• Keine Ergebnisse gefunden

1 Einführung

1.8 Material, Methoden und Begriffliches

1.8.5 Schneegrenzberechnungen und Aufnahme der Gletscherlängenänderungen

Die Bestimmung der zu den jeweiligen Gletscherstadien gehörigen Schneegrenzen bzw.

Schneegrenzdepressionen wurde mit der Absicht vorgenommen, zusätzlich zu den unmittelbar auf morphologischem Wege gewonnenen Kriterien, wie Lagebezüge, Dimensionen und Erhaltungs-/Verwitterungszustände, weitere Hinweise für mögliche Synchronitäten der an den verschiedenen Gletschern rekonstruierten Stadien zu finden.

Nachstehende Schneegrenzberechnungsmethoden wurden hierfür verwandt.

1.8.5.1 Die Schneegrenzberechnung nach VON HÖFER (abgewandelt)

Nach VON HÖFER (1879) berechnet sich die orographische Schneegrenze aus dem arithmetischen Mittel der mittleren Höhe der Gletscherkammumrahmung und der Höhe des Gletscherzungenendes. Um bei der Auswahl von auf dem Kammverlauf liegenden Höhenpunkten, aus denen sich das Mittel berechnet, nicht einem Zirkelschluss zu unterliegen, wird in Anlehnung an die Methode KUHLE (1986b) die VON HÖFERSCHE

Schneegrenzberechnung abgewandelt angewendet. Hierbei wird zunächst über die Methode LOUIS (1954/55) ein orographischer Schneegrenzverlauf berechnet. Dieser ermittelt sich aus arithmetischem Mittel des höchsten Gipfelpunktes im Einzugsgebiet und der Höhe des aktuellen oder einstigen Gletscherzungenendes. Die so bestimmte Schneegrenzhöhe fungiert als Basiswert für die Auswahl von Gipfelpunkten4 (die Anzahl dieser Punkte variiert je nach Länge des Kammverlaufs zwischen den zwei Punkten, in denen der Kamm den Basiswert schneidet), das heißt in die Berechnung der mittleren Kammumrahmung fließen lediglich Gipfel oberhalb dieses Basiswertes ein. Im Folgenden wird dann analog zu VON HÖFER (1879) die orographische Schneegrenze bestimmt.

Die Schneegrenzen und Schneegrenzdepressionen nach VON HÖFER (1879) (abgewandelt) werden als Vergleichshilfe bei der Einordnung der vorgefundenen Gletscherstadien schon im empirischen Teil (Kapitel 2) mit angeführt.

1.8.5.2 Die Schneegrenzbestimmung nach KUHLE

Bei der Methode KUHLE (1986b) finden die Neigungswinkel von Nähr- und Zehrgebiet Berücksichtigung. Diese Erweiterung erfolgt, da die Berechnung nach VON HÖFER (1879) bei verhältnismäßig flach angelegtem Akkumulationsgebiet und einer steil einfallenden zugehörigen Zehrgebietsoberfläche, wie es beispielsweise bei einer Plateauvergletscherung mit steiler Auslasszunge der Fall ist, zu einem zu niedrigen Ergebnis führt. Die nach VON

HÖFER rechnerisch ermittelte orographische Schneegrenze teilt den Gletscher hier wegen der Neigungsverhältnisse in ein zu großes Nähr- bzw. zu kleines Zehrgebiet auf. Die reale orographische Schneegrenze liegt in solch einem Fall höher. Bei umgekehrten Reliefverhältnissen, das heißt bei steilem Einzugsbereich (bedingt durch hohe und steile Gletschereinfassung) und flach einfallender Zehrgebietsoberfläche erhält man nach der

Methode VON HÖFER eine zu hoch verlaufende orographische Schneegrenze. Das Nährgebiet ist unterrepräsentiert. Die reale orographische Schneegrenze verläuft niedriger. Um jene verzerrende Winkeldifferenz bei der Schneegrenzberechnung zu berücksichtigen, erfolgt die Einführung eines empirisch (insgesamt wurden 223 Gletscher mit in die Untersuchungen einbezogen) ermittelten Faktors der Schneegrenzdifferenz (FSD), durch den die Umrechnung von rechnerischer Schneegrenze (nach VON HÖFER im Sinne von 1.8.5.1 [abgewandelt]) zu einem der realen Schneegrenze näherkommenden Wert vollführt wird (KUHLE 1986b).

Im Fall der Berechnung eines rezenten orographischen Schneegrenzverlaufs werden hierfür, ausgehend von der rechnerischen Schneegrenze, die Neigungswinkel des Nähr- (α) und des Zehrgebietes (δ) bestimmt. Aus α - δ ergibt sich die Winkeldifferenz mit der der FSD errechnet werden kann. Je nach Gletschertyp variiert die Funktion Winkeldifferenz  FSD jedoch. KUHLE unterscheidet daher vier Gletschergruppen5. Nach Ermittlung des FSD wird durch folgende Formel die reale Schneegrenze (Sr) berechenbar.

Sr = Sm - (FSD * Gletschervertikale/100)

Hierbei ist Sm die rechnerische Schneegrenze nach VON HÖFER (abgewandelt im Sinne von 1.8.5.1). Für die genaue Anleitung dieser Schneegrenzberechnungsmethode, insbesondere der Bestimmung von α und δ sowie der Kriterien zur Unterscheidung der vier Gletschergruppen, siehe KUHLE (1986b).

Über die Erfassung von vorzeitlicher Zungenendlage und der Gletscherpegelhöhe im Bereich der rechnerischen Schneegrenze kann nach der Methode KUHLE auch die vorzeitliche orographische Schneegrenze berechnet werden. Das Verfahren findet in Kapitel 3.2 zur Berechnung aktueller wie auch einstiger orographischer Schneegrenzverläufe Anwendung.

Auf Schneegrenzberechnungen mittels der Flächenteilungsmethode (AAR-Methode) (siehe GROSS et al. 1977) wurde verzichtet. Für die Berechnung einstiger Gleichgewichtslinienverläufe über ein festgesetztes Flächenverhältnis von Akkumulations- zu Ablationsgebiet (am häufigsten wird hierbei auf das alpentypische Verhältnis 2:1 zurückgegriffen) wäre die genaue Kenntnis der ehemaligen Gletscherfläche nötig. Lässt sich

4 Nach der VON HÖFERschenMethode (1879) berechnet sich die mittlere Kammumrahmungshöhe aus Gipfel- und Schartenpunkten. Hier werden, wie auch beide der Methode KUHLE (1986b), nur die Gipfelpunkte berücksichtigt.

5 Die von den KUHLschen (1986b) Funktionen (Winkeldifferenz  FSD) für diese vier Gletschergruppen abgeleiteten formelhaften Darstellungen finden sich in WAGNER (2007, Tab. 2).

der Eisrand für einen historischen Gletscherstand anhand von dem Zungenende verhältnismäßig nahe lagernden Lateralmoränenleisten zwar recht genau rekonstruieren, so fällt dies in einwärtiger Richtung randlich des Gletschers zunehmend schwerer. Ab einigen 100 m talaufwärts des Gletscherzungenendes kann wegen der Unzugänglichkeit bzw. des Fehlens von Eisrandindikatoren der ehemalige Gletscherrand nur noch ungefähr rekonstruiert werden. Da aus dem Arbeitsgebiet keine Angaben von realen Flächenverhältnissen bestehen, würde die Methode ohnehin eine anhaltslose Festlegung des AAR-Wertes bedürfen, die vor dem Hintergrund weltweit existierender sehr großer Schwankungsbreiten der tatsächlichen Relationen von Nähr- zu Zehrgebieten nicht ratsam schiene (siehe hierzu MEIER & POST

1962, S. 70 u. KUHLE 1986b, S. 41). Die Verwendung dieser Methode durch eine solche Festsetzung würde folglich selbst für aktuelle Schneegrenzberechnungen keinen höheren Genauigkeitsanspruch erfüllen als die Methoden von HÖFER (1879) oder KUHLE (1986b).

1.8.5.3 Relationen der Schneegrenzdepressionen

Da von einer Vielzahl gletscherindividueller Einflussfaktoren abhängig, die selbst bei der Methode KUHLE (1986b) nicht alle berücksichtigt werden können, ist die Aussagekraft von Schneegrenzdepressionen bezüglich einer möglichen Parallelisierung von historischen Gletscherständen zwischen verschiedenen Gletschern nur begrenzt (3.3.4). Um jene Einflüsse zu minimieren, werden die Depressionsbeträge zu den einzelnen Gletscherstadien zunächst ins Verhältnis gesetzt zu den Schneegrenzabsenkungen des jeweiligen Stadiums 1 (zur Ausgliederung des Stadiums 1 siehe 3.3.2). Die so für jeden Gletscher entstehenden Relationen werden dann mit denen anderer Gletscher verglichen.

1.8.6 Datierungstechniken