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C. Die Vereinbarkeit der Bedarfszulassung von Rehabilitationseinrichtungen mit

II. Das Territorialitätsprinzip und die sich daraus ergebende Konsequenz

1. Ausschließliche Berücksichtigung im Inland befindlicher

Das Territorialitätsprinzip stellt ein Grundprinzip des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Inwiefern es sich auf das Leistungserbringungsrecht im Zusammenhang mit der Zulassung von Rehabilitationseinrichtungen auswirkt und ob sich diese Auswirkung mit der Dienstleistungsfreiheit i. S. d. Art. 49 ff. EGV vereinba-ren lässt, wird im folgenden untersucht.

1. Ausschließliche Berücksichtigung im Inland befindlicher Rehabilita-tionseinrichtungen als Ausfluss des Territorialitätsprinzips

Obgleich die Regelungen des Leistungsrechts und des Leistungserbringungsrechts jeweils unterschiedliche Rechtsbeziehungen zum Inhalt haben und insofern zu trennen sind, bedingen sie sich gegenseitig, was einzelne Punkte anbelangt. Einer dieser

328 So z. B. die Verfahren Müller Fauré und van Riet – C-385/99-, siehe hierzu Danner, KrV 2000, 152 ff. (153) sowie die Schlussanträge des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer vom 22. 10.2002 (im Internet unter http://curia.eu.int).

Berührungspunkte stellt das Territorialitätsprinzip dar, welches im Folgenden zunächst als solches erläutert und sodann daraufhin untersucht werden soll, inwiefern es die Praxis der Bedarfszulassung beeinflußt bzw. ob ein solcher Einfluß zwingend ist.

a) Das Territorialitätsprinzip als Grundprinzip des Sozialrechts

Eine allgemeine Definition des Territorialitätsprinzips – soweit eine solche hinsichtlich der Vieldeutigkeit dieses Begriffs überhaupt sinnvoll ist329 - beschreibt dieses als einen Grundsatz zur Regelung des räumlich-personellen Anwendungsbereichs eines Gesetzes bei grenz-überschreitenden Fällen330. Die „konkrete“ Ausgestaltung des Territorialitäts-prinzips im deutschen Sozialrecht331 ergibt sich zunächst aus der Grundnorm des § 30 Abs. 1 SGB I, wonach die Vorschriften „dieses Gesetzbuchs332“ für alle Personen gelten, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in seinem Geltungsbereich haben. Demnach richtet sich die Geltung des deutschen Sozialrechts grundsätzlich nach dem Wohn- oder Aufenthaltsort als territorialem Anknüpfungspunkt dieser Kollisions-norm333. Die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs –Allgemeiner Teil- gelten als solche gem. § 37 S. 1 SGB I zwar grundsätzlich für alle Sozialleistungsbereiche - und damit auch für die gesetzliche Krankenversicherung – soweit dort nichts Abweichendes bestimmt ist; das Territorialitätsprinzip in seiner Ausgestaltung nach § 30 Abs. 1 SGB I, ist jedoch in mehrfacher Hinsicht mit Ausnahme- bzw. Spezialvorschriften durchsetzt, so dass es in dieser Ausprägung nur eine geringe praktische Bedeutung hat334. Dies ist zum einen eine Folge des § 30 Abs. 2 SGB I, der über- und zwischenstaatliche Ab-kommen über Fragen der sozialen Sicherheit zuläßt und aufgrund dessen auch

329 Birk, Die Auswirkungen des Territorialitätsprinzips auf das Europäische Sozialrecht, in: Ress/Stein, 27 ff. (29), bezeichnet den Begriff des Territorialitätsprinzips als „Begriffshülse“ bzw. als „wolkig“ und verweist dabei auf Vogel, S. 142 ff., der die Funktion dieses Begriffs als „Scheinbegründung“ eingehend nachgewiesen habe, sowie auf ein Zitat von Gamillscheg, S. 121: „Wenige Schlagworte sind undeutli-cher, verwaschener, unbrauchbarer als das von der Territorialität dieses oder jenes Zweiges des Rechts.“

330 Birk, Die Auswirkungen des Territorialitätsprinzips auf das Europäische Sozialrecht, in: Ress/Stein, 27 ff. (31).

331 Zur Kritik am Begriff des Territorialitätsprinzips im Sozialrecht vgl. von Maydell, S. 68 ff.

332 Gem. Art. II, § 1 SGB I zählen hierzu nicht nur die Sozialgesetzbücher I, III, IV, V, VI, VII, VIII, X, XI, sondern auch die - noch nicht in das Sozialgesetzbuch eingeordneten - in Art. II, § 1 SGB I aufgezähl-ten Gesetze.

333 Entsprechend seiner Einordnung als Kollisionsnorm wird das Territorialitätsprinzip als solches in der Literatur vornehmlich als Stichwort des internationalen Sozialrechts besprochen (vgl. nur von Maydell in:

Schulin HS-KV, § 64, Rz. 21 ff.

334 Siehe von Maydell in: Schulin HS-KV, § 64, Rz. 22.

zahlreiche Vereinbarungen dieser Art bestehen335. Zum anderen bestehen aufgrund des Vorbehalts des § 37 S. 1 SGB I Spezialregelungen bzw. Modifikationen in den §§ 3 ff.

SGB IV für den Sozialversicherungsbereich im Allgemeinen und in den §§ 16 ff. SGB V für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung im Besonderen.

So wird für den Bereich der Sozialversicherung, was den räumlichen und personellen Geltungsbereich der Vorschriften über die „Versicherungspflicht“ und die „Versiche-rungsberechtigung“ anbelangt, das Territorialitätsprinzip insofern modifiziert, als in den Fällen des § 3 Ziff. 1 SGB IV der Beschäftigungsort den Anknüpfungspunkt darstellt und nur noch in den übrigen Fällen gem. § 3 Ziff. 2 SGB V an den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird. Daneben finden sich weitere Besonderheiten in Form der Regelungen der §§ 4 und 5 SGB IV über die „Ausstrahlung336“ bzw.

„Einstrahlung337“ des Geltungsbereichs, die – obgleich sie in der Praxis erhebliche Bedeutung haben - im vorliegenden Zusammenhang nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden sollen.

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Vorschriften der §§ 3 ff. SGB IV nur für die Versicherungspflicht im Sinne der Beitragspflicht gelten338 oder ob sie – wofür meines Erachtens die überwiegenden Gründe sprechen - auch die Leistungsseite betreffen339, da für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand allein die Leistungsseite der gesetzli-chen Krankenversicherung relevant ist und für diese wiederum spezielle Regelungen in den §§ 16 ff. SGB V vorgesehen sind340.

335 Siehe hierzu die Übersicht BKK 1991, 505 ff.; Kraus, DRV 1998, 744 ff. (bezügl. der neuen Sozial-versicherungsabkommen mit Kroatien, Slowenien und Bulgarien).

336 Siehe Schuler, 424 ff.

337 Allgemein zur Lehre der Einstrahlung vgl. Steinmeyer, Die Einstrahlung im internationalen Sozialver-sicherungsrecht, 29 ff.

338 So Steinmeyer in: SRH, D. 31, Rz. 51; Birk, Die Auswirkungen des Territorialitätsprinzips auf das Europäische Sozialrecht, in: Ress/Stein, 27 ff. (34), der jedoch zugleich das Außenvorbleiben des Leistungsrechts im Rahmen der Regelung der §§ 3 ff. SGB IV kritisiert, da der Zusammenhang von Beitrag und Leistung im Sozialversicherungsrecht institutionell vorgegeben sei.

339 So Schulin/Igl, Rz. 1080 m. w. Nachw.; als Begründung wird zu Recht das aus der Versicherungs-pflicht resultierende Versicherungsverhältnis angeführt, aus dem sich wiederum neben den Beitragsansprüchen auch die Leistungsansprüche ergeben.

340 Freilich unvollständig ist insoweit die Darstellung von Birk, a. a. O., der im Zusammenhang mit dem Territiorialitätsprinzip im deutschen Sozialrecht lediglich § 30 SGB I als einzige „dürftige“ Norm zur rechtlichen Ausgestaltung des Territorialitätsprinzips nennt, die – seiner Ansicht nach im Gegensatz zu den §§ 3 ff. SGB IV - die Leistungen regelt.

Ausgehend vom Territorialitätsprinzip stellt § 16 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V den Grundsatz auf, dass der Leistungsanspruch ruht, solange sich der Versicherte – wenn auch nur vorübergehend - im Ausland aufhält. Dies bedeutet, dass in diesem Fall zwar der Anspruch als Stammrecht besteht, dass aber die fällige Einzelleistung aufgrund zusätz-licher in § 16 SGB V genannter Tatsachen weder verlangt werden kann, noch bewirkt werden darf341. Sinn der Vorschrift ist damit u. a. die Vermeidung von Leistungen im Ausland342. § 16 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V ist allerdings im Zusammenhang mit den §§ 17 und 18 SGB V zu sehen, die die Ruhensregelung unter bestimmten Voraussetzungen wieder einschränken bzw. abmildern343. Neben § 17 SGB V, der einen Fall der Lei-stungsaushilfe durch den Arbeitgeber regelt344, geht es bei § 18 SGB V um eine Kostenübernahme bei medizinisch notwendiger Auslandsbehandlung345. Vor allem die restriktive Ausgestaltung der letztgenannten Norm als Ausnahmevorschrift zu § 16 SGB V und damit auch des Territorialitätsprinzips macht die Bedeutung dieses Prinzips als einer der Eckpunkte im System des deutschen Sozialrechts deutlich.

Mehrere Schranken sieht § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V für eine Kostenübernahme bei Auslandsbehandlung vor. So ist zunächst festzustellen, dass es sich - ebenso wie bei einer Behandlung im Inland346 - um eine dem allgemein anerkannten Stand der medizi-nischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit handeln muß347. Des Weiteren werden die Kosten nur übernommen, wenn die Behandlung der Krankheit

„nur“ – d. h. ausschließlich – im Ausland möglich ist. Eine lediglich bessere

341 BSG 27, S. 271=SozR Nr. 8 zu § 216; BSG 44, S. 226=SozR 2200, § 1241, Nr. 5; zum im Einzelnen kontrovers diskutierten Begriff des Ruhens vgl. Mrozynski in: Wannagat, § 16 SGB V, Rz. 5 f. m. w.

Nachw.; vgl. hierzu auch Schulin/Igl, a. a. O., wo in diesem Zusammenhang von der Virulenz des Anspruchs gesprochen wird.

342 Mrozynski in: Wannagat, § 16 SGB V, Rz. 1.

343 Peters kritisiert zu Recht die Systematik der §§ 16 ff. SGB V, indem er darauf hinweist, dass die Ruhenstatbestände, bei denen der Aufenthalt im Ausland maßgebend ist, in § 16 SGB V mit Tatbestän-den, die andere Zwecke verfolgen, zusammengefaßt ist, die in den §§ 17 und 18 geregelten Ausnahmen vom Ruhen hingegen nur Tatbestände mit Auslandsberührung betreffen und hält daher eine geschlossene Ruhensregelung für die Fälle mit Auslandsberührung für systematisch befriedigender (siehe KassKomm-Peters, § 16 SGB V, Rz. 4.

344 KassKomm-Peters, § 17 SGB V, Rz. 2.

345 KassKomm-Peters, § 18 SGB V, Rz. 2.

346 Geregelt in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. den entsprechenden Richtlinien nach § 92 SGB V.

347 Nach BSG SozR 3-2500 § 18 Nr. 1 genügt es jedoch für eine Ablehnung der Auslandsbehandlung nicht, dass eine bestimmte Krankheit generell im Inland behandelbar ist, sondern sie muß hinsichtlich der Person des konkreten Versicherten behandelbar sein.

lungsmethode allein genügt nicht348. Als Kriterium für eine nur im Ausland mögliche Behandlung ist es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ebenfalls nicht anzusehen, ob die Auslandsbehandlung im Vergleich zu einer entsprechenden inländi-schen Behandlung kostengünstiger wäre349.

Schließlich wird den Krankenkassen aufgrund der Ausformulierung des § 18 Abs. 1 S. 1 SGB V als „Kann“-Vorschrift bei der Entscheidung der Übernahme von Kosten für eine erforderliche Auslandsbehandlung ein Ermessensspielraum eingeräumt, auf dessen ermessensfehlerfreien Gebrauch freilich ein Anspruch besteht (vgl. § 39 Abs. 1 S. 2 SGB I). Wenn auch die Krankenkassen gem. § 275 Abs. 2 Ziff. 3 SGB V verpflichtet sind, vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen zu lassen, ob die Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist, so sind sie an dessen Stellungnahme jedoch grundsätzlich nicht gebunden350.

b) Auswirkungen des Territorialitätsprinzips auf das Leistungserbringungsrecht Das deutsche Krankenversicherungsrecht geht – wie eben dargestellt – von dem Grundsatz aus, dass Leistungen nur im Inland erbracht werden351. Das Territorialitäts-prinzip führt damit zu einer Außerachtlassung im Ausland ansässiger Leistungserbringer beim Abschluß von Verträgen zwischen den Trägern der gesetzli-chen Krankenversicherung und den Leistungsanbietern352. Dies scheint im Hinblick auf die Tatsache, dass das Territorialitätsprinzip als solches nach den ihm zugrundeliegen-den Vorschriften ausschließlich die Leistungs- und Beitragsseite – im Gegensatz zur Leistungserbringungsseite – umfaßt, zunächst nicht selbstverständlich zu sein. Erst recht geht aus den einschlägigen Vorschriften für die krankenversicherungsrechtliche Zulassung von Leistungsanbietern nicht hervor, dass im Ausland ansässige Anbieter zu ignorieren sind. Auch mit dem allgemeinen staats- und völkerrechtlichen Grundsatz, dass ein Gesetz nur für das Staatsgebiet gelten kann, läßt sich die genannte

348 Mrozynski in: Wannagat, § 18 SGB V, Rz. 4.

349 Siehe BSGE 29. 6. 1983, Bd. 55, S. 188 ff. (193 f.). Zum Territorialitätsprinzip in den Niederlanden und dessen europarechtskonformer Auslegung vgl. EuGH 12.07.2001, NJW 2001, 3391 ff.

(Smits/Peerbooms).

350 Mrozynski in: Wannagat, § 18 SGB V, Rz. 8.

351 Mrozynski in: Wannagat, § 16 SGB V, Rz. 10.

weise nicht erklären, da es sich hier nicht um ein Problem des Geltungsbereichs, sondern des Anwendungsbereichs eines Gesetzes handelt, mithin um die Frage, inwie-weit Auslandssachverhalte einbezogen werden sollen oder nicht353. Der Zusammenhang zwischen dem Territorialitätsprinzip des Leistungsrechts und dem Leistungserbrin-gungsrecht und die daraus resultierende Praxis der Zulassung ausschließlich inländischer Einrichtungen ergibt sich vielmehr aus einer Folgenbetrachtung: Würden trotz des auf der Leistungsseite geltenden Territorialprinzips Verträge mit im Ausland ansässigen Mitgliedstaaten abgeschlossen, wären die Krankenkassen gezwungen, sich entweder in leistungsrechtlicher Hinsicht gesetzeswidrig zu verhalten, indem sie die (tatsächliche) Leistungserbringung ausländischer Anbieter vertragsgemäß zuließe oder sich im Verhältnis zu den Leistungserbringern vertragswidrig zu verhalten, indem sie sich gesetzeskonform verhielte. Schließlich wäre es unter diesem Gesichtspunkt zweifelhaft, ob entsprechende Verträge wirksam wären354.

So ist es nach dem geltenden deutschen Recht nur konsequent, wenn auch die Kranken-kassenverbände in der Praxis der Zulassung von Rehabilitationseinrichtungen nach § 111 SGB V und somit auch bei der Ermittlung des Bedarfs im Ausland ansässige Einrichtungen – auch wenn diese an sich die Zulassungsvoraussetzungen erfüllen - nicht berücksichtigen.

2. Die Vereinbarkeit ausschließlicher Berücksichtigung im Inland befindlicher