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B. Die Vereinbarkeit der Bedarfszulassung von Rehabilitationseinrichtungen

V. Die Vereinbarkeit der Praxis der Bedarfszulassung von Rehabilitations-

1. Schutzbereich

V. Die Vereinbarkeit der Praxis der Bedarfszulassung von Rehabilita-tionseinrichtungen mit Art. 12 Abs. 1 GG

1. Schutzbereich de s Art. 12 Abs. 1 GG

a) Das Betreiben einer Rehabilitationseinrichtung als Beruf i. S. des Art. 12 Abs. 1 GG

Nach Art. 12 Abs. 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Nach einer weiten Definition des

94 Zu den verschiedenen Finanzierungsmodellen vgl. Rudolph, BArbBl. 1994 Heft 8/9, S. 48.

95 Zu den Problemen der Krankenhausfinanzierung vgl. Boecken, ZVersWiss 1997, 363 ff.

96 Allerdings mit dem wichtigen Unterschied, dass den Krankenhausträgern ein Rechtsanspruch auf Investitionsfö rderung eingeräumt wird, solange und soweit das Krankenhaus in den Krankenhausplan aufgenommen ist (vgl. § 8 Abs. 1 KHG), während ein solcher Anspruch bei den Pflegeeinrichtungen nicht besteht. Hier liegt die Förderung im politischen Ermessen der Länder, vgl. Spellbrink in Hauck/Wilde § 82 SGB XI Rz. 7.

gerichts bedeutet dies, dass jeder Einzelne das Recht hat, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen und zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen98. Dies beinhaltet neben der freien Berufswahl auch die Freiheit der Berufsaus-übung. Dabei wird die gesamte berufliche Tätigkeit geschützt, insbesondere Form, Mittel und Umfang sowie Inhalt der Betätigung99. Art. 12 Abs. 1 GG konkretisiert somit das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuel-len Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab100. Das Betreiben einer Rehabilitationsklinik ist danach ohne weiteres als „Beruf“ i. S. des Art. 12 Abs. 1 GG anzusehen und fällt somit in den Schutzbereich der Berufsfreiheit101.

b) Juristische Personen und Personenvereinigungen als Träger der Berufsfre iheit Bei den Trägern von Rehabilitationseinrichtungen zur Erbringung stationärer Rehabili-tationsleistungen wird es sich häufig um juristische Personen oder Personenvereinigungen des Privatrechts handeln. Nach der o. g. Definition konkretisiert Art. 12 Abs. 1 GG das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich der individuellen Leistung und Existenzerhaltung102. Aufgrund dieses individualrecht-lich-personalen Ansatzes stellt sich die Frage, inwieweit auch Rehabilitationseinrichtungen vom Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfaßt sind, die als juristische Personen oder Personenvereinigungen betrieben werden. Nach heute herrschender Auffassung und ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt die Berufsfreiheit gem. Art. 19 Abs. 3 GG auch inländischen juristischen Personen sowie Personenvereinigungen des Privatrechts zugute103. In diesem Fall liegt

97 KassKomm.-Hess, § 111, Rz. 6.

98 BVerfGE 12.6.1990, Bd. 82, 209 (223).

99 Jarass in: Jarass/Pieroth, Art. 12 Rz. 8; Tettinger in: Sachs, Art. 12, Rz. 57 m. w. Nachw.

100 BVerfGE 12.6.1990, Bd. 82, 209 ff. (223); BVerfGE 5. 5. 1987, Bd. 75, 284 ff. (292); BVerfGE 27. 1.

1982, Bd. 59, 302 ff. (315) m.w. Nachw.

101 Siehe Boecken, Vereinbarkeit der krankenversicherungsrechtlichen Zulassung von Rehabilitationsein-richtungen mit dem nationalen und dem europäischen Recht, in: ders./Hänlein/Kruse/Steinmeyer, 243 ff.

(250); vgl. auch BVerfGE 12.6.1990, Bd. 82, 209 (223) zum Betreiben eines Krankenhauses.

102 BVerfGE 12.6.1990, Bd. 82, 209 ff. (223); BVerfGE 5. 5. 1987, Bd. 75, 284 ff. (292); BVerfGE 27. 1.

1982, Bd. 59, 302 ff. (315) m.w. Nachw.

103 BVerfGE 1. 3. 1979, Bd. 50, 290 ff. (363); E 4. 12. 1979, Bd. 53, 1 ff. (13); E 19. 10. 1983, Bd. 65, 196 ff. (209 f.); E 17. 2. 1998, Bd. 97, 228 ff. (253); BVerwGE 4. 10. 1994, Bd. 97, 12 ff. (23); a. A. AK-Rittstieg, Art. 12, Rz. 167. Wieland weist allerdings überzeugend darauf hin, dass die Auffassung der h.

M. keinesfalls selbstverständlich ist, vgl. Wieland, Anm. zu BVerwG 22.12.1993, JZ 1995, 93 (97).

das Schutzgut in der Freiheit, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, inbesondere ein Gewerbe zu betreiben, soweit diese Tätigkeit ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise von einer juristischen wie von einer natürlichen Person ausgeübt werden kann104. Die Erbringung von Rehabilitationsleistungen kann ihrem Wesen nach in gleicher Weise von einer juristischen, als auch von einer natürlichen Person ausgeübt werden. Somit fallen auch Rehabilitationseinrichtungen, die als juristische Person oder Personenvereinigung des Privatrechts betrieben werden, ohne weiteres in den Schutzbe-reich des Art. 12 Abs. 1 GG.

c) Juristische Personen der freien Wohlfahrtspflege als Träger der Berufsfre iheit Ausgehend von der erweiterten Definition des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 12 Abs. 1 GG bei juristischen Personen die Freiheit bezeichne, eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit, insbesondere ein Gewerbe zu betreiben105 wird teilweise die Ansicht vertreten, der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG beziehe sich nicht auf gemeinnützi-ge juristische Personen, da diese keine „Erwerbszwecken dienende Tätigkeit“

ausübten106. „Erwerb“ sei seinem Begriff nach eigennützig, nicht gemeinnützig.

Gemeinnütziges Handeln müsse nach der Definition des § 52 Abs. 1 S. 1 AO wiederum selbstlos erfolgen.

Dieser Meinung kann nicht gefolgt werden. Abgesehen davon, dass es auslegungsme-thodisch höchst fragwürdig ist, ein einfaches Gesetz – nämlich die Abgabenordnung - als Maßstab zur Auslegung des Grundgesetzes heranzuziehen, darf die erweiterte Definition des Bundesverfassungsgerichts nicht isoliert betrachtet werden. Sie gilt nur zusätzlich zur allgemeinen Definition, nicht anstelle dieser. So ist „Erwerbszweck“ hier im Sinne einer „Grundlage der Lebensführung“ zu verstehen, zu der der einzelne das Recht hat, seinen Beruf zu machen, wie das Bundesverfassungsgericht es in seiner allgemeinen Definition dargelegt hat107. Eigennützigkeit im Sinne einer Gewinnerzie-lungsabsicht ist darunter nicht zu verstehen, vielmehr reicht es aus, dass die juristische

104 BVerfGE 16. 3. 1971, Bd. 30, 292 ff. (312); E 4. 4. 1967, Bd. 21, 261 ff. (266); E 29. 11. 1967, Bd. 22, 380 ff. (383).

105 BVerfGE 16. 3. 1971, Bd. 30, 292 ff. (312); E 4. 4. 1967, Bd. 21, 261 ff. (266).

106 Wieland, Anm. zu BVerwG 22.12.1993, JZ 1995, 93 (97), der anstelle dessen die gemeinnützigen juristischen Personen unter den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG stellen will.

107 BVerfGE 12.6.1990, Bd. 82, 209 (223).

Person geschäftsmäßig betrieben wird und ein „ökonomischer Grundbezug“108 vorhan-den ist.

Das Bundesverfassungsgericht versteht den Beruf im Sinne einer Lebensaufgabe, in der sich die menschliche Persönlichkeit voll ausformt und vollendet109. Es ist nicht einzuse-hen, warum eine mit Gewinnerzielungsabsicht geführte juristische Person diesem Ideal näher sein soll, als eine gemeinnützige, wenn man die erweiterte Definition des Bun-desverfassungsgerichts nun einmal im Lichte dieser allgemeinen Definition sieht.

Aus all dem folgt, dass auch juristische Personen als Träger von Rehabilitationseinrich-tungen der freien Wohlfahrtspflege unter dem Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG stehen110.