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6.2 Inhaltliche Implikationen der Vergleichsergebnisse

6.2.4 Selbstwirksamkeitserwartung

6.2.4.1 Selbstwirksamkeitserwartung der Befragten

Grundsätzlich besteht sowohl in der Eltern- als auch in der Erziehergruppe großes Ver-trauen in die Schutzwirkung von Sonnencreme, grundsätzlich wird deren Wirksamkeit von etwa der Hälfte der Eltern und Erzieher bei korrektem Gebrauch als zuverlässig ein-geschätzt. Dem läuft allerdings zuwider, dass lediglich 6,6% der Eltern der Aussage zu-stimmten, mit Sonnencreme könne man den Aufenthalt in der Sonne unbesorgt genießen.

Diese Inkonsistenz ist auf den ersten Blick verwunderlich. Bedenkt man jedoch, dass die beiden Aussagen einen wichtigen Unterschied aufweisen, ist das Antwortverhalten wo-möglich besser erklärbar: Während einmal nach dem Vertrauen in Sonnencreme an sich als Schutzmittel gefragt wird, geht es in der Aussage „Mit Sonnencreme kann man den Aufenthalt in der Sonne unbesorgt genießen“ auch um die korrekte Anwendung durch die befragte Person. Die zweite Aussage impliziert unter anderem also eine Handlungsaus-führung. Personen mit geringerer Erwartung, diese korrekte Handhabe gewährleisten zu

können, werden der ersten Aussage womöglich noch zustimmen, der zweiten nicht. Ge-wertet werden könnte dies als Unterschied in der Selbstwirksamkeitserwartung der Be-fragten.

6.2.4.2 Selbstwirksamkeitserwartung als Größe im Motivationsprozess

In der wissenschaftlichen Literatur taucht der Begriff der Selbstwirksamkeitserwartung in den letzten Jahren vermehrt auf. Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet die Beein-flussung eines Individuums dadurch, als wie wahrscheinlich es seine Chancen betrachtet, gezielt Einfluss auf den Verlauf von Ereignissen nehmen zu können. Im Fragenkatalog der FRANCIS-Studie tauchen einige Fragen zur Selbstwirksamkeitserwartung auf, auch das einleitende Beispiel zur Einschätzung der Schutzwirkung von Sonnencreme. Nicht nur an dieser Stelle deutet sich an, dass die Selbstwirksamkeitserwartung der Eltern unter dem maximalen Ausprägungsniveau rangiert. Ähnliches zeigt sich auch für die befragten Erzieher.

Die beiden Items „Haben Sie das Zutrauen, dass Sie obige Sonnenschutzmaßnahmen bei Ihrem Kind stets umsetzten können?“ und „Ich kann den Sonnenschutz im Alltag nicht beeinflussen“ fragen beide Selbstwirksamkeitserwartungen ab, wenn auch als komple-mentäres Aussagenpaar. In der Auswertung zeigt sich, wie im Ergebnisteil dargelegt, dass Zusammenhänge beider Selbstwirksamkeitserwartungs-Fragen inhaltlich dieselben Aus-sagen stützen:

Selbstwirksamkeitserwartung korreliert positiv mit Sonnenschutzwissen. Konkret ließ sich das für Wissen zu Settings, in denen Sonnenschutz notwendig ist, Wissen zu Haut-krebsrisikofaktoren und die Aussagen „Gebräunte Haut ist gesunde Haut“ und „Bei vor-gebräunter Haut ist Sonnencreme überflüssig“ zeigen. Es bleibt anzumerken, dass dieses Ergebnis Modelle zu Handlungsmotivation, wie das zur kognitiven Handlungsmotivation von Albert Bandura, bestätigt. In diesem nimmt Selbstwirksamkeitserwartung eine wich-tige Rolle im Motivationsprozess ein und begünstigt die Handlungsinitiation (Bandura 1977, 1982). Dabei hängt die Selbstwirksamkeitserwartung von mehreren Faktoren ab, unter anderem von Erfahrung aus vorherigen Unternehmungen. Wissen resultiert aus eigenen oder Stellvertreter-Erfahrungen, die als Informationen von verschiedenen Quel-len bezogen worden sein können. Insofern hat Wissen, beispielsweise um die Schutzwir-kung von Sonnencreme auch bei vorgebräunter Haut, einen Einfluss auf die Selbstwirk-samkeit einer Person.

Sonnenschutzwissen, das zu Handlungen führte, ermöglicht bei Handlungserfolg auch eine positive Verstärkung der Selbstwirksamkeit. Die Items „Zutrauen, Sonnenschutz beim eigenen Kind stets umsetzen zu können“ und „Ich kann den Sonnenschutz im Alltag nicht beeinflussen“, bilden beide Selbstwirksamkeitserwartung ab. Wird der Aussage

„Ich kann den Sonnenschutz im Alltag nicht beeinflussen“ zugestimmt, so ist daraus eine geringere Selbstwirksamkeitserwartung ableitbar. Die Auswertung dieses Items kann als direkter Gradmesser für die Selbstwirksamkeit des Befragten herangezogen werden. Die-ser Indikator der Selbstwirksamkeit zeigt einen signifikanten Zusammenhang mit dem richtigen Erkennen von Hautkrebsrisikofaktoren, unter anderem von „Anzahl der Son-nenbäder im Leben“ und „Anzahl der Sonnenbrände im Kindesalter“. Umgekehrt bedeu-tet eine Zustimmung zum zweiten genannten Fragebogenelement zur Selbstwirksam-keitserwartung höhere SelbstwirksamSelbstwirksam-keitserwartung. Befragte, die eine höhere Selbst-wirksamkeitserwartung zeigten, verfügten auch über eine bessere Kenntnis der beiden Risikofaktoren „Anzahl der Sonnenbäder im Leben“ und „Anzahl der Sonnenbrände im Kindesalter“. Sonnenschutz im Kindesalter ist durch die Befragten, objektiv betrachtet, durchaus beeinflussbar, mit den im thematischen Hintergrund genannten Sonnenschutz-maßnahmen etwa. Stimmt ein Befragter den beiden Risikofaktoren zu, so kennt er diese Handlungsmacht, die er dem vorherigen Satz nach hat, selbst auch. Gerade die gezeigten Zusammenhänge lassen es denkbar erscheinen, dass Wissen und Selbstwirksamkeit sich wechselseitig beeinflussen.

Zum Teil empfinden die Eltern und Erzieher der Befragung sich auch außer Stande, „den Sonnenschutz im Alltag zu beeinflussen“. Der Grund für die fehlende Selbstwirksam-keitserwartung ist aus den gezeigten Zusammenhängen nicht herleitbar. Die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der eigenen und objektiv existenten Handlungsmöglichkei-ten lässt Raum für verschiedene Erklärungsansätze.

Da eine positive Selbstwirksamkeitserwartung maßgeblich die Wahrscheinlichkeit tat-sächlicher Schutzhandlungen erhöht, scheint eine genauere Untersuchung der Gründe für die negative Selbstwirksamkeitserwartung der Befragten für zukünftige Sonnenschutz-kampagnen von Interesse. Auch in vorhergehenden Studien zeigte sich, dass Sonnen-schutzwissen nicht automatisch zu Sonnenschutzhandeln führt (McEachan et al. 2011).

Zwischen diesen beiden Beobachtungsgrößen steht eine Reihe von Einflussfaktoren, die noch nicht alle hinlänglich bekannt sind. Auch Selbstwirksamkeitserwartung gehört zu ihnen. Allgemein wird der unbekannte Zusammenhang zwischen Wissen als Grundlage der Haundlungsmotivation und Handlung als „intention-behaviour gap“ bezeichnet. Ne-ben dem Genannten besteht auch zwischen der Kenntnis des Risikofaktors „Anzahl der

Sonnenbäder im Leben“ und der Selbstwirksamkeitserwartung („Ich kann den Sonnen-schutz im Alltag nicht beeinflussen“) ein Zusammenhang in der vorliegenden Auswer-tung. Auch die Anzahl der Sonnenbäder ist durch die Befragten beeinflussbar. Dennoch scheint das Wissen um diese Stellschraube beim Sonnenschutz nicht notwendigerweise einen positiven Effekt auf Sonnenschutzverhalten zu haben.

6.2.4.3 Weiterführende Gedanken zu Selbstwirksamkeitserwartung

Interessant erscheint der Autorin an dieser Stelle, dass eine Korrelation zwischen fehlen-der Selbstwirksamkeitserwartung und Zustimmung zu der Aussage „Bei vorgebräunter Haut ist Sonnencreme überflüssig“ besteht. Der Zusammenhang lässt sich auch folgen-dermaßen formulieren: Personen mit geringerer Selbstwirksamkeitserwartung beim Thema Sonnenschutz glauben demnach weniger an die Schutzbedürftigkeit vorgebräun-ter Haut.

Anders als bei den Hautkrebsrisikofaktoren, die nach möglichen Risikofaktoren fragen, ist die Frage nach Schutzbedürftigkeit vorgebräunter Haut von alltäglicher, unmittelbarer Relevanz. Risikofaktoren für Hautkrebs deuten eher auf Gefährdungen durch ein negati-ves Ereignis in der Zukunft, wohingegen bei der Frage nach Sonnenschutzbedarf bei vor-gebräunter Haut, ebenso wie bei der Frage, ob gebräunte Haut mit gesunder Haut gleich-zusetzen ist, weniger auf zukünftige Gefahren verwiesen wird. Womöglich hat gegenwär-tige Konfrontation mit Risikosituationen im eigenen Leben einen, anders als bei Prokras-tinationstendenzen, eher positiven Einfluss auf den Wissensstand der Befragten. Dies lässt sich mit Ergebnissen der Auswertung stützen. Es zeigte sich, dass richtige Haut-krebsrisikofaktoren weniger starke Zustimmungswerte als die Aussagen „Bei vorge-bräunter Haut ist Sonnencreme überflüssig“ und „Gebräunte Haut ist gesunde Haut“ auf-weisen. So stimmten 84,5% der Eltern und 92,1% der Erzieher der Aussage „Bei vorge-bräunter Haut ist Sonnencreme überflüssig“ zu. Die Falschaussage „Gebräunte Haut ist gesunde Haut“ wurde analog von 78,3% der Eltern und 88,4% der Erzieher erkannt. Als Risikofaktoren mit der Höchsten Zustimmungsrate erreichten „Anzahl der Sonnenbäder im Leben“ und „Anzahl der Sonnenbrände im Kindesalter“ ähnlich hohe, die restlichen Risikofaktoren geringere Werte. Sirois konnte zeigen, dass zwischen einer Aufschiebe-tendenz, als gedanklicher Handlungsverschiebung in die Zukunft, und geringerer Selbst-wirksamkeitserwartung ein positiver Zusammenhang besteht (Sirois 2004). Wenn dieser Zusammenhang auch in den vorliegenden Daten besteht, müsste die Zustimmung zu den

Hautkrebsrisikofaktoren und die Stärke des Zusammenhangs (Cramers V) der Selbst-wirksamkeitserwartung mit den Hautkrebsrisikofaktoren möglicherweise geringer ausfal-len. Tatsächlich gilt der von Sirolis postulierte Zusammenhang scheinbar eingeschränkt.

Für die meisten Risikofaktoren kann er hier bestätigt werden, für die Beiden am besten bekannten nicht, wie eben dargelegt wurde. Für die gut bekannten Risikofaktoren ergibt sich, analog den prozentualen Zustimmungswerten, ein im Vergleich höherer Wert für Cramers V. Für „Anzahl der Sonnenbäder im Leben“ ergibt sich Cramers V zu 0,122, für

„Anzahl der Sonnenbrände im Kindesalter“ zu 0,134. Diese Werte liegen erwartungsge-mäß über denen der anderen Wissens-Items. Cramers V ergibt sich für „Bei vorgebräunter Haut ist Sonnencreme überflüssig“ zu 0,114 für die befragten Eltern und bei „Gebräunte Haut ist gesunde Haut“ zu 0,104 für die befragten Eltern. Die übrigen Risikofaktoren wiesen schwächere oder nicht signifikante Zusammenhänge mit der Selbstwirksamkeits-erwartung auf.

Unterschiedliche Kenntnisstände bei Hautkrebsrisikofaktoren gehen in der Auswertung mit unterschiedlich starken Zusammenhängen mit Selbstwirksamkeitserwartung einher.

Dies zeigt sich daran, dass absolute Zustimmungswerte und die Stärke des Zusammen-hangs ähnliche Rangfolgen ergeben. Cramers V normiert die quadrierten Differenzen zwischen tatsächlicher Werteausprägung und erwarteter Werteausprägung, dividiert durch die erwarteten Häufigkeiten, auf einen Wert zwischen 0 und 1. Es ergibt sich also eine quadrierte Wertedifferenz, die in Bezug zum erwarteten Wert gesetzt wird, insge-samt ist der Zusammenhang also funktionell linear. Er gibt also an, wie gut ein Merkmal durch ein anderes vorhersagbar ist. Aus den Kreuztabellen der Auswertung geht hervor, dass gut bekannte Wissensinhalte eher bekannt sind. Umgekehrt ist bei Personen mit Kenntnis der wichtigsten Risikofaktoren mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung zu rech-nen. Für Personen, denen die am weitesten bekannten Wissensfaktoren nicht bekannt wa-ren, ist eine geringere Selbstwirksamkeit zu erwarten. Und für Wissenselemente, die eher unbekannt waren, ließ sich ein statistischer Zusammenhang mit Selbstwirksamkeit weni-ger belegen. Über Kausalitäten kann an dieser Stelle keine definitive Aussage getroffen werden.

Als alternative Erklärung zu obigem unidirektionalen Erklärungsansatz wäre die fehlende Selbstwirksamkeitserwartung ein Grund, Gefahren durch UV-Strahlung klein zu reden.

Dies geschähe womöglich auch, um die eigene Untätigkeit beim Sonnenschutz, konkret bei vorgebräunter Haut, als wenig gravierend zu entschuldigen.