht bei der Frau nach innen gestülpt sei. Somit sei die Frau folglich nichts anderes als ein von der Natur unvollkommen gebildeter Mann.277 Wenn es sich also um die Erzeugung eines vollkommenen Menschen handelte, der

bestens zu den Wissenschaften befähigt wäre, dann mussten sich diese Ratschläge folgerichtig an das männliche Geschlecht richten. Huarte schreibt hierzu:

275 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 7. Im spanischen Original steht hierzu: „Esto que tengo dicho, a lo menos, no se puede negar, sino que hay ingenios deter-minados para una ciencia, los cuales para otra son disparatos. Y, por tanto, conviene, antes que el muchacho se ponga a estudiar, descubrirle la manera de su ingenio y ver cuál de las ciencias viene bien con su habilidad, y hacerle que le aprenda.“ Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 73.

276 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 359. Im spanischen Origi-nal: „Capitulo XV donde se trae la manera cómo los padres han de engendrar los hijos sabios y del ingenio que requieren las letras. Es capítulo notable.“ Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 310.

277 Ebenda, 315; Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 367.

„Diejenigen Vaeter welche weise und zu den Wissenschaften faehige Kinder haben wol-len, muessen Sorge tragen, daß sie maennlichen Geschlechts werden; weil Weibsperso-nen wegen der grossen Kaelte und Feuchtigkeit ihres Geschlechts, kein durchdringendes Genie bekommen koennen.“278

Feuchte und Kälte galten somit als die in der Frau natürlich vorherrschenden Quali-täten ihrer Säftekonstellation. Diese würden von der Gebärmutter vor allem auf das Gehirn ausstrahlen, da auch dieses von Natur aus zu Feuchtigkeit und Kälte neige.

Durch diese Zunahme an Feuchtigkeit und Kälte werde das Gehirn jedoch beein-trächtigt, während hingegen Trockenheit und Hitze, die natürlich vorherrschenden Qualitäten im Mann, im Gehirn den nötigen Ausgleich schaffen würden, um dieses zu vervollkommnen.279 Um nun geeignete männliche Nachkommen für die Wissen-schaften und damit zum Wohle des Staates280 zu zeugen, sollten intelligente Männer laut Huartes ärztlichem Rat folgende Punkte beherzigen:

„Solcher Bedingungen nun, sage ich, sind sechse an der Zahl, welche die Vaeter allemahl inacht zu nehmen haben, wann sie diesen Endzweck erreichen wollen. Die erste ist, hitzige und trockne Speisen zu essen. Die andre, Sorge zu tragen, daß diese Speisen im Magen wohl verdauet werden. Die dritte, sich fleißige Bewegung zu machen. Die vierte, zu dem Erzeugungswerke nicht eher zu schreiten, als bis der Samen vollkommen wohl zubereitet ist. Die fünfte, seinem Weibe vier oder fuenf Tage vor der monatlichen Zeit beyzuwohnen.

Die sechste, sich zu bemühen, daß der Same auf die rechte Seite des Mutterleibes falle.

Wann die Bedingungen, so wie wir sagen wollen, beobachtet werden, so wird nimmermehr ein Kind weiblichen Geschlechts hervorkommen.“281

278 Ebenda, 392. Im spanischen Original: „Los padres que quisieren gozar de hijos sabios y que ten-gan habilidad para letras, han de procurar que nazcan varones; porque las hembras, por razón de la frialdad y humidad de su sexo, no pueden alcanzar ingenio profundo.“ Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 331.

279 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 373; Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 319.

280 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 360; Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 310.

281 Huarte: Prüfung der Köpfe zu den Wissenschaften (wie Anm. 93), 396–397. Im spanischen Ori-ginal: „Y, así, digo que se han de hacer seis diligencias con mucho cuidado si los padres quieren conseguir este fin. Una de las cuales es comer alimentos calientes y secos; la segunda, procurar que se cuezgan bien en el estómago; la tercera, hacer mucho ejercicio; la cuarta, no llegarse al acto de la generación hasta que la simiente esté cocida y bien sazonada; la quinta, tener cuenta con su mujer cuatro o cinco días antes que le venga la regla; la sexta, procurar que la simiente caiga en el lado derecho del útero. Las cuales guardadas como diremos, es imposible engendrarse mujer.“

Huarte: Examen de ingenios para las ciencias (wie Anm. 93), 333–334.

Von den zeitlichen und räumlichen Bedingungen einmal abgesehen – also der vierten, fünften und sechsten Maßnahme –, maß Huarte offenbar vor allem der Diät und der körperlichen Ertüchtigung die höchste Bedeutung zur optimalen Vorbereitung des männlichen Körpers im Hinblick auf die Zeugung intelligenter Söhne bei. Kondi-tionierung und Determinierung des Charakters erweist sich bei dem Arzt Huarte de San Juan somit als primäres, rein auf die Männer ausgerichtetes Anliegen seines Erziehungsratgebers. Hier offenbart sich der frühneuzeitliche medizinische Biologis-mus des 16. und 17. Jahrhunderts in aller Deutlichkeit.

Im Dokument fremd körper ( ) (Seite 106-109)