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3. Theoretische Grundlagen

3.2.2 Schule als Organisation

Die Bestimmung der Schule als Organisation erfolgt vor dem Hintergrund des Schulsystems in seiner Gesamtheit, die Schule ist in staatlich gefass-te formale Strukturen des Bildungssysgefass-tems eingebunden und insofern eine formale Organisation. Dennoch hat jede Einzelschule ein eigenes spezifi-sches Profil (Abläufe, Routinen, eigene Regeln und Absprachen etc.), wel-ches sich durch dynamische Prozesse innerhalb ihrer Organisation her-ausbildet.113

Als Teil des Bildungssystems und durch die Formalisierung ihrer Struktu-ren stellt Schule zunächst ein geschlossenes System dar, welches auf einer bürokratischen Administration aufbaut. Die Schule als Bildungs- und Erziehungseinrichtung dient dem Zweck, die Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben (Bildungs- und Erziehungsauftrag) möglichst personenunab-hängig sicherzustellen. Dabei besteht folgende Grundstruktur:

• Eine arbeitsteilige Funktionsgliederung, die Lern- Lehr- Beratungs- und Verwaltungsaufgaben den Inhabern spezifischer Positionen zuweist.

• Formale Lehr- und Verwaltungsrollen mit Amtscharakter mit forma-lisierter Einberufung auf der Basis von Kompetenz und Bewährung, gesetzliches Anstellungsverhältnis als Landesbeamter.

• Hierarchische Ordnung der Ämter auf der Basis gesetzlich definier-ter Amtsvollmacht, formellen Entscheidungsmodi und vorgezeich-neten Kommunikationslinien (Dienstweg), Weisungsbefugnisse.

110 Vgl. Siedenbiedel 2001, 68.

111 Vgl. Probst 1992, 2259.

112 Vgl. Probst 1992, 2266.

113 Vgl. Türk 1989, Wissinger 1996, 54ff und Bormann 2002, 31.

• Regelhaftigkeit der Handlungsvollzüge, die durch Ziel- und Durch-führungsbestimmungen dienstlicher Maßnahmen der willkürlichen Amtsausübung Grenzen setzt.114

Schule stellt gleichzeitig ein offenes System dar, welches sich mit ständig wandelnden, unvorhersehbaren Bedingungen und Aufgaben auseinander setzen muss. Die Schule ist auf den einzelnen Menschen als relativ auto-nomen Entscheidungsträger angewiesen und zeichnet sich durch die Be-sonderheit aus, dass der Organisationserfolg vom Kooperationswillen der Mitglieder bestimmt wird.115

Rolff (1995) stellt zwei idealtypische Organisationen gegenüber, die pro-fessionelle Organisation und die bürokratisch-mechanische Organisation.

Die professionelle Organisation (z.B. Universität) zeichnet sich durch transzendierende Inhalte, begrenzte Technologisierbarkeit, Fallverstehen, Selbstkontrolle, teamartige Kooperation und Reflexivität der Ziele aus - die bürokratisch-mechanische (z.B. konventionelle Fabrik) durch Informati-onsverarbeitung, unbegrenzte Technologisierbarkeit, instrumentelle Tätig-keit, Fremdkontrolle, gefügeartige Kooperation und operative Ziele aus .116 Für die Schule gilt, dass sie in ihrer Aufbauorganisation tendenziell büro-kratisch organisiert ist, an ihre Ablauforganisation bzw. an das pädagogi-sche Handeln aber professionelle Anforderungen gestellt werden, was nach Rolff (1995) zu Diskrepanzen zwischen pädagogischen Idealvorstel-lungen und realen Alltagerfordernissen führen kann.

Aus den systemisch orientierten Ansätzen der Organisationstheorie entwi-ckelte sich ein Bild von Schule als selbstlernende und veränderungsfähige Organisation. Die Grundidee ist dabei, dass Schulen nicht mehr nur Lern-Organisationen, d.h. die Organisation systematischer Lernprozesse, son-dern als Organisation selbst zu Lernprozessen fähig sind. Dieser Ansatz hat sich seit Beginn der neunziger Jahre durchgesetzt, man sprach auch vom Paradigmenwechsel.117

Der Terminus „Organisationspädagogik“, der von Rosenbusch (1988) erstmals in die Diskussion gebracht wurde, entwickelt sich als Arbeitsbe-reich der Pädagogik. Die Organisationspädagogik beschäftigt sich mit dem Einfluss der Organisiertheit von Erziehung und Unterricht im Hinblick auf den Einzelnen und die Schule als System.118 Das Schulleitungshandeln wird als pädagogisches Organisationshandeln verstanden und soll einen Beitrag zum Gelingen der pädagogischen Zieltätigkeit auf allen Ebenen der Organisation Schule leisten. Damit ist die Schulkultur, die Unterrichts-tätigkeit, die Kooperation der Lehrkräfte und letztendlich der Schülerinnen und Schüler gemeint. Die administrativen und strukturellen Bedingungen sind den pädagogischen Prinzipien unterzuordnen und so zu gestalten, dass sie pädagogisches Handeln optimal ermöglichen, z.B. Aufteilung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten, Konferenzstruktur etc.119

114 Vgl. Fend 1981, 232

115 Vgl. Steffens/ Bargel 1993, 23.

116 Vgl. Rolff 1995, 135ff.

117 Vgl. Rolff 1992 a, 290.

118 Vgl. Rosenbusch 2005, 6.

119 Vgl. Rosenbusch 1997, 333.

Für Schulleiterinnen und Schulleiter bedeutet dies, dass sie einer Füh-rungskonzeption des „organisationspädagogischen Managements“ folgen.

Auch in diesem Ansatz, der versucht, die Trennung Administration und Erziehung aufzuheben, steht die Kooperation als Handlungsprinzip im Mit-telpunkt.

Diese Beschäftigung mit Fragen der Organisation war der Auslöser für eine neue Richtung in der Schulentwicklung und fand ihren Ausdruck in Begrifflichkeiten wie „Erweiterte schulische Verantwortung“, „Organisati-onsentwicklung an Schulen“, „Schulisches Management“, Selbstständige Schule oder aktuell in Niedersachsen das Modell der „Eigenverant-wortlichen Schulen“. Ausgehend von den Überlegungen der Organisati-onsentwicklung wurden Modellprojekte in Schulen initiiert, die das Ziel hat-ten, die Kompetenzen der Einzelschule im Hinblick auf die inhaltliche, per-sonelle und auch finanzielle Gestaltung zu erhöhen.

3.2.3 Schulentwicklung

Der Begriff der Schulentwicklung findet verstärkt seit zwei Jahrzehnten Verwendung, davor wurde er aber bereits in den 70er Jahren benutzt.

Ähnlich wie die Begriffe Innovation und Schulreform betont auch der Beg-riff Schulentwicklung das prozesshafte Geschehen, im Gegensatz zu kon-kreten Einzelmaßnahmen oder umfassenden Reformmodellen liegt die Akzentuierung der Schulentwicklung auf der Veränderung des pädagogi-schen Handelns und der organisatoripädagogi-schen Strukturen. Die Prozesshaftig-keit verweist darauf, dass Schulentwicklung nicht irgendwann ein Ende hat, sondern als Daueraufgabe angesehen wird. Die Tatsache, dass die Schullandschaft durch ein hohes Maß an Hetreogenität gekennzeichnet ist, führt zu der Erkenntnis, dass gezielte Entwicklungsprozesse nicht ver-ordnet werden können, vielmehr sind die Auswirkungen und Umsetzungen staatlicher Interventionen abhängig vom Handeln der einzelnen Schullei-tung bzw. des Lehrerkollegiums.120

Schulentwicklung kann durch unterschiedliche Motive und Interessen initi-iert sein und verfolgt jeweils spezifische Ziele, dabei spielen sowohl öko-nomische Aspekte eine Rolle (finanzielle Kosten für Reformen) als auch das Engagement, die Innovationsfreudigkeit der Beteiligten und Betroffe-nen der Schulpraxis. Seit Mitte der 90er Jahre stehen die Qualitätsent-wicklung und Qualitätssicherung im Vordergrund des Interesses. Innerhalb der Qualitätsverbesserung in schulischen Bereichen wird von der Trias (Personalentwicklung/ Unterrichtsentwicklung/ Organisationsentwicklung) der Schulentwicklung gesprochen. 121

Das Konzept der Schulentwicklung bezieht sich vornehmlich auf die Ebe-ne der Einzelschule, dennoch müssen bildungspolitische Entscheidungen getroffen werde, die die Akteure dieser Entwicklung mit dem nötigen Wis-sen und den erforderlichen Ressourcen ausstatten. Die Entwicklung der Schule wird einerseits auf der Ebene des Handelns einzelner Schulleitun-gen und Lehrkräfte zurückgeführt und andererseits haben die Ebenen Administration, Politik, Wirtschaft, die die Gestaltungsspielräume be-schließen und ermöglichen können, einen erheblichen Einfluss. Daher for-dern Altrichter und Rolff (1998) die Mikroebene der Einzelschule um die

120 Vgl. Rolff 1993, 175.

121 Vgl. Rolff 1998, 16.

Makroebene der politischen Steuerung des Systems Schule zu erwei-tern.122

Im Zuge von mehr Schulautonomie muss mehr Verantwortung für das Management dieser Schulentwicklung von den Schulen selbst übernom-men werden. Seit 2000 wird der Autonomiebegriff zum Leitbegriff des qua-litätsorientierten Schulentwicklungsdiskurses, aufgrund ihrer staatlichen Verfasstheit kann jedoch der Einzelschule keine vollkommene Autonomie übertragen werden, dennoch werden den einzelnen Schulen in Teilbe-reichen erweiterte Handlungsspielräume zugestanden. Beispiele hierfür sind die Budgetierung von Lehrerstunden und die so genannten „schul-scharfen Stellen“ bei denen die Schule größeres Mitspracherecht bei der Neueinstellung hat. 123

3.2.3.1 Stationen der Schulentwicklungsdiskussion

Der Verlauf und die unterschiedliche Akzentuierung des Schulentwick-lungsdiskurses lassen sich für den deutschsprachigen Raum grob in drei Phasen einteilen:

Abb. 7: Schulentwicklungsstationen

Zunächst geht es um die Definition der Schule als Organisation mit ihren für sie konstitutiven Abläufen. Im Zuge der Übertragung von Ansätzen der Organisationsentwicklung auf die Schule werden zunehmend Probleme bei der schulischen Entwicklung reflektiert. Deutlich wird, dass die Initiative für die Entwicklung bei den Lehrkräften liegt, die weitgehend unabhängig voneinander agieren. Die Konsequenz daraus ist, dass die Einzelschule als Ort der Entwicklung in den Mittelpunkt der Debatte gerückt wird. Bulla (1982) entwirft ein Bild von Schulen als „front-line-organizations“ und be-schreibt Hindernisse in Hinblick auf die Kontrolle der Handlungen. Proble-me entstehen durch die starke Individualisierung der Lehrkräfte, dem Mangel an professioneller Kommunikation und Kooperation. Das Konzept der Organisationsentwicklung würde sich zur Überwindung dieser Proble-me anbieten, da es zur Veränderungen auf der individuellen, auf der inter-personellen und auf der Ebene des Gesamtsystems beitragen kann.124 In den folgenden Jahren wird die Schulentwicklungsdiskussion stärker aus einer lösungsorientierten Perspektive herausgeführt. Schule wird als

122 Ebd.

123 Vgl. Fullan 1999, 222.

124 Vgl. Bulla 1982, 35f.

Beschreibung der Schule als Organisa-tion

Späte 1970er/frühe 1980er Jahre

Anpassung und Transfer von Orga- nisationsenicklung-sansätzen auf die Schule

1980er Jahre

Eigenständiger Schul-entwicklungsdiskurs mit drei Ausrichtun-gen:

- Institutionelle Schulentwicklung - Pädagogische Schulentwicklung - Lernende Schule 1990er Jahre

vative soziale Organisation betrachtet, die trotz ihrer ambivalenten Struk-tur, durch Maßnahmen der Organisationsentwicklung gestaltungsfähig sein kann. Ein entscheidendes Moment stellt die Partizipation der von Veränderung Betroffenen dar. Es entwickelt sich das Leitbild einer partizi-pativen und innovativen Schule. Für Rolff (1986) bedeutet Organisations-entwicklung in Schulen „ein offenes, planmäßiges, zielorientiertes und langfristiges Vorgehen im Umgang mit Veränderungsanforderungen und Veränderungsabsichten in sozialen Systemen“.125 In dieser Phase der Diskussion wird versucht, die Ambivalenz zwischen Person und Organisa-tion, Struktur und Verhalten aufzuheben. Die Mitglieder der Organisation Schule werden als Träger von Entwicklungsprozessen in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung gerückt.

Zu Beginn der neunziger Jahre sind verschiedene Ansätze der Schulent-wicklung zu verzeichnen.

Institutionelle Schulentwicklung

Schule wird im institutionellen Schulentwicklungsansatz in ihrem Gesamt-zusammenhang betrachtet, sie wird als interdependentes Subsystem im gesamtgesellschaftlichen Kontext verstanden. Die Schulentwicklungspro-zesse sollen sich zunächst auf der Mikroebene der Einzelschule konzent-rieren. Die einzelnen Organisationsmitglieder lernen sich zu entwickeln und aus diesen Lernprozessen resultiert dann eine umfassende Organisa-tionsentwicklung der Schule. Dazu ist es notwendig, Vorbehalte gegen-über Veränderungen abzubauen und Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Schule wird so zu einer Einheit des Wandels.126 Die integrativen Ansätze der Organisationsentwicklung favorisieren die Veränderung von innen.

Institutionelle Schulentwicklung hat eine allgemeine Schulverbesserung zum Ziel.

Pädagogische Schulentwicklung

Innerhalb der pädagogischen Schulentwicklung wird dem Unterrichtsge-schehen die größte Beachtung geschenkt. Pädagogische Schulentwick-lung basiert auf den Erkenntnissen der „Gute Schule-Studien“127 und rückt methodisch-didaktische Merkmale von als gut wahrgenommen Unterricht in den Vordergrund. Schulentwicklungsprozesse sollen genutzt werden, um veränderte Unterrichtsformen und Unterrichtsmethoden in der Schule zu verankern. Im Hinblick auf Planung und Umsetzung von Entwicklungs-konzepten bedeutet das, dass vorhandene Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer im Sinne eines eigenverantwortlichen Handelns systematisch genutzt werden sollen, um Methoden- Kommunikations- und Teament-wicklungstraining durchzuführen. Pädagogische Schulentwicklung hat die Unterrichtsverbesserung zum Ziel.

Schule als lernende Organisation

Seit Beginn der 90er Jahre spricht man zunehmend von der Schule als lernender Organisation. Aus einer systemischen Perspektive wird ein

125 Vgl. Rolff 1986, 13.

126 Vgl. Dalin/Rolff/Buchen 1996, 328.

127 Vgl. Tillmann 1995.

rales Thema der Auseinandersetzung der Umgang mit Komplexität.128 Wichtige Elemente einer lernenden Schule sind Konzentration auf vorhan-dene Stärken und Prozessorientierung. Das Team und dessen Kooperati-on erhält eine bedeutende Rolle. Die lernende Schule kann als letztes Ziel der Organisationsentwicklung angesehen werden. Wenn von einer ler-nenden Schule gesprochen wird, meint dies, dass Lehrerinnen und Lehrer durch praktisches Tun ihren Arbeitsalltag und ihre Schule so verändern, dass sie zufriedener und erfolgreicher unterrichten. Die lernende Schule rückt das Problemlösen in den Vordergrund, Probleme der Schule werden als Aufgabe verstanden, die es gemeinsam miteinander zu lösen gilt.129 Die durch die Schulentwicklung hervorgebrachte Überzeugung, dass Schulen lernende Organisationen sind, hat zu einer Neubestimmung der Aufgaben von Schulleitung geführt. Schulleiterinnen und Schulleiter wer-den die Gestalter des Wandels in Organisationen, die „change agents“, wie Fullan (1999) sie nennt.130 Führungskräfte in lernenden Organisatio-nen befähigen ihre Mitarbeiter dazu, produktiv mit den entscheidenden Problemen umgehen zu können. Sie entwickeln eigene Visionen und be-mühen sich um die Integration der Zielvorstellungen von Mitarbeitern in ein gemeinsames Ganzes. Von Bedeutung ist es, dass die Mitarbeiter syste-mische Einsichten in die Organisation entwickeln und selbst Verantwor-tung für das System übernehmen.131 Demnach erfolgt die Steuerung der Schule über drei Aufgabenbereiche:

Administration und Organisation

Schule ist eine organisatorische bürokratische Einheit, die Verwaltungsab-läufe unter den gegeben Erlassen und Verordnungen autonom regeln soll.

Führung und Leitung: Neben interner Kooperation und Kommunikation wird der Schulleitung eine große Verantwortung für die Imagepflege der Schule als öffentliche Non-profit-Organisation übertragen.

Pädagogische Aufgaben

Strategische Maßnahmen müssen ergriffen werden, die zu einer Unter-richtsarbeit beitragen, die den Bildungsauftrag der Schule sichern. Päda-gogische Beratung, die dem Erziehungsauftrag der Schule entspricht.

Qualitätskontrolle

Bestandsaufnahmen Soll-Ist-Vergleich, die der Schulleitung dazu dienen soll, die Auswirkungen der Steuerung zu überprüfen und weitere Maß-nahmen zu ergreifen. Diese BestandaufMaß-nahmen können intern oder auch durch externe Berater im Austausch mit den Gremien der Schule erfol-gen.132