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Es gibt neben den oben dargestellten theoretischen Ansätzen der Schul-leitungsforschung auch Untersuchungen, die die Kategorie Geschlecht fokussieren.

Winterhager-Schmids (1997) Evaluationsstudie „Berufsziel Schulleiterin.

Professionalität und weibliche Ambition“ kann nur in einem weiten Sinne zu den Untersuchungen über Schulleiterinnen gezählt werden, da über-wiegend keine im Amt befindlichen Schulleiterinnen befragt wurden, son-dern an Funktionsstellen interessierte Lehrerinnen. Im Rahmen eines Mo-dellversuchs `Schulleitung als Aufgabe für Frauen´ in Niedersachsen nehmen interessierte Lehrerinnen an Orientierungskursen teil. Das Ziel dieser Kurse ist es, die Motivation von Frauen zu stärken, sich auf ein Amt als Schulleiterin zu bewerben. Neben einer Fragebogenerhebung werden 17 narrative Interviews mit Teilnehmerinnen geführt, die Fragen zu Verän-derungen seit der Kursteilnahme und zum gesamten beruflichen Werde-gang enthalten. Gefragt wird nach dem Interesse an Leitungstätigkeiten, dem Reiz, den die Schulleitungstätigkeit ausübt sowie nach persönlichen

„Vereinbarkeitsmodellen“ von Familie, Privatleben und Beruf.

Winterhager-Schmid kommt zu dem Ergebnis, dass für Lehrerinnen die Aufstiegsmotive weniger selbstverständlich sind als vermutlich bei Leh-rern. Winterhager-Schmid deutet dies als „Abwägungsspielraum“ von Ver-lust und Gewinn durch eine Leitungsfunktion, wobei sie der Dimension von Macht und Einfluss eine besondere Rolle einräumt. „Eine besondere Rolle spielt dabei für sie die berufsethische Dimension von Macht und Einfluss.

Nur wenn sie den Eindruck haben, die Übernahme von mehr Verantwor-tung öffne ihnen GestalVerantwor-tungsräume für die Veränderung von Schule und wenn sie zudem davon ausgehen können, willkommen zu sein als Leite-rinnen, zumindest aber nicht offen bekämpft zu werden, wird Leitung für sie zu einer attraktiven Herausforderung.“59

Forberg (1997) befragt in ihrer Studie „Rollen- und Führungsverständnis von Schulleiterinnen beruflicher Schulen“ 125 Schulleiterinnen der alten Bundesländer. Ihre Ausgangsthese orientiert sich an Ansätzen der ge-schlechtsspezifischen Sozialisation: „Die geschlechtsdifferente Sozialisati-on hat prägenden Einfluss auf das Individuum und dessen Präferenz für bestimmte Arbeits- und Kommunikationsformen. Mit der Übernahme der Führungsrolle als Schulleiter/ Schulleiterin werden positionsspezifische

58 Bonsen et al 1999, 117.

59 Vgl. Winterhager-Schmid 1997, 218.

Rollenerwartungen an das Individuum gerichtet, das bereits in seiner Sub-jektivität geprägt ist.“60

Im qualitativen Teil ihrer Untersuchung führt Forberg (1997) 24 Interviews und entwickelt auf der Grundlage ihrer Daten eine Typologie, in der das Rollen- und Führungsverständnis erfasst wird und folgende Rollen von ihr identifiziert werden: Teamerin und Förderin kollegialer Kooperation, Ver-mittlerin in Konfliktfällen und Türöffnerin für pädagogische Innovationen und konstituiert in ihrem Resümee, dass Schulleiterinnen eine stärker ausgeprägte `sozio-emotionale Dimension` in ihrem Führungsstil aufwei-sen.61

Miller (2001)62 befragt in ihrer Studie 634 Schulleiterinnen und Schulleiter an Grundschulen in Nordrhein-Westfalen zu biografischen Aspekten sowie dem beruflichen Werdegang. Hinsichtlich der Ausgestaltung der Schullei-tungstätigkeit stellt Miller überwiegend eine Geschlechtergleichheit fest, z.B. hinsichtlich der Präferenz zwischen pädagogischen und administrati-ven Aufgaben. Einen Unterschied zwischen Schulleiterinnen und Schullei-tern gibt es bei der Übernahme der Klassenleitung, Schulleiterinnen sind zu 70% Klassenlehrerin dagegen Schulleiter zu 50%.

Auf die Frage nach der Rangordnung der Tätigkeitsbereiche unterschei-den sich Männer und Frauen um weniger als 3% bei sechs der zwölf Tä-tigkeitsbereiche. Schülerinnen und Schüler erziehen und zu unterrichten sowie die Stundenplan- und Unterrichtsorganisation werden annähernd gleich gerne von Schulleiterinnen und Schulleitern ausgeführt. Signifikante Unterschiede liegen bei den Aufgaben der Haushalts- und Finanzorgani-sation und bei der Kooperation mit dem Schulträger vor, diese Tätigkeiten werden von Männern lieber ausgeführt als von Frauen.63

Die genannten Führungsvorstellungen könnten dazu verleiten, einen

`weiblichen` und `männlichen` Führungsstil im Sinne eines traditionellen Gegensatzpaares (Kooperation, Beziehungsorientierung vs. Macht,

Hierarchie) anzunehmen. Doch die Ergebnisse sind in mehrfacher Hinsicht vorsichtiger zu deuten, denn während Forbergs und Winterhager-Schmids Befunde einen Vergleich Frau – Mann nicht möglich machen, weisen Millers Ergebnisse eine nur geringe Differenz hinsichtlich der Ausgestal-tung des Führungshandelns aus.

In der Untersuchung von Kansteiner-Schänzlin (2002) werden schulform-übergreifend Lehrkräfte in Baden-Würtemberg über das wahrgenommene Führungsverhalten ihrer Schulleiterinnen und Schulleiter befragt. Mittels eines standardisierten Fragebogens werden aus den Rückmeldungen je-weils von drei Lehrerinnen und drei Lehrern einer Schule Führungsprofile ermittelt.

In ihren theoretischen Überlegungen stellt Kansteiner-Schänzlin zunächst ausführliche Befunde zur Personalführung in Unternehmen im Vergleich zur Personalführung in der Schule dar, sie resümiert, dass der Blick auf

60 Vgl. Forberg 1997, 13.

61 Ebd., 187.

62 Miller 2001.

63 Ebd., 261.

Führungskräfte im Wirtschaftbereich eine Zweigeteiltheit, wie sie oben an-gedeutet wurde, als nicht zutreffend herausgestellt.64

Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Wunderer (2003), seit Beginn der neunziger Jahre wurde in Unternehmen der Frage nach der Existenz eines `typisch weiblichen` Führungsstils nachgegangen. Wunde-rer (2003) befragt 700 Personen (Personalexperten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Führungskräfte) hinsichtlich dieser Einschätzung. Die weibli-chen und männliweibli-chen Führungskräfte wurden sehr ähnlich beurteilt. Ein

„kooperativer Führungsstil wird entgegen der Erwartung von Frauen nicht häufiger angewandt“.65

Die Ergebnisse der Untersuchung von Kansteiner-Schänzlin zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer hinsichtlich der meisten Kompetenzen keine Un-terschiede zwischen Schulleiterinnen und Schulleitern feststellen. Diffe-renzen bestehen aber im Bereich Kontrolle, Autorität und Leistungsbereit-schaft: „Schulleiter zeigen ein Mehr an Vertrauen und an Rückkopplung sowie ein Mehr an Autorität und ein Weniger an Kontrolle. (…)Viele Schul-leiter scheinen weniger einzufordern als ihre Kolleginnen und umgekehrt jedoch auch weniger zu unterstützen und zu investieren. (…) Das Mehr an Leistungsbereitschaft und Engagement der Schulleiterinnen und ihr Mehr an Förderung von Teams und Projektgruppen geht einher mit einem Mehr an Kontrolle und einem Weniger an Teilung der Entscheidungsmacht.“66 Gemeinsam ist den hier vorgestellten Studien, dass sie beabsichtigen, Frauen in Führungspositionen von Schule sichtbar zu machen und even-tuell stereotype Vorstellungen über Schulleiterinnen durch die Darstellung vielfältiger Berufsbiographien zu erweitern

Der Fokus Geschlecht wird in meiner Untersuchung nicht explizit themati-siert, spielt aber selbstverständlich immer eine Rolle. Da ich sowohl Schul-leiterinnen als auch Schulleiter befrage, kann es zu Äußerungen kommen, die diesen Aspekt aufgreifen, insofern dienen die Ergebnisse als Sensibili-sierung.

2.3 Zusammenfassung

Die hier dargestellten Forschungsergebnisse machen deutlich, dass das Amt der Schulleiterin/ des Schulleiters in den letzten Jahren in Deutsch-land verstärkt wahrgenommen worden ist und zu einer Reihe von For-schungsbeiträgen geführt hat. Im Hinblick auf den Forschungsgegenstand dieser Studie sind drei Untersuchungen von besonderer Bedeutung. Viele der vorliegenden sind organisationstheoretisch orientiert und versuchen zu klären, inwieweit die Amtsinhaber die Anforderungen der Schulentwicklung in ihre berufliche Handlungspraxis integriert haben. Baumert/ Leschinsky, Storath und Wissinger verweisen auf die Bedeutung einer Rollenidentität als Schulleiterin/ Schulleiter, in der sich die Akteure an einem veränderten Verständnis von Schule als lernender Organisation orientieren.

Im Unterschied zu den drei genannten Studien greift Neulinger (1991) das Problem der Professionalisierung auf. Er ermittelt bildungspolitische und

64 Vgl. Kansteiner-Schänzlin 2002,137.

65 Wunderer 2003, 249.

66 Kansteiner-Schänzlin 2002, 242.

pädagogische Einstellungen der Schulleiterinnen und Schulleiter und konstatiert einerseits eine fehlende Professionalität der Akteure, anderer-seits und dies ist im Rahmen der aktuellen Diskussion um Schulentwick-lung hin zur Einzelschule als Gestaltungseinheit von Bedeutung, dass die Einstellungen der Schulleiterinnen und Schulleiter keine Veränderungsbe-reitschaft im Sinne der Weiterentwicklung der Schule aufweisen. Beide Aspekte sind für meine Untersuchung von Interesse. Zu fragen wird sein, wie heutige Schulleiterinnen und Schulleiter mit dem hohen Verände-rungsdruck umgehen. Insbesondere die von ihm erörterten professions-theoretischen Ausführungen werde ich aufgreifen und weiter führen im Hinblick auf die Ambivalenz zwischen strukturellen und individuellen Prob-lemen der Schulleiterinnen und Schulleiter.

Bei all ihrer Unterschiedlichkeit und differenzierten Schwerpunktsetzungen ist festzustellen, dass in der Mehrzahl der Studien das Schulleitungshan-deln an den Vorstellungen einer optimalen Organisationsgestaltung, eines wirkungsvollen Führungshandelns und dem Erreichen von Schulentwick-lungsprozessen gemessen wird. Diese Inspektion der Schulleiterinnen und Schulleiter an Modellen der Schulentwicklung oder Konzepten der Quali-tätsverbesserung ist gewiss wertvoll und hat eine Menge wichtige Ergeb-nisse geliefert. In allen vorliegenden Untersuchungen wird die bedeutsa-me Rolle der Schulleiterinnen und Schulleiter betont. Ebenfalls wird in den Forschungsbeiträgen auf die Abhängigkeit des Schulleitungshandelns von veränderten Umwelterwartungen bzw. den daraus erwachsenen Innovati-onsdruck verwiesen.

Wie genau es den Akteuren in der Schule gelingen kann, diesen Anforde-rungen gerecht zu werden und welchen Stellenwert dabei neben der Be-wältigung des Alltagsgeschäftes die Schulentwicklung haben kann, dies ist eine wichtige Frage in meiner Untersuchung. Es gilt also, das Spannungs-verhältnis zwischen programmatischen Zielvorgaben und der alltäglichen Praxis in den Blick zu nehmen und dabei sowohl die Schulleiterinnen und Schulleiter selbst als auch die Rahmenbedingungen der Organisation Schule zu berücksichtigen.