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A. Einleitung

I. Die Bedeutung der Zulassung von Rehabilitationseinrichtungen

1. Die rechtliche Bedeutung

Gem. § 111 Abs. 1 S. 1 SGB V dürfen die Krankenkassen medizinische Leistungen zur Rehabilitation einschließlich der Anschlußheilbehandlung, die eine stationäre Behand-lung, aber keine Krankenhausbehandlung erfordern, nur in Rehabilitationseinrichtungen erbringen lassen, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht.

a) Rechtsnatur des Versorgungsvertrags

Beim Versorgungsvertrag handelt es sich ebenso wie bei Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern nach § 108 Nr. 3 SGB V um einen statusbegründenden öffentlich-rechtlichen Vertrag1. Der öffentlich-rechtliche Charakter ergibt sich mittlerweile – dies gilt für alle Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Lei-stungserbringern - bereits aus dem durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 20002 neu eingeführten § 69 S. 1 SGB V, wonach das vierte Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen bzw. deren

1 BSG 19.11.1997, NZS 1998, 429 ff. (430); Jung in: GK-SGB V, § 111, Rz. 4; Fichte, ZfS 1995, 252 ff.

(254).

2 Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22.12.1999, BGBl. I S. 2626 ff.

Verbänden und den Leistungserbringern regeln. Hieraus ergibt sich – wie auch die Gesetzesmaterialien belegen3 - die sozialversicherungsrechtliche und damit öffentlich-rechtliche Natur des Versorgungsvertrags4. Dabei handelt es sich um einen Vertrag zwischen gleichgestellten Rechtssubjekten5, mithin um einen koordinationsrechtlichen Vertrag i . S. d. § 53 Abs. 1 S. 1 SGB X6. Gleichzeitig stellt der nach § 111 SGB V geschlossene Vertrag einen sog. Normsetzungsvertrag7 dar. Dies folgt aus der Tatsache, dass die Kassenverbände beim Abschluss des Versorgungsvertrags gem. § 111 Abs. 2 S.

1 SGB V mit Wirkung für ihre Mitgliedskassen handeln8.

b) Inhalt und Rechtswirkungen des Versorgungsvertrags

Gem. § 111 Abs. 4 S. 1 SGB V wird die Rehabilitationseinrichtung durch den Versor-gungsvertrag für die Dauer des Vertrages zur Versorgung der Versicherten mit stationären medizinischen Leistungen zur Rehabilitation zugelassen9. Die Rehabilitati-onseinrichtung wird somit für die Dauer des Vertrages zur Leistungserbringung zu Lasten der am Versorgungsvertrag als Vertragspartner beteiligten Krankenkassen berechtigt10. Dem steht die Verpflichtung der Rehabilitationseinrichtung gegenüber, die vertraglich vereinbarten Leistungen zu erbringen11.

Nicht zum Inhalt des eigentlichen Versorgungsvertrags gehört die Vergütungsvereinba-rung, welche gem. § 111 Abs. 5 SGB V zwischen den Krankenkassen – also nicht deren Verbänden – und den Einrichtungsträgern als eigenständige vertragliche Verein-barung geschlossen wird12. Obwohl die Vergütungsvereinbarung vom

3 Siehe Begründung zum Regierungsentwurf des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, BT-Drs.

14/1245, zu Art. 1 Nr. 29 (§ 69 SGB V), S. 68.

4 So auch Boerner, SGb 2000, 389 ff. (389).

5 Was freilich nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es sich bei der Ablehnung der Krankenkassen bzw.

der Krankenkassenverbände einen Versorgungsvertrag abzuschließen, nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts um einen Verwaltungsakt handelt, vgl. BSG 19.11.1997, NZS 1998, 429 ff. (430);

BSGE 29. 5. 1996, Bd. 78, 233 ff. (235) m. w. Nachw.

6 Krauskopf/Knittel, § 111, Rz. 2.

7 Siehe hierzu Krauskopf/Knittel, § 109 Anm. 2 a. E.

8 Krauskopf/Knittel, a. a. O.

9 Die entsprechende Regelung für Versorgungsverträge mit Krankenhäusern findet sich in § 109 Abs. 4 SGB V.

10 KassKomm.-Hess, § 111, Rz. 5.

11 KassKomm.-Hess, a. a. O.

12 Siehe Quaas, NZS 1996, 102 ff. (104); Klückmann in: Hauck/Haines, § 111, Rz. 19.

Versorgungsvertrag als solchem zu trennen ist, sei zum besseren Verständnis des Gesamtzusammenhangs darauf hingewiesen, dass eine gesetzliche Regelung des Verfahrens und der inhaltlichen Ausgestaltung der Vergütungsvereinbarung, wie sie für Krankenhäuser durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und die Bundespflegesatz-verordnung (BPflV) vorgesehen ist, nicht besteht. Vielmehr wird die Vergütung frei – lediglich an der Leistung orientiert13 - vereinbart14.

Der Versorgungsvertrag mit der jeweiligen Rehabilitationseinrichtung gilt grundsätzlich nur auf Landesebene, was ihn u. a. vom Versorgungsvertrag mit Krankenhäusern nach § 109 SGB V unterscheidet15. Dies folgt einerseits aus der Tatsache, dass die Landesver-bände gem. § 111 Abs. 2 S. 1 SGB V (nur) für ihre Mitgliedskassen handeln, andererseits aus der in § 111 Abs. 2 S. 3 SGB V normierten Beitrittsmöglichkeit der übrigen Landesverbände der Krankenkassen und der Verbände der Ersatzkassen, die ansonsten keinen Sinn ergeben würde16. Dies bedeutet, dass Krankenkassen aus anderen Bundesländern ihre Versicherten in der betreffenden Einrichtung nur dann behandeln lassen dürfen, wenn ihre eigenen Landesverbände gemeinsam dem Versorgungsvertrag beitreten oder, soweit noch kein Vertrag besteht, einen eigenen Versorgungsvertrag mit der Einrichtung abschließen17.

c) Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags

Aus dem Wortlaut des § 111 SGB V geht nicht unmittelbar hervor, ob der Einrichtungs-träger einen Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags hat. Im Gegensatz hierzu ist bezüglich der Zulassung von Krankenhäusern in § 109 Abs. 2 S. 1 SGB V

13 Im Gegensatz zum Selbstkostendeckungsprinzip, welches im Bereich der Krankenhausfinanzierung nach wie vor im sog. flexiblen Rest-Budget nachwirkt.

14 KassKomm.-Hess, § 111, Rz. 6. Grund für die freie Vereinbarung der Vergütung im Gegensatz zum Krankenhausfinanzierungsrecht ist, dass Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nicht an der staatlichen Investitionsförderung teilnehmen (vgl. Regierungsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drs. 11/2237, S. 199, zu § 119 SGB V des Entwurfs (jetzt § 111 SGB V)).

15 Krauskopf/Knittel, § 111, Rz. 2; siehe auch Regierungsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drs. 11/2237, S. 199 zu § 119 SGB V des Entwurfs (jetzt § 111 SGB V).

16 So auch Krauskopf/Knittel a. a. O.

17 Siehe Regierungsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drs. 11/2237, S. 199 zu § 119 SGB V des Entwurfs (jetzt § 111 SGB V).

ausdrücklich geregelt, dass ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags nicht besteht.

Die Tatsache, dass § 111 Abs. 2 S. 2 SGB V zwar ausdrücklich auf § 109 Abs. 1 S. 1 SGB V, nicht jedoch auf § 109 Abs. 2 S. 1 SGB V verweist, könnte darauf hindeuten, dass der Gesetzgeber ein subjektives Recht auf Zulassung nicht von vornherein aus-schließen wollte. Hingegen geht aus den Gesetzesmaterialien zu § 111 SGB V eindeutig hervor, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags nicht bestehen soll18.

Mittlerweile geht jedoch die Rechtsprechung und die wohl herrschende Literaturmei-nung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG zu Recht davon aus, dass ein Anspruch jedenfalls dann besteht, wenn die Zulassungsvoraussetzungen nach § 111 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 107 Abs. 2 SGB V gegeben sind19. Etwas anderes soll allerdings dann gelten, wenn mehrere Antragsteller die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen in gleicher Weise erfüllen. In diesem Fall soll – entsprechend der Regelung des § 109 Abs. 2 S. 2 SGB V für den Krankenhausbereich – nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung bestehen20. Eine solche Auswahlentscheidung hat jedoch nur dann Sinn, wenn die Zulassung unter dem Aspekt des Bedarfs erfolgt bzw. erfolgen darf und dieser Bedarf bereits durch die Zulassung einer der Einrichtungen gedeckt wäre21. Der Reduzierung des Zulassungsanspruchs auf den Anspruch auf fehlerfreie

18 Siehe Entwurf des Gesundheits -Strukturgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., BT-Drs. 12/3608, S. 101, zu Nummer 59 (§ 111) Buchstabe a. In diesem Entwurf wurde das Zulassungskrite-rium der Bedarfsgerechtigkeit eingeführt und gerade in diesem Zusammenhang das Bestehen eines Anspruchs abgelehnt. Offensichtlich wollte der Gesetzgeber über die Gesetzesbegründung eine Anglei-chung zur Krankenhauszulassung auch in dieser Hinsicht erreichen, ohne sich jedoch im Gesetzeswortlaut selbst – evtl. aus Unsicherheit über die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Regelung - festlegen zu wollen.

19 Vgl. BSG 19.11.1997, NZS 1998, 429 ff., wo das BSG die Voraussetzungen für den Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrags prüft, ohne diesen als solchen in Frage zu stellen; Jung in: GK-SGB V, § 111, Rz. 12; Fichte, ZfS 1995, 252 ff. (255); Krauskopf/Knittel, § 111 SGB V, Rz. 5; vgl. auch Bohle, das Krankenhaus 1995, 420 ff. (423 f.) sowie Quaas, NZS 1996, 102 ff. (104 f.), welche einen Zulassungsanspruch (jedenfalls) für diejenigen Fällen bejahen wollen, in denen er bei vergleichbaren Fallgestaltungen im Rahmen der Krankenhausbehandlung höchstrichterlich bestätigt worden ist; a. A.

Heinze in: SGB-Gesamtkommentar, § 111 SGB V, Anmerkung 1 (ohne Begründung); Klückmann in:

Hauck/Haines, § 111, Rz. 21; KassKomm.-Hess, § 111 SGB V, Rz. 3, wobei sich letztere vor allem auf die Gesetzesbegründung stützen (siehe Entwurf des Gesundheits -Strukturgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und F.D.P., BT-Drs. 12/3608, S. 101, zu Nummer 59 (§ 111) Buchstabe a)).

20Fichte, a. a. O.; Bohle, a. a. O.; Klückmann in: Hauck/Haines, § 111, Rz. 22; ebenso die Ausführungen des Ausschusses für Gesundheit (15. Ausschuss), BT -Drs. 12/3937, S. 8.

sensausübung für den eben genannten Fall ist daher nur unter der Prämisse zuzustim-men, dass das Merkmal der Bedarfsgerechtigkeit verfassungs- bzw. europarechtlich nicht zu beanstanden ist. Zu untersuchen, ob dies zutrifft, stellt einen der Schwerpunkte dieser Arbeit dar und wird in den Hauptteilen B und C eingehend geprüft.

d) Bestandsschutzregelung

Gem. § 111 Abs. 3 S. 1 SGB V gilt bei Rehabilitationseinrichtungen, die vor dem 1. 1. 1989 stationäre medizinische Leistungen für die Krankenkassen erbracht haben, ein Versorgungsvertrag in dem Umfang der in den Jahren 1986 bis 1988 erbrachten Leistungen als abgeschlossen. Für Einrichtungen, die die Anforderungen nach § 111 Abs. 2 S. 1 SGB V nicht erfüllen, gilt die Besitzstandsregelung gem. § 111 Abs. 3 S. 2 SGB V nur dann nicht, wenn die Kassenverbände dies bis zum 30. 6. 1989 gemeinsam geltend gemacht haben. Diese Regelung wurde aus Gründen der Rechtssicherheit eingeführt22.

Die Besitzstandsregelung als solche war aufgrund der Tatsache notwendig, dass es bis zum Inkrafttreten der Zulassungsvorschrift des § 111 SGB V am 1. 1. 1989 keinerlei gesetzliche Regelungen der vertragsrechtlichen Beziehungen zwischen Rehabilitations-einrichtungen und Krankenkassen gab. Gleichwohl war nach dem früheren § 184a RVO ein Anspruch auf Behandlung in Kur- und Spezialeinrichtungen einschließlich der Behandlung im Anschluß an Krankenhauspflege als Leistung vorgesehen, welche wiederum von bestehenden Einrichtungen erbracht wurde23.

21 Siehe Jung in: GK-SGB V, § 111, Rz. 12.

22 Jung in: GK-SGB V, § 111, Rz. 18.

23 Wobei freilich „unter dem Deckmantel des § 184a RVO“ auch oft Leistungen der akuten Krankenhaus-pflege angeboten wurden, was unter anderem auch ein Grund für die Einführung der Zulassungsregelung war, vgl. Regierungsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes, BT-Drs. 11/2237, S. 199 zu § 119 SGB V des Entwurfs (jetzt § 111 SGB V).