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C. Die Vereinbarkeit der Bedarfszulassung von Rehabilitationseinrichtungen mit

II. Das Territorialitätsprinzip und die sich daraus ergebende Konsequenz

2. Rechtfertigung der Beschränkung

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind nicht-diskriminierende Beschränkungen nur durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen620. Darüber hinaus müssen sie geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist621. Es handelt sich hier somit im Wesentlichen um dieselbe Verhältnis-mäßigkeitsprüfung, wie sie bereits oben in Teil B bezüglich der Vereinbarkeit der Bedarfszulassungsregelung mit Art. 12 GG vorgenommen wurde. Es kann daher insofern nach oben verwiesen werden mit dem Ergebnis, dass auch die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann und auch sonst nicht verhältnismäßig ist.

Der EuGH hat sich in der Entscheidung Smits/Peerbooms in Bezug auf Behandlungen in Krankenhäusern dahingehend geäussert, dass die Zahl der Krankenanstalten, ihre geographische Verteilung, ihr Ausbau und die Einrichtung, über die sie verfügen sowie die Art der medizinischen Leistungen, die sie anbieten können, planbar sein müssten621a. Eine Bedarfsplanung bzw. – zulassung hat der EuGH damit für den Bereich der Kran-kenhausversorgung als grundsätzlich gerechtfertigten Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit angesehen. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Entscheidung für den Krankenhausbereich621b, kann sie jedenfalls für den Bereich der stationären Rehabilitationseinrichtungen keine Geltung haben, da hier die Krankenkassen im

619 Dies gilt nur für grenzüberschreitende Dienstleistungen, da das Element der Grenzüberschreitung die Voraussetzung dafür ist, dass das Beschränkungsverbot des Art. 49 Abs. 1 EGV überhaupt A nwendung findet (siehe unter C. II. 2. c)).

620 EuGH 30.11.1995, Slg. 1995 I, 4165 ff. (4197 f.) (Gebhard); EuGH 31. 3. 1993, Slg. 1993 I, 1663 ff.

(1697) (Kraus) m. w. Nachw.

621 EuGH 30.11.1995, Slg. 1995 I, 4165 ff. (4198) (Gebhard); EuGH 31. 3. 1993, Slg. 1993 I, 1663 ff.

(1697) (Kraus) m. w. Nachw.

621a EuGH 12.07.2001, NJW 2001, 3391 ff. (3395) (Smits/Peerbooms).

621b Der EuGH begründete seine Entscheidung mit der lapidaren Feststellung, dass die Dringlichkeit der Planbarkeit „allgemein bekannt“ sei. Eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung greift m. E. zu kurz, da sie noch nicht einmal den Versuch unternimmt, auf wissenschaftlich fundierte Zusammenhänge einzugehen.

Unterschied zur Krankenhausbehandlung weitgehend Einfluss auf die Bewilligung und die Dauer von Rehabilitationsmaßnahmen haben und somit eine weitreichende Einwir-kungsmöglichkeit auf die Kostenentwicklung besteht621c. Zu Recht hat daher auch das Bundessozialgericht bereits darauf hingewiesen, dass der Gesichtspunkt der Kosten-dämpfung bei Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nicht so dringend eine Begrenzung der Leistungsanbieter verlange wie im Krankenhausbereich621d.

3. Ergebnis

Die Bedarfszulassungsregelung nach § 111 Abs. 2 S. 1 Ziff. 2 SGB V stellt zwar unter dem Gesichtspunkt der Diskriminierung keine Beschränkung des Art. 49 Abs. 1 EGV dar. Nachdem jedoch Art. 49 Abs. 1 EGV auch als allgemeines Beschränkungsverbot aufzufassen ist, umfaßt das Behinderungsverbot des Art. 49 Abs. 1 EGV auch die Bedarfszulassungsregelung als solche. Die Behinderung ist mangels zwingender Gründe des Allgemeininteresses nicht gerechtfertigt und verletzt somit Art. 49 Abs. 1 EGV.

621c Siehe unter B. VI. 3. c) dd) (2).

621d BSG 19.11.1997, NZS 1998, 429 ff. (432).

IV. Die Praxis der Nichtzulassung ausländischer Einrichtungen im Lichte des europäischen Kartellrechts

Neben den vier Grundfreiheiten des Waren- Personen- Dienstleistungs- und Kapitalver-kehrs stellt vor allem auch das Kartellrecht eine wesentliche Komponente des Binnenmarktes der Europäischen Union dar. Die zunehmende Tendenz, auch das Sozialrecht immer öfter auf die Übereinstimmung mit den Regeln des Binnenmarkts hin zu untersuchen, ist vor allem auch im Bereich des europäischen Kartellrechts festzustel-len622.

Das Kartellrecht als wesentliche Regelung zur Gewährleistung eines funktionierenden Binnenmarktes ergibt sich im Grundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. g) EGV, wonach die Tätigkeit der Gemeinschaft u. a. ein System erfaßt, „das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt“. Näher ausgestaltet ist dieses System in den Vorschriften der Art. 81 ff. EGV (früher Art. 85 ff. EGV), die sowohl materielle, als auch formelle Regelungen enthalten, sowie in einer Vielzahl sekundärrechtlicher Bestimmungen623. Hinzu kommt die einschlägige Rechtsprechung des EuGH, deren Inhalt im Einzelnen noch zu untersuchen sein wird.

Das zentrale Augenmerk der folgenden Untersuchung der Vereinbarkeit der Praxis der Bedarfszulassung nach § 111 SGB V mit dem europäischen Kartellrecht ist auf die Tatbestände der Art. 81 Abs. 1, Art. 82 sowie Art. 86 EGV gerichtet. Die bestehenden wettbewerbsrechtlichen Verordnungen oder Richtlinien spielen dagegen für die hiesige Problematik keine Rolle.

622 Nicht zuletzt ist die Verbindung von europäischem Wettbewerbs- und nationalem Sozialrecht durch neuere Entscheidungen nationaler Gerichte in Bezug auf die Regelungen zur Bestimmung von Festbeträ-gen für Arznei- oder Hilfsmittel ins Rampenlicht gerückt. So vor allem durch die EntscheidunFestbeträ-gen OLG Düsseldorf, Urt. v. 28. 8. 1998 – U (Kart.) 19/98 – NZS 1998, 567 ff.; LG Düsseldorf, Beschluss v.

6.1.1999 – 34 O (Kart.) 182/98 (vgl. hierzu Hänlein/Kruse, NZS 2000, 165 ff.) sowie OLG Düsseldorf , Urt. v. 27.7.1999 – U (Kart.) 36/98, Pharma Recht 1999, 283 ff. ( vgl. hierzu im Zusammenhang mit den rechtlichen Schranken für die Beschaffungstätigkeit der Krankenkassen im Hilfsmittelbereich Boecken, NZS 2000, 269 ff. (271 ff.)).

623 Instruktiv der Überblick über die sekundärrechtlichen Bestimmungen von Brinker in: Schwarze, Art.

81 EGV, Rz. 12 ff.

Hinsichtlich der Unterschiede zwischen den genannten Vorschriften ist zunächst auf die Verschiedenartigkeit der Adressaten hinzuweisen. Die Art. 81 und 82 EGV sind an die Unternehmen adressiert, während Art. 86 EGV an die Mitgliedstaaten selbst gerichtet ist. Inhaltlich lassen sich die einzelnen Tatbestände nach folgenden Gesichtspunkten unterscheiden: Das Verbot des Art. 81 Abs. 1 EGV will die sich aus einem Zusammen-wirken von mehreren Unternehmen ergebende Wettbewerbsbeschränkung verhindern (sog. Kartellverbot), wohingegen Art. 82 EGV den Mißbrauch einer marktbeherrschen-den Stellung eines oder mehrerer Unternehmen verbietet (sog. Mißbrauchsverbot). Die Tatbestände schließen sich damit nicht gegenseitig aus, sondern stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz zueinander624. Art. 86 Abs. 1 EGV betrifft das Verbot der Mit-gliedstaaten, keine wettbewerbsbehindernden Maßnahmen in Bezug auf ihre öffentlichen Unternehmen zu treffen.