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3. Theoretische Grundlagen

3.2.4 Schulentwicklung und Schulleitung

Die Schulentwicklung hat einen großen Einfluss auf die Funktion und Rolle der Schulleiterin/ des Schulleiters. Wichtige Impulse für die Weiterentwick-lung der Schule, insbesondere das Konzept der lernenden Schule, wurden

128 Vgl. Rolff 1992/ Fullan 1999.

129 Vgl. Rolff et al 1998, 37.

130 Vgl. Fullan, 1999, 127.

131 Vgl. Senge 1999, 411.

132 Vgl. Ulrich/Probst 1991, 289.

positiv in der Schullandschaft aufgenommnen. Viele Schulentwicklungs-projekte wurden in letzten Jahren initiiert, insbesondere konkrete Maß-nahmen der Unterrichtsentwicklung wurden aufgenommen, z.B. Metho-dencurricula.

Für Schulleiterinnen und Schulleitern hat sich dadurch das Aufgabenfeld stark erweitert und sie haben andere und neue Aufgaben zu bewältigen, ohne dass sie dabei von administrativen Aufgaben befreit werden. Den Schulleiterinnen und Schulleiter wird innerhalb der Schulentwicklung eine zentrale Rolle beigemessen, denn sie sind einerseits in einer Position, die es ermöglicht zu initiieren und zu unterstützen; sie können aber auch Ent-wicklungen bremsen, wenn sie sich überfordert fühlen oder befürchten durch veränderte Strukturen in ihrer Rolle geschwächt zu werden. Die Be-grifflichkeiten, die im Zusammenhang mit der Schulentwicklungsdiskussion für die Schulleiterin/den Schulleiter verwendet werden, bestätigen dieses Bild: „Türöffner“, „change agents“, „Initiatoren“, „Motor der Schulentwick-lung“ etc.133

Innerhalb der pädagogischen Schulentwicklung wird die Wirkung des Füh-rungshandelns auf die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler be-trachtet.

Bonsen (2002) kommt in seiner Untersuchung zur Wirksamkeit von Schule und Schulentwicklung zu dem Ergebnis, dass der Beitrag der Schulleitung zur Erklärung von Leistungen der Schülerinnen und Schülern eher gering ausfällt. Schulenwicklung kann nur im Zusammenschluss mit dem Kollegi-um geschehen und hat dann Einfluss auf Schülerleistungen. Die Aufgabe der Schulleiterin/ des Schulleiters kann daher nicht nur auf der direkten und individuell ausgerichteten Einflussnahme auf das Handeln der einzel-nen Lehrkräfte bezogen bleiben, sondern muss stärker in der „Einfluss-nahme und Führung des Kollegiums in Richtung kooperativer Arbeitswei-sen, gemeinsamer Entwicklungsbemühungen mit der Zielrichtung einer Verbesserung der Qualität von Schule und Unterricht sein.“134

3.2.5 Zusammenfassung

Die Schule aus dem Blickwinkel Schulleiterin und Schulleiter zeichnet sich einerseits durch hierarchische Entscheidungs- und Führungsstruktur aus.

So sind Schulleiterinnen und Schulleiter die Vorgesetzten der Lehrkräfte und haben bestimmte Befugnisse beziehungsweise Verpflichtungen ihnen gegenüber, z.B. Anordnung von Mehrarbeit etc.. Andererseits haben sie selbst innerhalb einer vertikalen Rangfolge Vorgesetzte, die ihnen Wei-sungen geben können. Die vielen Willensbildungs- und Entscheidungs-prozesse innerhalb der Organisation Schule verlaufen aber selbstver-ständlich auch auf symmetrischen Ebenen und nicht nur von oben nach unten ab, sondern sind ebenso von unten nach oben möglich, so binden Beschlüsse der Gesamtkonferenz135 die Schulleiterinnen und Schulleiter.

Neben den innerschulischen Strukturen ist die Einzelschule abhängig von

133 Vgl. Fullan 1999, 204. Bennis 1998.

134 Bonsen et al 2002a, 193.

135 Die rechtliche Stellung der Gesamtkonferenz wird zurzeit in Niedersachsen kontro- vers diskutiert, wobei sich das MK für mehr Entscheidungsrechte der Schulleitung ausspricht.

einem hierarchischen Überbau - Schulaufsicht, Schulträger. Die Schule ist zudem durch bürokratische Vorgaben – Schulverwaltung - in ihrer Ablauf-organisation konstruiert, insofern handelt es sich um eine komplexe Orga-nisation.

Die Handlungsrationalitäten in Schulen orientieren sich dabei an unter-schiedlichen Ebenen, die technische Vollzugsebene der Schulverwaltung, die Ebene eines zielorientierten-rationalen Organisationsverständnis und einer kommunikativ-interaktionale Ebene.136 Schulleiterinnen und Schullei-ter arbeiten an den Schnittstellen dieser Ebenen und können sich in der Konfrontation mit konkreten Ereignissen, Problemen und Vorfällen in der Schule, der einen oder anderen Handlungsebene eher verbunden fühlen.

Hinzu kommt, dass Schulleiterinnen und Schulleiter nicht nur in der Orga-nisationsform der Einzelschule agieren, sondern sich einer linearen Hie-rarchie der Schulbehörde gegenüber sehen, deren Beschlüsse und Ver-ordnungen sie umzusetzen haben. Ein aktuelles Beispiel hierfür stellt die Schulstrukturreform in Niedersachsen dar, die durch die Abschaffung der Orientierungsstufe und der damit einhergehenden Angliederung der 5. und 6. Klassen an die weiterführenden Schulen zu einer Umbruchsituation führte. Es mussten erhebliche pädagogische, organisatorische und perso-nelle Veränderungen in kürzester Zeit umgesetzt werden.

Ohne die wichtigen Impulse für die Weiterentwicklung von Schulen durch die Ansätze der Organisations- bzw. Schulentwicklung in Abrede stellen zu wollen, muss meines Erachtens darauf hingewiesen werden, dass der Aspekt der formalen Struktur insbesondere in neueren Theorien der Schulentwicklung zuweilen vernachlässigt wird. Die Funktion der Schullei-terin/des Schulleiters bewegt sich in dem Dilemma zweier Handlungswirk-lichkeiten, nämlich zwischen bürokratischer Administration und pädagogi-scher Innovation.137 Keiner der Schulentwicklungsansätze löst sich von dem externen administrativen System (Kultusministerium, Amt für Schule).

Es wurden unzählige Aufgaben an die Schulleitungen übertragen, auch verwaltungsrechtliche, aber die Personalhoheit und die finanzielle Verwal-tung der Schule bleiben bei der übergeordneten Behörde. Insofern bewegt sich das Handeln der Schulleiterinnen und Schulleiter immer im Span-nungsverhältnis Autonomie und Dependenz. Rosenbusch (2005) spricht in diesem Zusammenhang von einem „strukturell gestörten Verhältnis“, wel-ches durch die Strukturen und Aufgabenzuweisungen der Organisation, in der Tradition des Rollenverständnisses und der Selbstdefinition im erleb-ten Umfeld begründet ist.

3.3 Professionstheorie

Die Besonderheiten der Schule als Organisation wurden im vorherigen Kapitel ausgeführt. Die im Folgenden zu erläuternde Professionstheorie nimmt Bezug auf das Verhältnis zwischen Individuum und Organisation, somit bietet sie die Chance strukturelle berufliche Probleme zu reflektie-ren. Baumgartner et al (1996) verweisen darauf, dass im Prozess der Or-ganisationsentwicklung die Gruppe der Professionellen vor typischen Problemen stehen würde. So stünden die Kreativität der Professionellen

136 Vgl. Terhart 1997, 14.

137 Vgl. Rosenbusch/Wissinger 1989, 14.

im Widerspruch zu bürokratischen Regelungen und Formalismen und die Gestaltungskraft des Professionellen vertrage sich nicht mit einer starren Führungshierarchie.138 Fritz Schütze (1996) bezieht sich auf diese Position und problematisiert in seinen Abhandlungen Organisationszwänge und deren Auswirkungen auf professionelles Handeln. Die in seinen Ausfüh-rungen angesprochenen Strukturprobleme sollen im Folgenden im Hin-blick auf die Position von Schulleiterinnen und Schulleitern thematisiert werden.

Ihren Ursprung hat die Professionstheorie in der Berufssoziologie. Ich ge-he dage-her zunächst auf das soziologiscge-he Professionskonzept ein, dann sollen Eigenheiten des pädagogischen Handelns erörtert werden.

Im Hinblick auf die pädagogische Professionsdiskussion soll die Beson-derheit der Schulleiterinnen und Schulleiter durch ihre Position im Kontext Schule Berücksichtigung finden. Das pädagogische Professionswissen kann als Reflexionsspiegel genutzt werden, in dem der Blickwinkel der Akteure reflektiert wird. In diesem Zusammenhang steht die Frage, auf welche Wissensvorräte Schulleiterinnen und Schulleiter zurückgreifen.